Der Tod lauert in den Dünen - Angelika Friedemann - E-Book

Der Tod lauert in den Dünen E-Book

Angelika Friedemann

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Beschreibung

Habgier bedeutet, dass ein Mensch nach etwas trachtet, dass er nicht besitzt. Neid hingegen bedeutet, dass er sich über das ärgert, was ein anderer besitzt. Aristoteles Der Chefarzt einer Privatklinik wird ermordet aufgefunden. Sie finden einen ersten Hinweis auf den Täter in seinem Büro, der führt sie zu einem Kinderchat. Nur alle Spuren verlaufen im Sand. Die Untersuchungen rollen nur schleppend an, da derzeit Ermittlungen gegen zwei Beamte auf Hochtouren laufen. Der Mordfall gerät in ein anderes Licht, als man eine Woche darauf den gerade suspendierten, flüchtigen Staatsanwalt auf die gleiche Weise getötet auffindet. Nun gerät sofort Sören Svendsen ins Visier, da hauptsächlich sein Untergebener gegen ihn persönlich ermittelt, so endlich Rache für die vielen Ungerechtigkeiten will. Ein neuer Oberstaatsanwalt kommt ihm dabei unbewusst zu Hilfe.

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Angelika Friedemann

Der Tod lauert in den Dünen

Impressum

Copyright: © 2021. Alle Rechte am Werk liegen beim Autor: Angelika Friedemann, Herrengasse 20, Meinisberg/ch [email protected]

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mithilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.

Picture – Fotograf: Kevin Friedemann

ISBN: 9783755759737

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Die Kollegen saßen am Dienstagmorgen versammelt im Büro. „Moin Moin. Ihr seid ja heute früh hier?“

„Früh? Du bist 32 Minuten zu spät“, schaute Polizeihauptmeister Gerd Binger auf seine Armbanduhr.

„Du hast es ja wichtig gemacht und wir mussten wieder warten“, stellte Polizeiobermeister Wiegand Leimer, fest. „Bleibt Rainer bei uns?“

Verdutzt blickte er die Polizisten an. „Nein.“

„Schiet!“, murmelten einige Männer.

„Nee, ohne mich“, Olaf Hinrichs sofort, Gerd nickte dazu.

„Ich habe eine erfreuliche Neuigkeit für euch. Erst Kaffee.“

„Wir behalten Rainer, wäre eine gute Nachricht“, konterte Ralf aufgebracht.

„Was gab es diese Nacht?“, lenkte Sören ab. Dass es die Polizeibeamten wussten, dass bedauerten, überraschte ihn. Er hatte immer gedacht, alle seien froh, wenn der Versager endlich fort wäre.

„Nichts. Das Schietwetter hat alle brav daheim gelassen“, antwortete Karsten Hendsen. „Es schüttet wie aus Kübeln. Das nennt sich Winter.“

„Dafür ist es warm“, lästerte Sven. „Man kann echt kiten gehen.“

„Du spinnst!“, schüttelte Polizeimeister Bernd Felder den Kopf.

„Markus und ich waren am Samstag, kiten. Geil.“

„Mehr als geil. Das absolut erforderliche Wetter.“

„Ihr spinnt alle beide.“

„Mein Bruder und ich waren schon öfter im Winter kiten oder surfen. Man benötigt nur die passenden Anzüge. Machte teilweise mehr Spaß, als in den Sommermonaten, weil kaum Leute auf dem Wasser sind.“

„Natürlich unser großer Boss kann alles“, Gerd blickte ihn dabei merkwürdig an.

„Ich friere nur, wenn ich an das kalte Wasser denke.“

„Merkst du ja nicht, Wiegand. So nun die Neuigkeit. Wir bekommen einen neuen Bus. Damit verschwindet der letzte Grüne, dazu noch einen kleinen der A-Klasse. Der Bus wird wie bisher eingesetzt. Jetzt dürfen die einen Kollegen schlafen gehen, die anderen nach den braven Bürgern sehen.“

„Wird vermutlich ein ruhiger Tag werden, kannst du ja in deine Nobelhütte so wie gestern fahren.“

„Ich habe mit dem Staatsanwalt gearbeitet, Gerd“, Sören nun bereits zornig. Die Kerle nahmen sich wirklich zu viel heraus.

Alle lachten.

„Der war nur nicht im Büro. Belüg uns nicht. Den ganzen Tag stand seine Karre vor seiner Zweitwohnung. Dein Auto dagegen vor dem Haus deines Opas“, Polizeikommissar Bernd Felder schielte dabei zu seinem Kollegen Karsten. Sören grübelte, wieso Ole gestern nicht im Büro war.

„Sag mal, mächtiger Chef, wieso hast du eigentlich doppelt so viele Urlaubstage wie wir?“, Helmut breit grinsend.

„Pass auf, nicht das du einschläfst“, Gerd lakonisch.

„Geht ja nicht, da Rainer noch einige Tage hier ist“, schaute Olaf die Kollegen aufgebracht an. „Da werden er und sein sauberer Kumpel ihn richtig schikanieren. Aber er hat ja neue Autos besorgt. Kaufe ich die blöden Kerle. Wann werdet ihr wach? Denkt Ihr Dussel wirklich, der großkotzige Svendsen verrichtet in Zukunft Spät- oder Wochenenddienst, putzt seine Karre, die Räume hier allein? Er stellte auch keine Putzfrau ein, weil wir die ja angeblich haben. Heißt Sören Svendsen, denn er kassiert ja die 520 Euro jeden Monat für diese imaginäre Frau Schulze. Nee, da hat er schon einen Idioten von uns ausgeguckt, dem er das alles aufdrückt, den die beiden Kerle ausnehmen werden. Der Svendsen kassiert dann bei ihm die 500 Euro monatlich ab, die er jetzt noch Rainer klaut, Verbrecher!“, verließ er den Raum, knallte die Tür zu.

„Olaf hat recht. Peter und Rainer werden für zwei Dienstwagen verscherbelt. Hat der Staat bezahlt, nicht der alte Svendsen. Die miesen Machenschaften setzen sich fort. Mal überlegt, wer von uns der Nächste auf seiner Liste ist?“, ging Wiegand hinaus.

„Ich werde heute mit den beiden Damen mein Büro ausmisten. Alte Sachen in die Kammer, putzen, gleich notieren, was alles fehlt. Danach kommt vorn das Büro von Rainer an die Reihe. Dort häuft sich der Dreck, da der nie etwas wegräumt oder putzt. Mittags gehe ich Weihnachtsgeschenke für meinen Lütten kaufen, dazu Kerzen und all so einen Kram.“

„Kriegen wir auch nach drei Jahren Material? Echt fix. Wir machen uns schon lächerlich, weil wir nichts absperren können. Den Kuli habe ich von daheim mitgebracht. Für die Taschenlampe kaufen wir seit Jahren die Batterien, weil hier nur gepennt wird, du fauler Kerl nur vögeln, quatschen und Leute schikanieren kennst. Nicht du putzt, sondern das müssen Katja und Sabine erledigen, dazu natürlich Rainer. Du gehst vögeln, so wie jeden Tag“, Jörg nun.

„Lass es. Der feiste Sack oder der Bankrotteur hängen dir etwas an. Sven, gehen wir. Märchenstunde muss sich nun keiner mehr anhören. Küsst ihm die Füße, weil er Rainer nicht nur um ein kleines Vermögen beschissen hat, sondern ihn rausekeln konnte. Nette Kollegen.“

„Es kommt doch erst der erste Advent?“, lenkte Markus ab.

„Ja, echt im Stress. Gestern frei, heute einkaufen gehen. Wir müssen das während der Freizeit erledigten. Weihnachtsbaum auch schon?“ Gerd schien ebenfalls aufgebracht zu sein. Etwas völlig Atypisches, da er ein sehr ruhiger, stets ausgeglichener Mann war. Vermutlich gab es zu Hause Ärger.

„Haben mein Vater und Opa bereits gekauft. Er muss so groß wie das Zimmer sein, hat Torben bestellt. Heilig Abend wird bei mir gefeiert. Da muss Mudding nichts machen.“

„Und du kochst?“

„Gibt Fondue. Das schaffen Frode und ich. Das Fleisch lasse ich gleich schneiden, Brot gibt es frisch vom Bäcker und den Rest kriegen wir hin. Ich kann sogar schon Eierkuchen. Mit hochwerfen und in der Pfanne fangen“, schmunzelte er.

„Wie oft daneben?“

„Karsten, du wolltest doch schlafen gehen.“ Sören lachte. „Alle Geheimnisse verrate ich nun nicht. War ja nicht schlimm, wusste mein Junior, die schmecken trotzdem. Jetzt raus mit euch.“

„Was seid ihr nur für Dussel? Der große reiche Svendsen, der Alleskönner, erzählt euch ein paar Märchen und schon sind alle Dösbaddel besänftigt. Applaus! Applaus! Mensch, ihr verdient es nicht anders, dass man euch so beklaut, schikaniert, wie Rainer, Peter, euch den ganzen Tag in den Hintern tritt“, knallte Gerd die Tür zu.

Er setzte sich an seinen Schreibtisch, schaute in den Ablagekorb, der erstaunlich leer war. Perfekt. Hoffentlich blieb es bis Weihnachten so. Er brühte einen Kaffee, überlegte. Sollte er wirklich Jörg nehmen? Sicher. Dem würde er schnell zeigen, wie der sich ihm gegenüber zu benehmen hatte. So einen Aufstand wie heute würde der nie wieder machen. Was war eigentlich heute mit den Kollegen los? Dermaßen aggressiv hatte er sie noch nie erlebt. Rainer hatte gestern für reichlich Wind gesorgt, wollte sich die letzten Tage noch aufspielen, wusste er plötzlich.

Er musterte die Regale mit den alten Ordnern. Der Kram kam weg. Alles war vollgestellt und es sah scheußlich aus. Wenn da Platz war, konnte er den blöden Rollwagen entfernen, den Drucker dort hineinstellen, Papier gleich danebenlegen. Schon sah es ordentlicher aus. Nein. Er würde alles nach vorn räumen. Jetzt hatte er zwei Büros. Seins würde er ganz Chef gemäß einräumen, vorn kam der ganze Kram hin. Während er den Kaffee trank, las er die Namen. Alte Fälle. Der Clausen zum Beispiel war draußen gewesen, saß nun erneut für fünf Jahre. Dieses Mal hatte ihn Hamburg geschnappt. Dösbaddel! An Hensen konnte er sich nicht erinnern. Einige andere Akten stammten noch vor seiner Zeit auf der Insel. Teilweise waren welche unbeschriftet. Darin lagen kleinere Vergehen von unterschiedlichen Personen. Alle waren Jahre alt.

„Moin Moin“, hörte er seinen Kollegen, Oberkommissar Rainer Bosse, rufen.

„Moin Moin. Du bist zu spät.“

„Habe meine Kids zur Schule gefahren. Das gießt ja in Strömen. Schietwetter!“

„Blöde Ausrede. Ich werde das melden. Wenn die Damen kommen, fangen wir an und du darfst die paar Dinge aufarbeiten, anschließend räumen und putzen helfen. Jetzt kommt hier endlich Ordnung hinein.“

„Hast du gelesen, dass sie für Schuster und Hildebrand ein Konzert gegeben haben?“

„Hot Spot?“

„Ja. Soll ein voller Erfolg gewesen sein.“

„Schön für sie. Sind die also alle so davon gekommen.“

„Sie haben den Heather behalten, wie man auf dem Foto sieht. Doktor Semmler hat vorher eine kleine Ansprache gehalten, bedauert, weil die beiden Männer so früh sterben mussten. Der neue Sänger ist auch nicht mehr der Jüngste. Der Drummer hat wenigstens zwanzig Jahre weniger auf dem Buckel. Sie haben ein Lied gespielt, das Doktor Semmler für die Toten schrieb. Manfred Semmler saß selber am Klavier. Laut Zeitung sollen Tausende geheult haben.“

In Sören brodelte es, als er den Namen Semmler hörte. Wegen diesem Lügner war er nur noch Hauptkommissar. Der Kerl hatte ihn verklagt, seine Bandkollegen erpresst, sich ihm anzuschließen. Er, Sören Svendsen, wurde deswegen verurteilt. Das hatte ihn nicht nur fast eine halbe Million gekostet, sondern er war vor dem Disziplinargericht zusätzlich herabgestuft worden, musste auch da Geld zahlen, bekam Akteneinträge, Verwarnungen. Tagelang war er in allen Schlagzeilen gewesen. Man hatte ihn als korrupten Kriminalbeamten bezeichnet, als faul, hatte ihn sogar für den Mord an Bernd Hildebrand verantwortlich gemacht. Das Schärfste war noch, das Geld hatte der arrogante Fatzke alles gespendet. Diese widerlichen Nutten Maden, Caner und McKenzie hatten ebenfalls hunderttausend abkassiert, da er diesen Abschaum angeblich beleidigt hätte. Wie kann man so einen Dreck beleidigen?

„Freut sich die Papiertaschentuchindustrie. Mich ärgert gerade mehr, dass man die Kerle nicht für ihr Schweigen belangt hat. Die schauten tatenlos zu, wie eine drogenabhängige Irre, Frauen folterte, den Leuten Drogen unterschob.“

„Die Sängerinnen sind noch dieselben. Sie schreiben, Luke Smith hat Megan, sein Bruder Eileen geheiratet.“

„Wie kann man solche Dirnen heiraten? War vermutlich der Preis, damit sie die Klappe halten.“

„Denke ich weniger. Die Männer mochten die Frauen wirklich. Sie waren keine Dirnen. Eventuell wurde das nur ein wenig beschleunigt. Weiter hieß es: Die beiden Bandmitbegründer Hal und Bernd wurden von einer drogensüchtigen Frau heimtückisch ermordet. Sie hätte im Drogenrausch wohl jegliche Orientierung verloren.“

„Sicher und morgen lassen sie diese Bestie frei.“

„Der Prozess gegen sie und Jake beginnt im Februar. Angeblich ging es nicht vorher, da sie erst suchtfrei sein mussten. Jake Worming, völlig clean, legte inzwischen ein umfangreiches Geständnis ab. Sie rechnen mit einer Prozessdauer von vier bis sechs Wochen, da über hundert Zeugen dazu vorgeladen wurden.“

„So viele? Was wurde denn da noch aufgedeckt?“

„Schrieben sie nichts. Auch alle Bandmitglieder müssen aussagen. Im April gehen sie auf große Welttour. Sie geben im Dezember und Januar je ein Konzert in Hamburg. Jayden Lethey hat noch Doktor Semmler verabschiedet. Er nannte ihn, den Initiator und die Seele von Hot Spot.“

„Wird er wohl nach Australien ziehen und da faulenzen, der aufgeblasener Angeber.“

Rainer grinste, aber seine Augen blickten dabei kalt. „Du hast immer noch nicht verkraftet, dass dir ein Mann Paroli bot, sich nicht alles von dir gefallen ließ. Dir ist doch nichts passiert. Nur eine Geldstrafe, aber die bezahlte ja Opa. Strafen bekommen nur andere Menschen“, las er nun die Anzeige. „Oder ist es mehr, dass er dir die Liaison mit der Forsythe versaute? Wäre dein Großvater heute um eine Million ärmer“, begann er zu tippen. „Sie haben mir jeweils fünf Karten für die beiden Konzerte in Hamburg zugeschickt.“

„Interessant. Ein Kriminalbeamter, der sich bestechen lässt. Was hast du damals für den Semmler deswegen zurecht gedreht? Das melde ich. Du bist breesig, kriminell.“

„Kenne ich seit Jahren, da du mir jeden Tag mehrmals sagst, wie blöd, unfähig, faul, ich bin. Können eben nur sehr wenige Menschen so schlau, allwissend, fehlerlos sein, wie du. Ach ja, Herr Ahrends ist noch so.“

Katja und Sabine grüßten, schimpften über das Wetter.

„Können wir ja anfangen.“

Er teilte den Frauen mit, was er wollte, dann legten die los, während er das alles beaufsichtigte.

Das Telefon klingelte und Rainer nahm ab, redete eine Weile.

„Sören, genug geräumt. Sie haben einen Toten auf der anderen Seite vom La Grande Plage gefunden. Die Frau stammelte von zerstückelt.“

„Was machte sie bei dem Wetter dort?“

„Joggen mit zwei Freundinnen.“

„Breesig! Fahren wir“, schlüpfte er in die Jacke, steckte hinten seine Waffe ein, Handy kam in die Hosentasche.

„Müssen wir ein anderes Mal erledigen“, wandte er sich an die beiden Bürodamen.

„Ich hole meine Gummistiefel und die Jacke aus meinem Auto“, sagte Rainer unten.

„Los, steige endlich ein! Benötigst du nicht. Wir haben keine Zeit für deine Trödelei. Deine vergammelten, stinkenden Klamotten werden da wenigstens sauber und stinken danach weniger.“

Er fuhr so nah wie möglich an die Dünen heran. Jochen und Markus waren bereits vor Ort, wie sie sahen.

Er zog die Regenjacke über und Gummistiefel an.

„Kümmere dich um die drei Frauen. Ich gehe zu den Jungs.“ Er hängte den Fotoapparat um, steckte Handschuhe, Plastikbeutel ein.

„Willst du nicht den Koffer mitnehmen?“

„Kann jemand holen oder falls du nicht bei der Befragung einschläfst, bringst du ihn mit“, schüttelte er den Kopf, eilte zu den Kollegen. Schiet Wetter.

„Was ist denn mit dir los, Jochen?“, fragte er den Polizeimeister, der weiß, wie eine Wand aussah. Der deutete nur Richtung Absperrung, würgte schon wieder.

Er ging weiter, sah Markus, der oben das Flatterband befestigte. Er schaute den Sand an, aber da waren keine Fußspuren zu sehen. Rasch fotografierte er das. Nun stieg er darüber und für einen Moment, hörte er auf zu atmen, als er den Toten sah. Schiet! So schlimm hatte er sich das nicht vorgestellt. Echt pervers!

Er begann zu fotografieren, umrundete dabei das Opfer. Es war wirklich gruselig. Er konnte den Mann nicht einmal drehen. Weit und breit im Umkreis gab es jedoch nicht einen Abdruck im Sand. Der Wind hatte das alles weggeweht.

„Das war ein Perverser“, kam Markus, Polizeimeisteranwärter und der Benjamin bei ihnen in der Polizeistation, zu ihm.

„Hast du etwas entdeckt?“

„Nichts. Der Sand sah, bis auf einige kaum noch sichtbaren Spuren, die vermutlich von den Frauen stammten, wie sauber gefegt aus.“

Er schloss dem Mann die Augenlider. „Halte die Kamera etwas unter dem Umhang, gucke ich in seine Taschen“, schlüpfte er in die Handschuhe, reichte ihm die Beutel. „Gib mir dann jeweils einen.“

Er tastete die Manteltaschen ab, aber da war nur ein Autoschlüssel, Mercedes. Der kam in einen Beutel. Nun das Sakko. Handy, Schlüssel, Kaugummi, ein Kassenbon. Alles wurde verpackt. In der anderen Tasche fand er ein Streifen Tabletten. Mit dem Namen konnte er nichts anfangen. Aus der Innentasche zog er eine Brieftasche. Nun die offene Hose. Das kostete ihn schon einige Überwindung, da dort alles blutig war. Blut, das bereits angetrocknet war, derzeit von dem einsetzenden Regen aufweichte. Ein Schlüsselbund, Kleingeld.

Erst jetzt schaute er in der Brieftasche nach. Ausweis, Führerschein, Bankkarten. Der Tote war Doktor Matthias Schönwalder, 49 Jahre alt, wohnte auf Sylt. Er betrachtete das Foto eines Mädchens. Möglicherweise die Tochter. Hübsch.

Er stand auf. „Die Beutel kommen in meinen Wagen, dann kommst du mit dem Koffer wieder her. Die Kamera kannst du da hineinlegen. Schreib die Nummer von dem blauen Daimler auf. Ist unter Umständen seiner.“ „Jochen, wir haben Nordost-Wind. Sieh nach, ob du drüben etwas entdeckst. Wir suchen ein Messer mit einer sehr scharfen Klinge.“

„Das ist schweinisch.“

„Das auch“, erwiderte Sören nur gelangweilt, obwohl auch ihm nicht ganz wohl war. Das mussten die Dussel ja nicht wissen.

Er musterte den Toten jetzt genauer. Teure Kleidung, Nobelkarosse. Die Finger waren in den Sand gekrallt. Er nahm die linke Hand hoch. Saubere, kurz geschnittene Fingernägel. Kein Ehering. Er hockte sich hinunter, fand nun eine Uhr. Mittelklasse. Die Hände sahen nicht danach aus, dass der Mann damit gearbeitet hätte. Der Gesichtsausdruck verzehrt, der Mund weit offen.

Die Hose war voller Blut sowie der gesamte Genitalienbereich. Einzelne Spritzer, dickere Blutstropfen auf dem hellbeigefarbenen Wollmantel. Der Mann musste vor Ort so zugerichtet worden sein. Was hatte er hier abends im Dunkeln gemacht, dazu noch bei dem Wetter gestern Abend? Um die sechs, fünf Grad, dazu böiger Wind und ein starker Regen. Erst gegen Mitternacht war der eingeschlafen.

„Rainer kommt gleich“, reichte Markus ihm den Koffer.

„Hat er endlich seine Flirtversuche beendet? Du wieder die Beutel. Ich habe noch eine Uhr entdeckt.“

Er nahm die ab, ließ sie in den Beutel fallen. Nun verpackte er beide Hände.

Er nahm die Pinzette heraus, schob das Hemd höher. Todeszeitpunkt schätzte er zwischen 22.00 und 1.00 Uhr. Die Livores waren noch nicht vollständig ausgebildet. Die zunächst rötliche Farbe des Blutes war bereits in einen bläulich-lividen Farbton übergegangen. Nur eines musste man berücksichtigen, dass der Mann eine Menge Blut verloren hatte. Trotzdem - nicht vor 22.00 Uhr.

„Jetzt musst du alles genau per Film festhalten, Markus.“

„Gut, dass ich noch nicht gefrühstückt habe.“

Er nahm eine größere Pinzette, hob damit die Hose etwas hoch, schob die, so weit wie möglich seitlich weg. „Scheun ´n Schiet“, murmelte er, als eine Windbö ihm Sand ins Gesicht wehte. „Liegt er noch länger, ist er zugeweht. Der Mörder war ein Sadist, hat ihm wirklich alles entfernt.“

„Warum machte man das?“, hielt der junge Beamte die Kamera auf das Geschehen gerichtet.

„Rache für eine Vergewaltigung? Einfach nur ein Perverser? Keine Ahnung. Das hatte ich noch nie und in Hamburg gab es fast alle Grausamkeiten.“

Sören suchte eine große Zange heraus, nahm einen Beutel in die linke Hand, hockte sich oberhalb des Kopfes von dem Opfer nieder. „Beginn zu filmen, etwas zoomen“, blickte er kurz hoch. „Ich fange an.“

Er atmete nochmals tief durch, bevor er mit der Zange nach dem Fleischstück griff, das bei dem Mann im Mund steckte. Schnell stopfte er ihn in den Beutel und stand auf. Ganz wohl fühlte er sich gerade nicht. Im Beutel betrachtete er die Schnittstelle genauer. „Sehr scharfes Messer“, stellte er fest. „Wie es aussieht eine ziemlich gerade Schnittkante.“

Rainer kam durch den Sand gestiefelt. „Was hast du da?“, fragte er schon von Weitem.

„Einen abgeschnittenen Penis“, grinste er. „Wir suchen noch die Hoden, da die ebenfalls fehlen. Werden wir …“

Rainer machte ein würgendes Geräusch und musste sich übergeben.

„Reiß dich etwas zusammen, da ich deine Hilfe benötige“, Sören ärgerlich. „Komm her, sonst ist er von Sand bedeckt. Keine Zeit für Zimperlichkeit.“

Rainer putzte den Mund ab, kam zögerlich näher.

„Komm her, da wir ihn drehen müssen. Da unten fährt bereits der Wagen vor, da sie ihn abholen wollen.“

Erneut würgte der Kollege.

„Mensch, hau ab, du Dösbaddel! Verdammter Mist!“, war er nun richtig wütend. „Markus, ich drehe ihn allein. Filme bitte.“ Er schob ihn auf die Seite, winkte den Kollegen mit der Kamera heran, der das aufnahm.

„Nichts zu sehen, außer Blut.“

Er durchsuchte die hinteren Hosentaschen, fand einige Geldscheine, welche er ebenfalls verpackte.

„Nun zurück. Ich denke nicht, dass er das bei vollem Bewusstsein erlebte.“

Nochmals schob er an der blutigen Kleidung herum, zog rechts und links, dann an dem Hemd.

„Markus, ich habe es entdeckt. Komm bitte etwas näher und filme. Rainer, sage den beiden Sargträgern Bescheid, noch zwei Minuten. Schaffst du dusselige Niete wenigstens das?“

Der schob etwas Sand zu Recht, eilte schnell weg, sprach mit den Leuten, während Sören, den Schnitt genauer betrachtete, das Hemd versuchte, noch höher zu schieben. Das sah nach einem glatten, tiefen Schnitt aus. Nur Genaueres konnte er nicht erkennen. „Der Schnitt muss so um die zwanzig Zentimeter lang sein.“

Er legte das benutzte Werkzeug, seine Handschuhe in einen anderen Beutel, holte ein großes steriles Tuch heraus und breitete das über Brust und Unterkörper aus, bevor er die Männer heranwinkte.

„Markus, wir müssen gleich hier buddeln. Nimm das mit und bringe drei Schaufeln mit. Danke. Rainer kann die Kamera halten, falls er nicht auch dazu zu dusselig ist, diese blöde Niete.“ „Moin, die Herren. Er kann abtransportiert werden.“

Als der Tote in dem Blechsarg lag, rief er den Kollegen. „Fotografiere das hier alles. Nehmen wir etwas von dem Sand mit.“

„Lässt dich das kalt?“

„Mich hat er doch nicht kastriert. Das ist unser Job. Soll ich nun sagen, lass ihn liegen, weil das ekelig ist? Spuren oder irgendetwas anderes werden wir wohl kaum finden. Das hat der Wind alles weggetragen. Wir müssen nur die Hoden suchen.“

Rainer ließ die Kamera fallen, rannte zur Seite und würgte abermals.

„Ich bin von Dusseln umgeben. Spinnst du? Weißt du, was die Kamera gekostet hat? Es reicht. Das Geld ziehe ich dir von deinem Gehalt ab. Da bleibt nichts mehr übrig. Werden du und deine verkommene Brut wohl Weihnachten hungern müssen. Kannst ja deine verkommene, hässliche, blöde Tochter anschaffen schicken. Kriegt sie vielleicht ´nen Euro pro Macker. Reiße dich ein bisschen zusammen oder suche dir einen anderen Job. Man sieht nichts mehr, da das Opfer weg ist. Ich komme mir wie im Kindergarten vor. Zwei Kollegen, die zu nichts zu gebrauchen sind. Mann, bin ich froh, dass ich dich Nichtskönner nicht mehr sehen muss. Die werfen dich nach einer Stunde auf die Straße, wenn ich denen erzähle, welch faule, dröge, blöde Niete du bist. Kannst du als Straßenkehrer oder Hartz IV-Empfänger irgendwo hausen. Ole hatte recht, sie hätten dich damals schon rauswerfen müssen, als du meine Frau gevögelt hast. Es reicht.“

Markus kam mit den Klappspaten. „Dich hört man bis unten brüllen. Dein Vokabular lässt sehr zu wünschen übrig. Ganz weit unten angesiedelt.“ Er hob den Fotoapparat auf, pustete den Sand weg. „Ist ja nichts passiert, also kein Geld für dich, sonst melde ich das. Hat das der angeblich sooo reiche Svendsen nötig, dass er Beamte bestiehlt?“

„Ist doch wahr! Hier weht der Wind alles zu und die beiden Kollegen sind unfähig zu arbeiten, spielen Mimosen. Sei vorsichtig, was du sagst.“

„Wahrheiten. Ist ja schon ein bisschen gruselig.“

„Finde ich dito, aber das ist nun mal unser Job. Da atmet man zweimal durch und legt los. Fangen wir an zu buddeln. Rainer, los jetzt. Genug des dumm Tügs.“

Zuerst schaufelte er den roten Sand in einen Beutel.

„Er heißt vermutlich Doktor Doktor Matthias Schönwalder. Er ist verheiratet, hat eine Tochter und wohnt in Tinnum“, erzählte Rainer dabei. „Im gehört der Mercedes ...“

„Mensch, erspare mir dein blödes Gelaber. Arbeite lieber, dämlicher Angeber. Nebeneinanderher wird von hier aus gegraben. Etwas vorsichtig. Den Sand werfen wir hinter uns.“

Nach einer Stunde gaben sie auf. Gefunden hatten sie nichts.

Auf dem Parkplatz zog er abermals Handschuhe an, stellte erstaunt fest, dass der Wagen nicht verschlossen war.

„Rainer, gucke hinten nach. Markus, habt ihr den Abschleppwagen verständigt?“

„In etwa einer Viertelstunde holt er ihn ab.“

Rainer rannte weg und schon wieder hörte man ihn würgen.

„Bist du völlig irre? Hast du gestern getrunken oder was? Du kannst deinen Job in Kiel vergessen, da ich deine Unfähigkeit melde!“, brüllte er, schaute selber nach. „Markus, bringe mir sofort zwei Beutel und eine Zange. Der Täter war am Wagen.“

Mit einer breiten Pinzette nahm der die beiden Hoden auf, steckte sie in zwei Beutel.

„Jochen, schau im Papierkorb nach, ob da etwas ist. Rainer, du sicherst hier hinten Spuren. Der Regen wird nur alles weggewaschen haben. Markus, gehe über den Parkplatz, suche ob man da etwas Blutähnliches findet. Trug der Täter keine Handschuhe, muss er sich die Hände zumindest abgewischt oder im Regen etwas gesäubert haben.“

Nun durchsuchte er systematisch den Wagen. Wertgegenstände, wie Kamera, eine Aktentasche hatten den Täter nicht interessiert. Er warf einen Blick in die Tasche, sah darin viel Papier. Die kam ebenfalls in eine Tüte.

„Ihr wartet auf den Abschlepper. Gebt dem Mann Handschuhe. Danach kommt ihr ins Büro. Es gibt Arbeit. Fahren wir“, eilte er zu seinem Fahrzeug.

„Zieh deine dreckige Jacke aus und versau mir nicht meinen Wagen. Schuhe ebenfalls aus. Muss man dir Dösbaddel alles sagen? Ich sollte dich Dussel laufenlassen.“

Rainer legte die Sachen in einen Beutel.

„Rainer, so ein Zirkus ist einfach völlig daneben. Du stehst herum, ich muss alles allein erledigen. Das dauerte doppelt so lange, als wenn du mit angefasst hättest. Was war bei den Frauen?“

„Du bist ja diesen Idioten in drei Tagen los. Spiel dich nicht auf, großer erster Hauptkommissar. Es können nicht alle Menschen so perfekt wie du sein. Gibt es vermutlich sowieso nur einmal. Sie waren joggen, jetzt auf dem Rückweg. Sie sahen da etwas liegen und gingen hin. Nein. Den Mann kennen sie nicht, auch der Wagen sagt ihnen nichts. Sie haben nichts berührt. Adressen und so habe ich. Sie wohnen alle in Kampen.“

„Wenigstens etwas. Matthias Schönwalder heißt unser Opfer. Er ist 49 Jahre alt, wohnt in Tinnum. Da fahren wir gleich hin. Erst Büro, überprüfen.“

„Warum hat man das gemacht?“

„Dösbaddel! Frage den Mörder, nicht mich.“

„Danke. Eine Frau, die er sexuell belästigt hat?“

„Rainer, Spekulation. Täusche ich mich nicht gänzlich, sehen die Schnitte nach Skalpell aus. Sauber, sehr gerade. Irgendwie so, wie man die beim Gerichtsmediziner sieht.“

„Wann?“

„Schätze 22.00 Uhr bis 1.00 Uhr. Der Tote verlor sehr viel Blut, daher können die Totenflecke teilweise oder fast ganz fehlen. Angenommen, man betäubte ihn vorher nicht, muss er tierisch gebrüllt haben. Bei der vollständigen Kastration und dem langen Bauchschnitt ist extrem viel Blut geflossen. Bedeutet, er lebte da noch, verblutete erst langsam. Auf die Todesursache bin ich wirklich neugierig“, grinste er zu Rainer, wartete, dass ihm wieder schlecht wurde. Nichts. Der guckte nur seitlich hinaus.

„Da hatte der Täter Blut an den Klamotten und Händen.“

„Hände - Handschuhe, sonst ja. Nur der Regen hat da jegliche Spuren vernichtet. Eventuell hat der die so grob gewaschen. Nur wir haben nichts, nicht mal einen Schuhabdruck. Das perfekte Wetter für jegliche Art der Spurenvernichtung.“

Rainer gab keine Antwort.

„Ich habe wegen deiner schlampigen Arbeit nichts in den Händen. Wenigstens bist du nun arbeitslos. Traurige Weihnachten nur mit einem Stück Brot. Warum hast du die Kollegen gegen mich und den Staatsanwalt aufgehetzt?“

„Ich habe waaass?“

„Lüg nicht. Sie haben es mir morgens erzählt, welche Märchen du überall verbreitest. Das gibt zusätzlich zwei Strafverfahren und das bedeutet dein Ende. Du wirst so viel Schadensersatz wegen Rufschädigung an uns zahlen müssen, dass es nie wieder für mehr als ein Stück Brot reicht“, amüsierte sich Sören. „Ich will von dir und deiner Assifamilie die 400.000 Euro zurück. Hol dir das Geld von dem Semmler. Der Oberstaatsanwalt leitet das bereits alles in die Wege.“

Im Büro wusch er sich gründlich die Hände. Wo war eigentlich Rainer schon wieder. Er riss die Bürotür auf, sah ihn im Flur an der Wand gelehnt telefonieren.

„Sag mal, spinnst du? Hier wartete die Arbeit und du quatscht mit einer deiner hässlichen Tussis?“, eilte er auf ihn zu, riss ihm das Handy aus der Hand, das herunterfiel. „Schluss jetzt. Du fauler Kerl arbeitest endlich mal“, trat er mehrmals auf das Handy. Nun grinste er. „Du bist zu blöd zum Telefonieren, machst dabei sogar das Handy kaputt. Kannst dir ja nun kein Neues mehr leisten“, drehte er sich um, sah die beiden Frauen in der Tür stehen. „Rainer ist einfach nie bei der Sache“, lächelte er. „Räum den Dreck da weg, wasche das Blut überall ab, dann müssen wir los. Beeilung.“

Er zog Handschuhe an, betrachtete die Schlüssel. Der Kleinere sah nach Schrank, Schreibtisch aus. Nun das Smartphone. Er notierte alle Nummern, die rein oder raus gegangen waren. Keine SMS. Im Speicher nun die Nummern mit Namen. Die Tochter hatte auch ein Handy. Da rief er mehrmals am Tag an, stellte er fest. Die Frau nie.

„Doktor Schönwalder war verheiratet, hatte eine 13-jährige Tochter. Er wohnte seit Januar auf Sylt, hat hier die Chefarztstelle übernommen. Zuvor wohnhaft in Hamburg. Ansonsten alles sauber. Seine Frau Sabine war Krankenschwester, ist 45 Jahre alt. Sauber. Der Mercedes gehörte ihm. Sie fährt einen Mini. Sein Vater war bereits Arzt, ist jetzt Rentner. Mutter ebenfalls Ärztin - Rentner. Er hat einen drei Jahre jüngeren Bruder, der ist Kinderarzt in Hamburg. Die Schwester 42 Jahre alt, Zahnärztin. Alle verheiratet, jeweils zwei Kinder. Sauber. Sabine Schönwalder hat einen 43-jährigen Bruder, der als Lehrer in Hannover arbeitet. Da wurde sie geboren. Die Eltern leben ebenfalls dort, Rentner. Sauber.“

„Saubere Familien, nur einer davon wurde ermordet. Rufe in Hamburg an, da wir mehr über die Familie benötigen, einschließlich seines ehemaligen Arbeitsplatzes. Im Anschluss fahren wir zur Ehefrau, danach in die Klinik.“

„Bereits alles erledigt. Zu einem Arzt passen die Schnitte.“

„Nur er war der Doktor. Das wird er wohl kaum allein getan haben. Überlege doch mal. Rufe Olaf an, sie sollen in den Häusern die Leute befragen, ob ihnen gestern Abend ab 21.00 Uhr etwas aufgefallen ist. Autos, Menschen, Streit, Gebrülle. Ich informiere die Staatsanwaltschaft.“

„Ahrends schläft noch“, ging Rainer hinaus. Sören schüttelte den Kopf, wählte, drückte aus. Sicher, der schlief noch, grinste er.

Das Haus der Familie Schönwalder lag als Letztes in einem Wohnviertel. Er parkte an der Seite in der Sackgasse, legte das Schild Polizei hinein. Sie klingelten, klingelten, klingelten.

Sie wollten gerade gehen, als eine Frau in einem geblümten Morgenmantel die Tür öffnete. „Ja, was gibt es?“, fragte sie mit rauchiger Stimme. Die kurzen braunen Haare waren ungekämmt. Anscheinend war sie gerade erst aufgestanden. Das um diese Uhrzeit?

Sören zeigte den Ausweis, stellte sich vor. „Frau Schönwalder, ich muss mit Ihnen sprechen.“

„Ich nicht mit Ihnen. Hauen Sie ab“, reagierte sie unwirsch.

„Gehen wir hinein, da ich Ihnen etwas mitteilen muss.“

„Nein“, wollte sie die Tür zuknallen, aber Sören stellte den Fuß dazwischen. „Schluss jetzt“, wurde er nun bereits lauter, schob sie grob hinein, folgte.

„Setzen Sie sich, Frau Schönwalder“, geleitete er sie in das Wohnzimmer zu einer Sitzecke. „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass ich heute Morgen Ihren Mann tot aufgefunden …“

Sie schrie gellend „Neeeiiin! Neeeiiin! Neeeiiin!“, ging auf Sören los, schlug auf ihn ein.

Rainer hielt sie fest, führte sie erneut zu den Polstermöbeln. „Beruhigen Sie sich bitte, Frau Schönwalder, auch wenn das ein Schock für Sie ist.“

Sören suchte die Küche, ein Glas und kippte Mineralwasser hinein, brachte ihr das. „Trinken Sie das.“

„Sie irren sich“, heulte sie. „Matthias ist in der Klinik.“

Sören nahm Platz. Rainer ebenfalls. „Steh gefälligst auf. Hier wird nicht geflirtet“, blaffte er Rainer sofort an. „Es tut mir leid, aber er wurde ermordet aufgefunden. Frau Schönwalder, Sie müssen mir trotzdem einige Fragen beantworten.“

Sie sprang auf, griff zum Telefon. „Schönwalder. Kann ich bitte meinen Mann sprechen?“ „Wie nicht da? Er muss da sein.“ Sie hörte zu und das Telefon fiel herunter. „Er ist nicht da“, flüsterte sie.

„Rainer, versuche, sie zu beruhigen. Ist ja nervig. Ich schaue mich um“, raunte Sören ihm zu. Der führte die Frau zurück und sie setzte sich.

Hinter der zweiten Tür fand er eine Art Büro. Er ging hinein, wühlte in dem Schreibtisch herum. Nichts. In den Regalen medizinische Bücher, Krimskrams. Fotos von einem blonden Kind. Vermutlich die Tochter. In einem Ablagekorb einige Rechnungen, Briefe. Nun schaute er in den Bankordner, aber so konnte er da nichts erkennen. Geld war reichlich vorhanden. So ein Arzt schien ja extrem gut zu verdienen. Eine größere Summe war nicht abgebucht worden. Zum Schluss nahm er sich den Laptop vor. Unter Lesezeichen fand er merkwürdige Namen. Er klickte einen an.

Ein Kinderchat? Auch die anderen drei Namen waren solche Chats. Anscheinend benutzte die Tochter das Gerät mit. Da er die Passwörter gespeichert hatte, las er seine E-Mails. Nur der übliche Schwachsinn.

Er hörte sie immer noch weinen, blickte kurz in die anderen Räume. Alle Zimmer waren ordentlich aufgeräumt. Das Zimmer der Tochter ebenfalls, obwohl da der Schreibtisch unordentlich aussah. Auch da stand ein Laptop. Problemlos kam er hinein, schaute unter Lesezeichen. Kein Chat, dafür Eurosport, Sportzeitungen. Das war ja komisch. Auch hier las er die Mails, aber nur dumm Tügs. Er schaute in den Schrank, in die Kommode, griff zwischen die Wäsche, Shirts, Strümpfe.

Im Schlafzimmer sah er das nur eine Bettdecke, ein Kopfkissen vorhanden waren, auch hier alles ordentlich. Er schaute in die Nachttische. Leer. Im überdimensionalen Kleiderschrank nur Kleidung von einer Frau. In der Kommode Dessous, seidene Nachtwäsche. Auch da wühlte er in der Wäsche herum, aber nichts lag da versteckt, nicht einmal Schmuck. Nun noch kurz das Bad. Da gab es unzählige Medikamente. Er las die Bezeichnungen: Hörte sich wie Antidepressiva, Beruhigungsmittel, Schlaftabletten an. Oh, oh, nicht gut. Im letzten Zimmer sah er die zweite Bettdecke, die sauber gefaltet war, darauf lag ein blauer Bademantel. Sie schliefen also getrennt. Ehe war gelaufen. Kein Wunder so hässlich, wie die Alte aussah, herum latschte. Es gab einen großen Fernseher, DVD-Player, aber keine DVDs. Er durchsuchte die unzähligen Jackentaschen von Anzügen, Jacken. Griff zwischen die Pullover, Shirts. Alles war farblich geordnet, die Hemden gebügelt. Teure Klamotten. An der Tür hingen unzählige Krawatten. Getragen hatte der Tote keine. In einer Kommode stapelten sich Unterwäsche, Socken, Schlafanzüge, Taschentücher. Auf dem Nachtisch lag ein Abenteuerroman, standen ein Wecker und eine Lampe. Sonst nichts.

Er ging hinunter, holte den Laptop aus dem Büro, da er den mitnehmen wollte, hörte Rainer gerade fragen: „Wann haben Sie Ihren Mann das letzte Mal gesehen?“

„Ich gehe immer früh zu Bett, da ist er meistens noch nicht da. Am Sonntagabend.“

Er setzte sich zu Rainer und der Frau. „Am Montagabend also nicht?“, erkundigte er sich barsch.

„Nein. Ich verstehe das alles nicht.“

„Wurde Ihr Mann bedroht? Hatte er Streit mit jemand?“

„Nein.“

„Warum wechselte er nach Sylt?“

Die Frau starrte ihn an, brachte kein Wort hervor.

Nach einer Weile fragte Rainer: „Frau Schönwalder, ist etwas?“

„Ich möchte jetzt allein sein, fühle mich nicht wohl“, schluchzte sie, die Tränen liefen über die Wangen.

„Noch eine Frage, Frau Schönwalder. War bei Ihnen bereits eine Scheidung beantragt?“, fragte Sören, grinste dabei.

Sie wischte über die Wangen, guckte ihn nicht verstehend an.

„Scheidung. Ob diese von Ihrem Mann beantragt war. Sie lebten ja bereits in getrennten Schlafzimmern.“

„Nein. Ich verstehe nicht. Gehen Sie bitte.“

„Wer war der Scheidungsanwalt? Hatten Sie Gütertrennung? Gab es bereits eine neue Frau oder sogar mehrere?“

Eine Antwort bekam er nicht.

Sören nickte Rainer zu, erhob sich. „Gut, Sie wollen es nicht anders. Frau Schönwalder, suchen Sie mich morgen Vormittag im Präsidium auf, da ich noch weitere Fragen habe. Den Computer Ihres Mannes nehme ich mit. Kommen Sie nicht, lasse ich Sie vorführen.“

„Was hat sie sonst erzählt?“, erkundigte er sich draußen.

„Nichts. Sie war mit der Tochter daheim. Dass er nicht kam, bemerkte sie nicht. Glückliche Familie, gute Ehe, wo man sich anscheinend selten sah. Sie steht völlig neben sich.“

„Sie schliefen getrennt. Mindestens einer von dem Ehepaar nimmt Medikamente. Harte Dinger sind dabei. Gegen Schlaflosigkeit, Depressionen, zur Beruhigung und vier verschiedene sehr starke Schmerzmittel, neben Aspirin und all so einen Kram. Wieso läuft eine Frau um 11.15 Uhr noch in so einem hässlichen Morgenmantel herum? Oben im Schubfach lagen Dessous, seidene Nachthemden. Wahrscheinlich ein Versuch, die Ehe zu retten. Aufgeräumt war überall. Beim Betten machen muss ihr doch aufgefallen sein, dass er nicht über Nacht da war. Sie reagierte völlig übertrieben, als sie hörte, wir sind von der Polizei. Irgendwie passt das alles nicht zusammen.“

„Hast du etwas entdeckt? Gab es blutige Kleidung?“

„Nichts. Nur etwas finde ich merkwürdig. In seinem Laptop sind Kinderchats im Lesezeichen mit Passwörtern. Bienchen12 nennt sich der Kerl da. Die Tochter hat oben einen Eigenen, da gibt es keinen Kinderchat. Sie scheint ein Sportfreak zu sein. Zig Bücher über Sportler, die Olympischen Spiele, Jahrbücher des Sports und so. Die Lesezeichen ebenfalls Sport, Facebook.“

„Keine blutverschmierte Kleidung?“

„Pennst du noch? Ich sagte, was ich entdeckt habe.“

„Was wollte er bei … oh Schiet, ein Pädophiler? Nein. Passt irgendwie nicht. Die Tochter durfte da nur hinein, wenn einer der Elternteile dabei war.“

„Snaks! Mit dreizehn ist man doch kein kleines Kind mehr, dem die Eltern ständig über die Schultern schauen. Die gehen abends weg, toben sich aus, sammeln ihre ersten sexuellen Erfahrungen. Musst du doch alles von deiner Brut kennen. Fahren wir zu der Klinik.“

„Ich kenne keine Dreizehnjährige, die Sex hatte.“

„Dann frag deine dreckige Tochter, was die seit Jahren treibt. Du kassierst doch bei den Freiern das Geld ab“, grinste Sören. „Selbst solch hässliche, fette Göre kriegt da Macker ab, siehe meinen Bruder.“

„Du bist genauso ein perverses Schwein wie dein Kumpel.“

„Damit bist du endlich für immer bei uns raus. Das melde ich, verklage dich, wegen Verleumdung.“

„Tu das. Wird lustig.“

Sie ließen sich bei der Klinikleitung anmelden. Sören stellte sich vor, berichtete von dem Tod des Chefarztes.

„Das ist ja schrecklich. Wie verstarb er?“

„Dazu kann ich noch keine Auskunft erteilen. Doktor Schönwalder war ja erst seit knapp einem Jahr hier angestellt. Wissen Sie, warum er wechselte?“

„Er wollte etwas ruhiger auf der Insel mit seiner Familie leben.“

„Hatte er sich auf ein Stellenangebot beworben?“

„Ja. Wir hatten im Sommer die Ausschreibung herausgegeben. Aber da müssten Sie im Personalbüro genauer nachfragen. Er war ein sehr guter, hoch qualifizierter Chirurg und Chefarzt. Er gliederte sich völlig problemlos ein. Es gab nie irgendwelche Streitigkeiten, Diskrepanzen, keinerlei Probleme mit Kollegen oder Patienten.“

„Bewarb sich seinerzeit ein Kollege aus der hiesigen Klinik um den Posten?“

„Ja. Ein Mann und eine Frau. Frau Doktor Müller verließ uns daraufhin im März und siedelte nach Marburg um. Doktor Wiesmann ist vor vier, fünf Monaten nach Dänemark gezogen. Er bekam eine Stellung in Kopenhagen. Seine Frau ist Dänin, daher lief das völlig problemlos. Wir sind nun kein riesiges Krankenhaus, wo das Personal kaum noch überschaubar ist. Wie gesagt, es gab da keinerlei Probleme unter den Kollegen, anderen Mitarbeitern noch mit Patienten. Wir hatten noch nie Beschwerden seitens Patienten. Es passierte nie ein sogenannter Kunstfehler.“

„Werden bei Ihnen auch Kinder, Jugendliche behandelt?“, erkundigte sich Rainer, was ihm gleich einen bösen Blick von Sören bescherte.

„Nein. Die Patienten müssen 21 Jahre alt sein. Das wurde bereits vor Jahren beschlossen, Herr Bosse.“

„Ich würde gern sein Büro sehen.“

„Ich führe Sie persönlich hin. Ihr Kollege sieht sich gewiss mit um, oder?“

Sören erwiderte nichts, schaute Rainer nur von der Seite an. Sie durchwanderten den Flur, grüßten hier und da. Er öffnete die Bürotür, ließ sie eintreten. „Mich entschuldigen Sie bitte, da ich seiner Sekretärin Bescheid sagen möchte. Bitte keine Patientenakten lesen oder entwenden.“

„Ist selbstverständlich.“

Rainer schloss die Tür, zog Handschuhe an.

„Ich nehme mir seinen Schreibtisch vor. Sieh dich so um.“

Sören wurde sofort im ersten seitlichen Schubfach fündig. „Er schluckte Beruhigungsmittel.“

„Viele Ärzte sollen angeblich Alkohol trinken oder Tabletten einnehmen“, erwiderte der, blätterte dabei in einem Ordner.

„Du wirst es ja wissen“, guckte er kurz hoch. „Keine Patientendaten.“

„Sind keine.“

„Sondern?“

„Laber mich nicht blöd an. Guck nach, wenn du es wissen willst.“

„Rainer, es reicht. Mäßige deine Ausdrucksweise, wenn du mit deinem Vorgesetzten sprichst.“

Der stellte den Ordner zurück, nahm den Nächsten. Sören kramte weiter in den Schubfächern herum, danach auf dem Schreibtisch. „Interessant, was die Leute so alles schnippeln lassen“, amüsierte er sich. „Hier ist sogar ein Mann, der sich die Ohren anlegen ließ.“

„Keine Patientenakten.“

„Halt den Mund, du Dösbaddel“, notierte er die Namen der Patienten.

Eine Weile las er die Akten, dann nahm er einen Umschlag hoch, schaute hinein und zog ein Blatt Papier heraus. „Oh, oh, das ist ja interessant.“

Rainer antwortete nicht.

„Hier steht: Heute 22.00 Uhr. La Grande Plage. Habe Infos. 10.000 Euro.“

Rainer schaute sich um. „Die Uhrzeit passt. Du hättest Handschuhe anziehen sollen, wegen der Fingerabdrücke. Müssen wir bei der Bank erkunden, ob er das Geld abgehoben hat.“

„Was du nicht sagst?“

Rainer stellte den Ordner zurück, zog die Handschuhe aus und verließ den Raum. Sören schaute ihm verblüfft nach.

Nach zwanzig Minuten verließ er ebenfalls das Büro, fand Rainer bei der Sekretärin sitzend vor.

„Danke, Frau Huber, auch für den Kaffee“, erhob er sich.

„Du baggerst die Tippse an und ich darf alles allein erledigen?“, meckerte Sören draußen.

„Ist alles auf Kassette, wie ich sie anbaggerte. Eine Dame, die meine Mutter sein könnte. Breesig!“

„Sei vorsichtig, wie du mit mir redest. Ich melde das sofort nach Kiel.“

„Viel Spaß dabei. Was bist du für ein armseliges Würstchen? Von so einem Kerl müssen sich nun alle Kollegen seit Jahren schikanieren lassen.“

„Das ist dein Ende bei der Polizei“, amüsierte sich Sören.

Bei der Bank bekamen sie die gewünschte Auskunft. Nein, er hatte den Betrag nicht abgehoben. Mehr jedoch nur mit richterlichem Beschluss.

„Woher hatte er das Geld? Er bezahlte für eine Information. Warum sollte der Mann ihn danach ermorden?“

„Damit er ihn nicht wegen Erpressung anzeigt. Logischerweise. Er war vermutlich an Kindern interessiert, wollte eventuell einen bestimmten Mädchentyp. Diese Information sollte ihm der Mann besorgen. Ich muss in Hamburg erkunden, was er da so trieb, mit wem er sich traf, ob er als Pädophiler bereits in Erscheinung trat. Daneben muss ich mich nach Vergewaltigungen dort erkundigen. Ich werde sein Haus auf den Kopf stellen müssen. Das pornografische Material wird er sicher irgendwo vor Frau und Tochter versteckt haben. Morgen werde ich seine Frau näher dazu befragen. Sie reagierte auf den Umzug doch sehr merkwürdig. Schluss mit Theater spielen.“

„Sollten wir nicht seine Kollegen befragen?“

„Rainer, das war kein Kollege, sondern ein Mann, der etwas gegen Kinderschänder hat. Deswegen auch die abgeschnittenen Genitalien. Ein Kollege, der neidisch war, weil er den Job bekam, hätte ihn ermordet, aber nicht verstümmelt. Denk doch einmal ein wenig nach, falls du das kannst. Du bist keine Woche in Kiel, da werfen sie dich Versager hinaus.“

Im Büro gab Rainer die Kassette Sabine, wusch die Hände und holte einen Kaffee.

„Ich rufe an, damit sie seine Sachen abholen und zum KTI schicken. Wann ist jemand im Plage?“

„Da fahre ich allein hin. Kümmere dich um den anderen Kram, da hast du reichlich zu tun. Da liegen noch Anzeigen herum. Mache die fertig, damit der Staatsanwalt die bekommt. Du kannst in meinem Büro die Regale ausräumen, die putzen, damit ich nachher weiter umräumen kann. Ich bin für zwei, drei Stunden weg.“

„Viel Spaß.“

Er parkte nicht direkt vor dem Haus, ging die letzten Meter zu Fuß. Magdalena öffnete nur im Morgenrock. „Du kommst heute spät. Ich wollte mich gerade selber befriedigen“, lächelte sie spitzbübisch.

Er nahm sie in den Arm. „Nun bin ich ja da, besorge das für dich“, zog er den Gürtel des Gewandes auf.

„Du musst mich nur richtig geil machen.“

Sören kam zurück. „Was gibt es Neues?“

„Nichts. Die Sachen wurden abgeholt, die Akten zum Staatsanwalt geschafft, da in den Briefkasten geworfen, da er nicht anwesend war. Die neue Akte angelegt, die Befragungen liegen bereits getippt drinnen, dazu die Fotos. Die Patientenakten sind in der Klinik. Die Kollegen waren hier. Niemandem ist gestern Abend etwas aufgefallen. Kein Auto, keine Leute. Nichts. Draußen war keiner. Logisch bei dem Schietwetter. Ich habe mit seinem ehemaligen Vorgesetzten gesprochen. Nein. Die Kündigung kam nicht plötzlich, da Matthias schon öfter von einem Wechsel gesprochen hätte. Er wollte aus der Stadt generell weg, eher etwas Ländliches. Als dann Sylt jemand suchte, habe er sich beworben. Nein. Es gab keinen Ärger mit Kollegen, Schwerstern, Patienten.“

„Du hast auf meinem Schreibtisch herumgewühlt, die Unterlagen und das Material weggegeben? Das musste der Staatsanwalt noch sichten. Bist du völlig irre?“, wurde er lauter, ging er in sein Büro. „Wieso hast du hier nichts erledigt?“

„Weil das nicht meine Arbeit ist, sondern die Aufklärung von Delikten. Putz du“, verließ er den Raum.

Sören schaute sich um, fluchte. Alles musste er allein erledigen. Er rief im Plage an, aber da war nur der Anrufbeantworter, der sich meldete. Sie hatten derzeit nur freitags bis sonntags geöffnet. Da konnte er sich die Befragung generell ersparen. Gestern Abend war niemand dort gewesen.

Er rief Katja und Sabine, damit es endlich weiterging.

Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf, lehnte sich weit in dem Stuhl zurück, streckte die Beine aus und überlegte. Irgendetwas passte noch nicht vollständig zu seiner Theorie. Warum diese Chats, wenn nicht, um sich an Mädchen heranzumachen? Nur wurden die überhaupt von ihm aufgesucht? Selbst das wussten sie nicht definitiv. Hatte er vielleicht doch eine Frau vergewaltigt und die wollte Rache? Nur warum dann dieser Zettel. Ich habe Informationen. Was für Informationen? Kinderchats - Informationen - Beruhigungsmittel - Kastration. Es blieb nur der Kauf eines Kindes zum Zwecke des sexuellen Missbrauchs übrig, oder? Was, wenn er so die Tochter an den Mann bringen wollte. Hübsch war die Kleine ja.

Da ihn das Gewusel und das Gerede der Frauen nervten, verließ er das Präsidium. Er kaufte einiges Neues für sein Büro, anschließend Advents- und Weihnachtsdekorationen, für seinen Sohn eine Kiste Legosteine und diverse Weihnachtssüßigkeiten. Torben würde darüber jubeln, freute er sich.

Zurück rief er die Patienten an, fragte, ob die Operationen ordnungsgemäß verlaufen waren, beziehungsweise ob es im Vorfeld Ärger mit Doktor Schönwalder gab. Nichts.

Staatsanwalt Ole Ahrends kam ins Büro. „Herr Bosse, bitte einen Kaffee. Ich habe Unterlagen für eure Ablage mitgebracht“, räumte er seine Aktentasche aus.

„Schütten Sie sich den Kaffee allein in den Pott, Sie fauler Kerl. Auch schon wach?“, knallte der die Tür zu.

Die zwei Männer blickten sich verdutzt an. „Spinnt er?“, meckerte Sören. „Er ist heute zu nichts zu gebrauchen gewesen, musste sich ständig übergeben“, stand Sören auf, goss Kaffee ein und stellte die Tasse dem Staatsanwalt hin. „Danke. Er ist ja bald weg.“

„Hast du in Kiel angerufen, was sie da für einen Loser bekommen?“

„Merken sie doch“, Ole kalt.

„Dann kommt der wieder angekrochen und wir treten den Idioten richtig in den Dreck. Ich hasse diesen fetten Sack. Er hat gestern alle Kollegen gegen uns aufgehetzt, Lügen verbreitet. Einige quatschten mich deswegen heute Morgen blöd an.“

„Fertige darüber ein Protokoll an, gibt es gleich entsprechende Maßnahmen“, stöhnte Ole leicht.

„Wird der nie wieder satt. Ich will von dem 50.000 Euro. Kriege ich sowieso nie. Dem Scheißer nehme ich alles, bis der und seine Brut verhungert sind, die alle auf der Straße pennen. Ich will die 400.000 von dem Scheißkerl, die ich an Strafen zahlen musste. Der hat meinen guten Ruf damit geschädigt, der fette Sack.“

„Dein Büro sieht richtig gut aus, jetzt wo die Ordner, der ganze Kram raus ist.“

„Ist jetzt alles vorn.“

„Habt ihr schon eine Spur?“

„Ein Pädophiler. Er hat sich in Kinderchats herumgetrieben. Wir haben in seinem Schreibtisch und daheim Beruhigungstabletten gefunden. Die hatte der auch in der Jackentasche. Da lag ein Umschlag, darin ein Zettel: Heute 22.00 Uhr. La Grande Plage. Habe Infos. 10.000 Euro. Das Geld hat er nicht vom Konto abgeholt, aber falls er es dabei hatte, ist es verschwunden.“

„Also alles nur Spekulation deinerseits. Dass du mich nicht informiertest, weiß bereits Doktor Hansen und die Personalstelle der Justiz. Ich, nicht du, treffe Entscheidungen. Du hintergehst mich nicht mehr. Sind die Protokolle fertig?“

„Du spinnst. Rainer pennt sich aus. Die Frauen mussten heute putzen. Endlich konnte ich mein Büro von all dem Kram entfernen.“

„Sören, verdammt, erst die Arbeit. Es gibt keine Protokolle, nichts, und du lässt putzen? Das hätte ja nun noch zwei Tage warten können. Wann bekommst du nun für Herrn Bosse Ersatz? Es wird sonst hier gar nicht mehr gearbeitet. Auch das habe ich der obersten Justizbehörde so gemeldet, kann es beweisen. So geht es hier nun nicht mehr weiter. Musst du dir eine neue Geldquelle suchen. Drehst du völlig ab?“

„Mensch, spiel dich nicht mir gegenüber auf. Finden sie wohl niemand. Ich hole mir Jörg. Der kann den alltäglichen Kleinkram erledigen, Spät- und Wochenenddienst übernehmen, putzen und so. Nun kehrt hier Ruhe ein. Die anderen bringe ich zur Räson, sonst hagelt es Einträge. Blödes Gesindel.“

„Hast du das wirklich nötigt? Bist du armselig! So, jetzt werden die Bänder getippt. Gib eins her und Beeilung“, Ole Ahrends verzog angewidert sein Gesicht, trank Kaffee.

„Spinnst du?“

„Rufe ich Doktor Hansen an. Es reicht!“

„Mach ja!“

Zwei Stunden darauf verließen sie den Raum, suchten Rainer, der in Aufenthaltsraum am Computer saß.

„Du Lügner verbreitest über mich, den Staatsanwalt Lügen, wiegelst die Kollegen auf? Du Nichtskönner vergreifst dich an Unterlagen, Materialien, lässt diese wegbringen, Akten in die Klinik schaffen, ohne dass die genau in Augenschein genommen wurden?“, tobte Sören.

„Herr Bosse, was soll der Mist? Sie wissen genau, dass ich die Dinge erst zu sehen bekomme.“

„So wird es gehandhabt. Stehen Sie nicht erst mittags auf. Ich habe dem KTI sogar mitgeteilt, dass man ein Schreiben ohne Handschuhe anfasste. Verboten.“

„Rainer, dafür werde ich dich Lügner verklagen. Ole, leite das ein. Lasse ich mich von so einem Kerl verleumden?“

„Jetzt hantieren Sie schon während der Arbeitszeit an Ihrem Laptop herum? Aha. Chats. Was suchen Sie während der Arbeitszeit in Kinderchats?“, fragte Ole Ahrends ruhig.

„Geht Sie nichts an!“

„Den Laptop nehme ich mit.“

„Wagen Sie das, melde ich das umgehend nach ganz oben. Mich beklaut man nicht. Was darf ich da nicht finden, Herr Ahrends, Sie fauler, feister, abartiger Kerl? Verkehren Sie etwa auch da, besorgen sich so Teenager? Haben Sie da die kleine Hamburgerin angebaggert, danach vergewaltigt, Sie Scheißkerl?“

„Was fällt dir ein, so mit dem Staatsanwalt zu reden, du Penner? Ich rufe gleich bei der Hausverwaltung an, damit man ihn und seine dreckige Bande aus der Wohnung wirft. Rainer, es reicht endgültig. Müssen wir uns von so einem Asozialen beleidigen lassen? Nun ist Schluss. Du Penner hast dich sogar bestechen lassen, deswegen hast du Penner seinerzeit vor Gericht gelogen. Die Karten gibst du gefälligst morgen ab. Ein Verfahren bekommst du trotzdem. Deswegen musste ich damals so viel Geld zahlen. Die 400.000 Euro will ich von dir zurück. Kannst ja zu dem Semmler, diesem Betrüger gehen. Vielleicht hilft der dir“, Sören zornig.

Bernd kam hinter einer Spindtür hervor.

„Sie sind ein widerlicher Kerl, Herr Staatsanwalt. Sören, du bist auch so ein krimineller Verbrecher. Er ermittelte, während Sie sich“, er schaute auf die Uhr „164 Minuten unterhalten haben. Ich melde das nach Kiel. Es reicht.“

„Bernd, wusste der Staatsanwalt ja nicht. Wir mussten den neuen Fall genauer analysieren, da Rainer alles wegschaffen ließ, anderes verschlampte. Der Staatsanwalt konnte daher nichts betrachten. Hast du etwas entdeckt, Rainer?“, erkundigte sich Sören freundlich, obwohl es in ihm brodelte.

„Ich habe von den Chatbetreibern Nachweise angefordert, mit wem der Pädophile Kontakt hatte, seine ganzen dortigen Bewegungen. Drei erklärten sich einverstanden, einer lehnte das strikt ab. Sie wollen einen Beschluss. Tschüss, Bernd.“

„Schönen Feierabend“, lächelte Sören, schloss die Tür hinter ihm.

„Die Beschlüsse bekommen Sie morgen früh“, der Staatsanwalt immer noch ruhig. „Es sollte trotzdem auch in andere Richtung ermittelt werden. Wichtig zum Beispiel, wer der Zettelschreiber ist. Wo hielt sich Matthias … eh Doktor Schönwalder vorher auf.“

„Machen Sie den Scheiß allein. Sie wollen nur ablenken. War der so ein Schwein wie Sie, wie Sören?“

Sören lachte. „Du landest jetzt endlich im Bau, deine Brut im Waisenhaus. Es reicht endgültig. Daneben werden wir dich Versager auf Schadenersatz verklagen, da du unseren guten Ruf in den Dreck ziehst.“

Rainer stand auf, drehte sich langsam um, stellte sich kurz vor den Staatsanwalt. „Sie sind ein fauler aufgeblasener beschissener Angeber. Sie erledigen weder den Job korrekt, noch sind Sie fähig, Kaffee in eine Tasse zu gießen. Sie betrügen während der Arbeitszeit seit mindestens einem Jahr Ihre Frau, nehmen dazu Teenager mit, weil Frauen, Sie Niete, nicht kriegen. Wenigstens durften Sie Sörens Frau ficken. Nur anscheinend waren Sie beide Aufschneider, Angeber nicht gut genug, dass sie zig andere Kerle brauchte - einschließlich mich. Wenigstens wurde sie da mal richtig rangenommen. Sie können die Raten für die angeberische Luxuskarre nicht begleichen, da Sie Miete für die Zweitwohnung zahlen müssen. Jetzt raus, da hier gearbeitet wird. Sören, du bist nicht besser. Du legst fünfmal in der Woche Magdalena flach, wenn Doktor Reinhardt Dienst im Krankenhaus hat, neben den anderen Frauen, die du nachmittags oder abends vögelst und natürlich die runde Frau Staatsanwalt. Er kann nur noch bei Teenagern, da die nicht merken, welch Versager der aufgeblasene Affe ist. Das nennt man dann vormittags, ich muss zum Staatsanwalt. Blöd nur, dass der nie vor zehn Uhr aufsteht, keiner vor 12.00 Uhr im Büro ist. Die Kollegen müssen abends, weil du Mann spielen willst, während der Dienstzeit auf deinen Sohn aufpassen. Man sollte Sie, nobler Staatsanwalt, faulen Sack, wie den Schönwalder kastrieren. Ach, geht ja nicht, da Sie ja keinen Schwanz haben, den man ihnen in die Schnauze stecken könnte. Armes Schwein!“

Sören starrte ihn entsetzt an. „Die runde Frau Staatsanwalt vögelst du, vergessen? Haben wir tolle Filmchen von gesehen, wie du dickes Etwas dich abmühst, weil nicht mehr ging. Ein armes Schwein, das nun unter der Brücke hausen muss, bist du. Nicht mal seine hässliche, fette Göre kann er für ´nen Zehner an den Mann bringen, da keiner die mehr vögeln will. Ein korrupter Dreckskerl, der sich bestechen ließ. Ich musste deswegen zahlen. Ich will mein Geld von dir Mistkerl zurück. Da wird deine Brut, dein verkommener Bruder, seine Alte und deine Alten lange für zahlen müssen. Jeden Cent werde ich denen wegnehmen.“

Sören folgte seinem Freund irritiert. Rainer knallte die Tür zu.

„Fahren wir in mein Büro. Ich mache die Klage und die Schadenersatzforderungen für dich fertig, damit die Morgen bearbeitet werden können. Kotzt mich das alles an.“

O

Oberstaatsanwalt Doktor Hansen und Rainer unterhielten sich bereits, als er im Büro erschien. „Moin Moin. Alle aus dem Bett gefallen?“

„Nein. Sie sind allerdings 67 Minuten zu spät. Lassen Sie uns bitte allein, Herr Svendsen. Die Kollegen sitzen im Aufenthaltsraum, müssen auf Sie warten. Impertinent.“

„Mein Sohn musste nochmals umgezogen werden, da er beim Frühstück kleckerte.“

„Sicher. Sahen Sie per Ferndiagnose oder rief Ihre Mutter an? Belügen Sie mich gefälligst nicht.“

Irritiert schaute er die beiden Männer an, goss Kaffee in seinen Becher und ging hinaus. Was hatte das denn zu bedeuten? Wieso hatte sich Doktor Hansen nicht angemeldet und was wollte der hier? Er rief bei Ole an. „Was willst du?“, fragte der unfreundlich. „Hansen ist hier. Was hat das zu bedeuten? Wusstest du davon?“

„Ja. Bin ich dir Rechenschaft oder eine Auskunft schuldig? Endlich räumt er auf“, unterbrach der die Verbindung. Was war denn mit dem los? Wieso hatte er ihn nicht vorgewarnt? So nicht! Der würde sich nachher einiges anhören müssen, blöder Sack.

„Moin. Was gab es in der Nacht?“

„Sören, wir haben uns alle getroffen und sind einstimmig der Meinung, Rainer soll bleiben. Dass du es uns vorher nicht mitgeteilt hast, finden wir schäbig, aber es passt zu dir. Da hätten wir sofort etwas unternommen. Hätte es Wiegand nicht durch Zufall von zwei Frauen gehört, wäre er weg, ohne dass man uns informierte. Wir sind zwar nur arme Polizisten, trotzdem sind wir der Meinung, es geht auch uns etwas an, was du mit dem Staatsanwalt für hinterhältige Pläne schmiedest.“

„Bernd, so war es nie. Rainer hat gekündigt. Es wurde also nicht gearbeitet? Da werde ich umgehend melden. Ihr spinnt wohl. Abends während der Dienstzeit saufen gehen. So nicht.“

„Es geht darum, warum er kündigte und das du es uns nie gesagt hast. Sicher, er hat damals Mist gebaut, unter anderem deine Exfrau flachgelegt. Nur dazu gehörten zwei Personen und sie war nun mal kein Engel, hat jeden Mann mitgenommen, selbst deinen Freund, Ole Ahrends, deswegen sitzt sie noch 15 Jahre im Knast. Dass sie Rainer massiv anbaggerte, erfuhren wir erst im Prozess gegen deine Frau. Auch da hieß es immer, es war Rainer, der sie belästigte und die arme Frau konnte sich nicht wehren. Gelogen. Deine männliche Eitelkeit war verletzt, als das herauskam. Man muss anerkennen, dass er immer ein sehr guter Kommissar, Ermittler war. Für dich und den Staatsanwalt allerdings war er nur der blöde Laufbursche, der Dussel, der Dösbaddel, jemand der nichts kann, außer die Dreckarbeit für euch zu erledigen. Stets hieß es, Herr Svendsen hat den Fall gelöst. Herr Svendsen ist ja sooo gut. Herr Svendsen kommt schließlich vom LKA. Herr Svendsen kommt aus einem reichen Elternhaus, ist in allem perfekt. Wir Dösbaddel haben da teilweise noch dazu gelacht, wenn du ihn wieder runterputztest. Wir alle haben bereits vor deiner Zeit mit Rainer sehr gut zusammengearbeitet. Unser Verhältnis wurde erst nach deinen Lügen über ihn und Peter schlechter. Du und dein feiner Freund haben uns über Jahre nicht nur belogen, sondern uns massiv genötigt, für euch zu lügen. Stets hieß es: Entweder ihr sagt es so oder wir sorgen dafür, dass es erst Einträge in euere Personalakten gibt, folgend Rauswurf. Karsten, Peter, Bernd haben es uns immer gesagt, wir sollen nicht vor solchen Kriminellen kuschen, lügen, das den Oberen melden. Nur wir hatten alle Angst.“

„Gestern auch. Du behandelst ihn einfach nur abscheulich. Jetzt reicht es uns. Dir passt es nicht, wenn er etwas allein erledigte, nicht auf deine ach so tollen Anweisungen wartete. Sofort brüllst du herum, lügst deswegen, beleidigst, schikanierst und bestiehlst ihn.“

Sören trank, blickte die acht Männer an. „Warum habt ihr nie vorher mit mir darüber geredet?“

„Weil niemand einen Akteneintrag riskieren wollte. Das hörten wir doch dauernd von dir oder dem sauberen Ahrends. Wir alle lieben den Beruf, sind auch darauf angewiesen, dass wir nicht entlassen werden. Keine will aufs Festland, da wir Sylter sind.“

„Du hast recht, Bernd. So wie Rainer“, Karsten jetzt. „Ich habe mit ihm dreizehn Jahren zusammengearbeitet. Sehr gut. Bis du kamst, gab es nie Probleme. Er hat gute Arbeit geleistet. Es gab nie Beschwerden, noch das er einen Akteneintrag bekam, weil er seinen Beruf korrekt ausübte. Ich will nicht, dass man ihn jetzt von seiner Familie trennt, nur weil sich irgendwer für etwas Besseres hält, King spielt, der alles weiß, alles kann, nur weil man bei Opi und Papi ständig die Hand aufhält. Wir haben bei unserem wirklichen Chef angerufen, weil wir alle, wirklich alle Kollegen wollen, dass er bleibt. Er ist Sylter, ist so wie wir alle, hier aufgewachsen. Er hat hier seine Familie, lebte immer gern auf der, Insel, weil es seine Heimat ist. Dass er nun weggeht, weil er deine abscheuliche Art, diese Klüngeleien, Quälereien seit Jahren, nicht mehr hinnehmen will, wollen wir nicht. Seit du das Zepter in die Hand genommen hast, wurde die Kollegialität zerstört. Deine Opfer waren besonders Peter und Rainer. Peter wurde entlassen, weil er diesen Zirkus auch nicht mehr mitmachen wollte. Er hat es nur falsch angefasst. Er hätte es melden sollen, nicht auf so hinterlistige Art versuchen dürfen, dass DUUU gehst. Logisch, hätte nichts gebracht, wie wir im Fall Schuster, Friedrich erlebten. Einem Sören Svendsen hängt man kein Diszi an, noch bekommt der einen Eintrag in seine Personalakte. Er kommt ja aus reichem Elternhaus, war beim LKA. Nur wir spielen nicht mehr mit, weil einer von uns der Nächste ist, der dran glauben muss. Über Jahre wurden wir erpresst, mussten das zu sagen, was du von uns fordertest. Wir mussten deine dreckigen Machenschaften decken.“

„Sören, wir sind keine Dösbaddel, Idioten, unfähige Beamte, so wie du uns teilweise, aber besonders gern Rainer betitelst. Niemand ist breesig, dusselig, spinnt. Wir wollen nicht hören, wie du uns ständig vorbetest, welche Wörter man alle nicht benutzt, wie toll du dich ausdrücken kannst. Wir alle können uns benehmen, selbst wenn wir unter uns Kerl, Tussi, Braut, vögeln, klauen oder sonstige gebräuchliche Wörter benutzen. Du hingegen liegst mit deinem Vokabular ganz weit unten, aber großer Besserwisser spielen.“

„Ihr vergesst, den beschissenen Ahrends zu erwähnen. Der Kerl ist noch schlimmer wie der Svendsen.“

„Hör auf zu lügen, Bernd. Du hintergehst den Mann. Erst gestern wieder beobachtet, wie du die Papiere in den Briefkasten warfst, nicht klingeltest. Dabei waren er und der Oberstaatsanwalt da, haben die sogar gesehen. Miese Masche. Was hat die der Mann getan?“

„Gerd, halt deine Schnauze“, motzte Bernd lautstark.

Sören lehnte gegen die Wand, schaute sich im Raum um, musste seine Wut bezähmen. „Wer hat meine Kapselmaschine hier hingestellt? Die gehört mir, habe ich bezahlt. Spinnt ihr jetzt völlig?“, wurde er lauter. „Was ist das für ein Kaffeeautomat daneben?“

„Du bist irre. Wir stehlen nicht.“

„Gerd, ich melde das. Lasse ich mir von Sören unterstellen, wir würden stehlen? Der Kerl dreht doch völlig am Rad. Mensch, hau ab. Gehe zu deiner Magdalena und vögle sie. Hast du danach bessere Laune.“

„Wer hat meine Maschine dahin gestellt?“, zügelte er seine Lautstärke.

„Es ist nicht deine alte Maschine. Die will keiner haben. Lass sie dir vergolden. Heute gibt es wesentlich komfortablere Nachfolgeautomaten. Ist es Neid, dass hier solche stehen? Willst du uns die deswegen entwenden? Passt zu dir: Klauen, betrügen, lügen.“

„Diese Unterstellungen einfach absurd und bösartig. Das werde ich melden. Wieso werden hier neue Sachen aufgebaut, ohne dass ich vorher informiert und gefragt werde? Das ist ein Polizeirevier und nicht eure Küche. Anscheinend verdient ihr zu viel, da ihr dafür einen Tausender rauswerft.“