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Die vorliegenden Gedichte sind aus der Begegnung mit den Briefen von Louise Jacobson an ihre Familie entstanden. Mit 16 Jahren wurde sie 1942 in Frankreich verhaftet und von den Nationalsozialisten in Auschwitz ermordet. Louise spricht unmittelbar aus den Gedichten heraus. Immer wieder mischen sich aber die Stimmen der anderen Toten des Holocausts und die des Autors selbst in die beeindruckenden Texte. Die Sprache wirkt dabei wie ein Seismograph,, der die leisen Beben der anscheinend längst verschwundenen Leben aufzeichnet.
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Seitenzahl: 34
Veröffentlichungsjahr: 2025
Zu den Gedichten
Im Frühjahr 1991 besuchte ich die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar. Ich war mit dem Auto unterwegs und erfuhr während der Fahrt aus dem Rundfunk von den Briefen der Louise Jacobson, die, erst 16 Jahre alt, zuerst in Frankreich im Lager Drancy interniert und später in Auschwitz von den deutschen Nationalsozialisten ermordet wurde.
Noch ganz unter dem Eindruck der glockenhellen, aber doch auch flehenden Sprache des Mädchens, kam ich in Buchenwald an. Es war kalt an diesem Tag und windig. Sonne und Regen wechselten einander ab… Und so fand ich mich auf einmal auf dem Lagergelände im gleißenden Licht von perlenden Regenkristallen überall auf den Steinen wieder, an den Gräsern und den verdorrten Strünken aus dem Vorjahr… und konnte mich dem Eindruck nicht entziehen, es hätten soeben die Toten aus der noch immer wunden Erde die Augen aufgeschlagen.
Louise Jacobson war in Auschwitz umgekommen, das wusste ich, aber das spielte in diesen Sekunden keine Rolle: Sie war da! Ihre Briefe, ihre Stimme waren da… und hatten sich mit den Sicker- und Tropfgeräuschen des Regenwassers verschwistert. Diesen Augenblicken habe ich die Sprache abgelauscht, in der sie sich ein wenig aufhalten konnte.
Die ersten Verse entstanden an Ort und Stelle. Die anderen brauchten mehr Zeit: Wochen, manche Monate! Alle wurden aber unter dem Stern dieses einen Wetteraugenblicks geschrieben. Durchsonnt manchmal, durchfroren von den Schatten einer Gegenwart, die nicht zu fassen war, mich aber doch ganz selbstverständlich anrührte und in meinen Notizen eine Stimme bekam: Einem Atem ähnlich… und so vertraut, als spräche die „andere Seite“ meines Daseins mit mir! Und als hätte ich mit den Zeilen, die ich eben zu schreiben begonnen hatte, ein Versprechen einzulösen…
Ich erinnere mich noch gut daran, wie mir, während des Schreibens der Gedanke kam, ich könnte hier im Lager einmal zuhause gewesen sein… und wie ich das, eher träumend als wach, zu fassen versuchte! Wie ich scheiterte damit und doch nicht loskam von dem trostlosen Gelände und seiner, überall, von versuchten Leben durchatmeten Luft. Auch später nicht, in den Wochen danach und auch bis heute nicht, wo sich die Gedichte, nun schon vor so langer Zeit geschrieben, in dem vorliegenden Bändchen zusammengefunden haben.
Aber wenngleich ich nie wirklich in diesem Lager zuhause war, so sind sie doch die Stimmen, mit denen seine kahlen Wege und steinernen Beete mit mir gesprochen haben weil... nun, weil ja dort nichts beendet, nichts fertig geworden ist und sich das Ungesagte, Ungelebte immer wieder aus der Erde drängt.
Es würde mich nicht wundern, dass, wenn einer das Bändchen nach Jahren noch einmal zur Hand nähme, dass sich dann ganz andere Gedichte darin fänden, wer weiß, in einer anderen Sprache und von jemand Anderem verfasst. Denn eines ist klar: Dass das Geschehene durch alle Sprachen hindurch muss, deren die Welt fähig ist, ehe es verebbt… und es uns dann vielleicht einmal, wie die müde gewordene Dünung des Meeres vor die Füße spült…
Zu den Bildern und Texteinschüben
Die Bilder sind sämtlich einem Zyklus entnommen, der die Lebensstationen von der Geburt über den Tod bis zur Verklärung darstellt. Ich habe ihn nicht zur Illustration der Gedichte gemalt, sondern nur hinzugenommen, weil er mir bei der Gestaltung des Bändchens immer wieder einfiel und er den Versen von da an nicht mehr von der Seite wich.
Ebenso markieren die eingeschobenen Texte keine Kapitel. Es sind nur, den Gedichten entnommene Augenblicke, in denen man innehalten und sich ein wenig Zeit für das Weitere lassen kann...
Der Autor
Die getraut ist
Das Regenherz
Seid ihr noch da?
Aufgefahren jäh
Zwischen Blatt und Stein
Gefrorenes Moos
So jung, so
Das ist die Liebe, ja?
Seid immer so erstaunt
Im Draht
Die blinden Fenster
Stirn noch eben
Woher, sag
Lauter Scherben
Hinaus gesehen
Die Liebe
Ich sehe alles
Vergeßt mich so
Sag du’s, wer
Das Glück
Ich bin so wach
Im Traum
Habt mich vergessen?
War noch ein Gott
Ascheflügel
Ein Träumen
Dieser Glaube
Kein Mensch
Hier ist am Ende
In deiner Liebe
Kein Träumen
Mein Herzschlag
Du warst so jung
Das kennt mich
Kein Lied
Die Augen wie
Jetzt hängen die Blätter
Wie Schnee seid ihr