Der Tagträumer - Ian McEwan - E-Book + Hörbuch

Der Tagträumer E-Book

Ian McEwan

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Beschreibung

Die gesamte Familie mittels einer Zaubercreme zum Verschwinden bringen, das wäre doch was, denkt sich Peter Glück ƒ ein wenig aus Langeweile, ein wenig aus Trotz. Oder wie wäre es, einen Tag lang das Leben des Katers der Familie zu führen? Und was wäre erst, wenn Bewegung in die Puppen der Schwester käme und sie ihm ein Bein ausrissen?

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Seitenzahl: 139

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Ian McEwan

Der Tagträumer

Erzählung

Aus dem Englischen vonHans-Christian Oeser

Titel der 1994 bei Jonathan Cape, London,

erschienenen Originalausgabe:

›The Daydreamer‹

Copyright ©1994 by Ian McEwan

Die deutsche Erstausgabe erschien 1995

im Diogenes Verlag

Das Zitat aus Metamorphosen. Epos in 15Büchern

von Publius Ovidius Naso in der Übersetzung von

Hermann Breitenbach, Reclam Verlag, Stuttgart 1993

Umschlagillustration von Anthony Browne

Copyright ©A.E.T. Browne & Partners 1994

Für Polly, Alice,

William und Gregory

in Dankbarkeit

Alle deutschen Rechte vorbehalten

Copyright ©2015

Diogenes Verlag AG Zürich

www.diogenes.ch

ISBN Buchausgabe 978 3 257 23257 8 (5. Auflage)

Die grauen Zahlen im Text entsprechen den Seitenzahlen der im Impressum genannten Buchausgabe.

Von den Gestalten zu künden,die einst sich verwandelt in neueKörper, so treibt mich der Geist.

Ovid, ›Metamorphosen‹ Erstes Buch

[7]Inhalt

Peter wird vorgestellt  [9]

Die Puppen  [22]

Der Kater  [41]

Die Entfernungscreme  [65]

Der Schläger  [79]

Der Einbrecher  [96]

Das Baby  [116]

[9]Peter wird vorgestellt

Als Peter Glück zehn Jahre alt war, sagten ihm die Erwachsenen manchmal, er sei ein »schwieriges« Kind. Er verstand nie so recht, was sie damit meinten. Er selbst fand sich überhaupt nicht schwierig. Er warf keine Milchflaschen gegen die Gartenmauer, schüttete sich kein Tomatenketchup über den Kopf und tat, als wäre es Blut, er versuchte auch nicht, seiner Oma mit dem Schwert den Fuß abzuhacken, selbst wenn er gelegentlich mit dem Gedanken spielte. Bis auf Gemüse und Fisch, Eier und Käse aß er alles, was auf den Tisch kam. Er war weder lauter noch schmuddeliger, noch dümmer als andere Kinder, die er kannte. Sein Name war leicht auszusprechen und leicht zu buchstabieren. Er hatte ein ganz gewöhnliches Gesicht, blaß und voller Sommersprossen. Er ging jeden Tag zur Schule wie andere Kinder auch und machte nie viel Wind darum. Zu seiner Schwester war er nur so gemein wie sie zu ihm. Nie klopften Polizisten an die Haustür, um ihn zu verhaften. Nie drohten Arzte in weißen [10]Kitteln, ihn ins Irrenhaus zu schaffen. Seiner Meinung nach war Peter eigentlich ziemlich pflegeleicht. Was war an ihm schon schwierig?

Erst viele Jahre später, als er selber längst erwachsen war, ging Peter endlich ein Licht auf. Man fand ihn schwierig, weil er so still war. Das machte den Leuten offenbar zu schaffen. Ein weiteres Problem bestand darin, daß er gern allein war. Natürlich nicht die ganze Zeit. Nicht einmal jeden Tag. Aber an den meisten Tagen zog er sich gern auf ein Stündchen in sein Zimmer oder in den Park zurück. Er war eben gern ungestört, hing seinen Gedanken nach.

Erwachsene bilden sich immer ein, sie wüßten, was im Kopf eines Zehnjährigen vor sich geht. Aber wenn einer den Mund hält, weiß man ganz und gar nicht, was ihn beschäftigt. Wenn die Leute Peter sahen, wie er an Sommernachmittagen auf dem Rücken lag, an einem Grashalm kaute und zum Himmel hinaufstierte, dann riefen sie ihm zu: »Peter, Peter! Woran denkst du denn schon wieder?« Und Peter richtete sich erschrocken auf: »Ach, an nichts. An überhaupt nichts.« Die Erwachsenen ahnten wohl, daß ihm etwas im Kopf herumging, aber sie konnten es nicht hören, nicht sehen oder fühlen. Sie konnten Peter auch nicht gut auffordern, damit aufzuhören, denn sie [11]wußten ja nicht, was er da im Geiste so alles anstellte. Vielleicht steckte er gerade seine Schule in Brand, warf seine Schwester einem Krokodil zum Fraße vor oder flüchtete in einem Heißluftballon; sie aber sahen nichts weiter als einen Jungen, der, ohne mit den Augen zu zwinkern, in den blauen Himmel starrte, einen Jungen, der nicht hörte, wenn man ihn bei seinem Namen rief.

Und was nun sein Alleinsein anging – das gefiel den Erwachsenen auch nicht sonderlich. Sie können es ja nicht einmal leiden, wenn andere Erwachsene allein sein wollen. Wenn man mitmacht, wissen die Leute, welche Absichten man hat. Man hat genau die gleichen Absichten wie sie auch. Man muß mitmachen, oder man verdirbt allen den Spaß. Peter sah das anders. Mitmachen – das war ja alles schön und gut, in bestimmten Fällen. Aber doch nicht ständig. Wenn die Leute weniger Zeit damit zubrächten, mitzumachen und andere zum Mitmachen zu zwingen, dachte er, wenn sie sich statt dessen jeden Tag eine Zeitlang darauf besinnen würden, wer sie sind oder wer sie sein könnten, ginge es glücklicher zu in der Welt, und es käme vielleicht gar nicht erst zu Kriegen.

In der Schule war Peter oft nur äußerlich anwesend hinter seinem Pult, während sein Geist [12]auf Wanderschaft ging. Sogar zu Hause handelte er sich mit seiner Träumerei zuweilen Arger ein. Einmal – es war Weihnachten – wollte Peters Vater, Thomas Glück, im Wohnzimmer den Weihnachtsschmuck aufhängen. Er haßte diese Arbeit, bekam dabei immer schlechte Laune. Er hatte beschlossen, oben an der Zimmerdecke einen Stern anzubringen. In der Ecke stand ein Sessel, und in dem Sessel saß Peter und tat nichts Besonderes.

»Bleibst du bitte sitzen, Peter«, sagte Thomas Glück. »Ich will mich nur eben auf die Sessellehne stellen, um da oben hinzukommen.«

»Ist recht«, sagte Peter. »Nur zu.«

Thomas Glück stieg auf den Sessel, und Peter vertiefte sich in Gedanken. Er sah zwar aus, als hätte er nichts zu tun, aber in Wahrheit war er vollauf beschäftigt. Er war nämlich gerade dabei, sich eine aufregende Methode auszudenken, wie man unter Verwendung eines Kleiderbügels und eines Drahtseils, das zwischen den Bäumen aufgespannt war, schnell bergab gelangen konnte. Während sein Vater auf der Rückenlehne stand, sich ächzend reckte und zur Decke streckte, grübelte Peter weiter über das Problem nach. Wie, so überlegte er, konnte man sich herabgleiten lassen, ohne gegen die Kiefern zu prallen, an denen das Drahtseil aufgespannt war?

[13]Vielleicht war die Bergluft daran schuld, aber plötzlich fiel Peter wieder ein, daß er Hunger hatte. In der Küche lag eine unangebrochene Packung Schokoladenkekse. Wäre doch schade, wenn die verkommen würden. Als er aufstand, tat es hinter ihm einen entsetzlichen Schlag. Er drehte sich um und sah gerade noch, wie sein Vater kopfüber in den Spalt zwischen Sessel und Wand fiel. Dann tauchte Thomas Glück, mit dem Kopf voran, wieder auf. Er sah aus, als wäre er drauf und dran, Peter windelweich zu prügeln. Auf der anderen Seite des Zimmers hielt sich Peters Mutter die Hand vor den Mund, um ihr Lachen zu unterdrücken.

»Tut mir leid, Papa«, sagte Peter. »Ich hatte ganz vergessen, daß du da warst.«

Kurz nach seinem zehnten Geburtstag wurde Peter mit der Aufgabe betraut, seine siebenjährige Schwester Tina zur Schule zu bringen. Peter und Tina gingen auf dieselbe Schule. Zu Fuß war man in einer Viertelstunde dort, oder aber man fuhr eine kurze Strecke mit dem Bus. Früher liefen sie gemeinsam mit ihrem Vater, der sie auf dem Weg zur Arbeit dort ablieferte. Doch von nun an sollten sie allein mit dem Bus zur Schule fahren, und Peter trug die Verantwortung.

[14]Man brauchte nur zwei Haltestellen weit zu fahren, doch seine Eltern machten ein Getue, als müßte Peter Tina zum Nordpol bringen. Am Vorabend erhielt er genaue Anweisungen. Als er aufwachte, mußte er sich alles noch einmal von vorn anhören. Dann wiederholten seine Eltern das Ganze abermals am Frühstückstisch. Als die Kinder schon zur Tür hinaus waren, ging seine Mutter, Viola Glück, die Verhaltensregeln ein letztes Mal durch. Die denken wohl alle, ich bin blöd, dachte Peter. Vielleicht bin ich’s ja auch. Er sollte Tina die ganze Zeit über an die Hand nehmen. Im Doppeldecker sollten sie sich unten hinsetzen, Tina ans Fenster. Unter keinen Umständen durften sie sich auf Gespräche mit Verrückten oder mit bösen Onkeln einlassen. Peter sollte dem Schaffner mit lauter Stimme die Haltestelle nennen, ohne zu vergessen, »bitte« zu sagen. Auch sollte er sich die Fahrstrecke einprägen.

Peter mußte seiner Mutter die Vorschriften noch einmal wiederholen, dann brach er mit seiner Schwester zur Bushaltestelle auf. Die ganze Zeit über hielten sie sich bei der Hand. Dagegen hatte er eigentlich nichts einzuwenden, denn, um die Wahrheit zu sagen, er mochte seine Schwester gern. Er hoffte bloß, daß ihn keiner von seinen [15]Freunden dabei ertappte, wie er mit einem Mädchen Hand in Hand ging. Dann kam auch schon der Bus. Sie stiegen ein und setzten sich unten hin. Es war lächerlich, sich weiter an den Händen zu halten, und weil auch einige Jungen von seiner Schule im Bus saßen, ließen sie sich los. Peter war stolz. Er würde überall auf seine Schwester aufpassen. Sie konnte sich auf ihn verlassen. Angenommen, sie befänden sich allein auf einem Bergpaß und sähen sich einem Rudel ausgehungerter Wölfe gegenüber – er wüßte genau, was zu tun wäre. Er würde darauf achten, daß sie keine plötzliche Bewegung machten, und mit Tina zurückweichen, bis sie mit dem Rücken gegen einen großen Felsen standen. So konnten die Wölfe sie nicht einkreisen.

Dann nimmt er aus der Hosentasche zwei wichtige Gegenstände, die er vorsorglich mitgebracht hat: sein Jagdmesser und eine Streichholzschachtel. Er zieht das Messer aus der Scheide und legt es ins Gras, für den Fall, daß die Wölfe sie angreifen. Schon schleichen sie näher heran. Sie sind so ausgehungert, daß sie geifern und knurren und heulen. Tina schluchzt, aber er kann sie jetzt nicht trösten. Er weiß, daß er sich auf seinen Plan konzentrieren muß. Zu seinen Füßen liegen ein paar trockene Blätter und Zweige. [16]Rasch und geschickt formt er sie zu einem kleinen Häufchen. Die Wölfe rücken näher. Er muß es schaffen. In der Schachtel befindet sich nur noch ein Zündholz. Sie können den Atem der Wölfe riechen – ein schrecklicher Gestank nach fauligem Fleisch. Er bückt sich und versucht, das Streichholz hinter vorgehaltener Hand anzuzünden. Ein Windstoß, die Flamme flackert, doch Peter hält sie dicht an den Haufen, ein Blatt fängt Feuer, dann ein zweites, dann das Ende eines Zweigs, und bald brennt der ganze Haufen lichterloh. Er schichtet noch mehr Laub, Zweige und größere Aste aufeinander. Tina begreift und hilft ihm. Die Wölfe ziehen sich zurück. Wilde Tiere fürchten sich vor Feuer. Die Flammen züngeln höher, und der Wind treibt den Rauch genau auf ihre sabbernden Rachen zu. Da greift Peter nach seinem Jagdmesser und…

Lächerlich! Solche Tagträume waren schuld daran, daß er seine Haltestelle verpaßte, wenn er nicht achtgab. Der Bus hatte angehalten. Die anderen Schulkinder stiegen schon aus. Peter sprang auf und konnte gerade noch auf den Bürgersteig hüpfen, als der Bus auch schon wieder anrollte. Er war bereits mehr als fünfzig Meter die Straße hinuntergelaufen, als er merkte, daß er etwas vergessen hatte. War es sein Ranzen? Nein! Es war [17]seine Schwester! Er hatte sie vor den Wölfen gerettet, aber im Bus sitzenlassen. Einen Augenblick lang stand er wie angewurzelt da. Stand da und sah zu, wie der Bus die Straße hinauffuhr. »Komm zurück«, murmelte er. »Komm zurück!«

Einer seiner Schulkameraden kam auf ihn zu und knuffte ihn in die Seite.

»Was ist denn? Hast du ein Gespenst gesehen?«

Peters Stimme schien von weit her zu kommen. »Ach, nichts, gar nichts. Ich hab im Bus was liegenlassen.« Und dann fing er an zu rennen. Der Bus war schon dreihundertfünfzig Meter weit gekommen und bremste gerade ab, um an der nächsten Haltestelle anzuhalten. Peter sprintete. Er rannte so schnell, daß er, wenn er die Arme ausgebreitet hätte, wahrscheinlich abgehoben wäre. Dann könnte er über die Baumwipfel hinweggleiten und… Aber nein! Er wollte nicht schon wieder träumen. Er wollte seine Schwester zurückholen. Vor lauter Angst würde sie bestimmt immer noch laut kreischen.

Einige Fahrgäste waren ausgestiegen, und der Bus ruckte wieder an. Peter hatte aufgeholt. Der Bus fuhr im Schneckentempo hinter einem Lastwagen her. Wenn er nur einfach weiterrennen und die furchtbaren Schmerzen in den Beinen und im [18]Brustkorb vergessen könnte, dann würde er ihn schon noch einholen. Als er zur Haltestelle kam, war der Bus nicht mehr als hundert Meter entfernt. »Schneller, schneller«, befahl er sich.

Während er an dem Wartehäuschen vorbeihastete, rief ihm ein Kind zu: »He, Peter, Peter!«

Peter hatte nicht genügend Kraft, den Kopf zu wenden. »Hab keine Zeit«, keuchte er und rannte weiter.

»Peter! Halt! Ich bin’s, Tina!«

Peter preßte die Faust gegen die Brust und ließ sich zu Füßen seiner Schwester ins Gras fallen.

»Paß doch auf den Hundedreck auf«, sagte sie ruhig, während sie ihrem Bruder dabei zusah, wie er um Atem rang. »Komm jetzt. Wir drehen lieber um, sonst kommen wir noch zu spät. Am besten hältst du mich bei der Hand, wenn du dir keinen Ärger einhandeln willst.«

So liefen sie zusammen zur Schule, und gegen Peters samstägliches Taschengeld versprach Tina, zu Hause nichts von dem zu verraten, was geschehen war. Sie war wirklich in Ordnung.

Das Dumme an einem Tagträumer, der nicht viel redet, ist, daß die Lehrer in der Schule, besonders diejenigen, die dich nicht besonders gut kennen, dazu neigen, dich für dumm zu halten. Oder [19]wenn nicht für dumm, dann doch für dumpf. Keiner kann die erstaunlichen Dinge sehen, die in deinem Kopf vor sich gehen. Ein Lehrer, der Peter aus dem Fenster oder auf ein leeres Blatt Papier auf seinem Pult stieren sah, mochte denken, daß er sich langweilte oder um eine Antwort verlegen war, während es sich in Wahrheit ganz anders verhielt.

Zum Beispiel sollte Peters Klasse eines Morgens eine Mathematikarbeit schreiben. Die Kinder sollten einige sehr große Zahlen zusammenrechnen, und dafür hatten sie nur zwanzig Minuten Zeit. Sobald Peter mit der ersten Aufgabe begonnen hatte, bei der es darum ging, drei Millionen fünfhunderttausendzweihundertundfünfundneunzig zu einer fast ebenso großen Zahl hinzuzuzählen, dachte Peter über die größte Zahl der Welt nach. Eine Woche zuvor hatte er von einer Zahl mit dem wunderbaren Namen Googol gelesen. Ein Googol war eine Zehn, die hundertmal mit einer anderen Zehn malgenommen wurde. Eine Zehn mit hundert Nullen dahinter. Und es gab sogar noch ein schöneres Wort, ein richtiges Prachtstück – ein Googolplex. Ein Googolplex war eine Zehn, multipliziert mit zehn Googol. Was für eine Zahl!

Peter ließ seine Gedanken schweifen: Was für [20]eine unermeßliche Größe! Die Nullen verloren sich im Raum wie Seifenblasen. Sein Vater hatte ihm erzählt, Astronomen hätten ausgerechnet, daß die Gesamtzahl der Atome in all den Millionen Sternen, die sie durch ihre riesigen Teleskope erkennen konnten, eine Zehn mit achtundneunzig Nullen dahinter war. Das bedeutete, daß sämtliche Atome dieser Welt nicht einmal einen einzigen Googol ergaben. Und ein Googol war doch nur ein allerwinzigstes Fitzelchen von einem Ding, verglichen mit einem Googolplex. Wenn man jemanden um einen Googol Schokoladentoffees bat, gab es nicht einmal annähernd genügend Atome im Weltall, um sie herzustellen.

Peter stützte den Kopf auf den Ellbogen und seufzte. In diesem Augenblick klatschte die Lehrerin in die Hände. Die zwanzig Minuten waren vorüber. Peter hatte gerade mal die erste Zahl der Rechenaufgabe hingeschrieben. Alle anderen waren fertig geworden. Die Lehrerin hatte Peter beobachtet, wie er auf die Seite gestarrt, nichts geschrieben und nur geseufzt hatte.

Nicht lange danach wurde er in eine Gruppe von Kindern gesteckt, die große Schwierigkeiten damit hatten, selbst kleine Zahlen wie vier und sechs zusammenzuzählen. Bald langweilte sich Peter, und es fiel ihm noch schwerer, bei der [21]Sache zu bleiben. Allmählich dachten die Lehrer, daß er im Rechnen selbst für diese Fördergruppe zu schlecht war. Was sollte man nur mit ihm anstellen?

[22]I

Die Puppen

Solange er zurückdenken konnte, hatte Peter mit Tina ein Schlafzimmer geteilt. Normalerweise machte es ihm nichts aus. Tina war in Ordnung. Sie brachte ihn zum Lachen. Und es gab Nächte, in denen Peter aus einem Alptraum aufschrak und froh darüber war, jemand anderen im Zimmer zu wissen, selbst wenn es nur seine siebenjährige Schwester war, die gegen die rothäutigen, mit Schleim bedeckten Wesen, welche ihn im Schlaf heimsuchten, nichts ausrichten konnte. Wenn er aufwachte, huschten diese Ungeheuer hinter die Gardinen oder verkrochen sich im Kleiderschrank. Weil Tina im Zimmer war, fiel es ihm ein klein bißchen leichter, aus dem Bett zu springen und durch den Flur ins Zimmer seiner Eltern zu hechten.