Der Streit der Facultäten - Immanuel Kant - E-Book

Der Streit der Facultäten E-Book

Immanuel Kant

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Beschreibung

Der deutsche Philosoph Immanuel Kant, einer der bedeutendsten Vertreter der Aufklärung, begründete mit seinem Werk "Kritik der reinen Vernunft" die moderne Philosophie. – der Wendepunkt in der Philosophiegeschichte. In dieser Streitschrift nun formuliert Kant Gedanken zu den Geistes- und Naturwissenschaften: So kommt es nicht auf die nicht auf Nützlichkeit, sondern auf Wahrheit an, Wissenschaft solle unabhängig von Zensur oder staatlichen Vorgaben sein. Zum unbestrittenen Kanon der Weltliteratur gehört dieses Meisterwerk eines Ausnahmekünstlers mit anhaltendem und vielfältigem Einfluss auf den lesenden Menschen und die Literaturgeschichte – bis heute. Spannend und unterhaltend, vielschichtig und tiefgründig, informativ und faszinierend sind die E-Books großer Schriftsteller, Philosophen und Autoren der einzigartigen Reihe "Weltliteratur erleben!".

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Der Streit der Facultäten

in drei Abschnitten

Inhaltsverzeichnis
Der Streit der Facultäten
Vorrede
Erster Abschnitt. Der Streit der philosophischen Facultät mit der theologischen.
Eintheilung der Facultäten überhaupt.
Vom Verhältnisse der Facultäten.
Erster Abschnitt. Begriff und Eintheilung der oberen Facultäten.
A. Eigenthümlichkeit der theologischen Facultät.
B. Eigenthümlichkeit der Juristenfacultät.
C. Eigenthümlichkeit der medicinischen Facultät.
I. Materie des Streits.
II. Philosophische Grundsätze der Schriftauslegung zur Beilegung des Streits.
III. Einwürfe und Beantwortung derselben, die Grundsätze der Schriftauslegung betreffend.
Allgemeine Anmerkung.
Von Religionssecten.
Friedens-Abschluß und Beilegung des Streits der Facultäten.
Zweiter Abschnitt. Der Streit der philosophischen Facultät mit der juristischen.
Erneuerte Frage: Ob das menschliche Geschlecht im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei.
1. Was will man hier wissen?
2. Wie kann man es wissen?
3. Eintheilung des Begriffs von dem, was man für die Zukunft vorherwissen will.
4. Durch Erfahrung unmittelbar ist die Aufgabe des Fortschreitens nicht aufzulösen.
5. An irgend eine Erfahrung muß doch die wahrsagende Geschichte des Menschengeschlechts angeknüpft werden.
6. Von einer Begebenheit unserer Zeit, welche diese moralische Tendenz des Menschengeschlechts beweiset.
7. Wahrsagende Geschichte der Menschheit.
8. Von der Schwierigkeit der auf das Fortschreiten zum Weltbesten angelegten Maximen in Ansehung ihrer Publicität.
9. Welchen Ertrag wird der Fortschritt zum Besseren dem Menschengeschlecht abwerfen?
10. In welcher Ordnung allein kann der Fortschritt zum Besseren erwartet werden?
Beschluß.
Dritter Abschnitt. Der Streit der philosophischen Facultät mit der medicinischen.
Von der Macht des Gemüths durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein.
Ein Antwortschreiben an Herrn Hofrath und Professor Hufeland.
Grundsatz der Diätetik.
1. Von der Hypochondrie.
2. Vom Schlafe.
3. Vom Essen und Trinken.
4. Von dem krankhaften Gefühl aus der Unzeit im Denken.
5. Von der Hebung und Verhütung krankhafter Zufälle durch den Vorsatz im Athemziehen.
6. Von den Folgen dieser Angewohnheit des Athemziehens mit geschlossenen Lippen.
Beschluß.
Nachschrift.
Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raum

Dem Herrn Carl Friedrich Stäudlin, Doctor und Professor in Göttingen, zugeeignet von dem Verfasser.

Vorrede

Gegenwärtige Blätter, denen eine aufgeklärte, den menschlichen Geist seiner Fesseln entschlagende und eben durch diese Freiheit im Denken desto bereitwilligern Gehorsam zu bewirken geeignete Regierung jetzt den Ausflug verstattet, - mögen auch zugleich die Freiheit verantworten, die der Verfasser sich nimmt, von dem, was bei diesem Wechsel der Dinge ihn selbst angeht, eine kurze Geschichtserzählung voran zu schicken.

König Friedrich Wilhelm II., ein tapferer, redlicher, menschenliebender und - von gewissen Temperamentseigenschaften abgesehen durchaus vortrefflicher Herr, der auch mich persönlich kannte und von Zeit zu Zeit Äußerungen seiner Gnade an mich gelangen ließ, hatte auf Anregung eines Geistlichen, nachmals zum Minister im geistlichen Departement erhobenen Mannes, dem man billigerweise auch keine andere, als auf seine innere Überzeugung sich gründende gut gemeinte Absichten unterzulegen Ursache hat, im Jahr 1788 ein Religionsedict, bald nachher ein die Schriftstellerei überhaupt sehr einschränkendes, mithin auch jenes mit schärfendes Censuredict ergehen lassen. Man kann nicht in Abrede ziehen: daß gewisse Vorzeichen, die der Explosion, welche nachher erfolgte, vorhergingen, der Regierung die Nothwendigkeit einer Reform in jenem Fache anräthig machen mußten; welches auf dem stillen Wege des akademischen Unterrichts künftiger öffentlicher Volkslehrer zu erreichen war: denn diese hatten als junge Geistliche ihren Kanzelvortrag auf solchen Ton gestimmt, daß, wer Scherz versteht, sich durch solche Lehrer eben nicht wird bekehren lassen.

Indessen daß nun das Religionsedict auf einheimische sowohl als auswärtige Schriftsteller lebhaften Einfluß hatte, kam auch meine Abhandlung unter dem Titel: "Religion innerhalb den Gränzen der bloßen Vernunft" heraus, und da ich, um keiner Schleichwege beschuldigt zu werden, allen meinen Schriften meinen Namen vorsetze, so erging an mich im Jahr 1794 folgendes Königl. Rescript, von welchem es merkwürdig ist, daß es, da ich nur meinem vertrautesten Freunde die Existenz desselben bekannt machte, auch nicht eher als jetzt öffentlich bekannt wurde.

Von Gottes Gnaden Friedrich Wilhelm, König von Preußen etc. etc.

Unsern gnädigen Gruß zuvor. Würdiger und Hochgelahrter, lieber Getreuer! Unsere höchste Person hat schon seit geraumer Zeit mit großem Mißfallen ersehen: wie Ihr eure Philosophie zu Entstellung und Herabwürdigung mancher Haupt- und Grundlehren der heiligen Schrift und des Christenthums mißbraucht; wie Ihr dieses namentlich in Eurem Buch: "Religion innerhalb der Gränzen der bloßen Vernunft," desgleichen in anderen, kleineren Abhandlungen gethan habt. Wir haben uns zu Euch eines Besseren versehen, da Ihr selbst einsehen müsset, wie unverantwortlich Ihr dadurch gegen Eure Pflicht als Lehrer der Jugend und gegen Unsere Euch sehr wohl bekannte landesväterliche Absichten handelt. Wir verlangen des ehsten Eure gewissenhafteste Verantwortung und gewärtigen uns von Euch bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade, daß Ihr Euch künftighin Nichts dergleichen werdet zu Schulden kommen lassen, sondern vielmehr Eurer Pflicht gemäß Euer Ansehen und Eure Talente dazu anwenden daß Unsere landesväterliche Intention je mehr und mehr erreicht werde; widrigenfalls Ihr Euch bei fortgesetzter Renitenz unfehlbar unangenehmer Verfügungen zu gewärtigen habt.

Sind Euch mit Gnade gewogen. Berlin, den 1. October 1794 Auf Seiner Königl. Majestät allergnädigsten Specialbefehl Woellner

ab extra - Dem würdigen und hochgelahrten, Unserem Professor, auch lieben, getreuen Kant zu Königsberg in Preußen praesentat. d. 12. Oct. 1794

Worauf meinerseits folgende allerunterthänigste Antwort abgestattet wurde.

Allergnädigster etc. etc.

Ew. Königl. Maj. allerhöchster den 1 sten October c. an mich ergangener und den 12 ten eiusd. mir gewordener Befehl legt es mir zur devotesten Pflicht auf: Erstlich "wegen des Mißbrauchs meiner Philosophie in Entstellung und Herabwürdigung mancher Haupt- und Grundlehren der heil. Schrift und des Christenthums, namentlich in meinem "Religion innerhalb den Gränzen der bloßen Vernunft," desgleichen in anderen, kleineren Abhandlungen und der hierdurch auf mich fallenden Schuld der Übertretung meiner Pflicht als Lehrer der Jugend und gegen die höchste, mir sehr wohl bekannte landesväterliche Absichten eine gewissenhafte Verantwortung beizubringen." Zweitens auch , "nichts dergleichen künftighin mir zu Schulden kommen zu lassen." -In Ansehung beider Stücke ermangle nicht den Beweis meines allerunterthänigsten Gehorsams Ew. Königl. Maj. in folgender Erklärung zu Füßen zu legen:

Was das Erste, nämlich die gegen mich erhobene Anklage, betrifft, so ist meine gewissenhafte Verantwortung folgende:

Daß ich als Lehrer der Jugend, d. i., wie ich es verstehe, in akademischen Vorlesungen, niemals Beurtheilung der heil. Schrift und des Christenthums eingemischt habe, noch habe einmischen können, würden schon die von mir zum Grunde gelegten Handbücher Baumgartens, als welche allein einige Beziehung auf einen solchen Vortrag haben dürften, beweisen: weil in diesen nicht einmal ein Titel von Bibel und Christenthum enthalten ist und als bloßer Philosophie auch nicht enthalten sein kann; der Fehler aber, über die Grenzen einer vorhabenden Wissenschaft auszuschweifen, oder sie in einander laufen zu lassen, mir, der ich ihn jederzeit gerügt und dawider gewarnt habe, am wenigsten wird vorgeworfen werden können.

Daß ich auch nicht etwa als Volkslehrer, in Schriften, namentlich nicht im Buche: "Religion innerhalb den Gränzen etc.," mich gegen die allerhöchste, mir bekannte landesväterliche Absichten vergangen, d. i. der öffentlichen Landesreligion Abbruch gethan habe; welches schon daraus erhellt, daß jenes Buch dazu gar nicht geeignet, vielmehr für das Publicum ein unverständliches, verschlossenes Buch und nur eine Verhandlung zwischen Facultätsgelehrten vorstellt, wovon das Volk keine Notiz nimmt; in Ansehung deren aber die Facultäten selbst frei bleiben, nach ihrem besten Wissen und Gewissen öffentlich zu urtheilen, und nur die eingesetzte Volkslehrer (in Schulen und auf Kanzeln) an dasjenige Resultat jener Verhandlungen, was die Landesherrschaft zum öffentlichen Vortrage für diese sanctionirt, gebunden werden, und zwar darum, weil die letztere sich ihren eigenen Religionsglauben auch nicht selbst ausgedacht, sondern ihn nur auf demselben Wege, nämlich der Prüfung und Berichtigung durch dazu sich qualificirende Facultäten (die theologische und philosophische) hat überkommen können, mithin die Landesherrschaft diese nicht allein zuzulassen sondern auch von ihnen zu fordern berechtigt ist, alles, was sie einer öffentlichen Landesreligion zuträglich finden, durch ihre Schriften zur Kenntniß der Regierung gelangen zu lassen.

Daß ich dem genannten Buche, weil es gar keine Würdigung des Christenthums enthält, mir auch keine Abwürdigung desselben habe zu Schulden kommen lassen: denn eigentlich enthält es nur die Würdigung der natürlichen Religion. Die Anführung einiger biblischer Schriftstellen zur Bestätigung gewisser reiner Vernunftlehren der Religion kann allein zu diesem Mißverstande Veranlassung gegeben haben. Aber der sel. Michaelis, der in seiner philosophischen Moral eben so verfuhr, erklärte sich schon hierüber dahin, daß er dadurch weder etwas Biblisches in die Philosophie hinein, noch etwas Philosophisches aus der Bibel heraus zu bringen gemeint sei, sondern nur seinen Vernunftsätzen durch wahre oder vermeinte Einstimmung mit Anderer (vielleicht Dichter und Redner) Urtheile Licht und Bestätigung gäbe. - Wenn aber die Vernunft hiebei so spricht, als ob sie für sich selbst hinlänglich, die Offenbarungslehre also überflüssig wäre (welches, wenn es objectiv so verstanden werden sollte, wirklich für Abwürdigung des Christenthums gehalten werden müßte), so ist dieses wohl nichts, als der Ausdruck der Würdigung ihrer selbst; nicht nach ihrem Vermögen, nach dem, was sie als zu thun vorschreibt, sofern aus ihr allein Allgemeinheit, Einheit und Nothwendigkeit der Glaubenslehren hervorgeht, die das Wesentliche einer Religion überhaupt ausmachen, welches im Moralisch-Praktischen (dem, was wir thun sollen) besteht, wogegen das, was wir auf historische Beweisgründe zu glauben Ursache haben (denn hiebei gilt kein Sollen), d. i. die Offenbarung als an sich zufällige Glaubenslehre, für außerwesentlich, darum aber doch nicht für unnöthig und überflüssig angesehen wird; weil sie den theoretischen Mangel des reinen Vernunftglaubens, den dieser nicht abläugnet, z. B. in den Fragen über den Ursprung des Bösen, den Übergang von diesem zum Guten, die Gewißheit des Menschen im letzteren Zustande zu sein u. dgl. zu ergänzen dienlich und als Befriedigung eines Vernunftbedürfnisses dazu nach Verschiedenheit der Zeitumstände und der Personen mehr oder weniger beizutragen behülflich ist.

Daß ich ferner meine große Hochachtung für die biblische Glaubenslehre im Christenthum unter anderen auch durch die Erklärung in demselben obbenannten Buche bewiesen habe, daß die Bibel, als das beste vorhandene, zur Gründung und Erhaltung einer wahrhaftig seelenbessernden Landesreligion auf unabsehliche Zeiten taugliche Leitmittel der öffentlichen Religionsunterweisung darin von mir angepriesen und daher auch die Unbescheidenheit gegen die theoretische, Geheimnißenthaltende Lehren derselben in Schulen oder auf Kanzeln, oder in Volksschriften (denn in Facultäten muß es erlaubt sein), Einwürfe und Zweifel dagegen zu erregen von mir getadelt und für Unfug erklärt worden; welches aber noch nicht die größte Achtungsbezeigung für das Christenthum ist. Denn die hier aufgeführte Zusammenstimmung desselben mit dem reinsten moralischen Vernunftglauben ist die beste und dauerhafteste Lobrede desselben: weil eben dadurch, nicht durch historische Gelehrsamkeit, das so oft entartete Christenthum immer wieder hergestellt worden ist und ferner bei ähnlichen Schicksalen, die auch künftig nicht ausbleiben werden, allein wiederum hergestellt werden kann.

Daß ich endlich, so wie ich anderen Glaubensbekennern jederzeit und vorzüglich gewissenhafte Aufrichtigkeit, nicht mehr davon vorzugeben und anderen als Glaubensartikel aufzudringen, als sie selbst davon gewiß sind, empfohlen, ich auch diesen Richter in mir selbst bei Abfassung meiner Schriften jederzeit als mir zur Seite stehend vorgestellt habe, um mich von jedem nicht allein seelenverderblichen Irrthum, sondern selbst jeder Anstoß erregenden Unbehutsamkeit im Ausdruck entfernt zu halten; weshalb ich auch jetzt in meinem 71sten Lebensjahre, wo der Gedanke leicht aufsteigt, es könne wohl sein, daß ich für alles dieses in Kurzem einem Weltrichter als Herzenskündiger Rechenschaft geben müsse, die gegenwärtige mir wegen meiner Lehre abgeforderte Verantwortung als mit völliger Gewissenhaftigkeit abgefaßt freimüthig einreichen kann.

Was den zweiten Punkt betrifft, mir keine dergleichen (angeschuldigte) Entstellung und Herabwürdigung des Christenthums künftighin zu Schulden kommen zu lassen: so halte ich, um auch dem mindesten Verdachte darüber vorzubeugen, für das Sicherste, hiemit, als Ew. Königl. Maj. getreuester Unterthan, feierlichst zu erklären: daß ich mich fernerhin aller öffentlichen Vorträge die Religion betreffend, es sei die natürliche oder geoffenbarte, sowohl in Vorlesungen als in Schriften gänzlich enthalten werde.

In tiefster Devotion ersterbe ich etc.

Die weitere Geschichte des fortwährenden Treibens zu einem sich immer mehr von der Vernunft entfernenden Glauben ist bekannt.

Die Prüfung der Candidaten zu geistlichen Ämtern ward nun einer Glaubenscommission anvertraut, der ein Schema Examinationis nach pietistischem Zuschnitte zum Grunde lag, welche gewissenhafte Candidaten der Theologie zu Schaaren von geistlichen Ämtern verscheuchte und die Juristenfacultät übervölkerte; eine Art von Auswanderung, die zufälligerweise nebenbei auch ihren Nutzen gehabt haben mag. - Um einen kleinen Begriff vom Geiste dieser Commission zu geben: so ward nach der Forderung einer vor der Begnadigung nothwendig vorhergehenden Zerknirschung noch ein tiefer reuiger Gram (maeror animi) erfordert und von diesem nun gefragt, ob ihn der Mensch sich auch selbst geben könne. quod negandum ac pernegandum, war die Antwort; der reuevolle Sünder muß sich diese Reue besonders vom Himmel erbitten. - Nun fällt ja in die Augen: daß den, welcher um Reue (über seine Übertretung) noch bitten muß, seine That wirklich nicht reuet; welches eben so widersprechend aussieht, als wenn es vom Gebet heißt: es müsse, wenn es erhörlich sein soll, im Glauben geschehen. Denn wenn der Beter den Glauben hat, so braucht er nicht darum zu bitten: hat er ihn aber nicht, so kann er nicht erhörlich bitten.

Diesem Unwesen ist nunmehr gesteuret. Denn nicht allein zum bürgerlichen Wohl des gemeinen Wesens überhaupt, dem Religion ein höchstwichtiges Staatsbedürfniß ist, sondern besonders zum Vortheil der Wissenschaften vermittelst eines diesen zu befördern eingesetzten Oberschulcollegiums hat sich neuerdings das glückliche Eräugniß zugetragen, daß die Wahl einer weisen Landesregierung einen erleuchteten Staatsmann getroffen hat, welcher nicht durch einseitige Vorliebe für ein besonderes Fach derselben (die Theologie), sondern in Hinsicht auf das ausgebreitete Interesse des ganzen Lehrstandes zur Beförderung desselben Beruf, Talent und Willen hat und so das Fortschreiten der Cultur im Felde der Wissenschaften wider alle neue Eingriffe der Obscuranten sichern wird.

Unter dem allgemeinen Titel: "der Streit der Facultäten" erscheinen hier drei in verschiedener Absicht, auch zu verschiedenen Zeiten von mir abgefaßte, gleichwohl aber doch zur systematischen Einheit ihrer Verbindung in einem Werk geeignete Abhandlungen, von denen ich nur späterhin inne ward, daß sie als der Streit der unteren mit den drei oberen (um der Zerstreuung vorzubeugen) schicklich in Einem Bande sich zusammen finden können.

Erster Abschnitt. Der Streit der philosophischen Facultät mit der theologischen.

Einleitung.

Es war kein übeler Einfall desjenigen, der zuerst den Gedanken faßte und ihn zur öffentlichen Ausführung vorschlug, den ganzen Inbegriff der Gelehrsamkeit (eigentlich die derselben gewidmeten Köpfe) gleichsam fabrikenmäßig, durch Vertheilung der Arbeiten, zu behandeln, wo, so viel es Fächer der Wissenschaften gibt, so viel öffentliche Lehrer, Professoren, als Depositeure derselben angestellt würden, die zusammen eine Art von gelehrtem gemeinen Wesen, Universität (auch hohe Schule) genannt, ausmachten, die ihre Autonomie hätte (denn über Gelehrte als solche können nur Gelehrte urtheilen); die daher vermittelst ihrer Facultäten (kleiner, nach Verschiedenheit der Hauptfächer der Gelehrsamkeit, in welche sich die Universitätsgelehrte theilen, verschiedener Gesellschaften) theils die aus niedern Schulen zu ihr aufstrebende Lehrlinge aufzunehmen, theils auch freie (keine Glieder derselben ausmachende) Lehrer, Doctoren genannt, nach vorhergehender Prüfung aus eigner Macht mit einem von jedermann anerkannten Rang zu versehen (ihnen einen Grad zu ertheilen), d. i. sie zu creiren, berechtigt wäre.

Außer diesen zünftigen kann es noch zunftfreie Gelehrte geben, die nicht zur Universität gehören, sondern, indem sie bloß einen Theil des großen Inbegriffs der Gelehrsamkeit bearbeiten, entweder gewisse freie Corporationen (Akademien, auch Societäten der Wissenschaften genannt) als so viel Werkstätten ausmachen, oder gleichsam im Naturzustande der Gelehrsamkeit leben und jeder für sich ohne öffentliche Vorschrift und Regel sich mit Erweiterung oder Verbreitung derselben als Liebhaber beschäftigen.

Von den eigentlichen Gelehrten sind noch die Litteraten (Studirte) zu unterscheiden, die als Instrumente der Regierung, von dieser zu ihrem eigenen Zweck (nicht eben zum besten der Wissenschaften) mit einem Amte bekleidet, zwar auf der Universität ihre Schule gemacht haben müssen, allenfalls aber Vieles davon (was die Theorie betrifft) auch können vergessen haben, wenn sie nur so viel, als zu Führung eines bürgerlichen Amts, das seinen Grundlehren nach nur von Gelehrten ausgehen kann, erforderlich ist, nämlich empirische Kenntniß der Statuten ihres Amtes (was also die Praxis angeht), übrig behalten haben; die man also Geschäftsleute oder Werkkundige der Gelehrsamkeit nennen kann. Diese, weil sie als Werkzeuge der Regierung (Geistliche, Justizbeamte und Ärzte) aufs Publicum gesetzlichen Einfluß haben und eine besondere Klasse von Litteraten ausmachen, die nicht frei sind, aus eigener Weisheit, sondern nur unter der Censur der Facultäten von der Gelehrsamkeit öffentlichen Gebrauch zu machen, müssen, weil sie sich unmittelbar ans Volk wenden, welches aus Idioten besteht (wie etwa der Klerus an die Laiker), in ihrem Fache aber zwar nicht die gesetzgebende, doch zum Theil die ausübende Gewalt haben, von der Regierung sehr in Ordnung gehalten werden, damit sie sich nicht über die richtende, welche den Facultäten zukommt, wegsetzen.

Eintheilung der Facultäten überhaupt.

Nach dem eingeführten Brauch werden sie in zwei Klassen, die der drei obern Facultäten und die einer untern, eingetheilt. Man sieht wohl, daß bei dieser Eintheilung und Benennung nicht der Gelehrtenstand, sondern die Regierung befragt worden ist. Denn zu den obern werden nur diejenigen gezählt, deren Lehren, ob sie so oder anders beschaffen sein, oder öffentlich vorgetragen werden sollen, es die Regierung selbst interessirt; da hingegen diejenige, welche nur aus Interesse der Wissenschaft zu besorgen hat, die untere genannt wird, weil diese es mit ihren Sätzen halten mag, wie sie es gut findet. Die Regierung aber interessirt das am allermeisten, wodurch sie sich den stärksten und daurendsten Einfluß aufs Volk verschafft, und dergleichen sind die Gegenstände der oberen Facultäten. Daher behält sie sich das Recht vor, die Lehren der oberen selbst zu sanctioniren; die der untern überläßt sie der eigenen Vernunft des gelehrten Volks. - Wenn sie aber gleich Lehren sanctionirt, so lehrt sie (die Regierung) doch nicht selbst; sondern will nur, daß gewisse Lehren von den respectiven Facultäten in ihren öffentlichen Vortrag aufgenommen und die ihnen entgegengesetzte davon ausgeschlossen werden sollen. Denn sie lehrt nicht, sondern befehligt nur die, welche lehren (mit der Wahrheit mag es bewandt sein, wie es wolle), weil sie sich bei Antretung ihres Amt durch einen Vertrag mit der Regierung dazu verstanden haben. - Eine Regierung, die sich mit den Lehren, also auch mit der Erweiterung oder Verbesserung der Wissenschaften befaßte, mithin selbst in höchster Person den Gelehrten spielen wollte, würde sich durch diese Pedanterei nur um die ihr schuldige Achtung bringen, und es ist unter ihrer Würde, sich mit dem Volk (dem Gelehrtenstande desselben) gemein zu machen, welches keinen Scherz versteht und alle, die sich mit Wissenschaften bemengen, über einen Kamm schiert.

Es muß zum gelehrten gemeinen Wesen durchaus auf der Universität noch eine Facultät geben, die, in Ansehung ihrer Lehren vom Befehle der Regierung unabhängig, keine Befehle zu geben, aber doch alle zu beurtheilen die Freiheit habe, die mit dem wissenschaftlichen Interesse, d. i. mit dem der Wahrheit, zu thun hat, wo die Vernunft öffentlich zu sprechen berechtigt sein muß: weil ohne eine solche die Wahrheit (zum Schaden der Regierung selbst) nicht an den Tag kommen würde, die Vernunft aber ihrer Natur nach frei ist und keine Befehle etwas für wahr zu halten (kein crede, sondern nur ein freies credo) annimmt. - Daß aber eine solche Facultät unerachtet dieses großen Vorzugs (der Freiheit) dennoch die untere genannt wird, davon ist die Ursache in der Natur des Menschen anzutreffen: daß nämlich der, welcher befehlen kann, ob er gleich ein demüthiger Diener eines andern ist, sich doch vornehmer dünkt als ein anderer, der zwar frei ist, aber niemandem zu befehlen hat.

Vom Verhältnisse der Facultäten.

Erster Abschnitt. Begriff und Eintheilung der oberen Facultäten.

Man kann annehmen, daß alle künstlichen Einrichtungen, welche eine Vernunftidee (wie die von einer Regierung ist) zum Grunde haben, die sich an einem Gegenstande der Erfahrung (dergleichen das ganze gegenwärtige Feld der Gelehrsamkeit) praktisch beweisen soll, nicht durch blos zufällige Aufsammlung und willkürliche Zusammenstellung vorkommender Fälle, sondern nach irgend einem in der Vernunft, wenn gleich nur dunkel, liegenden Princip und darauf gegründetem Plan versucht worden sind, der eine gewisse Art der Eintheilung nothwendig macht.

Aus diesem Grunde kann man annehmen, daß die Organisation einer Universität in Ansehung ihrer Klassen und Facultäten nicht so ganz vom Zufall abgehangen habe, sondern daß die Regierung, ohne deshalb eben ihr frühe Weisheit und Gelehrsamkeit anzudichten, schon durch ihr eignes gefühltes Bedürfniß (vermittelst gewisser Lehren aufs Volk zu wirken) a priori auf ein Princip der Eintheilung, was sonst empirischen Ursprungs zu sein scheint, habe kommen können, das mit dem jetzt angenommenen glücklich zusammentrifft; wiewohl ich ihr darum, als ob sie fehlerfrei sei, nicht das Wort reden will.

Nach der Vernunft (d. h. objectiv) würden die Triebfedern, welche die Regierung zu ihrem Zweck (auf das Volk Einfluß zu haben) benutzen kann, in folgender Ordnung stehen: zuerst eines jeden ewiges Wohl, dann das bürgerliche als Glied der Gesellschaft, endlich das Leibeswohl (lange leben und gesund sein). Durch die öffentlichen Lehren in Ansehung des ersten kann die Regierung selbst auf das Innere der Gedanken und die verschlossensten Willensmeinungen der Unterthanen, jene zu entdecken, diese zu lenken, den größten Einfluß haben; durch die, so sich aufs zweite beziehen, ihr äußeres Verhalten unter dem Zügel öffentlicher Gesetze halten; durch die dritte sich die Existenz eines starken und zahlreichen Volks sichern, welches sie zu ihren Absichten brauchbar findet. - Nach der Vernunft würde also wohl die gewöhnlich angenommene Rangordnung unter den oberen Facultäten Statt finden; nämlich zuerst die theologische, darauf die der Juristen, und zuletzt die medicinische Facultät. Nach dem Naturinstinkt hingegen würde dem Menschen der Arzt der wichtigste Mann sein, weil dieser ihm sein Leben fristet, darauf auf allererst der Rechtserfahrene, der ihm das zufällige Seine zu erhalten verspricht, und nur zuletzt (fast nur, wenn es zum Sterben kommt), ob es zwar um die Seligkeit zu thun ist, der Geistliche gesucht werden: weil auch dieser selbst, so sehr er auch die Glückseligkeit der künftigen Welt preiset, doch, da er nichts von ihr vor sich sieht, sehnlich wünscht, von dem Arzt in diesem Jammerthal immer noch einige Zeit erhalten zu werden.