Der Sommer, der uns verband - Christie Ridgway - E-Book

Der Sommer, der uns verband E-Book

CHRISTIE RIDGWAY

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Beschreibung

Der ergreifende Auftakt zu Christie Ridgways sommerleichter Trilogie.

Eine ausgelassene Strandparty - und mittendrin ein sexy Mann mit ozeanblauen Augen und offenem Hawaiihemd: Das ist Griffin Lowell? Jane hat einen grüblerischen Einzelgänger erwartet, nicht diesen Traumtypen. Schließlich wurde sie engagiert, um Griffin in seinem Strandhaus beim Schreiben seiner Biographie zu helfen. Der allerdings will lieber feiern und seinen traumatischen Erinnerungen entfliehen - doch so schnell gibt Jane nicht auf, denn sie braucht den Job mehr als alles andere! Bei Strandspaziergängen im Mondschein gelingt es ihr tatsächlich, das Eis um Griffins Herz zum Schmelzen zu bringen. Aber während ihr berufliches Interesse bald tiefer Sehnsucht weicht, scheint er noch nicht bereit für die Liebe …

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Seitenzahl: 574

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Christie Ridgway

Der Sommer, der uns verband

Roman

Aus dem Amerikanischen von

Sonja Sajlo-Lucich

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2014 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Beach House No. 9

Copyright © 2013 by Christie Ridgway

erschienen bei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

ISBN eBook 978-3-95649-358-4

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Liebe Leserin, lieber Leser,

ein kalifornisches Mädchen möchte euch einladen, mit ihm an einen ganz speziellen kalifornischen Ort zu kommen … in eure eigene Hütte direkt am Strand. Wo der Pazifische Ozean an den Sand schwappt und eure nackten Füße mit seinen kühlen Wassern küsst. Der Schlüssel für Strandhaus Nr. 9 gehört euch. Schlagt die nächste Seite um, und schon seid ihr drin!

Es ist Jahre her, dass mir der Titel Strandhaus Nr. 9 in den Kopf schoss. Da ich jedoch mit anderen Dingen beschäftigt war, schrieb ich ihn auf einen Zettel, den ich dann an die Pinnwand in meinem Arbeitszimmer heftete. Dort hing er und wartete geduldig auf mich, bis ich von meiner Reise an der Küste entlang wieder zurückkehrte. Auf meiner Spritztour entdeckte ich eine wunderschöne Bucht, die mich zu der Crescent-Cove-Bucht in meiner Trilogie inspirierte. In den nächsten beiden Bänden werdet ihr mehr von der Nr.-9-Magie finden. Die Liebesgeschichten sind sexy und heiter, aber sicher wird auch die eine oder andere Träne fließen … was das Happy End dann umso schöner macht.

Jane Pearson, die Heldin in diesem Buch, ist alles, was ich an einer Frau bewundere und liebe. Sie ist talentiert, patent, und vor allem lässt sie sich nicht unterkriegen, auch nicht von einem umwerfend aussehenden, doch sensiblen Mann, der sein eigenes Päckchen zu tragen hat.

Griffin Lowell ist überzeugt, dass sie nicht die Richtige für ihn ist … Erlebt mit, wenn er herausfindet, wie falsch er damit liegt.

Und genießt den Sonnenschein!

Christie Ridgway

Für die Brüder in meinem Leben:

für meinen eigenen, meinen Mann und dessen Bruder,

für meine beiden Söhne.

Ich habe gesehen, was unter der harten Schale liegt –

tief gehende Familienbande und kühne und gleichzeitig

gefühlvolle, zärtliche Herzen,

so wie jeder der Helden in meinen Geschichten

eines in sich trägt.

Jetzt stecken wir also bis zum Hals drin, und alles hat sich geändert, auch unsere Einstellung zum Leben.

Ernie Pyle

Pulitzer-Preisträger und Kriegsberichterstatter

Liebe lockt deine Seele aus ihrem Versteck.

Zora Neale Hurston

Schriftstellerin des zwanzigsten Jahrhunderts

1. KAPITEL

Die salzhaltige Meeresluft sabotierte den Erfolg ihrer Mission, das wurde Jane Pearson schnell klar. Erstens begann sich ihr sonst glattes Haar zu kräuseln … was an sich vielleicht noch keine Katastrophe gewesen wäre, vermutete sie, als sie den mit zerbrochenen Muschelschalen bestreuten Pfad von der Küstenstraße hügelabwärts auf die pittoresken Strandhäuser von Crescent Cove zulief. Allerdings ruinierte die feuchte Luft zweitens auch den Sitz ihres Leinenkleids.

Zu Hause war ihr das Kleid mit den kurzen Ärmeln und dem hohen Kragen noch als die perfekte Wahl für ein wichtiges Geschäftstreffen an einem Juni-Nachmittag erschienen. Jetzt jedoch schwang der Stoff nicht mehr schmeichelnd um ihre Knie, sondern klebte an ihren Oberschenkeln. Sie fürchtete, bei ihrer Ankunft am Strandhaus Nr. 9 eher einem aufgeweichten Halloween-Geist mit struppigen nassen Haaren als einer nüchternen, sachlichen Karrierefrau zu gleichen.

Nun, auch egal, dachte sie. An ihrer Entschlossenheit konnte das nichts ändern. Trotz ihrer ramponierten Erscheinung würde sie nicht nachgeben, wenn sie erst dem Mann gegenüberstand, den sie hier zur Rede stellen wollte. Griffin Lowell hatte nicht auf ihre Anrufe reagiert – auf keinen einzigen der elf! –, und sie war nicht bereit, noch länger auf seine Antwort zu warten. Laut Aussage seines Agenten war der Autor mit dem Abgabetermin für seine Memoiren in Verzug. Jane war damit beauftragt worden, diesen kritischen Fall von Terminleugnung zu lösen und dem Schriftsteller dabei zu helfen, die Seiten seines Manuskripts in die richtige Form zu bringen. Es wurde höchste Zeit, endlich damit anzufangen.

Er brauchte sie.

Und du brauchst ihn, Jane, merkte eine kleine Stimme in ihrem Kopf an.

Sie ignorierte die unwillkommene Erinnerung und schaute sich stattdessen in der Gegend um. Nein, es war sicher keine Strafe, Crescent Cove besuchen zu müssen. Im Gegenteil, der Ort war eine äußerst interessante Entdeckung, noch dazu in diesem Teil Südkaliforniens, der für seine fantasielosen Bauprojekte berüchtigt war. Gleichförmige Wohnsiedlungen und Einkaufszentren schossen entlang des Highways wie beigefarbene Pilze aus dem Boden. Und was die roten Dachziegel aus Terrakotta anging … war eigentlich niemandem klar, dass man mit zu viel des Guten genau das Gegenteil erzielte?

Diese Strandkolonie hier dagegen wirkte wie aus einer anderen Zeit. Die ungefähr fünfzig unkonventionellen Bungalows und farbenfrohen Hütten waren Paradebeispiele traditioneller Strandarchitektur  – das hatte sie irgendwo gelesen  – und schmiegten sich an dem gut zwei Meilen langen Strandabschnitt an die Klippen. Alles machte einen heiteren, unbeschwerten Eindruck, abwechslungsreich wie die Bougainvillea, die hier wie Unkraut wucherten und deren Blütenfarben von hellstem Lachs bis zu tiefstem Scharlachrot reichten. Und all das wurde von dem nie endenden rhythmischen Wellenrauschen untermalt. Der Verkehrslärm des oberhalb vorbeilaufenden Highways wurde von einer Wand aus hohen Eukalyptusbäumen abgeblockt, deren an Hustensaft erinnernder Duft sich mit dem Geruch von Seetang, Sand und Ozean vermischte.

Ein schwarzer Labrador mit einem Batikhalstuch lief auf sie zu. Jane lächelte. Sie liebte Hunde, auch wenn sie nie einen besessen hatte. Als Kind war ihr Vater, der berühmte Wissenschaftler, der Meinung gewesen, Haustiere würden Kinder nur vom Lernen ablenken, und heute … Ihre Arbeitszeiten waren zu unregelmäßig, als dass sie sich um ein Haustier kümmern könnte.

„Hallo“, grüßte sie den Hund und streckte die Hand in seine Richtung aus. Er jedoch schlenderte einfach weiter und bog ohne einen Blick in ihre Richtung in eine Gasse zwischen den Häusern ab. Tja … noch ein männliches Wesen, das sich durch nichts von den eigenen Plänen abbringen ließ.

Sie ging weiter, näherte sich Nr. 9 von der Rückseite. Der Muschelweg führte bis an eine Doppelgarage, deren Tor in Meerschaumgrün gestrichen war. Einige Fahrräder lehnten an der mit dunkelbraunen Holzschindeln verkleideten Mauer. Sechs Autos parkten in der Nähe, die eine Hälfte Luxuslimousinen, die andere Hälfte in eher bedenklichem Zustand, aber alle hatten Dachgepäckträger, auf denen zwei oder mehr Surfboards festgezurrt waren, zwischen denen bunte Strandlaken steckten.

Hatte Griffin Lowell etwa Gäste? Bei dem Gedanken blieb Jane gute zwanzig Meter vor der Haustür abrupt stehen. Doch sicher nicht, oder? Sein Agent hatte ihr versichert, der Mann lebe wie ein Einsiedler, verweigere jeden Kontakt mit der Außenwelt, reagiere nicht auf Bitten um Rückrufe, ignoriere sowohl E-Mails als auch Textnachrichten sowohl von Freunden wie von der Familie. Jane konnte das aus eigener Erfahrung nur bestätigen.

„Bevor er sich in seine Tonne verkrochen hat und seither mit niemandem mehr kommuniziert, hatte ich ihm den Vorschlag unterbreitet, ihm jemanden zu schicken, der ihn bei seinem Buch unterstützt“, hatte Frank, der Agent, gesagt. „Und er hat sich einverstanden erklärt. Also machen Sie ihm Feuer unter dem Hintern, Jane. Und zwar richtig!“

Genau das hatte sie vor. In ihrem Job war sie exzellent, und nach der Katastrophe, in der ihr letzter Auftrag geendet war, hatte sie es bitter nötig, das zu beweisen.

Sie achtete sorgfältig darauf, dass ihre Peeptoe-Pumps mit dem halbhohen Absatz keine Schrammen abbekamen, während sie die nächsten Meter über den unebenen Muschelweg hinunterlief. Dann jedoch verharrte sie ein zweites Mal, atmete mehrmals tief durch und versuchte, die krausen Strähnen und den feuchten Leinenstoff ihres Kleids mit den Handflächen glatt zu streichen. Dass hier so viel auf dem Spiel stand, machte sie leicht nervös.

Ganz zu schweigen davon, dass sie auch noch auf diese Einsiedler-Geschichte Rücksicht nehmen musste. Griffin hatte ein Jahr lang mit den amerikanischen Truppen in Afghanistan zugebracht. Er musste Dinge gesehen und erlebt haben, die zweifelsohne Spuren bei ihm hinterlassen hatten – daher auch die Memoiren. Saß er etwa allein in der Hütte, den Blick starr auf den Ozean gerichtet, und grübelte düster über Gott und den Sinn der Welt nach? Bei der Vorstellung, in diese Szene hineinzuplatzen und seine Ruhe zu stören, wurde ihr noch mulmiger.

Du hast eine zweite Chance bekommen, Jane. Einen Rückzieher kannst du dir nicht leisten.

Mit diesem Mantra schaffte sie es immerhin bis zur Fußmatte vor der Tür. Die Matte sah aus wie eine Piratenflagge, und unter dem Totenkopf und den über Kreuz gelegten Knochen stand zu lesen: Ihr, die Ihr eintretet, lasset alle Hoffnung fahren.

Eine andere Frau hätte diese Warnung vermutlich zu den elf ignorierten Anrufen, ihren angespannten Nerven und ihrem ramponierten Aufzug hinzuaddiert und beschlossen, an einem anderen Tag wiederzukommen, um es mit dem Autor aufzunehmen. Jane aber reckte ihr Kinn und hob die geballte Faust an, um an die Tür zu klopfen.

Die wurde aufgezogen, noch bevor ihre Knöchel das Holz berührten. Ein Typ mit blonden Locken, barfuß und in gelben Surfshorts, starrte sie an. Aus dem Innern des Hauses drangen eindeutige Partygeräusche  – Rap-Musik, laute Stimmen, das Klirren einer zu Boden fallenden Bierflasche, woraufhin jemand fluchte wie ein gestandener Seemann. Hinter dem Beachboy gingen zwei Frauen vorbei, die identische Jeans-Miniröcke und winzige Bikinioberteile trugen. Beide hatten langes, mit Strähnchen aufgehelltes, perfekt frisiertes Haar und hielten hohe Gläser mit bunten tropischen Cocktails inklusive Fruchtscheiben und Schirmchen in den Händen. Jane mit der struppigen Frisur und dem schlaff herabhängenden Kleid würdigten sie keines Blickes. Irgendwo in dem Raum rief jetzt eine männliche Stimme lachend: „Mann, bin ich besoffen. Voll, breit, absolut dicht …“, und ein anderer rief: „Hey, Brittany, wie wär’s, wenn wir uns ausziehen und endlich zur Sache kommen?“

Aha. Der Mann, mit dem sie es zu tun hatte, war definitiv kein Einsiedler.

Die Augenbrauen fragend hochgezogen, musterte sie den Surfer. „Griffin?“

„Nee, ich bin Ted. Wollen Sie was von ihm?“

„Ja.“ Sollte sie jetzt froh oder enttäuscht sein, dass Beachboy nicht der Mann war, den sie suchte? „Ist er zu sprechen?“ Könnte ja sein, dass er sturzbetrunken oder gerade mit Brittany beschäftigt war.

„Für Sie? Immer.“ Beachboy deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Irgendwo da drinnen. Sie können ihn gar nicht verfehlen.“

Als sie an ihm vorbei über die Schwelle trat, brüllte der Typ in den Raum hinein: „Hey, Griffin, sieh nur! Der Getränkeladen nutzt jetzt kleine Bibliothekarinnen, um Chips und Schnaps auszuliefern!“

Auch wenn Ärger über den dummen Kommentar in ihr aufbrodelte … sie ignorierte ihn und schaute sich stattdessen um. Hier war definitiv eine Party in vollem Gange. Gut zwanzig Leute hatten sich in dem großen Wohnraum versammelt. An der einen Wand gab es einen offenen Kamin, ihm gegenüber lagen die gläsernen Schiebetüren, die auf die Veranda zum Ozean hinausführten. Da draußen hatte sich noch mehr Volk versammelt. Statt Rap begleitete ein Song von Jimmy Buffett Jane jetzt auf dem Weg durch die Menge. Sie überlegte, wie sie den Reporter „nicht verfehlen“ sollte. Er arbeitete für Zeitschriften und Magazine, im Fernsehen hatte sie ihn noch nie gesehen. Und auf dem Schwarz-Weiß-Foto von ihm, über das sie bei ihren Nachforschungen im Internet gestolpert war, war nur eine verschwommene Gestalt mit Soldatenhelm, Bomberjacke und verstaubter Sonnenbrille zu erkennen.

Für einen Moment verstummte die Musik, dann plärrte der Song wieder von vorn aus den Lautsprechern, gerade als Jane bei der Veranda angekommen war. Ihr Blick glitt nach rechts, angezogen von einem sich drehenden Mobile aus Treibholzstücken und ausgedienten Flip-Flops in den verschiedensten Farben. Unter diesem „Kunstwerk“ entdeckte sie ihn. Sie wusste nicht, weshalb sie so sicher war, doch sie hätte hundert Dollar darauf gewettet – die sie nicht hatte –, soeben Griffin Lowell gefunden zu haben.

In verwaschenen Cargo-Shorts, das Hawaiihemd offen stehend, lungerte er lässig zurückgelehnt auf einer Lederliege, die ihre beste Zeit längst hinter sich hatte. Zu beiden Seiten rahmten ihn vollbusige Bikini-Schönheiten ein. Er trug ein rotes Bandana wie ein Biker … oder besser, wie ein Pirat, denn an einem Ohr hing eine goldene Kreole, und auf beiden Seiten verdeckte eine Augenklappe seine Augen. Mit den Fingern umklammerte er eine Bierflasche, die er auf seinem durchtrainierten Bauch abgestellt hatte. Er schien zu schlafen. Oder vielleicht zu meditieren – falls Freibeuter so etwas taten.

Tief holte Jane Luft. „Griffin? Griffin Lowell?“

Seine freie Hand glitt zu seinem Schritt. Hektisch riss Jane den Blick los, doch dann wurde ihr klar, dass er nur in seine Tasche fasste. „Wie viel schulde ich Ihnen?“, brummte er. „Sie haben doch hoffentlich den Tequila mitgebracht, oder?“

„Und die Cherry Cola light“, meldete sich eine von den Bikini-Schönheiten. „Tequila trinke ich immer nur mit Cherry Cola light.“

Er verzog den Mund, wiederholte es dennoch. „Und die Cherry Cola light.“

Jane starrte den Mann kopfschüttelnd an. Es war schwer, überhaupt einen Eindruck von ihm zu bekommen, mit dem Bandana auf dem Kopf und diesen lächerlichen Augenklappen, die sein Gesicht halb verdeckten. Als sie genauer hinschaute, erkannte sie, dass auch das schwarze Plastik mit Jolly Roger verziert war. „Ich habe überhaupt nichts mitgebracht.“ Sie musste lauter sprechen, um die Musik zu übertönen. „Aber sagen wir es mal so: Sie schulden mir tatsächlich etwas, Griffin Lowell.“

Einen Moment stutzte er, dann schnellte die Rückenlehne der Liege vor und verscheuchte so die Bikini-Mädchen von den Armlehnen. Griffin streckte die Hand mit dem Bier aus, und eine von den beiden Bikinis nahm sie ihm ab. Jetzt hatte er beide Hände frei, um die Piratenverkleidung abzulegen: Ohrring, die beiden Augenklappen, dann das Bandana. Nun sah Jane ihn zum ersten Mal.

Großer Gott, dachte sie und schluckte.

Der Mann war unbestreitbar attraktiv. Das von der Sonne gebräunte Gesicht war ebenso schlank und kräftig wie seine Hände, die Züge markant, der Knochenbau sehr männlich. Dunkle Bartstoppeln bedeckten Wangen und Kinn, das Haar auf seinem Kopf war nicht viel länger, vielleicht nur einen Zentimeter. Und seine Augen … sie leuchteten aquamarinblau unter den dunklen Brauen hervor und musterten sie mit der Intensität eines Lasers. Reporter-Augen.

Zuerst schienen sie kalt zu glitzern, doch während sein Blick weiter über Janes Gesicht wanderte, über ihren Mund, den hochgeschlossenen Kragen, der ihr plötzlich zu eng schien und ihr die Luft abschnürte, weiter über ihr zerknittertes Kleid und zu den Knien, die nachgeben wollten, begann ihre Haut förmlich zu glühen. Zentimeter um Zentimeter errötete sie, es erinnerte sie an die Warnfeuer, die man früher angezündet hatte, um die Ankunft des Feindes zu signalisieren. Eine Kettenreaktion, um jeden – in ihrem Fall jede Nervenzelle – vorzuwarnen. Jane hatte allerdings auch gehört, dass Piraten diese Feuer ebenfalls genutzt hatten, um Schiffe in gefährliche Gewässer zu locken, wo sie auf Grund liefen und sanken.

Der Gedanke hätte sie erschaudern lassen sollen, stattdessen durchströmte sie eine neue Hitzewelle. Sie konnte tatsächlich fühlen, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten und sich zu Locken kräuselten, die sie noch nie in ihrem Leben gehabt hatte.

Sie räusperte sich – das war bestimmt besser, als sich verlegen den Nacken zu massieren. „Sie haben nicht auf meine Anrufe reagiert“, sagte sie streng. „Daher blieb mir nichts anderes, als persönlich zu kommen, um mich mit Ihnen über Ihr Buch zu unterhalten.“

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, schien er sich zu verschließen und ließ sich wieder auf der Liege fallen. „Kein Interesse.“ Er streckte die Hand nach seinem Bier aus und leerte es in einem Schluck.

Jane ließ sich von seinem rüpelhaften Verhalten und den geschlossenen Augen nicht aufhalten. „Sie haben einen Vertrag für Ihre Memoiren unterzeichnet.“ Sie zwang sich, ihre Stimme freundlich klingen zu lassen. „Aber Sie müssen das nicht allein durchstehen. Deshalb bin ich hier – für Sie. Zu Ihrer Unterstützung.“

Als er jetzt die Lider hob, schaffte sie es sogar, aufmunternd zu lächeln. Erneut musterte er sie von Kopf bis Fuß. Unwillkürlich presste sie die Lippen zusammen. Innerlich krümmte sie sich. Als er wieder eindringlich auf ihren Mund starrte, biss sie sich auf die Unterlippe, um das seltsame kleine Wimmern zurückzuhalten, das in ihrer Kehle hochstieg. Und das ebenso bizarr war wie der ungewöhnliche Impuls, die Beine in die Hand zu nehmen und zu rennen, so weit sie konnte.

Du kannst dir einen Rückzieher nicht erlauben, Jane.

Diese kleine Stimme in ihrem Kopf hatte die gleiche Wirkung wie ein Eimer kalten Wassers. „Sie haben demnächst Manuskriptseiten abzugeben“, rief sie Griffin in Erinnerung. Sie hatte sich wieder im Griff. „Mich hat man damit beauftragt, Ihnen zur Seite zu stehen und zu helfen, dass Sie Ihre Fristen einhalten.“

Er legte den Kopf leicht schief, der Mangel an Begeisterung war ihm deutlich anzusehen.

Trotzdem fuhr sie fort: „In diesem Sinne stehe ich zu Ihrer vollständigen Verfügung und werde Sie mit allem versorgen, was Sie brauchen.“ Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass manchmal auch ein Tritt in den geschätzten Autorenhintern dazugehörte – eine Vorstellung, die mehr und mehr an Reiz gewann.

„Ach, tatsächlich?“, fragte er und schaute sie träge an. „Das Einzige, was ich brauche, Engelchen, sind eine Flasche Tequila, noch ein Sixpack Bier und eine Nacht mit heißem Sex.“ Jetzt wackelte er anzüglich mit den Augenbrauen. „Was ist, haben Sie Lust?“

Jane konnte nicht mehr als ein ersticktes Schnauben ausstoßen, da rief jemand aus dem Haus nach ihm. Dann war er auch schon verschwunden und ließ Jane allein zurück mit einer leeren Liege und den beiden Bikini-Schönheiten.

„Wurde aber auch Zeit“, meinte die eine. „Ich hoffe, das ist jetzt die Cherry Cola light.“ Sie schlenderte davon, vermutlich, um nachzuschauen.

Die zweite Bikini-Schönheit lächelte Jane an – die es tatsächlich schaffte, zurückzulächeln. „Nette … äh … Party. Gibt es einen besonderen Anlass?“

Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „Ist heute Dienstag?“

„Um genau zu sein … wir haben bereits Mittwoch“, antwortete Jane.

„Oh.“ Die andere massierte sich die Stirn. „Ich habe überhaupt kein Zeitgefühl mehr. Endspurt, Sie wissen schon …“

Musste man etwa spezielle Prüfungen ablegen, um die Sonnenbänke in Bräunungsstudios zu bedienen? „Sie sind Studentin?“

„Abschlussarbeit. Meeresbiologie.“ Dann brach sie in Gelächter aus. „Sie müssten mal Ihr Gesicht sehen! Nein, war nur ein Witz. Ich bin Kosmetikerin.“

In puncto Aussehen brauchte die junge Frau wohl niemanden, der ihr sagte, wo es langging. Sie war der Schmollmund-Typ mit ausladender Oberweite, der in Seifenopern mitspielte. Oder die Titelseiten der Maxim schmückte. „Besuchen Sie Griffin oft?“

„Das hier ist die Partyzentrale. Der Freund meiner Freundin geht mit ihm surfen, also feiern wir hier alle zusammen. Er scheint nichts dagegen zu haben.“

Was nur bestätigte, dass er nicht gerade konzentriert an seinem Manuskript arbeitete. Inzwischen hatte er wohl genug Zeit gehabt, um die Schnapslieferung anzunehmen, also entschuldigte Jane sich und machte sich auf die Suche nach ihm. Es dauerte eine Weile, bevor sie sich versichert hatte, dass er weder in der Küche noch in einem der Schlafzimmer war, auch nicht im Bad oder in der Garage, wo sich eine andere Gruppe Partygänger zu irgendeinem Trinkspiel um den aufgestellten Tisch versammelt hatte. Bei ihrem zweiten Rundgang durchs Haus stellte sie fest, dass er sich unbemerkt an ihr vorbeigeschlichen hatte. Mit geschlossenen Augen lümmelte er auf einer Liege in der Ecke der Veranda und hielt eine frische Flasche Bier in der Hand.

Davon ließ Jane sich jedoch nicht von ihrer Mission abbringen. Sie zog einen der Plastikstühle heran, setzte sich neben ihn und schob sich die krausen Strähnen hinter die Ohren. Er rührte sich nicht.

Sie räusperte sich und starrte ihn durchdringend an, aber auch das rief keine Reaktion bei ihm hervor. Nichts drang durch den Kokon, in den er sich zurückgezogen hatte. Vermutlich wäre es klug, einfach zu warten und ihn damit aus der Reserve zu locken, allerdings kannte auch ihre Geduld ihre Grenzen. Er hatte eine Frist einzuhalten und sie ihren Ruf wiederherzustellen.

Noch ein Räuspern. „Griffin.“

„Engelchen.“ Nur seine Lippen bewegten sich.

Geräuschlos mahlte sie mit den Zähnen. „Hören Sie. Sie haben Ihrem Agenten gesagt, dass Sie jemanden brauchen, der Ihnen mit dem Manuskript hilft. Deshalb bin ich hier, damit verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt.“

Als er noch immer schwieg, wurde sie etwas lauter. „Ich bin Buchdoktor“, verkündete sie. „Ich heiße Jane.“

Das schien immerhin zu ihm durchzudringen, seine Augen öffneten sich kurz zu schmalen Schlitzen, und als er sie wieder schloss, zuckte einer seiner Mundwinkel in die Höhe. „Natürlich heißen Sie so.“

Seinen amüsierten Ton ignorierte sie, es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie eine solche Reaktion erhielt. Sie sah auch aus wie eine Jane. Ihr einer Bruder Byron, ein ebenso ernster und anerkannter Wissenschaftler wie ihr Vater, ähnelte mit seinem dramatischen Aussehen tatsächlich seinem literarischen Namensgeber. Und der andere Überflieger, der ebenfalls ihr Bruder war, Philip Marlowe Pearson, könnte wirklich als hartgesottener Detektiv durchgehen, obwohl er in der medizinischen Forschung viel mehr daran interessiert war, DNS-Stränge zu identifizieren als Verbrecher. Und genau wie bei ihren Brüdern passte auch ihr Name zu ihrem Äußeren. Das schmutzig-blonde Haar, das hübsche, aber unauffällige Gesicht und die schlichten grauen Augen verrieten eigentlich schon alles – eine zurückhaltende, damenhafte Jane.

Wäre ihre Mutter nicht schon gestorben, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hätte sie sie wohl irgendwann gefragt, weshalb sie nicht einen exotischeren Namen für die einzige Tochter gewählt hatte. Würde sie vielleicht anders aussehen, wenn man sie Daisy oder Delilah genannt hätte?

Nichtsdestotrotz drängte sich Jane der Verdacht auf, dass Griffin Lowell sie auch dann ignorieren würde, wenn sie wie Scheherazade aussähe. Außerdem war er es, der Geschichten zu erzählen hatte. „Was nun Ihr Buch betrifft …“, begann sie.

„Darüber kann ich im Moment nicht sprechen.“

„Wieso? Sie haben doch gerade Zeit.“

Noch immer waren seine Augen geschlossen. „Ich habe Gäste.“

„Die längst ihre Cola light bekommen haben“, merkte sie spitz an. Unverständlich, weshalb sie so verärgert war, nur weil sie die andere Frau jetzt am gegenüberliegenden Ende der Veranda erblickte. Die Schönheit beugte sich vor, um sich ein paar Sandkörnchen von der Wade zu wischen, und fast hätten die winzigen Dreiecke ihres Bikinioberteils die vollen Brüste nicht mehr gehalten.

„Es scheint nicht, als müsste sie auf ihr Gewicht achten, oder?“ Die Augen jetzt weit offen, schaute er in die gleiche Richtung wie Jane.

„Dazu habe ich keine Meinung“, sagte sie spröde.

Er schnaubte. „Sie klingen sogar wie eine Gouvernante.“

Sie lächelte schmal. „Das ist bei meiner Arbeit durchaus hilfreich.“

„Meinen Sie?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und schlug die Beine an den Knöcheln übereinander – die verkörperte Nonchalance. „Ich glaube eher, Sie hätten mehr Erfolg, wenn Sie lockerer wären. Warum suchen Sie sich nicht im Haus einen Badeanzug und holen sich einen Drink? Dann reden wir.“

Sie kniff die Augen zusammen. Für den Moment würde sie vorgeben, mitzuspielen. „Und Sie sind noch hier, wenn ich zurückkomme? Kann ich mich darauf verlassen?“

Er wandte das Gesicht ab. „Machen wir einen Termin für nächste Woche aus.“

Ja, sicher. Nachdem sie ihn jetzt gesehen hatte und wusste, wie er hauste, würde sie ihm keinen Zentimeter Freiraum mehr lassen. Er wollte sich nur herauswinden. Sein Agent hatte völlig recht: Der Mann verweigerte sich. „Sie müssen sofort mit der Arbeit anfangen, Griffin, sonst können Sie den Abgabetermin nicht halten. Die erste Hälfte hat bis zum Ende des Monats vorzuliegen.“

Er ignorierte die Bemerkung und studierte angelegentlich das Etikett auf der Bierflasche. „Buchdoktor also, was? Sind Sie mit Vokabular und Grammatik vertraut?“

„Natürlich. Aber meine Arbeit besteht aus mehr als nur …“

„Sind Sie wirklich vom Fach?“, fiel er ihr ins Wort. „Können Sie humulus lupulus buchstabieren? Wissen Sie, was es mit saccharomyces uvarum auf sich hat?“

Sie mühte sich um Geduld. „Solange Sie keine Abhandlung über das Bierbrauen schreiben wollen, über Lager im Besonderen, wird wohl keiner dieser Begriffe auftauchen, oder?“

Er stutzte kurz, dann schüttelte er den Kopf. „Fein. Reden wir über Interpunktion, zum Beispiel Kommas …“

„Kommas oder Kommata, beides ist zulässig. Und die feinen Unterschiede, die Journalisten von Autoren unterscheiden, sind mir ebenfalls bewusst.“

„Aber …“

Sie ließ sich nicht von ihm unterbrechen, sondern fachsimpelte eine Weile und verblüffte ihn mit ihrem Wissen. „Habe ich den Test bestanden?“ Sie wartete auf seine Antwort.

„Hören Sie …“ Er wirkte plötzlich erschöpft. „Ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden.“

Sie sah sich um, erfasste das dürftig bekleidete, junge und schöne Strandvolk, das sich auf seiner Veranda tummelte und den Spirituosen frönte, während die Sonne am Horizont langsam im Meer versank. „Ihr Bedürfnis nach Ruhe und Frieden wäre vielleicht etwas glaubhafter, wenn Sie nicht inmitten so vieler Menschen hockten und Ihre Gäste Ihr Haus nicht als ‚Partyzentrale‘ bezeichnen würden.“

In seinen Augen funkelte es auf. „Das geht Sie nichts an.“

Hoppla. Sicher, dass sie und ihre Klienten immer einer Meinung waren, war eher nicht zu erwarten, aber unverhohlener Feindseligkeit war sie bisher noch nie begegnet. Die würde ihre Arbeit auch nur unnötig erschweren. Also rutschte sie mit ihrem Stuhl näher an ihn heran und drehte sich so, dass sie ihm direkt gegenübersaß. „Griffin …“, begann sie und legte ihm, wie jede gute Gouvernante es mit ihrem trotzigen Schüler machen würde, die Hand auf den Oberschenkel.

In diesem Moment passierte etwas Seltsames: Ein elektrischer Funke sprang über und lief ihren Arm hinauf. Ihre Blicke trafen sich, wichen einander hastig aus und schienen miteinander zu verschmelzen. Jane fühlte sich wie gelähmt, als ein neuerlicher Stromstoß durch ihren Arm schoss, sie war unfähig, sich zu bewegen, starrte Griffin noch immer an. Und es verwirrte sie zutiefst. Das andere Geschlecht rief keine solch starken körperlichen Reaktionen bei ihr hervor. Nie. Bisher war sie immer der Meinung gewesen, dass sie über solchen Dingen stand. Es waren Geist und Verstand, die sie an einem Mann interessierten, nicht die Tatsache, dass er … dass er ein Mann war.

„Griff“, rief jemand, dann noch einmal lauter. „Hey, Griff!“

„Was?“ Er rührte sich nicht, Jane immer noch tief in die Augen schauend.

„Sammy springt jetzt“, verkündete die Stimme.

„Schön. Er soll sich vor den Felsen in Acht nehmen“, erwiderte er tonlos.

„Er sagt, er will deinen Rekord brechen. Er behauptet, er schafft es.“

Griffin zuckte zusammen. Die Bewegung riss auch Jane aus ihrer Starre, hektisch zog sie ihre Hand zurück. Mit einem Ruck wandte Griffin den Kopf zu dem Mann, der neben ihnen aufgetaucht war. „Was meintest du?“

Es war Beachboy, der, der die Tür geöffnet hatte. Ted. Mit ausgestrecktem Arm zeigte er zum Südende der Bucht. Jane entdeckte eine Handvoll Gestalten, die die Klippen hinaufkletterten. „Sammy sagt, er springt von einer Stelle, die zwei Meter höher liegt als die, von der du zuletzt gesprungen bist.“

Griffin warf einen Blick über die Schulter. „Sammy ist betrunken.“

Beachboys Locken hüpften, als er nickte. „Deshalb redet er ja auch solchen Blödsinn. Aber ich glaube, er meint es ernst. Dieses Mal will er dich unbedingt schlagen.“

„Mich schlagen? Von wegen!“ Abrupt erhob sich Griffin und schwang sich über das Geländer auf den Sand. „Halte deine Kamera bereit“, wies er den anderen Mann an, riss sich das Hemd vom Körper und rannte los.

Jane wurde klar, dass sie zu viel Zeit mit britischen Majoren und Akademikern verbracht hatte. Die zogen Golf und Einkaufsbummel auf dem Biobauernhof vor. Die stürzten sich nicht in schäumende Wellen und kletterten auch keine Klippen hinauf, wobei man ein faszinierendes Muskelspiel zu sehen bekam. Die stießen keine lauten Urschreie aus und ließen sich von einem Felsvorsprung in die Brandung fallen.

Doch gleich mehrere von Griffins Partygästen taten jetzt genau das, und zwar aus verschiedenen Höhen. Jane stellte fest, dass sie den Atem anhielt, während sie beobachtete, wie einer nach dem anderen in die Tiefe sprang. Ihre erste Reaktion wäre mit einem Wort wohl am besten zusammengefasst: Wozu? Allerdings musste sie zugeben, dass, nachdem die ersten wieder an den Strand zurückgeschwommen kamen, dieses Unterfangen einer gewissen … nun, einer gewissen erregten Euphorie nicht entbehrte.

Irgendwann befanden sich nur noch zwei Männer auf den Klippen. Einer davon, so vermutete Jane, musste der betrunkene Sammy sein, der andere war Griffin. Sie standen Seite an Seite, der Wind zerrte an ihren Shorts.

„Griff sollte ihm das ausreden“, murmelte einer der Partygäste, die sich alle gespannt am Verandageländer versammelt hatten und zu den Klippen starrten. „Sicher wird er den Rekord brechen, wenn er aus der Höhe springt, aber Sammy ist so blau, dass ihm wahrscheinlich nicht klar ist, wie viel weiter er nach vorn springen muss, um in tieferem Wasser zu landen.“

Sollte Griffin versucht haben, den anderen Mann zur Vernunft zu bringen, so hatte er damit offensichtlich keinen Erfolg. Ein kollektives Nach-Luft-Schnappen ertönte auf der Veranda, sowie Sammy sprang. Alle Augenpaare verfolgten seinen Fall ins Wasser … nur Jane hielt den Blick auf den Gastgeber gerichtet, der noch höher auf die Klippen kletterte.

„Sucht Griffin nach einem Platz, um seinen Freund besser sehen zu können?“, fragte sie Beachboy neben sich.

„Nein.“ Der Typ seufzte, als Griffin auf einem in die Luft hinausragenden Felsvorsprung stehen blieb. „Er legt die Latte höher. Aus der Höhe ist noch keiner gesprungen. Das könnte wirklich …“ Er sprach den Satz nicht zu Ende, aber seine Miene sagte sowieso mehr, als er mit Worten hätte ausdrücken können.

Es könnte wirklich gefährlich sein.

Schockiert kniff Jane die Augen zusammen. Sicher, die unkooperative Haltung ihres neuesten Schützlings und sein Hang zu orgiastischen Biergelagen hatten ihr Sorge bereitet, dennoch war sie zuversichtlich gewesen, dass sie es schaffen würde, Griffin Lowell zu konzentriertem Arbeiten zu bewegen. Schon vor Langem hatte man ihr eingetrichtert, dass Versagen keine Option war. Jetzt wurde allerdings deutlich, dass das wohl komplizierter werden könnte und von ihr mehr verlangt wurde, als nur immer wieder an den Abgabetermin zu erinnern und mit dem Rotstift in der Hand bereitzustehen.

Dieser Mann war nicht nur einfach ein Schriftsteller mit Schreibblockade, er ging auch impulsiv unnötige Risiken ein, weil ein überproportional entwickeltes Konkurrenzdenken in ihm steckte.

Oder eine voll ausgewachsene Todessehnsucht.

2. KAPITEL

Der Fernseher lief noch immer, als Griffin aufwachte, genau wie jeden Morgen. Ohne die Augen zu öffnen, tastete er nach der Fernbedienung und drehte die Lautstärke auf. Es war völlig egal, was lief– Cartoons, Nachrichten, was auch immer. Der Geräuschpegel war nur dazu gedacht, die Stimmen in seinem Kopf zu übertönen. Nein, er war nicht schizophren, er hatte lediglich ein überentwickeltes Erinnerungsvermögen. Und diese Erinnerungen hatten die Unart, ständig in seinem Hinterkopf abzulaufen, solange er sie nicht vierundzwanzig Stunden am Tag mit Nachrichten, lauter Musik oder einer Party, bei der der Alkohol in Strömen floss, übertönte.

Die Partyzentrale zu sein hatte eindeutig seine Vorteile.

Von denen auch andere profitierten, wie er auf dem Weg zur Küche registrierte. Einer seiner Surf-Kumpel, Ted, schlief– mit einem Strandlaken zugedeckt und einem Bikinioberteil in der Hand– im Wohnzimmer auf dem Fußboden.

Weder von dem Bikinihöschen noch von der Frau, zu der die D-Körbchen gehörten, war eine Spur zu entdecken. Griffin zuckte mit den Schultern und stupste Ted mit der Spitze seiner Flip-Flops an. „Hey.“

Ted, verärgert über die Störung, schlug mit dem Bikinioberteil nach Griffins Knöcheln. „Heute ist doch keine Schule, Mom“, murmelte er.

Auch wenn der Fernseher aus dem anderen Raum laut und deutlich zu hören war, zog Teds gemurmelte Bemerkung Griffin sofort zurück in den Unterstand aus Holz und Sandsäcken in einem entlegenen Dorf im Norden Afghanistans. Soldaten schliefen Seite an Seite, und irgendjemand redete immer im Schlaf. Mit der Mutter.

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