Die Metaphysik der Sitten - Immanuel Kant - E-Book

Die Metaphysik der Sitten E-Book

Immanuel Kant

0,0

Beschreibung

Die Metaphysik der Sitten ist die 1797 veröffentlichte Rechts- und Tugendlehre des Philosophen Immanuel Kant, in der ein allgemeines Prinzip des Rechts entwickelt wird, das die praktische Ausübung der Freiheit der Individuen auf der Grundlage eines allgemeinen Gesetzes ermöglichen soll. (aus wikipedia.de)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 470

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Metaphysik der Sitten

Immanuel Kant

Inhalt:

Immanuel Kant – Biografie und Bibliografie

Kants Philosophie.

Die Metaphysik der Sitten

Erster Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre

Vorrede

Einleitung in die Metaphysik der Sitten

Einleitung in die Rechtslehre

Einteilung der Metaphysik der Sitten überhaupt

Der Rechtslehre erster Teil. Das Privatrecht vom äußeren Mein und Dein überhaupt

Erstes Hauptstück. Von der Art, etwas äußeres als das Seine zu haben

Zweites Hauptstück - Von der Art, etwas Äußeres zu erwerben

Erster Abschnitt. Vom Sachenrecht

Zweiter Abschnitt. Vom persönlichen Recht

Dritter Abschnitt.

Von dem auf dingliche Art persönlichen Recht

Episodischer Abschnitt.

Von der idealen Erwerbung eines äußeren Gegenstandes der Willkür

Drittes Hauptstück. Von der subjektiv-bedingten Erwerbung durch den Ausspruch einer öffentlichen Gerichtsbarkeit

Der Rechtslehre zweiter Teil - Das öffentliche Recht

Erster Abschnitt. Das Staatsrecht

Des öffentlichen Rechts zweiter Abschnitt.

Das Völkerrecht

Des öffentlichen Rechts dritter Abschnitt.

Das Weltbürgerrecht

Beschluß

Anhang erläutender Bemerkungen zu den metaphysischen Anhangsgründen der Rechtslehre

Zweiter Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre

Vorrede

Einleitung zur Tugendlehre

I. Ethische Elementarlehre

Der ethischen Elementarlehre erster Teil. Von den Pflichten gegen sich selbst überhaupt

Erstes Buch. Von den vollkommenen Pflichten gegen sich selbst

Der Pflichten gegen sich selbst zweites Buch.

Der ethischen Elementarlehre zweiter Teil. Von den Tugendpflichten gegen andere

Erstes Hauptstück. Von den Pflichten gegen andere, bloß als Menschen

Zweites Hauptstück. Von den ethischen Pflichten der Menschen gegen einander in Ansehung ihres Zustandes

Beschluß der Elementarlehre.

Von der innigsten Vereinigung der Liebe mit der Achtung in der Freundschaft

II. Ethische Methodenlehre

Der ethischen Methodenlehre erster Abschnitt. Die ethische Didaktik

Zweiter Abschnitt. Die ethische Asketik

Beschluß.

Die Religionslehre als Lehre der Pflichten gegen Gott liegt außerhalb den Grenzen der reinen Moralphilosophie

Fußnoten

Die Metaphysik der Sitten, Immanuel Kant

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849614843

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Immanuel Kant – Biografie und Bibliografie

Der einflussreichste Philosoph neuerer Zeit, geb. 22. April 1724 zu Königsberg i. Pr., gest. daselbst 12. Febr. 1804, Sohn eines Sattlermeisters, dessen Familie einer Tradition zufolge aus Schottland stammte, erhielt eine streng religiöse Erziehung und studierte seit 1740 an der Universität seiner Vaterstadt und zwar mit besonderem Eifer Mathematik (unter dem Wolffianer Knutzen), Physik und Philosophie. Die Frucht der Beschäftigung mit den beiden ersten Wissenschaften war Kants Erstlingsschrift »Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte« (Königsb. 1747). Nachdem er neun Jahre als Hauslehrer tätig gewesen war, erwarb er 1755 durch eine Dissertation: »De igne«, die Doktorwürde und in demselben Jahre durch die Verteidigung seiner Abhandlung »Principiorum primorum cognitionis metaphysicae novae dilucidatio« die Venia legendi. In seiner »Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels« (Königsb 1755) antizipierte er in gewisser Weise die spätere Laplacesche Theorie von der Entstehung unsers Sonnensystems und versuchte die mechanische Theorie mit der teleologischen zu vereinigen. Sein philosophischer Standpunkt war in dieser ersten Periode noch der Wolffsche, bald lernte er aber englische Philosophen, insbes. Hutcheson und wohl auch Hume genauer kennen, so dass er sich zum Empirismus und Skeptizismus hinneigte und seine zweite Periode geradezu die empiristisch-skeptische genannt werden kann. Diesem Zeitraum gehören an die Schriften: »Der einzige mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes« (1765), die von Burke beeinflussten »Betrachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen« (1764), die »Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik« (1762) und besonders seine Preisschrift für die Berliner Akademie der Wissenschaften: »Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und Moral« (1763). Erst nachdem er 15 Jahre lang Privatdozent gewesen war und Rufe nach Erlangen und Jena aus Liebe zur Heimat ausgeschlagen hatte, ward ihm 1770 die ordentliche Professur der Logik und Metaphysik zuteil, die er mit der Verteidigung der Dissertation »De mundi visibilis atque intelligibilis forma et principiis« eröffnete. In ihr waren schon die Grundgedanken der transzendentalen Ästhetik, z. T. auch die der transzendentalen Analytik enthalten und damit ein Teil der »Kritik der reinen Vernunft«, aber er neigt mit seiner Lehre vom mundus intelligibilis der alten Metaphysik wieder mehr zu als in den »Träumen eines Geistersehers«. Danach kann diese wichtige Schrift als Übergang zu seiner dritten Periode betrachtet werden. Es dauerte aber noch mehr als zehn Jahre, ehe sein lange überlegtes, zuletzt in vier Monaten ausgearbeitetes und zum Druck fertiggestelltes Hauptwerk. »Die Kritik der reinen Vernunft« (1781,2. veränderte Aufl. 1787), aus Tageslicht trat, dem in kurzen Zwischenräumen die übrigen Hauptwerke: 1783 die »Prolegomena zu einer künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können«, 1785 die »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten«, 1786 die »Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaften«, 1788 die »Kritik der praktischen Vernunft«, 1790 die »Kritik der Urteilskraft«, 1793 die »Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft«, 1797 die »Metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre« und die »der Tugendlehre«, 1798 »Anthropologie in pragmatischer Hinsicht«, nachfolgten. Kleinere Abhandlungen waren: »Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht«, »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?« (beide 1784); die Aufsehen erregende Rezension von Herders »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« von 1785, die Herder übel aufnahm; »Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte«; »Was heißt sich im Denken orientieren?«; »Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie« (1788); »Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodicee« (1791); »Über die Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff« (aus demselben Jahr); »Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis« (1793); »Das Ende aller Dinge«, »Über Philosophie überhaupt« (beide von 1794); »Zum ewigen Frieden, ein philosophischer Entwurf« (1795); »Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie« (1796); »Über ein vermeintes Recht, aus Menschenliebe zu lügen«, in der K. als strenger Wahrheitsfreund die Notlüge unbedingt verwirft, »Der Streit der Fakultäten«, worin die (in vielen Sonderdrucken, z. B. von Hufeland herausgegebene) Abhandlung enthalten ist: »Von der Macht des Gemüts, durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein« (sämtlich 1798). Aus einem in Kants Nachlass vorgefundenen Manuskript: »Vom Übergang von der Metaphysik zur Physik«, haben neuerlich Reicke und A. Krause Bruchstücke veröffentlicht. Kants Briefwechsel bietet viel zur Kenntnis seines Lebens und Charakters sowie seiner Lehre. Zu berücksichtigen sind auch Vorlesungen Kants, die zum Teil während seines Lebens, z. B. die Logik von Jäsche (Königsb. 1800), zum Teil lange nach seinem Tode, nämlich die Vorlesungen über die philosophische Religionslehre (aus dem Winter 1783/84) von Pölitz (Leipz. 1817, 2. Aufl. 1830), ferner die über Metaphysik (zum Teil aus dem Ende der 1770er Jahre, zum Teil wahrscheinlich aus dem Winter 1790/91) von Pölitz (Erf. 1821) herausgegeben wurden. Vgl. zu letzteren Heinze, Vorlesungen Kants über Metaphysik aus drei Semestern (Leipz. 1894).

Kants System erregte bald nach dem Erscheinen der ersten Hauptwerke in allen Teilen Deutschlands sowie im Ausland das größte Aufsehen. In seinem Vaterland Preußen witterte man aber unter der Regierung Friedrich Wilhelms II., als der freisinnige Minister v. Zedlitz durch den vormaligen Prediger Wöllner (1788), den Urheber des Religionsedikts, ersetzt worden war, in K. einen gefährlichen Neuerer. Nach der Herausgabe seiner »Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft« erschien 1794 eine Kabinettsorder, die deren Verfasser wegen »Entstellung und Herabwürdigung des Christentums« einen Verweis erteilte und allen theologischen und philosophischen Dozenten der Königsberger Universität untersagte, über jenes Werk Vorlesungen zu halten. In einem Verantwortungsschreiben erklärte K., sich aller öffentlichen Vorträge über Religion auf dem Katheder und in Schriften enthalten zu wollen. Nach dem Tode Friedrich Wilhelms II., dem er dies Versprechen gegeben, glaubte er sich wieder berechtigt zu Äußerungen über Religion. Wie seine Schriften von einem weiten Umfang seiner Studien zeugen, war auch der Kreis seiner Vorlesungen, in denen er die Zuhörer zum Selbstdenken anregen wollte, ein sehr weiter: er las außer über die philosophischen Disziplinen, von denen er die Logik und die Metaphysik bevorzugte, auch über Mathematik, Physik, Mineralogie, physische Geographie, Anthropologie und Pädagogik. K. war von Person klein, kaum 5 Fuß groß, von schwachem Knochenbau und noch schwächerer Muskelkraft; seine Brust war sehr flach und fast eingebogen, der rechte Schulterknochen hinterwärts etwas verrenkt, womit der Befund bei der 1880 erfolgten Ausgrabung übereinstimmt (vgl. Bessel-Hagen, Die Grabstätte Kants, Königsb. 1881). Mit mehreren angesehenen Männern stand er in inniger und langjähriger Freundschaft. Den öffentlichen Gottesdienst hielt er, wie das Äußere der Religion überhaupt, für ein höchst wichtiges, dem Denker aber entbehrliches Staatsinstitut. Zum kunstgerechten Redner war er nicht gemacht; in sozialer und politischer Hinsicht war er ein entschiedener Vertreter der Freiheit, unterwarf sich jedoch in der politischen Ordnung den Befehlen der Obrigkeit, selbst gegen seine bessere Überzeugung. In seinem Hauswesen herrschte neben solider Einfachheit die größte Ordnung. Der Geselligkeit war er nicht abgeneigt. Unverheiratet, liebte er es, bei Tische einige Freunde bei sich zu haben. Sein Leben war das strengster Pflichterfüllung und Regelmäßigkeit. Die Berliner Akademie der Wissenschaften ernannte ihn 1763 zu ihrem Mitglied, die Petersburger 1794. Am 18. Okt. 1864 ward in Königsberg sein Standbild, das letzte Werk Rauchs, errichtet. Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Philosophen I«.

Gesamtausgaben seiner Werke sind die von G. Hartenstein (Leipz. 1838–39, 10 Bde.), von K. Rosenkranz und F. W. Schubert (das. 1838–40, 12 Bde.), eine zweite »in chronologischer Folge« von G. Hartenstein (das. 1867–69, 8 Bde.) und die von Kirchmann (in der »Philosophischen Bibliothek«, Berl. 1868–1873, 8 Bde. und Supplement, mit Erläuterungen). Seit 1900 erscheint in Berlin eine neue Gesamtausgabe: »Kants gesammelte Schriften«, herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Sie soll vier Abteilungen umfassen: die Werke, den Briefwechsel (besorgt von Reicke), den handschriftlichen Nachlass (durch E. Adickes) und die Vorlesungen (durch M. Heinze). Bis jetzt sind 6 Bände erschienen, darunter der »Briefwechsel« (Bd. 10–12,1900–02). Eine sehr brauchbare kritische Ausgabe der Hauptschriften besorgte Kehrbach (in Reclams Universal-Bibliothek). Auch sind mehrere Schriften Kants ins Lateinische, Französische (von Tissot, Barni, neuerdings von Andler u. Chavannes, Picavet, Lemonnier, Thamin) und ins Englische (von Hayward, Abbott, Max Müller, Mahaffy, Morris, Bernard, Watson, M. Campbell Smith u. a.) übersetzt worden.

Kants Philosophie.

K. ging bei seinen philosophischen Untersuchungen der späteren, d. h. der kritischen Zeit aus von der Scheidung der Vermögen der menschlichen Seele (»des Gemüts«) in Erkenntnis-, Begehrungs- und Gefühlsvermögen. Hiermit hängt zusammen, dass er in Anlehnung an die Engländer dem Subjekt vornehmlich die Aufmerksamkeit zuwandte und dieses nach dem in ihm Gegebenen zu analysieren suchte, indem sich seine Philosophie nach den drei angegebenen Vermögen gliederte. Seine Absicht war, ein »Inventarium« dessen zu liefern, was jederzeit und von jedermann, also mit Allgemeinheit und Notwendigkeit (theoretisch) erkannt, (praktisch) gewollt und (ästhetisch) wohlgefällig oder missfällig empfunden wird.

1) Kritik der reinen (theoretischen) Vernunft. K. selbst bezeichnete seine Philosophie als Kritizismus oder Kritik und setzte sie einerseits der Wolffschen, die er Dogmatismus, anderseits der Humeschen, die er Skeptizismus nannte, entgegen. Im Gegensatz zu jenem, welcher der menschlichen Vernunft die Fähigkeit, jenseits der sinnlichen Erfahrung gelegene Gegenstände zu erkennen, zusprach, ohne die Erkenntniskraft geprüft zu haben, und im Gegensatz zu diesem, der ebenfalls ohne Prüfung der menschlichen Erkenntniskraft alle über den Erfahrungskreis hinausgehende Erkenntnis leugnete, untersuchte K. vor allen Dingen Umfang, Grenzen und Ursprung der menschlichen Erkenntnis, und indem er unter reiner Vernunft die von aller Erfahrung unabhängige Vernunft versteht, ist ihm Kritik der reinen Vernunft eine Prüfung, wie weit die menschliche Vernunft ohne alle Erfahrung in der Erkenntnis kommt, ist sie eine Kritik des Rationalismus, wie dieser namentlich von Wolff vertreten war. Zeigt sich, dass unser Erkenntnisvermögen auf solche Gegenstände, die jenseits der sinnlichen Wahrnehmbarkeit liegen, gar nicht angelegt ist, so wäre es eitler Wahn, von ihm eine Erkenntnis solcher zu erwarten. Gerade diejenigen Objekte der Erkenntnis, die nach Wolff zum wesentlichen Inhalt der theoretischen Philosophie (Metaphysik) gehören, nämlich: Seele, Welt und Gott, die Gegenstände der rationalen Psychologie, Kosmologie und Theologie, wurden infolge der Kantschen Kritik der Vernunft transzendent, d. h. fielen über die Grenze reiner Vernunfterkenntnis hinaus. Und zwar aus folgendem Grunde: Da alles Erkennen im Urteilen besteht, so hängt die Möglichkeit des ersteren notwendig von der Beschaffenheit des letzteren ab. Nun ist aber jedes Urteil entweder von der Art, dass das Prädikat im Subjekt schon ganz oder teilweise enthalten (ganze oder teilweise Wiederholung des Subjekts) ist, oder derart, dass das Gegenteil der Fall ist, das Prädikat zum Subjekt etwas Neues hinzubringt. Urteile ersterer Art nennt K. (wie vor ihm schon Hume) analytische, letzterer Art synthetische, jene auch bloße Erläuterungs-, diese dagegen Erweiterungsurteile. Erstere sind zwar richtig, aber nicht von Bedeutung, da sie die Erkenntnis nicht erweitern, letztere dagegen, da auf ihnen aller Fortschritt im Wissen beruht, höchst wichtig, aber, wenn nicht bekräftigende Umstände hinzutreten, von zweifelhafter Richtigkeit. Da in ihnen das Prädikat zum Subjekt hinzukommt, ohne in diesem enthalten zu sein, so muss irgend ein äußeres Zeugnis gegeben sein, dass dem Subjekt dieses Prädikat auch wirklich angehört. Ein solches liegt, wo der Gegenstand ein sinnlich wahrnehmbarer ist, in der sinnlichen Anschauung, die Subjekt und Prädikat verbunden zeigt: »die Rose ist rot«. Solche synthetische Urteile nennt K. a posteriori, weil sie durch eine sinnliche Anschauung bekräftigt sind. Wo dagegen der Gegenstand kein sinnlich wahrnehmbarer ist, da ist keine Überzeugung durch Augenschein möglich, und solche Urteile, die K. synthetische a priori nennt, bleiben notwendig ungewiss. Dies sind aber solche, durch die sich das Wissen aus reiner Vernunft erweitert, so dass die Hauptfrage bei der Kritik der reinen Vernunft lautet: »Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?«, die sich wieder in die drei besonderen gliedert: 1) Wie ist reine Mathematik möglich? 2) Wie ist reine Naturwissenschaft möglich? 3) Wie ist Metaphysik überhaupt möglich? Die beiden ersten Fragen setzen voraus, dass es reine Mathematik und reine Naturwissenschaft gibt, dass also Wissenschaften ohne alle Erfahrung zustande kommen. Bei der Metaphysik, die sich allerdings auch aus reiner Vernunft aufbauen soll, muss es noch zweifelhaft bleiben, ob sie eine Wissenschaft sei. Als selbstverständlich, also ohne Beweis, wird von K. angenommen, dass strenge Notwendigkeit und Allgemeinheit sich nie aus Erfahrung, sondern nur unabhängig von aller Erfahrung, aus der menschlichen Seele oder dem Bewusstsein überhaupt gewinnen lasse, dass alle aus der Erfahrung geschöpften Urteile nur komparative (induktive) Allgemeinheit besitzen könnten. Freilich fängt nach K., der hierin mit den Empiristen übereinstimmt, alle unsre Erkenntnis mit der Erfahrung an, damit sei aber noch nicht gesagt, dass sie auch nur aus der Erfahrung entspringe. denn es könnte wohl möglich sein, dass unsre Erfahrungserkenntnis zusammengesetzt sei »aus dem, was wir durch Eindrücke empfangen, und aus dem, was unser eignes Erkenntnisvermögen (durch sinnliche Eindrücke bloß veranlasst) aus sich selbst hergibt«, welchen Zusatz aus jenem Grundstoff zu unterscheiden freilich nicht leicht sei. So wird mit jenen erwähnten drei Fragen die nach den Bestandteilen der Erfahrung oder eine Theorie der Erfahrung in Verbindung gebracht. Die auf die Entdeckung des von aller Erfahrung unabhängigen, aber zugleich aller Erfahrung zugrunde liegenden (apriorischen) Elements gerichtete Untersuchung nennt K. transzendental, und insofern seine Kritik sich mit solcher beschäftigt, nennt er sie auch Transzendentalphilosophie oder transzendentalen Idealismus. Da dies apriorische Element von aller Erfahrung unabhängig ist, so wird es von dem erfahrenden Subjekt (und zwar von jedem Individuum der Menschheit auf gleiche Weise) zu dem von den äußern Eindrücken abhängigen Element der Erfahrung hinzu gebracht, so dass jenes den sich gleichbleibenden, dieses dagegen den veränderlichen Faktor der Erfahrung ausmacht, die dann das Produkt beider ist. Jenen, den apriorischen Faktor, nennt K. die Form, diesen, den aposteriorischen Faktor, der einem uns nur durch seine in uns hervorgebrachten Wirkungen, die Sinnesempfindungen, bekannt werdenden, jenseits des Subjekts liegenden Dinge, dem Ding an sich, entstammt, die Materie aller Erfahrung. Erstere, weil dem Subjekt angehörig, macht das idealistische, im weitern Sinne rationalistische, letztere, weil auf ein von dem Subjekt verschiedenes Ding bezogen, das realistische Element von Kants Philosophie aus. An diese beiden Elemente haben nachher die entgegengesetzten Richtungen der Nachfolger Kants angeknüpft, an das idealistische: Fichte, Schelling, Hegel, an das realistische: Herbart, Schopenhauer. Um die apriorischen Elemente des Erkenntnisvermögens aufzudecken, werden in der »Kritik der reinen Vernunft« die drei Teile des Erkenntnisvermögens, Sinn, Verstand, Vernunft, nacheinander vorgenommen und auf die apriorischen Bestandteile, die in denselben enthalten sein mögen, geprüft.

Da zeigt es sich, dass als sogen. reine oder apriorische Anschauungsformen des Sinnes oder der Sinnlichkeit die des Raumes und der Zeit, des Nebeneinander und des Nacheinander, anzunehmen sind. Durch sie werden vom wahrnehmenden Subjekt räumliche und zeitliche Anordnung in das Chaos sinnlicher Empfindungen »hineingeschaut« und dieses dadurch in eine Welt räumlich und zeitlich verbundener und geschiedener Erscheinungen verwandelt. Letztere machen daher das eigentliche Objekt des Sinnes aus, und durch sie wird dem sonst ganz leeren Verstand Stoff zu weiterer Verarbeitung geliefert. Dieses sinnliche Anschauen macht auch zugleich sinnliche Erkenntnis durch synthetisch-aposteriorische Urteile möglich, indem es die zur Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekt nötige sinnliche Anschauung liefert. Das reine Anschauen dagegen ist dasjenige, das mathematische Erkenntnis durch synthetisch-apriorische Urteile möglich macht, indem es die zur Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekt nötige Anschauung liefert, die hier, wo es sich um nichtsinnenfällige Objekte handelt, keine sinnliche sein darf. Demjenigen Abschnitt der Kritik, in dem es sich um die Entdeckung der apriorischen Elemente der Sinnlichkeit (Raum und Zeit) handelt, hat K. deshalb den Namen: transzendentale Ästhetik (Wahrnehmungslehre) gegeben. Und hiermit ist die Frage beantwortet, wie reine Mathematik möglich sei, nämlich nur unter der Voraussetzung der reinen Anschauungsformen von Raum und Zeit. Die nächste Folge aus dieser von K. behaupteten »Idealität« von Raum und Zeit ist die, dass beide auf das, was unabhängig von ihnen ist, das Ding an sich, keine Anwendung finden können, dieses also gar nichts mit Raum und Zeit zu tun hat. Unsre gesamte Erkenntnis bleibt auf die Erscheinungswelt (phaenomenon im Gegensatz zur »intelligibeln«, noumenon, unter der das Ding an sich verstanden wird) beschränkt. Wie Raum und Zeit die apriorischen Formen des Sinnes, so stellen zwölf ursprüngliche Urteilsformen die apriorischen Funktionen des Verstandes und drei ursprüngliche Schlußformen diejenigen der (theoretischen) Vernunft dar. Wie durch Raum und Zeit die unverbundenen Sinnesempfindungen zu Anschauungen, so werden durch die verschiedenen Verstandesfunktionen die unverbundenen Sinnesvorstellungen in ebenso vielfacher Weise zu Begriffen und durch die verschiedenen Schlußfunktionen die unverbundenen Verstandesbegriffe in ebenso vielfacher Weise zur Einheit, zu Ideen zusammengefasst. Jeder der zwölf apriorischen Verstandesfunktionen, der Urteilsformen, entspricht ein reiner Verstandesbegriff (Stammbegriff, Kategorie), jeder der drei apriorischen Vernunftfunktionen eine reine Vernunftidee. Wie Raum und Zeit apriorisch sind, so auch die Kategorien, nämlich: Allheit, Vielheit, Einheit, die der Quantität, Realität, Negation, Limitation, die der Qualität, Substanz und Inhärenz, Kausalität, Wechselwirkung, die der Relation, Wirklichkeit, Möglichkeit, Notwendigkeit, die der Modalität unterstehen. Ebenso apriorisch sind die Ideen: die der Seele, die der kategorischen, der Welt, die der hypothetischen, der Gottheit, die der disjunktiven Schlußform entsprechen. Die Deduktion der Kategorien als apriorischer Verstandes- und die der Ideen als apriorischer Vernunftfunktionen bildet zusammen die transzendentale Logik, die wieder in die transzendentale Analytik (Verstandes-) und transzendentale Dialektik (Vernunftlehre) zerfällt. Aus den Kategorien leiten sich wieder Grundsätze des reinen Verstandes ab, d. h. die Regeln des objektiven Gebrauchs der Kategorien; ein solcher Grundsatz ist z. B.: Alle Veränderungen geschehen nach dem Gesetz der Verknüpfung von Ursache und Wirkung. Diese Grundsätze liegen aller Erfahrungskenntnis zugrunde, bilden eine reine Wissenschaft, so dass hiermit die zweite Frage erledigt ist, wie reine Naturwissenschaft möglich sei. Zugleich sind nun die Elemente der Erfahrung angegeben: die reinen Anschauungsformen, die reinen Verstandesformen und die Materie, die in die Anschauungsformen kommt, damit eine Anschauung daraus wird, d. h. die Empfindung, die, als auf Affektion beruhend, »ein Ding an sich« voraussetzen lässt, über dessen Qualität wir freilich gar nichts aussagen können, weder dass es eins, noch dass es vieles, weder dass es Substanz, noch dass es Ursache sei (wenn letztere ihm abgesprochen wird, so liegt allerdings ein Widerspruch vor zu der Notwendigkeit, dass es affiziert). Zugleich finden aber die Erkenntnisformen nur Anwendung auf die Erscheinungsobjekte, nicht auf Transzendentes. Auf solches sie aber doch zu beziehen, wird der Mensch durch seine ganze Anlage genötigt, so dass Metaphysik nicht nur möglich, sondern wirklich ist, und hiermit die dritte oben erwähnte Frage beantwortet ist. Freilich kommen hierbei nur Sophistikationen der Vernunft zustande, da den Ideen nur regulative, nicht konstitutive Bedeutung zukommt. Der Schluss von der Idee der Seele auf deren Existenz ist ein »zwar unvermeidlicher«, aber nichtsdestoweniger ein Fehlschluss (»Paralogismus der reinen Vernunft«). Der Versuch, der Idee der Welt Realität beizulegen, führt unter jedem der vier möglichen Hauptgesichtspunkte auf eine Antinomie, d. h. auf ein Paar einander ausschließender Gegensätze, von denen jeder sich mit gleich guten Gründen bejahen und verneinen lässt, z. B.: die Welt hat einen Anfang in der Zeit und Grenzen im Raum, und: sie hat beides nicht. Die für die Realität der Gottesidee möglichen oder doch wenigstens bisher versuchten Beweise: der ontologische, kosmologische und physiko-teleologische, sind sämtlich irrig. Dieses Ergebnis der »Kritik der reinen Vernunft«, das von der gesamten Welt außer uns, von der absoluten, nur das raum- und zeitlose Ding an sich und auch dieses nur nach seiner Existenz, nicht nach seiner uns gänzlich unbekannt bleibenden Qualität übriglässt, ist es, das K. bei seinen Zeitgenossen den Beinamen des »Alleszermalmers« verschafft hat. Hiermit ist die alte dogmatische Metaphysik, wiewohl sie ihren Grund in der menschlichen Anlage hat, gestürzt, und als Wissenschaft hat nur die kritische Metaphysik, d. h. die Kritik, Geltung.

2) Kritik der (reinen) praktischen Vernunft. K. hatte so die wichtigsten Gegenstände unsrer ganzen Forschung dem Streite der Meinungen auf dem Gebiete der Erkenntnis enthoben, er musste das Wissen aufheben, um für den Glauben Platz zu machen, den er für wichtiger hielt als das Wissen, und dem er hiernach einen hervorragenden Platz in seiner Philosophie einräumte. Er gewann ihn seiner Ansicht nach mit Sicherheit auf dem Gebiete der praktischen Vernunft, von dem auch die Gegenstände der natürlichen Religion abhängig sind. Wie die Kritik der reinen Vernunft auf die Entdeckung des a priori im Erkenntnis-, so geht die der praktischen auf die Auffindung des a priori im Begehrungsvermögen aus. Wie ohne Allgemeinheit und Notwendigkeit kein wirkliches Wissen, so ist ohne Allgemeingültigkeit kein wirklich tugendhaft zu nennendes Wollen möglich. Das Wollen, das als gut anerkannt werden soll, muss daher von der Beschaffenheit sein, dass es ohne Widerspruch allgemein werden könnte. Daraus erhellt, dass die Luft oder der eigne Vorteil niemals als Prinzip einer Sittenlehre gelten kann, weil sowohl jene als dieser nur individuelle Geltung besitzen. Wie nicht der Inhalt, sondern die Form Allgemeinheit und Notwendigkeit auf dem Gebiete des Wissens möglich macht, so entscheidet nicht der Inhalt, sondern die Form (die Allgemeingültigkeit der Maxime) des Wollens, ob es als solches gut sei. Das sittliche Wollen schließt jedes andre Motiv als die erkannte Pflichtmäßigkeit aus; der kategorische Imperativ, wie K. die Forderung des Sittengesetzes bezeichnete, ist unbedingt, ein Sollen, das von jeder Rücksicht auf Sein oder Seinkönnen unabhängig ist. Er lautet: »Handle so, dass die Maxime (der subjektive Grundsatz) deines Willens zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne«.

Durch die Reinheit der sittlichen Triebfedern dem materiellen Eudämonismus und Hedonismus gegenüber hat K. erhebend und läuternd auf seine Zeitgenossen und die späteren Geschlechter gewirkt. Seine Abneigung gegen die Glückseligkeit als Beweggrund der Sittlichkeit war so groß, dass selbst Schiller fand, Kants Rigorismus »schrecke die Grazien zurück«. Geschieht eine Handlung zwar dem Gesetz gemäß, aber nicht rein um des Gesetzes willen, so ist bloße Legalität, nicht Moralität vorhanden. Als höchstes Gut, nach dem der Mensch strebt oder streben soll, ist freilich die Verbindung von Tugend und Glückseligkeit zu betrachten, womit dem Eudämonismus doch ein gewisses Recht eingeräumt ist. Da nun die sinnliche Welt weder die Tugend in ihrer Vollendung, noch die Glückseligkeit in ihrer höchsten Potenz gewährt, noch auch beide hier immer verbunden vorkommen, so macht die praktische Vernunft folgende Postulate: Zur Erreichung der höchsten Tugend wird die Unsterblichkeit gefordert, zur Verwirklichung der Verbindung der höchsten Glückseligkeit mit der vollendetsten Tugend, d. h. zur Realisierung des höchsten Gutes, aber ist das Dasein Gottes notwendige Bedingung. Wenn also das höchste Gut verwirklicht werden soll, so muss die Unsterblichkeit der Seele und mit ihr ein unendliches Fortschreiten zu höherer Vollendung und Heiligkeit vorausgesetzt werden; es muss ferner ein Wesen geben, das die gemeinsame Ursache der natürlichen und sittlichen Welt ist und Tugend und Glückseligkeit in ein entsprechendes Verhältnis zu setzen vermag. Ein solches Wesen ist aber Gott. Auch die Idee der Freiheit entwickelt sich aus der praktischen Vernunft. Sie leitet ihre Realität ab aus der Gültigkeit des moralischen Gesetzes überhaupt: du sollst, also kannst du, sonst wäre das Sollen etwas Widersinniges. Frei ist der Mensch als intelligibles Wesen, als Ding an sich, soweit er aber als Erscheinung angesehen wird, ist er der Notwendigkeit unterworfen. Diese drei Ideen, unlösbare Aufgaben für die theoretische, gewinnen Boden im Gebiet der praktischen Vernunft. Auch jetzt aber sind sie nicht theoretische Dogmen, sondern praktische Postulate, notwendige Voraussetzungen des sittlichen Handelns; als solche haben sie für das Subjekt Gewissheit, um so mehr, als die praktische Vernunft, wo sie mit der theoretischen in Widerstreit kommt, den »Primat« hat. Diesen Ansichten entsprechen auch die Grundsätze über Religion, die K. in der Schrift »Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft« niedergelegt hat. Der Grundgedanke ist hier die Zurückführung der Religion auf Moral. Die religiöse Gesinnung besteht in der Erkenntnis unsrer Pflichten als göttliches Gebot. Je reifer die Vernunft wird, um so entbehrlicher werden die statutarischen Satzungen des Kirchenglaubens.

3) Kritik der Urteilskraft. Wie die beiden vorangegangenen Kritiken die apriorischen Elemente des Erkenntnis- und Begehrungsvermögens, so deckte die dritte, die Kritik der Urteilskraft, jene des Mittelgliedes zwischen beiden, des Gefühlsvermögens oder, wie K. es nennt, der Urteilskraft, auf. Gegenstand dieser letzteren ist der Begriff der Zweckmäßigkeit der Natur und zwar sowohl der ästhetischen als der teleologischen Zweckmäßigkeit. Die ästhetische Zweckmäßigkeit, welche die Dinge subjektiv für uns haben, entfaltet sich in den Begriffen des Schönen und des Erhabenen. Schön ist das, was durch seine mit dem menschlichen Erkenntnisvermögen übereinstimmende Form ein uninteressiertes, allgemeines und notwendiges Wohlgefallen erregt; das Erhabene gefällt unmittelbar durch den Widerstand gegen das Interesse der Sinne. Die teleologische Zweckmäßigkeit bezieht sich auf das Verhältnis der Dinge unter sich und ist entweder eine äußere und zufällige oder eine innere, in dem Organismus des Dinges bedingte und notwendige. Ob der Natur an und für sich innere Zweckmäßigkeit zukomme oder nicht, können wir nicht bestimmen; wir behaupten nur, dass unsre Urteilskraft die Natur als zweckmäßig ansehen müsse. Wir schauen den Zweckbegriff in die Natur hinein, indem wir gänzlich dahingestellt sein lassen, ob nicht vielleicht ein andrer Verstand, der nicht denkt wie der unsrige, zum Verständnis der Natur den Zweckbegriff gar nicht nötig hat. Gäbe es einen Verstand, der im Allgemeinen das Besondere, im Ganzen die Teile mit Bestimmtheit erkennen könnte, so würde ein solcher die ganze Natur aus einem Prinzip begreifen, den Begriff des Zweckes nicht brauchen.

Kants Hauptwerk blieb einige Jahre hindurch ziemlich unbeachtet, bis die »Briefe über die Kantsche Philosophie« von Reinhold (s. d.), die zuerst (seit 1786) in Wielands »Deutschem Merkur« erschienen, die Denker- und Leserwelt für K. gewannen. Als Gegner Kants traten auf die Popularphilosophen Feder, Garve, Tiedemann, der Wolffianer Eberhard, Herder, dessen »Metakritik« (Leipz. 1799) und »Kalligone« (Berl. 1800) von keinem tiefen Verständnis Kants zeugen, der »Glaubensphilosoph« F. H. Jacobi und der Skeptiker G. E. Schulze (»Änesidemus«, Helmst. 1792), Sal. Maimon, Beck, Bardili u. a. Als Anhänger Kants machten sich außer Reinhold zuerst Joh. Schulze (durch »Erläuterungen zu Kants Kritik«, Königsb. 1791; neu hrsg. von Hafferberg, Jena 1897), Jakob, Erhard Schmid, auf dem Gebiete der Religionsphilosophie: Heidenreich, Tieftrunk, Wegscheider u. a., auf dem der Logik: Kiesewetter, Hoffbauer, Krug, Maaß, Fries, auf dem der Psychologie: Maaß, Fries, auf dem der Ästhetik: Schiller, Bouterwek, auf dem der Geschichte der Philosophie: Tennemann, Buhle, Wendt u. a. bemerklich. Indirekt sind fast alle nach K. Philosophierenden durch ihn beeinflusst worden. Fichte hielt sich anfänglich selbst für einen Kantianer, Herbart nannte sich einen Kantianer »vom Jahre 1828«, Schopenhauer erkannte von allen seinen Vorgängern nur K. als seinen Lehrer an. Eine Geschichte der Kantschen Philosophie hat Rosenkranz im 12. Band seiner Ausgabe der Werke Kants geliefert. Nach der Abwendung von der Hegelschen Schule und dem Misserfolg der positiven Philosophie Schellings kehrte das philosophische Interesse vielfach zu K. als dem ursprünglichen Ausgangspunkt der neuern deutschen Philosophie zurück, und es begann ein erneuertes, z. T. philologisch vertieftes Studium seiner Werke. Eine Reaktion zugunsten der Kantschen idealistischen Erkenntnistheorie ging von den Naturforschern, insbes. von den Physiologen aus der Schule des eifrigen Verehrers Kants, Johannes Müller, aus, an der Helmholtz u. a. sich beteiligten. Sehr viel Arbeit hat man der Erläuterung und Erneuerung Kants gewidmet, wie die zahlreichen Schriften neuerer Zeit, hauptsächlich über dessen Erkenntnistheorie, von Cohen, Paulsen, R. Zimmermann, Stadler, Hölder, Volkelt, Thiele, Laas, Frederichs, Zeller, Pünjer, Witte, Romundt, Laßwitz, Schweitzer, Messer u. a., der von Vaihinger zur Säkularfeier der »Kritik der reinen Vernunft« begonnene »Kommentar« (Bd. 1, Stuttg. 1881; Bd. 2, 1892) und Arnoldts »Kritische Exkurse im Gebiete der Kantforschung« (Königsb. 1894), beweisen. Vgl. auch die von Vaihinger, seit 1904 zusammen mit Bauch herausgegebene Zeitschrift »Kantstudien« (Hamb. 1896 f., seit 1899 in Berlin).

Literatur. Das Leben Kants haben geschildert: Borowski, Darstellung des Lebens und Charakters Kants (Königsb. 1804), Wasianski, K. in seinen letzten Lebensjahren (das. 1804), Jachmann, J. K., geschildert in Briefen (das. 1804), vgl. hierzu A. Hoffmann, Immanuel K., ein Lebensbild nach Darstellungen der Zeitgenossen (Halle 1902); Schubert (im 11. Bd. der Rosenkranzschen Gesamtausgabe); Reicke, Kantiana (das. 1860); Saintes, Histoire de la vie et de la philosophie de K. (Par. 1844); Stuckenberg, The life of Immanuel K. (Lond. 1882); Arnoldt, Kants Jugend und die fünf ersten Jahre seiner Privatdozentur (Königsb. 1882).

Über Kants Philosophie vgl. Chalybäus, Historische Entwickelung der spekulativen Philosophie von K. bis Hegel (Leipz. 1837, 5. Aufl. 1860); Kuno Fischer, Immanuel K. (Mannh. 1860, 2 Bde.; 4. Aufl., Heidelb. 1898–99); B. Erdmann, Kants Kritizismus in der 1. und 2. Auflage der »Kritik der reinen Vernunft« (Leipz. 1877); Fried. Paulsen, K. Sein Leben und seine Lehre (Stuttg. 1898, 4. Aufl. 1904); Kronenberg, K., sein Leben und seine Lehre (3. Aufl., Münch. 1905). Zur Feier des 100jährigen Todestags Kants ist eine große Anzahl Reden, Aufsätze, kleinere Schriften erschienen, darunter »Zur Erinnerung an J. K.«, hrsg. von der Universität Königsberg (Halle 1904). Über seine Schule vgl. außer obigem Werk von Rosenkranz noch: K. Fischer, Die beiden kantischen Schulen in Jena (Stuttg. 1862); Liebmann, K. und die Epigonen (das. 1865). Von nichtdeutschen Werken seien erwähnt: Villers, La philosophie de K. (Metz 1801); Cousin, Leçons sur la philosophie de K. (Par. 1842, 4.Aufl., 1864); Desdouits, La philosophie de K. (das. 1875); Adamson, Philosophy of K. (Lond. 1879; deutsch, Leipz. 1880); Caird, The critical philosophy of I. K. (Lond. 1889, 2 Bde.); Cantoni, Emanuele K. (Mail. 1879–84, 3 Bde.); Seth, The development from K. to Hegel (Lond. 1882); Ruyssen, K. (Par. 1900).Die sonstige reiche Kant-Literatur s. bei Überweg-Heinze, Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. 3 (9. Aufl., Berl. 1901).

Die Metaphysik der Sitten

Erster Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre

Vorrede

Auf die Kritik der praktischen Vernunft sollte das System, die Metaphysik der Sitten, folgen, welches in metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre und in eben solche für die Tugendlehre zerfällt (als ein Gegenstück der schon gelieferten metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft), wozu die hier folgende Einleitung die Form des Systems in beiden vorstellig und zum Teil anschaulich macht.

Die Rechtslehre als der erste Teil der Sittenlehre ist nun das, wovon ein aus der Vernunft hervorgehendes System verlangt wird, welches man die Metaphysik des Rechts nennen könnte. Da aber der Begriff des Rechts, als ein reiner jedoch auf die Praxis (Anwendung auf in der Erfahrung vorkommende Fälle) gestellter Begriff ist, mithin ein metaphysisches System desselben in seiner Einteilung auch auf die empirische Mannigfaltigkeit jener Fälle Rücksicht nehmen müßte, um die Einteilung vollständig zu machen (welches zur Errichtung eines Systems der Vernunft eine unerläßliche Forderung ist), Vollständigkeit der Einteilung des Empirischen aber unmöglich ist, und, wo sie versucht wird (wenigstens um ihr nahe zu kommen), solche Begriffe nicht als integrierende Teile in das System, sondern nur, als Beispiele, in die Anmerkungen kommen können: so wird der für den ersten Teil der Metaphysik der Sitten allein schickliche Ausdruck sein, metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre; weil, in Rücksicht auf jene Fälle der Anwendung, nur Annäherung zum System, nicht dieses selbst erwartet werden kann. Es wird daher hiemit, so wie mit den (früheren) metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, auch hier gehalten werden: nämlich das Recht, was zum a priori entworfenen System gehört, in den Text, die Rechte aber, welche auf besondere Erfahrungsfälle bezogen werden, in zum Teil weitläuftige Anmerkungen zu bringen; weil sonst das, was hier Metaphysik ist, von dem, was empirische Rechtspraxis ist, nicht wohl unterschieden werden könnte.

Ich kann dem so oft gemachten Vorwurf der Dunkelheit, ja wohl gar einer geflissenen, den Schein tiefer Einsicht affektierenden, Undeutlichkeit im philosophischen Vortrage nicht besser zuvorkommen, oder abhelfen, als daß ich, was Herr Garve, ein Philosoph in der echten Bedeutung des Worts, jedem, vornehmlich dem philosophierenden Schriftsteller zur Pflicht macht, bereitwillig annehme, und meinerseits diesen Anspruch bloß auf die Bedingung einschränke, ihm nur so weit Folge zu leisten, als es die Natur der Wissenschaft erlaubt, die zu berichtigen und zu erweitern ist.

Der weise Mann fordert (in seinem Werk, Vermischte Aufsätze betitelt, S. 352 u. f.) mit Recht, eine jede philosophische Lehre müsse, wenn der Lehrer nicht selbst in den Verdacht der Dunkelheit seiner Begriffe kommen soll – zur Popularität (einer zur allgemeinen Mitteilung hinreichenden Versinnlichung) gebracht werden können. Ich räume das gern ein, nur mit Ausnahme des Systems einer Kritik des Vernunftvermögens selbst und alles dessen, was nur durch dieser ihre Bestimmung beurkundet werden kann; weil es zur Unterscheidung des Sinnlichen in unserem Erkenntnis vom Übersinnlichen, dennoch aber der Vernunft Zustehenden, gehört. Dieses kann nie populär werden, so wie überhaupt keine formelle Metaphysik; obgleich ihre Resultate für die gesunde Vernunft (eines Metaphysikers, ohne es zu wissen) ganz einleuchtend gemacht werden können. Hier ist an keine Popularität (Volkssprache) zu denken, sondern es muß auf scholastische Pünktlichkeit, wenn sie auch Peinlichkeit gescholten würde, gedrungen werden (denn es ist Schulsprache); weil dadurch allein die voreilige Vernunft dahin gebracht werden kann, vor ihren dogmatischen Behauptungen sich erst selbst zu verstehen.

Wenn aber Pedanten sich anmaßen, zum Publikum (auf Kanzeln und in Volksschriften) mit Kunstwörtern zu reden, die ganz für die Schule geeignet sind, so kann das so wenig dem kritischen Philosophen zur Last fallen, als dem Grammatiker der Unverstand des Wortklaubers (logodae-dalus). Das Belachen kann hier nur den Mann, aber nicht die Wissenschaft treffen.

Es klingt arrogant, selbstsüchtig, und für die, welche ihrem alten System noch nicht entsagt haben, verkleinerlich, zu behaupten: »daß vor dem Entstehen der kritischen Philosophie es noch gar keine gegeben habe«. – Um nun über diese scheinbare Anmaßung absprechen zu können, kommt es auf die Frage an: ob es wohl mehr als eine Philosophie geben könne? Verschiedene Arten zu philosophieren, und zu den ersten Vernunftprinzipien zurückzugehen, um darauf, mit mehr oder weniger Glück, ein System zu gründen, hat es nicht allein gegeben, sondern es mußte viele Versuche dieser Art, deren jeder auch um die gegenwärtige sein Verdienst hat, geben; aber, da es doch, objektiv betrachtet, nur Eine menschliche Vernunft geben kann: so kann es auch nicht viel Philosophien geben, d.i. es ist nur Ein wahres System derselben aus Prinzipien möglich, so mannigfaltig und oft widerstreitend man auch über einen und denselben Satz philosophiert haben mag. So sagt der Moralist mit Recht: es gibt nur Eine Tugend und Lehre derselben, d.i. ein einziges System, das alle Tugendpflichten durch Ein Prinzip verbindet; der Chymist: es gibt nur Eine Chemie (die nach Lavoisier); der Arzneilehrer: es gibt nur Ein Prinzip zum System der Krankheitseinteilung (nach Brown), ohne doch darum, weil das neue System alle andere ausschließt, das Verdienst der älteren (Moralisten, Chemiker und Arzneilehrer) zu schmälern; weil, ohne dieser ihre Entdeckungen, oder auch mißlungene Versuche, wir zu jener Einheit des wahren Prinzips der ganzen Philosophie in einem System nicht gelanget wären. – Wenn also jemand ein System der Philosophie als sein eigenes Fabrikat ankündigt, so ist es eben so viel, als ob er sagte: »vor dieser Philosophie sei gar keine andere noch gewesen«. Denn wollte er einräumen, es wäre eine andere (und wahre) gewesen, so würde es über dieselbe Gegenstände zweierlei wahre Philosophien gegeben haben, welches sich widerspricht. – Wenn also die kritische Philosophie sich als eine solche ankündigt, vor der es überall noch gar keine Philosophie gegeben habe, so tut sie nichts anders, als was alle getan haben, tun werden, ja tun müssen, die eine Philosophie nach ihrem eigenen Plane entwerfen.

Von minderer Bedeutung, jedoch nicht ganz ohne alle Wichtigkeit, wäre der Vorwurf: daß ein diese Philosophie wesentlich unterscheidendes Stück doch nicht ihr eigenes Gewächs, sondern etwa einer anderen Philosophie (oder Mathematik) abgeborgt sei; dergleichen ist der Fund, den ein Tübingscher Rezensent gemacht haben will, und der die Definition der Philosophie überhaupt angeht, welche der Verfasser der Kritik d. r. V. für sein eigenes, nicht unerhebliches, Produkt ausgibt, und die doch schon vor vielen Jahren von einem anderen fast mit denselben Ausdrücken gegeben worden sei.1 Ich überlasse es einem jeden, zu beurteilen, ob die Worte: intellectualis quaedam constructio, den Gedanken der Darstellung eines gegebenen Begriffs in einer Anschauung a priori hätten hervorbringen können, wodurch auf einmal die Philosophie von der Mathematik ganz bestimmt geschieden wird. Ich bin gewiß: Hausen selbst würde sich geweigert haben, diese Erklärung seines Ausdrucks anzuerkennen; denn die Möglichkeit einer Anschauung a priori, und, daß der Raum eine solche und nicht ein bloß der empirischen Anschauung (Wahrnehmung) gegebenes Nebeneinandersein des Mannigfaltigen außer einander sei (wie Wolff ihn erklärt), würde ihn schon aus dem Grunde abgeschreckt haben, weil er sich hiemit in weit hinaussehende philosophische Untersuchungen verwickelt gefühlt hätte. Die gleichsam durch den Verstand gemachte Darstellung bedeutete dem scharfsinnigen Mathematiker nichts weiter, als die einem Begriffe korrespondierende (empirische) Verzeichnung einer Linie, bei der bloß auf die Regel Acht gegeben, von den in der Ausführung unvermeidlichen Abweichungen aber abstrahiert wird; wie man es in der Geometrie auch an der Konstruktion der Gleichungen wahrnehmen kann.

Von der allermindesten Bedeutung aber in Ansehung des Geistes dieser Philosophie ist wohl der Unfug, den einige Nachäffer derselben mit den Wörtern stiften, die in der Kritik d. r. V. selbst nicht wohl durch andere gangbare zu ersetzen sind, sie auch außerhalb derselben zum öffentlichen Gedankenverkehr zu brauchen, und welcher allerdings gezüchtigt zu werden verdient, wie Hr. Nicolai tut, wiewohl er über die gänzliche Entbehrung derselben in ihrem eigentümlichen Felde, gleich als einer überall bloß versteckten Armseligkeit an Gedanken, kein Urteil zu haben sich selbst bescheiden wird. – Indessen läßt sich über den unpopulären Pedanten freilich viel lustiger lachen, als über den unkritischen Ignoranten (denn in der Tat kann der Metaphysiker, welcher seinem Systeme steif anhängt, ohne sich an alle Kritik zu kehren, zur letzteren Klasse gezählt werden, ob er zwar nur willkürlich ignoriert, was er nicht aufkommen lassen will, weil es zu seiner älteren Schule nicht gehört). Wenn aber, nach Shaftesburys Behauptung, es ein nicht zu verachtender Probierstein für die Wahrheit einer (vornehmlich praktischen) Lehre ist, wenn sie das Belachen aushält, so müßte wohl an den kritischen Philosophen mit der Zeit die Reihe kommen, zuletzt, und so auch am besten, zu lachen; wenn er die papierne Systeme derer, die eine lange Zeit das große Wort führten, nach einander einstürzen, und alle Anhänger derselben sich verlaufen sieht: ein Schicksal, was jenen unvermeidlich bevorsteht.

Gegen das Ende des Buchs habe ich einige Abschnitte mit minderer Ausführlichkeit bearbeitet, als in Vergleichung mit den vorhergehenden erwartet werden konnte: teils, weil sie mir aus diesen leicht gefolgert werden zu können schienen, teils auch, weil die letzte (das öffentliche Recht betreffende) eben jetzt so vielen Diskussionen unterworfen und dennoch so wichtig sind, daß sie den Aufschub des entscheidenden Urteils auf einige Zeit wohl rechtfertigen können.

Die metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre hoffe ich in kurzem liefern zu können.

Einleitung in die Metaphysik der Sitten

I. Von dem Verhältnis der Vermögen des menschlichen Gemüts zu den Sittengesetzen

Begehrungsvermögenist das Vermögen, durch seine Vorstellungen Ursache der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein. Das Vermögen eines Wesens, seinen Vorstellungen gemäß zu handeln, heißt das Leben.

Mit dem Begehren oder Verabscheuen ist erstlich jederzeit Lust oder Unlust, deren Empfänglichkeit man Gefühl nennt, verbunden, aber nicht immer umgekehrt. Denn es kann eine Lust geben, welche mit gar keinem Begehren des Gegenstandes, sondern mit der bloßen Vorstellung, die man sich von einem Gegenstande macht (gleichgültig, ob das Objekt derselben existiere oder nicht), schon verknüpft ist. Auch geht, zweitens, nicht immer die Lust oder Unlust an dem Gegenstande des Begehrens vor dem Begehren vorher und darf nicht allemal als Ursache, sondern kann auch als Wirkung desselben angesehen werden.

Man nennt aber die Fähigkeit, Lust oder Unlust bei einer Vorstellung zu haben, darum Gefühl, weil beides das bloß Subjektive im Verhältnisse unserer Vorstellung, und gar keine Beziehung auf ein Objekt zum möglichen Erkenntnisse desselben2 (nicht einmal dem Erkenntnisse unseres Zustandes) enthält; da sonst selbst Empfindungen, außer der Qualität, die ihnen der Beschaffenheit des Subjekts wegen anhängt (z. B, des Roten, des Süßen u.s.w.), doch auch als Erkenntnisstücke auf ein Objekt bezogen werden, die Lust oder Unlust aber (am Roten und Süßen) schlechterdings nichts am Objekte, sondern lediglich Beziehung aufs Subjekt ausdrückt. Näher können Lust und Unlust für sich, und zwar eben um des angeführten Grundes willen, nicht erklärt werden, sondern man kann allenfalls nur, was sie in gewissen Verhältnissen für Folgen haben, anführen, um sie im Gebrauch kennbar zu machen.

Man kann die Lust, welche mit dem Begehren (des Gegenstandes, dessen Vorstellung das Gefühl so affiziert) notwendig verbunden ist, praktische Lust nennen: sie mag nun Ursache oder Wirkung vom Begehren sein. Dagegen würde man die Lust, die mit dem Begehren des Gegenstandes nicht notwendig verbunden ist, die also im Grunde nicht eine Lust an der Existenz des Objekts der Vorstellung ist, sondern bloß an der Vorstellung allein haftet, bloß kontemplative Lust oder untätiges Wohlgefallen nennen können. Das Gefühl der letztern Art von Lust nennen wir Geschmack. Von diesem wird also in einer praktischen Philosophie, nicht als von einem einheimischen Begriffe, sondern allenfalls nur episodisch die Rede sein. Was aber die praktische Lust betrifft, so wird die Bestimmung des Begehrungsvermögens, vor welcher diese Lust, als Ursache, notwendig vorhergehen muß, im engen Verstande Begierde, die habituelle Begierde aber Neigung heißen, und, weil die Verbindung der Lust mit dem Begehrungsvermögen, sofern diese Verknüpfung durch den Verstand nach einer allgemeinen Regel (allenfalls auch nur für das Subjekt) gültig zu sein geurteilt wird, Interesse heißt, so wird die praktische Lust in diesem Falle ein Interesse der Neigung, dagegen wenn die Lust nur auf eine vorhergehende Bestimmung des Begehrungsvermögens folgen kann, so wird sie eine intellektuelle Lust und das Interesse an dem Gegenstande ein Vernunftinteresse genannt werden müssen; denn wäre das Interesse sinnlich und nicht bloß auf reine Vernunftprinzipien gegründet, so müßte Empfindung mit Lust verbunden sein und so das Begehrungsvermögen bestimmen können. Obgleich, wo ein bloß reines Vernunftinteresse angenommen werden muß, ihm kein Interesse der Neigung untergeschoben werden kann, so können wir doch, um dem Sprachgebrauche gefällig zu sein, einer Neigung, selbst zu dem, was nur Objekt einer intellektuellen Lust sein kann, ein habituelles Begehren aus reinem Vernunftinteresse einräumen, welche alsdenn aber nicht die Ursache, sondern die Wirkung des letztern Interesse sein würde, und die wir die sinnenfreie Neigung (propensio intellectualis) nennen könnten.

Noch ist die Konkupiszenz (das Gelüsten) von dem Begehren selbst, als Anreiz zur Bestimmung desselben, zu unterscheiden. Sie ist jederzeit eine sinnliche, aber noch zu keinem Akt des Begehrungsvermögens gediehene Gemütsbestimmung.

Das Begehrungsvermögen nach Begriffen, sofern der Bestimmungsgrund desselben zur Handlung in ihm selbst, nicht in dem Objekte angetroffen wird, heißt ein Vermögen, nach Belieben zu tun oder zu lassen. Sofern es mit dem Bewußtsein des Vermögens seiner Handlung zur Hervorbringung des Objekts verbunden ist, heißt es Willkür; ist es aber damit nicht verbunden, so heißt der Actus derselben ein Wunsch. Das Begehrungsvermögen, dessen innerer Bestimmungsgrund, folglich selbst das Belieben in der Vernunft des Subjekts angetroffen wird, heißt der Wille. Der Wille ist also das Begehrungsvermögen, nicht sowohl (wie die Willkür) in Beziehung auf die Handlung, als vielmehr auf den Bestimmungsgrund der Willkür zur Handlung, betrachtet, und hat selber vor sich eigentlich keinen Bestimmungsgrund, sondern ist, sofern sie die Willkür bestimmen kann, die praktische Vernunft selbst.

Unter dem Willen kann die Willkür, aber auch der bloße Wunsch enthalten sein, sofern die Vernunft das Begehrungsvermögen überhaupt bestimmen kann; die Willkür, die durch reine Vernunft bestimmt werden kann, heißt die freie Willkür. Die, welche nur durch Neigung (sinnlichen Antrieb, stimulus) bestimmbar ist, würde tierische Willkür (arbitrium brutum) sein. Die menschliche Willkür ist dagegen eine solche, welche durch Antriebe zwar affiziert, aber nicht bestimmt wird, und ist also für sich (ohne erworbene Fertigkeit der Vernunft) nicht rein, kann aber doch zu Handlungen aus reinem Willen bestimmt werden. Die Freiheit der Willkür ist jene Unabhängigkeit ihrer Bestimmung durch sinnliche Antriebe; dies ist der negative Begriff derselben. Der positive ist: das Vermögen der reinen Vernunft, für sich selbst praktisch zu sein. Dieses ist aber nicht anders möglich, als durch die Unterwerfung der Maxime einer jeden Handlung unter die Bedingung der Tauglichkeit der erstern zum allgemeinen Gesetze. Denn, als reine Vernunft, auf die Willkür, unangesehen dieser ihres Objekts, angewandt, kann sie, als Vermögen der Prinzipien (und hier praktischer Prinzipien, mithin als gesetzgebendes Vermögen), da ihr die Materie des Gesetzes abgeht, nichts mehr, als die Form der Tauglichkeit der Maxime der Willkür zum allgemeinen Gesetze selbst zum obersten Gesetze und Bestimmungsgrunde der Willkür machen, und, da die Maximen des Menschen aus subjektiven Ursachen mit jenen objektiven nicht von selbst übereinstimmen, dieses Gesetz nur schlechthin, als Imperativ des Verbots oder Gebots, vorschreiben.

Diese Gesetze der Freiheit heißen, zum Unterschiede von Naturgesetzen, moralisch. Sofern sie nur auf bloße äußere Handlungen und deren Gesetzmäßigkeit gehen, heißen sie juridisch; fordern sie aber auch, daß sie (die Gesetze) selbst die Bestimmungsgründe der Handlungen sein sollen, so sind sie ethisch, und alsdann sagt man: die Übereinstimmung mit den ersteren ist die Legalität, die mit den zweiten die Moralität der Handlung. Die Freiheit, auf die sich die erstern Gesetze beziehen, kann nur die Freiheit im äußeren Gebrauche, diejenige aber, auf die sich die letztere beziehen, die Freiheit sowohl im äußern als innern Gebrauche der Willkür sein, sofern sie durch Vernunftgesetze bestimmt wird. So sagt man in der theoretischen Philosophie: im Räume sind nur die Gegenstände äußerer Sinne, in der Zeit aber alle, sowohl die Gegenstände äußerer, als des inneren Sinnes; weil die Vorstellungen beider doch Vorstellungen sind, und sofern insgesamt zum inneren Sinne gehören. Eben so mag die Freiheit im äußeren oder inneren Gebrauche der Willkür betrachtet werden, so müssen doch ihre Gesetze, als reine praktische Vernunftgesetze für die freie Willkür überhaupt, zugleich innere Bestimmungsgründe derselben sein: obgleich sie nicht immer in dieser Beziehung betrachtet werden dürfen.

II. Von der Idee und der Notwendigkeit einer Metaphysik der Sitten

Daß man für die Naturwissenschaft, welche es mit den Gegenständen äußerer Sinne zu tun hat, Prinzipien a priori haben müsse, und daß es möglich, ja notwendig sei, ein System dieser Prinzipien, unter dem Namen einer metaphysischen Naturwissenschaft, vor der auf besondere Erfahrungen angewandten, d.i. der Physik, voranzuschicken, ist an einem andern Orte bewiesen worden. Allein die letztere kann (wenigstens wenn es ihr darum zu tun ist, von ihren Sätzen den Irrtum abzuhalten) manches Prinzip auf das Zeugnis der Erfahrung als allgemein annehmen, obgleich das letztere, wenn es in strenger Bedeutung allgemein gelten soll, aus Gründen a priori abgeleitet werden müßte, wie Newton das Prinzip der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung im Einflusse der Körper auf einander als auf Erfahrung gegründet annahm, und es gleichwohl über die ganze materielle Natur ausdehnte. Die Chymiker gehen noch weiter und gründen ihre allgemeinste Gesetze der Vereinigung und Trennung der Materien durch ihre eigene Kräfte gänzlich auf Erfahrung, und vertrauen gleichwohl auf ihre Allgemeinheit und Notwendigkeit so, daß sie in den mit ihnen angestellten Versuchen keine Entdeckung eines Irrtums besorgen.

Allein mit den Sittengesetzen ist es anders bewandt. Nur sofern sie als a priori gegründet und notwendig eingesehen werden können, gelten sie als Gesetze, ja die Begriffe und Urteile über uns selbst und unser Tun und Lassen bedeuten gar nichts Sittliches, wenn sie das, was sich bloß von der Erfahrung lernen läßt, enthalten, und, wenn man sich etwa verleiten läßt, etwas aus der letztern Quelle zum moralischen Grundsatze zu machen, so gerät man in Gefahr der gröbsten und verderblichsten Irrtümer.

Wenn die Sittenlehre nichts als Glückseligkeitslehre wäre, so würde es ungereimt sein, zum Behuf derselben sich nach Prinzipien a priori umzusehen. Denn so scheinbar es immer auch lauten mag: daß die Vernunft noch vor der Erfahrung einsehen könne, durch welche Mittel man zum dauerhaften Genuß wahrer Freuden des Lebens gelangen könne, so ist doch alles, was man darüber a priori lehrt, entweder tautologisch, oder ganz grundlos angenommen. Nur die Erfahrung kann lehren, was uns Freude bringe. Die natürlichen Triebe zur Nahrung, zum Geschlecht, zur Ruhe, zur Bewegung, und (bei der Entwickelung unserer Naturanlagen) die Triebe zur Ehre, zur Erweiterung unserer Erkenntnis u. d. gl., können allein und einem jeden nur auf seine besondere Art zu erkennen geben, worin er jene Freuden zu setzen, ebendieselbe kann ihm auch die Mittel lehren, wodurch er sie zu suchen habe. Alles scheinbare Vernünfteln a priori ist hier im Grunde nichts, als durch Induktion zur Allgemeinheit erhobene Erfahrung, welche Allgemeinheit (secundum principia generalia non universalia) noch dazu so kümmerlich ist, daß man einem jeden unendlich viel Ausnahmen erlauben muß, um jene Wahl seiner Lebensweise seiner besondern Neigung und seiner Empfänglichkeit für die Vergnügen anzupassen, und am Ende doch nur durch seinen, oder anderer ihren Schaden klug zu werden.

Allein mit den Lehren der Sittlichkeit ist es anders bewandt. Sie gebieten für jedermann, ohne Rücksicht auf seine Neigungen zu nehmen; bloß weil und sofern er frei ist und praktische Vernunft hat. Die Belehrung in ihren Gesetzen ist nicht aus der Beobachtung seiner selbst und der Tierheit in ihm, nicht aus der Wahrnehmung des Weltlaufs geschöpft, von dem, was geschieht und wie gehandelt wird (obgleich das deutsche Wort Sitten, eben so wie das lateinische mores, nur Manieren und Lebensart bedeutet), sondern die Vernunft gebietet, wie gehandelt werden soll, wenn gleich noch kein Beispiel davon angetroffen würde, auch nimmt sie keine Rücksicht auf den Vorteil, der uns dadurch erwachsen kann, und den freilich nur die Erfahrung lehren könnte. Denn, ob sie zwar erlaubt, unsern Vorteil, auf alle uns mögliche Art, zu suchen, überdem auch sich, auf Erfahrungszeugnisse fußend, von der Befolgung ihrer Gebote, vornehmlich wenn Klugheit dazu kommt, im Durchschnitte größere Vorteile, als von ihrer Übertretung wahrscheinlich versprechen kann, so beruht darauf doch nicht die Autorität ihrer Vorschriften als Gebote, sondern sie bedient sich derselben (als Ratschläge) nur als eines Gegengewichts wider die Verleitungen zum Gegenteil, um den Fehler einer parteiischen Wage in der praktischen Beurteilung vorher auszugleichen und alsdenn allererst dieser, nach dem Gewicht der Gründe a priori einer reinen praktischen Vernunft, den Ausschlag zu sichern.

Wenn daher ein System der Erkenntnis a priori aus bloßen Begriffen Metaphysik heißt, so wird eine praktische Philosophie, welche nicht Natur, sondern die Freiheit der Willkür zum Objekte hat, eine Metaphysik der Sitten voraussetzen und bedürfen: d.i. eine solche zu haben ist selbst Pflicht, und jeder Mensch hat sie auch, obzwar gemeiniglich nur auf dunkle Art in sich; denn wie könnte er, ohne Prinzipien a priori, eine allgemeine Gesetzgebung in sich zu haben glauben? So wie es aber in einer Metaphysik der Natur auch Prinzipien der Anwendung jener allgemeinen obersten Grundsätze von einer Natur überhaupt auf Gegenstände der Erfahrung geben muß, so wird es auch eine Metaphysik der Sitten daran nicht können mangeln lassen, und wir werden oft die besondere Natur des Menschen, die nur durch Erfahrung erkannt wird, zum Gegenstande nehmen müssen, um an ihr die Folgerungen aus den allgemeinen moralischen Prinzipien zu zeigen, ohne daß jedoch dadurch der Reinigkeit der letzteren etwas benommen, noch ihr Ursprung a priori dadurch zweifelhaft gemacht wird. – Das will so viel sagen, als: eine Metaphysik der Sitten kann nicht auf Anthropologie gegründet, aber doch auf sie angewandt werden.

Das Gegenstück einer Metaphysik der Sitten, als das andere Glied der Einteilung der praktischen Philosophie überhaupt, würde die moralische Anthropologie sein, welche, aber nur die subjektive, hindernde sowohl, als begünstigende, Bedingungen der Ausführung der Gesetze der ersteren in der menschlichen Natur, die Erzeugung, Ausbreitung und Stärkung moralischer Grundsätze (in der Erziehung der Schul- und Volksbelehrung) und dergleichen andere sich auf Erfahrung gründende Lehren und Vorschriften enthalten würde, und die nicht entbehrt werden kann, aber durchaus nicht vor jener vorausgeschickt, oder mit ihr vermischt werden muß; weil man alsdenn Gefahr läuft, falsche, oder wenigstens nachsichtliche moralische Gesetze herauszubringen, welche das für unerreichbar vorspiegeln, was nur eben darum nicht erreicht wird, weil das Gesetz nicht in seiner Reinigkeit (als worin auch seine Stärke besteht) eingesehen und vorgetragen worden, oder gar unechte, oder unlautere Triebfedern zu dem, was an sich pflichtmäßig und gut ist, gebraucht werden, welche keine sichere moralische Grundsätze übrig lassen; weder zum Leitfaden der Beurteilung, noch zur Disziplin des Gemüts in der Befolgung der Pflicht, deren Vorschrift schlechterdings nur durch reine Vernunft a priori gegeben werden muß.

Was aber die Obereinteilung, unter welcher die eben jetzt erwähnte steht, nämlich die der Philosophie in die theoretische und praktische, und daß diese keine andere als die moralische Weltweisheit sein könne, betrifft, darüber habe ich mich schon anderwärts (in der Kritik der Urteilskraft) erklärt. Alles Praktische, was nach Naturgesetzen möglich sein soll (die eigentliche Beschäftigung der Kunst), hängt, seiner Vorschrift nach, gänzlich von der Theorie der Natur ab; nur das Praktische nach Freiheitsgesetzen kann Prinzipien haben, die von keiner Theorie abhängig sind; denn über die Naturbestimmungen hinaus gibt es keine Theorie. Also kann die Philosophie unter dem praktischen Teile (neben ihrem theoretischen) keine technisch– sondern bloß moralisch-praktische Lehre verstehen, und, wenn die Fertigkeit der Willkür nach Freiheitsgesetzen, im Gegensatze der Natur, hier auch Kunst genannt werden sollte, so würde darunter eine solche Kunst verstanden werden müssen, welche ein System der Freiheit gleich einem System der Natur möglich macht; fürwahr eine göttliche Kunst, wenn wir im Stande wären, das, was uns die Vernunft vorschreibt, vermittelst ihrer auch völlig auszuführen, und die Idee davon ins Werk zu richten.

III. Von der Einteilung einer Metaphysik der Sitten3

Zu aller Gesetzgebung (sie mag nun innere oder äußere Handlungen, und diese, entweder a priori durch bloße Vernunft, oder durch die Willkür eines andern vorschreiben) gehören zwei Stücke: erstlich, ein Gesetz, welches die Handlung, die geschehen soll, objektiv als notwendig vorstellt, d.i. welches die Handlung zur Pflicht macht, zweitens, eine Triebfeder, welche den Bestimmungsgrund der Willkür zu dieser Handlung subjektiv mit der Vorstellung des Gesetzes verknüpft; mithin ist das zweite Stück dieses: daß das Gesetz die Pflicht zur Triebfeder macht. Durch das erstere wird die Handlung als Pflicht vorgestellt, welches ein bloßes theoretisches Erkenntnis der möglichen Bestimmung der Willkür, d.i. praktischer Regeln ist; durch das zweite wird die Verbindlichkeit, so zu handeln, mit einem Bestimmungsgrunde der Willkür überhaupt im Subjekte verbunden.

Alle Gesetzgebung also (sie mag auch in Ansehung der Handlung, die sie zur Pflicht macht, mit einer anderen übereinkommen, z.B. die Handlungen mögen in allen Fällen äußere sein) kann doch in Ansehung der Triebfedern unterschieden sein. Diejenige, welche eine Handlung zur Pflicht, und diese Pflicht zugleich zur Triebfeder macht, ist ethisch. Diejenige aber, welche das letztere nicht im Gesetze mit einschließt, mithin auch eine andere Triebfeder, als die Idee der Pflicht selbst, zuläßt, ist juridisch. Man sieht in Ansehung der letztern leicht ein, daß diese von der Idee der Pflicht unterschiedene Triebfeder von den pathologischen Bestimmungsgründen der Willkür der Neigungen und Abneigungen und unter diesen von denen der letzteren Art hergenommen sein müssen, weil es eine Gesetzgebung, welche nötigend, nicht eine Anlockung, die einladend ist, sein soll.

Man nennt die bloße Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung einer Handlung mit dem Gesetze, ohne Rücksicht auf die Triebfeder derselben, die Legalität (Gesetzmäßigkeit); diejenige aber, in welcher die Idee der Pflicht aus dem Gesetze zugleich die Triebfeder der Handlung ist, die Moralität (Sittlichkeit) derselben.

Die Pflichten nach der rechtlichen Gesetzgebung können nur äußere Pflichten sein, weil diese Gesetzgebung nicht verlangt, daß die Idee dieser Pflicht, welche innerlich ist, für sich selbst Bestimmungsgrund der Willkür des Handelnden sei, und, da sie doch einer für Gesetze schicklichen Triebleder bedarf, nur äußere mit dem Gesetze verbinden kann. Die ethische Gesetzgebung dagegen macht zwar auch innere Handlungen zu Pflichten, aber nicht etwa mit Ausschließung der äußeren, sondern geht auf alles, was Pflicht ist, überhaupt. Aber eben darum, weil die ethische Gesetzgebung die innere Triebfeder der Handlung (die Idee der Pflicht) in ihr Gesetz mit einschließt, welche Bestimmung durchaus nicht in die äußere Gesetzgebung einfließen muß, so kann die ethische Gesetzgebung keine äußere (selbst nicht die eines göttlichen Willens) sein, ob sie zwar die Pflichten, die auf einer anderen, nämlich äußeren Gesetzgebung beruhen, als Pflichten, in ihre Gesetzgebung zu Triebfedern aufnimmt.

Hieraus ist zu ersehen, daß alle Pflichten bloß darum, weil sie Pflichten sind, mit zur Ethik gehören; aber ihre Gesetzgebung