Der Traum des Highlanders - Hannah Howell - E-Book
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Der Traum des Highlanders E-Book

Hannah Howell

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Beschreibung

Sind sie nur Verbündete – oder Liebende? Der historische Liebesroman »Der Traum des Highlanders« von Hannah Howell als eBook bei venusbooks. Die stürmische Küste Schottlands im Jahre 1480: Sie hat einem Mann aus der Fremde vertraut – und dafür einen schrecklichen Preis bezahlt. Nun ist Arianna Murray die Flucht aus Frankreich gelungen, doch sie weiß, dass sie auch in den Highlands nicht in Sicherheit sein wird vor den zu allem entschlossenen Verfolgern. Ihre letzte Hoffnung ist der ehrenwerte Sir Brian MacFingal, der sich bereit erklärt, ihr beizustehen. Aber obwohl seine strahlend blauen Augen Arianna fast den Atem rauben, erlaubt sie sich nicht, vom Glück an seiner Seite zu träumen – denn Brian hat noch nie eine Frau in sein Herz gelassen … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romance-Highlight »Der Traum des Highlanders« von New-York-Times-Bestsellerautorin Hannah Howell. Lesen ist sexy! venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 490

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Über dieses Buch:

Die stürmische Küste Schottlands im Jahre 1480: Sie hat einem Mann aus der Fremde vertraut – und dafür einen schrecklichen Preis bezahlt. Nun ist Arianna Murray die Flucht aus Frankreich gelungen, doch sie weiß, dass sie auch in den Highlands nicht in Sicherheit sein wird vor den zu allem entschlossenen Verfolgern. Ihre letzte Hoffnung ist der ehrenwerte Sir Brian MacFingal, der sich bereit erklärt, ihr beizustehen. Aber obwohl seine strahlend blauen Augen Arianna fast den Atem rauben, erlaubt sie sich nicht, vom Glück an seiner Seite zu träumen – denn Brian hat noch nie eine Frau in sein Herz gelassen …

Über die Autorin:

Hannah Howell, geboren 1950 in Massachusetts, kann ihren amerikanischen Familienstammbaum bis in das frühe 17. Jahrhundert zurückverfolgen – liebt aber vor allem die Geschichte Englands und Schottlands; auf einer Reise dorthin lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. Hannah Howell hat in ihrer schriftstellerischen Karriere über 60 Liebesromane veröffentlicht, darunter den großangelegten Zyklus über die Familie Murray, in dem sie mitreißend vom Schicksal mehrerer Generationen einer weitverzweigten schottischen Highlander-Dynastie erzählt. Hannah Howell wurde für ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Golden Leaf Award und dem Preis des Romantic Times Bookclub Magazine.

Bei venusbooks erschienen die folgenden Romane von Hannah Howell:

HIGHLAND HEROES

Das Schicksal des Highlanders

Die Lust des Highlanders

Das Schwert des Highlanders

HIGHLAND DESIRE

Die Hoffnung des Highlanders

Der Wunsch des Highlanders

Das Herz des Highlanders

HIGHLAND ROSES

Im Zeichen des Highlanders

Die Spur des Highlanders

Die Sehnsucht des Highlanders

HIGHLAND LOVERS

Der Fürst der Highlander

Der ungezähmte Highlander

Der Held der Highlands

HIGHLAND DREAMS

Das Begehren des Highlanders

Das Sehnen des Highlanders

Der Stolz des Highlanders

Die Versuchung des Highlanders

Der Traum des Highlanders

Bei den folgenden beiden Romanen handelt es sich um Einzelbände:

Der Kuss des Schotten

Die Geliebte des Earls

***

eBook-Neuausgabe April 2023

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2012 unter dem Originaltitel »Highland Avenger« bei KENSINGTONPUBLISHING CORP., New York, NY, USA. Die deutsche Erstausgabe erschien 2014 unter dem Titel »Mein Krieger aus den Highlands« bei Weltbild.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2012 by Hannah Howell

Published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., NEW YORK, NY 10018 USA

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2014 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2023 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock 

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96898-232-8

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

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Hannah Howell

Der Traum des Highlanders

Roman

Aus dem Amerikanischen von Angela Schumitz

venusbooks

Kapitel 1

Schottland im Frühling 1480

Das kalte Salzwasser verklebte Ariannas Haare, und der Wind tat sein Übriges. Die steife Brise riss ihr die Haare aus dem Knoten und peitschte sie ihr um den Kopf. Es tat richtig weh, wenn eine Strähne ihr ins Gesicht klatschte. Das passierte leider ziemlich häufig, als sie auf der Suche nach Adelar und Michel über das schwankende Deck stolperte. Aber sie hatte jetzt keine Zeit, ihre Haare zu richten. Sobald sie die Jungen fand, würde sie sie erst einmal ausschimpfen, bis ihnen die Ohren rot anliefen.

Die Knaben waren viel zu sorglos und unbekümmert. Sie waren noch zu unschuldig, um zu begreifen, in welcher Gefahr sie alle schwebten. Die beiden dachten, sie wären mit ihr nach Schottland unterwegs, um dort bei ihrer Familie zu leben. Dass sie um ihr Leben rannten, erkannten sie nicht. Sie waren zu jung, um auf Ariannas Warnungen zu hören. Und sie verstanden auch nicht, dass sie der einzige Teil ihrer unseligen Ehe waren, an dem sie sich festklammerte.

Auf dem Schiff gab es jemanden, der den Knaben nach dem Leben trachtete. Arianna umklammerte mit eiskalter Hand ihren Dolch und schwor zum tausendsten Mal, alles zu tun, um die Kinder zu beschützen. Sie hatte gedacht, dass sie ihren Verfolgern entkommen würden, wenn sie Frankreich verließen. Doch die Leute, die hinter ihren Jungen her waren, hatten offenkundig einen der ihren auf das Schiff geschickt. Arianna hatte vor, diesem Kerl ihren Dolch tief in sein schwarzes Herz zu rammen, sobald sie seiner habhaft wurde.

»Jesus! Der Bengel hat mich gebissen!«

Eine wütende Männerstimme durchbrach den Lärm des Windes, des Regens und des ächzenden Schiffes. Arianna wirbelte herum. Durch den Regenvorhang erspähte sie zwei Männer, die versuchten, zwei sich windende und um sich tretende Kinder festzuhalten und ihre kleinen Gefangenen an die Reling zu zerren.

Ein Dolch. Zwei Männer. Die Chancen stehen nicht gut, dachte Arianna, als sie so rasch wie möglich zu ihnen eilte. Ihre Jungs kämpften mannhaft, aber sie würden den Kampf verlieren. Sie brauchten ihre Hilfe. Nur sie konnte sie retten.

Wer die Männer angeheuert hatte, konnte Arianna nicht mit Sicherheit sagen, und sie bezweifelte, dass sie die Gelegenheit haben würde, den Schurken diesbezüglich eine Antwort zu entlocken. Doch im Grunde spielte es keine Rolle. Arianna wusste, dass es entweder Amiel, der Onkel der beiden, sein musste oder die DeVeau, die Erzfeinde der Lucette. Vielleicht waren es ja auch beide, dachte sie. Beinahe hätte sie geknurrt. Amiel schien es egal zu sein, dass er sich mit einer Familie verbündet hatte, die am Tod und dem Elend zahlloser seiner Verwandten schuld war. Es hätte Arianna eigentlich nicht so verwundern oder sogar schockieren sollen. Der Mann trachtete seinen Neffen nach dem Leben, um alles an sich zu reißen, was sie von ihrem Vater geerbt hatten. Vermutlich war es sogar Amiel gewesen, der seinen eigenen Bruder mitsamt dessen wahrer Gemahlin, der Mutter der beiden Knaben, umgebracht hatte. Sich mit einem Erzfeind zu verbünden wog nicht so schwer wie diese Sünde.

Sie war beinahe bei den Männern angelangt, als eine Böe ihr die Haare wieder ins Gesicht schlug. Arianna schüttelte den Kopf, um die kalten, nassen Strähnen zurückzuwerfen, die ihr die Sicht raubten. Bei dieser Bewegung erblickte sie etwas aus den Augenwinkeln, das ihre Aufmerksamkeit noch mehr auf sich zog als die Bedrohung ihrer Schützlinge.

Durch den Regen näherte sich ein Schiff. Wenn in den nächsten Momenten kein Wunder geschah – und mit so etwas war sie noch nie gesegnet gewesen –, würde dieses Schiff bald das kleinere rammen, auf dem sie sich befanden. Jetzt musste sie nicht nur die Jungs retten, sondern auch sich selbst. Es sah so aus, als ob ihnen nur ein Sprung in die raue, sturmgepeitschte See übrig blieb.

Arianna atmete tief durch, umklammerte ihren Dolch und schrie aus Leibeskräften. Die zwei Männer drehten sich um und starrten sie an. Noch immer schreiend deutete sie auf das Schiff, das auf sie zusteuerte. Wie sie gehofft hatte, überwog bei den Männern nun das Bedürfnis, ihre Haut zu retten. Sie ließen die Jungs los und rannten auf die andere Seite.

Das andere Schiff hielt tatsächlich direkt auf sie zu. Plötzlich wusste Arianna genau, was das größere Schiff vorhatte. Es wollte sie rammen. Mittlerweile gab es kein Entkommen mehr. Tiefes Mitleid regte sich in Arianna für all die armen Menschen auf dem kleinen Schiff, die nun gleich ihr Leben lassen würden. Doch sie konnte nichts tun, um ihnen zu helfen. Stattdessen richtete sie ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die zwei kleinen, zitternden Jungen, die sich an sie klammerten. Es bestand eine winzige Chance, die beiden zu retten. An etwas anderes konnte sie jetzt nicht mehr denken.

»Sie wollten uns ins Meer werfen«, sagte Michel.

»Aye«, erwiderte sie und zog die beiden zum Bug. Dort hatte sie zuvor ein paar leere Fässer entdeckt. »Ich fürchte, ihr werdet auf jeden Fall im Meer landen.« Sie ließ die beiden los und durchtrennte mit ihrem Dolch die Taue, mit denen die Fässer festgebunden waren.

»Dann werden wir sterben«, jammerte Adelar.

»Nay. Nicht, solange ich es verhindern kann.« Sie warf einen Blick über die Schulter auf das andere Schiff, das nach wie vor unerbittlich näherrückte. Ihr blieb nicht viel Zeit, dieses großspurige Versprechen zu erfüllen. Nur die Tatsache, dass auch das größere Schiff gegen die Gewalt der vom Wind gepeitschten See ankämpfen musste, hatte es davon abgehalten, bereits auf Kapitän Tillets Schiff aufzuprallen. »Wisst ihr noch, wie man schwimmt?«

»Mehr oder weniger«, erwiderte Michel. In seinem Akzent mischte sich das Schottische mit dem Französischen, was Arianna ganz bezaubernd fand.

»Das muss reichen. Ich werde euch ins Wasser werfen, und ihr werdet ans Ufer schwimmen.« Sie drehte die Jungen in die Richtung des Ufers, das kurz zuvor noch zu sehen gewesen, mittlerweile jedoch hinter den dunklen Sturmwolken und dem heftigen Regen verborgen war. »Ich werfe auch die Fässer ins Wasser, und ihr müsst eines davon erreichen und packen. Bald wird eine Menge Holz im Wasser treiben. Wenn ihr kein Fass erwischt, dann haltet euch an etwas anderem fest. Nehmt, was euch hilft, den Kopf über Wasser zu halten. Lasst euch von eurer Angst nicht die Sinne trüben. Richtet euer Augenmerk auf die Küste, haltet euch am Holz fest und strampelt mit den Beinen, wie ich es euch gezeigt habe, als ich euch das Schwimmen beigebracht habe.«

»Die See ist sehr rau, Anna«, sagte Michel. Angst ließ sein süßes Stimmchen erzittern. »Sie ist nicht wie der Teich, in dem wir das Schwimmen gelernt haben.«

»Ich weiß, meine Schätzchen, aber die Fertigkeiten, die ich euch beigebracht habe, nützen euch auch bei rauem Gewässer. Richtig schwimmen müsst ihr nur, bis ihr ein Fass oder ein anderes Stück Holz in den Händen habt.«

Sie hob ein Fass hoch und blickte auf die stürmische See. Es würde ein Wunder sein, wenn sie diese Prüfung heil überstanden. Die Chance, dass sie der wütenden See alle drei lange genug trotzen konnten, bis sie ein Fass oder ein anderes Stück Holz erwischt hatten, war sehr gering. Die Chance, dass sie es überlebten, wenn das größere Schiff das ihre rammte, war allerdings noch viel geringer. Immerhin blieb ihnen bei diesem Plan die Wahl, wo und wie sie ins Wasser fielen.

Sie musterte die Kinder und dann sich selbst. Sie alle hatten sich zum Schutz vor der kalten Luft und dem Regen dick angezogen. Rasch setzte sie das Fass wieder ab. »Zieht eure Umhänge und die Stiefel aus, Jungs. Macht schnell. Diese Sachen werden wie Steine sein, die euch nach unten ziehen, sobald ihr im Wasser gelandet seid.«

Auch sie entledigte sich hastig ihres Umhangs und der Stiefel. Dann nestelte sie ihr Kleid auf. Zu überleben war jetzt wichtiger als Zucht und Anstand. »Legt die Sachen in die Fässer. Beeilt euch«, drängte sie. Die zunehmend entsetzten Schreie der anderen auf dem Schiff verrieten ihr, dass ihnen die Zeit davonlief.

Obgleich alles sehr rasch geschah, pochte Ariannas Herz im Takt mit jedem vorbeistreichenden Augenblick wie eine Totenglocke. Sie schlang ein Tau um ihre Taille, band es an einem Fass fest und warf es ins Wasser. Rasch warf sie ein zweites und dann ein drittes Fass hinterher. Sie küsste Michel auf die Wange und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es nicht das letzte Mal war. Dann nahm sie das bleiche Kind und warf es über die Reling. Das Gleiche tat sie ohne zu zögern mit Adelar, auch wenn es ihr schier das Herz zerriss.

Mit einem letzten Blick über die Schulter kletterte sie selbst über die Reling. Das andere Schiff war jetzt so nah, dass sie die harten Gesichter der Männer an Deck sehen konnte. Unerbittlich verfolgte es seinen tödlichen Kurs. Die Mienen der Männer sagten ihr, dass sie genau wussten, was kam, und es so geplant hatten. Arianna betete, dass sie und die Jungen dem unmittelbar bevorstehenden Chaos entkommen würden, und sprang ins Wasser.

Die Landung war schmerzhaft. Arianna verkrampfte sich bei dem Kälteschock, als sie in den schaumgekrönten Wellen unterging. Wie viele Prüfungen mussten sie und die Jungen denn noch durchstehen? Angst und Zorn verliehen ihr die Kraft, um sich wieder an die Oberfläche zu kämpfen. Ihre Augen brannten vom Salzwasser. Panisch suchte sie nach ihren Jungen und fragte sich entsetzt, ob sie sie in den Tod geworfen hatte. Endlich entdeckte sie die beiden. Jeder klammerte sich an ein Fass, während die hartherzige See sie von Welle zu Welle schleuderte.

Arianna erreichte das dritte Fass, kurz bevor es ihr gelang, zu den Kindern aufzuschließen. Sie kämpfte gegen die hohen Wogen und versuchte, nicht darauf zu achten, wie die Kälte ihr die Kraft aus dem Leib saugte. Fieberhaft bemühte sie sich, die Fässer mit dem Tau, das sie vom Schiff mitgenommen hatte, aneinanderzubinden. Als sie sich endlich auf das merkwürdige kleine Floß hievte, das sie gerade hergestellt hatte, zitterte sie so erbärmlich, dass ihre Zähne klapperten. In dem Moment drang das grausame Geräusch zerberstenden Holzes an ihr Ohr, und die Schreie der Menschen, die dem Untergang geweiht waren, übertönten das Brausen des Sturms.

Sie schaute Adelar an, der erschöpft neben ihr lag, und schrie: »Paddle, mein Kleiner. Nimm deine Hand und all deine Kraft, um zu paddeln.«

Nach ein paar weiteren lauten Anweisungen spürte Arianna, dass die Fässer sich anders durchs Wasser bewegten. Sie hüpften nicht mehr ziellos auf und ab, sondern schwammen mit den Wellen. Stolz regte sich in ihr, als Michel vorsichtig auf Adelar kletterte und die Kraft seiner dünnen Ärmchen der seines Bruders hinzufügte. Arianna hoffte inständig, dass sie schnell genug waren, um aus der Reichweite derjenigen zu entkommen, die soeben zwei Dutzend Menschen in den Tod geschickt hatten. Diese Barbaren gingen im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen, nur um die zwei kleinen Burschen zu ermorden.

»Nun reicht es«, sagte sie nach einer Weile, die ihr wie viele Stunden vorkam. Ihr Arm war mittlerweile so schwach und taub von der Kälte, dass sie ihn kaum noch aus dem Wasser heben konnte. »Jetzt wird uns die Strömung den Rest des Weges ans Ufer tragen.«

Sie presste eine Wange an das nasse, raue Holz des Fasses und kämpfte darum, die Dunkelheit zurückzudrängen, die sich ihrer bemächtigen wollte. Der Kampf, die Jungen sicher ans Ufer zu bringen, und die Kälte, die ihr die Kraft aus dem Leib sog, zehrten an ihren letzten Reserven. Von dem Moment an, als sie merkte, dass Amiel und DeVeau einige ihrer Leute auf das Schiff geschickt hatten, hatte sie kaum noch ein Auge zugetan und die Jungen Tag und Nacht bewacht. Sie sehnte sich danach, all ihre Sorgen beiseite zu schieben und nur noch zu schlafen. Plötzlich spürte sie, wie eine kalte, kleine Hand die ihre packte und sie schüttelte. Langsam schlug sie die Augen auf und blickte in Michels viel zu blasses kleines Gesicht.

»Sind die bösen Männer jetzt tot?«, fragte er.

»Aye«, erwiderte sie. »Die bösen Männer, die auf unserem Schiff waren, sind jetzt tot, doch darüber hinaus auch noch viel zu viele gute Männer. Aber die bösen Männer auf dem größeren Schiff leben noch. Ich glaube nicht, dass DeVeau schon aufgeben wird, und Amiel auch nicht.«

»Es tut mir leid. Und Adelar tut’s auch leid.«

»Was denn?«

»Dass wir dir nicht geglaubt haben.«

»Nun, vielleicht hört ihr ab sofort besser auf meine Warnungen. Aye?«

»Aye«, erklärten die Jungen im Chor.

»Gut. Jetzt haltet euch gut an den Fässern fest. Bevor der Sturm losbrach, habe ich einen kurzen Blick auf die Küste erhascht. Wisst ihr noch, wie ich sie euch gezeigt habe?« Die beiden nickten. »Das Wasser sollte uns jetzt dorthin treiben, ohne dass wir viel tun müssen.« Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es nicht zu viele Felsen zwischen ihnen und dem sicheren Ufer gab, denn ihr kleines Floß hielt derartigen Kämpfen bestimmt nicht lange stand. »Erinnert ihr euch auch noch daran, was ihr tun müsst, wenn ihr alleine ans Ufer kommt?«

»Du wirst bei uns sein, Anna«, sagte Adelar mit einem Anflug von Panik in seiner Stimme.

»Das hoffe ich sehr, aber ich möchte trotzdem wissen, ob ihr euch noch an alles erinnert, was ich euch gesagt habe.«

»Aye. Wir sollen deine Verwandten finden, die Murrays, und ihnen erzählen, was passiert ist.«

»Und wer die bösen Männer sind«, fügte Michel hinzu.

»Ganz genau. Und jetzt schlaft bitte nicht ein. Ihr müsst euch an die Fässer klammern und bereit sein, an die Küste zu schwimmen, wenn es sein muss. Steckt einen Arm unter das Seil, das uns zusammenhält. Das wird euch helfen. Ich glaube nicht, dass es noch lange dauern wird, bis wir wieder auf festem Boden stehen. Die Wellen sind zwar lästig, aber sie schieben uns rasch in die richtige Richtung.«

Arianna hoffte, dass sie so zuversichtlich klang, wie die Jungs sich fühlen sollten. Sie wollte nicht, dass die beiden ihre Angst und ihre Schwäche spürten. Doch während sie ihnen noch einmal sagte, was sie tun mussten, sobald sie das Ufer erreicht hatten, flüsterte eine kleine Stimme in ihr ständig das Wörtchen »falls«. Falls kein Überlebender des verunglückten Schiffes auf sie stieß und beschloss, dass er ihr kleines Floß dringender brauchte als sie. Falls die Männer, die sie verfolgten, sie nicht fanden. Falls sie nicht an einer Klippe zerschellten, die Küste vor Augen.

In ihrem Kopf drängten sich so viele Befürchtungen, dass Arianna versucht war, sich zu erheben und all ihre Ängste und ihren Zorn in die Sturmwolken hinaufzuschreien. Es ist einfach nicht fair, dachte sie, und zuckte zusammen bei dem kindischen Wimmern, das sie hinter dieser Klage in ihrem Kopf hörte. Doch das änderte nichts daran, dass es nicht fair war. Michel und Adelar waren kleine, unschuldige Knaben. Arianna wusste, dass auch sie sich keiner allzu großen Sünde schuldig gemacht hatte, obgleich ihr ein paar kleinere einfielen. Doch darunter war nichts, was den Tod durch Ertrinken gerechtfertigt hätte und auch nicht, dass sie den zwei Knaben, die sie wie ihre eigenen Söhne liebte, dabei zusehen musste, wie sie ertranken.

Sie war versucht, Gott zu verfluchen, doch sie unterdrückte diese Versuchung. Jähzorn gehörte zu ihren vielen Fehlern, doch jetzt durfte sie sich nicht von Zorn übermannen lassen. Ein paar aufrichtige Gebete und vielleicht sogar ein paar Versprechen, eine gute Tat zu vollbringen oder etwas aufzugeben, wenn der Allmächtige die Knaben verschonte, waren in diesem Moment bestimmt hilfreicher.

Aber sie konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Die Schwärze, die sie zu überwältigen drohte, war langsam aber sicher stärker als all ihre Versuche, bei Bewusstsein zu bleiben. Mit letzter Kraft wand sie ein Stück des Seils, mit dem die Fässer zusammengehalten wurden, um ihr Handgelenk. Sie hoffte inständig, dass dies reichen würde, um sie auf dem Weg zum Ufer auf dem Fass zu halten.

***

»Puh! Ich glaube, ich bin nass bis auf die Knochen. Dieser verdammte Regen hat sich direkt durch meine Haut gehämmert.«

Brian MacFingal grinste seinen Bruder an. »Dein Anblick erinnert mich tatsächlich an eine ertrunkene Ratte, Simon.« Er warf einen Blick auf den Himmel. »Aber jetzt ist der Sturm vorbei. Ich denke, bald wird sich die Sonne einen Weg durch die Wolken bahnen und uns trocknen.«

Beinahe hätte Brian laut gelacht, als Simon und der junge Ned auf die grauen Wolkentürme blickten und sich erfolglos bemühten, ihre Zweifel zu verbergen. Doch er unterdrückte diesen Impuls, weil sie dann vielleicht glaubten, er mache sich über sie lustig.

Simon war mit seinen fünfundzwanzig Jahren ein starker, gut aussehender Mann, und er war geschickt im Umgang mit dem Schwert und dem Dolch. Dennoch haftete ihm eine gewisse jungenhafte Unsicherheit an.

Ned war erst siebzehn, mit elend langen Gliedmaßen, die er noch nicht besonders geschickt einsetzen konnte. Brian erinnerte sich noch gut an diese seltsame Zeit in seinem Leben. Er wollte den Jungen nicht kränken, indem er jetzt lachte.

»Glaubt es mir ruhig«, sagte er, »bald wird wieder die Sonne scheinen. Die Wolken verziehen sich rasch.«

Simon nickte. »Aye, das sehe ich jetzt auch. Immerhin werden wir dann nicht mehr nass, wenn wir unsere Ware abholen.«

»Dafür sollten wir dankbar sein.«

»Glaubst du, wir werden mit der Fracht dieses Schiffes ebenso viel verdienen wie mit der letzten?«

»Das hoffe ich. Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, wie sich dieses Unterfangen für uns und unsere Lieferanten leichter gestalten ließe.« Brian verzog das Gesicht. »Doch ich fürchte, wir müssen es nach wie vor geheim halten.«

»Aye. Je mehr Leute davon wissen, desto größer ist die Gefahr, dass uns die Waren gestohlen werden.«

»Das ist das größte Problem. Von Scarglas können wir uns keinen Schutz erhoffen, dafür sind wir zu weit davon entfernt. Und auf dem langen Heimweg, den wir mit den Gütern beladen antreten, schweben wir auch ständig in Gefahr. Mir ist leider noch kein sicherer Weg eingefallen.«

»Vielleicht sollten wir die Route ein wenig ändern. Dann würde die Reise zwar etwas länger dauern, aber wir könnten die Nächte bei guten Freunden und Verwandten verbringen.«

Brian nickte. »Daran habe ich auch schon gedacht. Nur müssten wir dann diejenigen, die uns eine Unterkunft gewähren und uns manchmal vielleicht sogar verteidigen, an unserem Gewinn beteiligen.«

»Einen kleinen Teil des Gewinns zu verlieren, wäre besser, als alle Waren zu verlieren und Menschenleben noch dazu.«

»Das stimmt natürlich.« Genau aus diesem Grund ging Brian der Plan, an sicheren Orten zu übernachten, nicht aus dem Kopf. An solchen Orten gab es immer auch ein paar Bewaffnete, die man notfalls zusammentrommeln konnte, wenn Ärger ins Haus stand. Brian leuchtete dieser Plan durchaus ein. Dagegen sprach nur, dass er nicht eine einzige Münze verlieren wollte, die seine neue Unternehmung ihm einbrachte. Mit dem Geld wurde Scarglas stärker, und wichtiger noch: Er konnte immer ein bisschen Geld auf die Seite legen, um damit eines Tages vielleicht ein Stück Land zu erwerben.

Schon bei dem Gedanken an Land und ein eigenes Heim verkrampfte sich Brians Herz mit einer Sehnsucht, die jeden Tag wuchs. Er beneidete seinen Bruder Ewan nicht um seinen Platz als Laird von Scarglas, und außerdem lag ihm das Wohl all seiner anderen Brüder, die sein Vater gezeugt hatte, innerhalb wie außerhalb seiner Ehe, sehr am Herzen. Dennoch sehnte er sich danach, etwas Eigenes zu besitzen, und es gab immer Leute, die bereit waren, ein kleines Stück ihres Besitzes zu verkaufen, wenn sie Geld brauchten. Natürlich konnte man auch heiraten, um an ein Stück Land und ein Haus zu kommen, aber Brian wollte sich nicht aus diesem Grund an eine Frau binden. Daneben gab es nur noch die Möglichkeit, die Gunst des Königs zu gewinnen. Die Chancen, dass einem MacFingal so etwas gelang, waren jedoch nicht sehr groß.

Vielleicht war es doch der Neid, der ihn anstachelte, sann er nach. Allerdings fiel es ihm schwer, sich dies einzugestehen. Er wollte nicht nur sein eigenes Land, er wollte auch das, was seine Brüder Ewan und Gregor hatten. Selbst seine närrischen Cousins Sigimor und Liam Cameron waren damit gesegnet: Sie alle hatten ein eigenes Heim und eine Familie. Brian sehnte sich nach einer Frau, zu der er heimkehren konnte, einer Frau, die sich über seine Heimkehr freute. Und er wollte Kinder. Aber nur wegen des Landes wollte er auf keinen Fall heiraten. Er wollte eine Frau, die ihn aufrichtig liebte, ihn und die Kinder, die sie bekommen würden. Auf so etwas konnte man nicht hoffen, wenn man eine Frau wegen ihres Geldes, eines Hauses oder eines Stück Landes heiratete.

Diese Sehnsucht hatte er bislang strikt für sich behalten. Er wusste, dass einige seiner Brüder nachdenklich werden würden, wenn er sein Bedürfnis eingestand. Wenn sie nachdachten, würden sie erkennen, dass er keine unehelichen Kinder hatte. Schlimmer noch – vielleicht würden sie auch merken, dass er nicht so viele Gelegenheiten wahrnahm, welche zu zeugen, wie die meisten von ihnen. Brian hatte oft genug mitbekommen, wie sein ältester Bruder, Laird Ewan, wegen seiner mönchischen Lebensweise von den anderen verspottet wurde. Nay, darauf konnte er wahrhaftig verzichten.

»Du siehst sehr ernst aus, Brian«, sagte Simon, der neben ihm ritt.

»Ich habe gerade überlegt, ob wir durch den Sturm geschädigt worden sind«, schwindelte Brian. Während ihm diese Worte über die Lippen kamen, ging ihm auf, dass das sehr wohl so sein konnte. Als der Sturm über sie hereingebrochen war, hatte er über den Regen, den Wind und die Kälte geflucht. Jetzt fiel ihm ein, dass das Wetter, das für sie auf festem Boden ärgerlich gewesen war, für die Menschen auf dem Wasser tückisch, wenn nicht sogar tödlich gewesen sein konnte. Es würde sie nicht an den Bettelstab bringen, wenn die Fracht verloren war. Aber mehrere Umbauten an Scarglas mussten dann bis zur nächsten Ladung warten. Bis dahin würde es wahrscheinlich ziemlich lange dauern, da die Waren erst bestellt werden mussten.

Natürlich würde es ihn auch bekümmern, wenn die Männer, die er kennen und schätzen gelernt hatte, Schaden genommen hatten. Brian musste den Anflug eines schlechten Gewissens beiseiteschieben. Er hatte Kapitän Tillet nicht gezwungen, mit ihm zusammenzuarbeiten, und ebenso wenig dessen Matrosen. Sie waren alle genau wie er scharf auf das Geld, das ihnen dieser Handel einbrachte, und arbeiteten gern für ihn.

Brian schüttelte seine düsteren Gedanken ab. Bald würden sie die kleine Bucht erreichen, und dort würde er Antworten auf seine Fragen finden – entweder gute oder schlechte. Er konnte nur hoffen, dass es gute waren.

»Wie es aussieht, hat Gott meine Gebete heute nicht erhört«, murmelte Brian, als er an dem kleinen Strand aus dem Sattel stieg und die unmissverständlichen Zeichen eines Schiffbruchs betrachtete.

»Jesus, Brian, glaubst du, das hat jemand überlebt?«, fragte Simon, der neben Brian getreten war.

»Möglich ist so etwas immer. Sucht den Strand ab«, befahl er und gesellte sich zu den acht Männern, die ihn begleiteten und bereits begonnen hatten, den Strand abzulaufen. »Sucht nach Männern und nach Gütern.«

Zwei Stunden lang suchten sie die Küste ab. In dieser Zeit spülte das Meer immer wieder Leichen und Teile des Schiffes an Land. Der Haufen der geretteten Güter wuchs, aber Brians Freude war schwer beeinträchtigt durch die vielen Toten, die sie aus dem Wasser zogen.

Bislang gab es nur vier Überlebende, darunter auch den stämmigen Kapitän Tillet. Die angeschlagenen, geschwächten Männer hatten Decken bekommen und saßen nun bei den Pferden. Vorläufig würden sie in Scarglas Zuflucht finden.

Nun wollte Brian Kapitän Tillet fragen, wie man mit den Toten verfahren sollte, doch auf dem Weg dorthin packte Ned ihn am Arm. Brian sah den Jungen verärgert über die Störung an. Abgesehen von der Bestattung der Toten wollte er den Kapitän auch noch einmal fragen, was er denn mit der Bemerkung gemeint hatte, sie seien angegriffen worden.

»Schau doch, dort drüben, Brian!«

Ned klang so aufgeregt, dass Brian unwillkürlich in die Richtung blickte, in die sein Bruder deutete. »Dort bei den Felsen?«

»Aye. Dort hat sich etwas bewegt. Ganz bestimmt. Ich bin mir sicher, dass uns dort drüben jemand beobachtet.«

Brian biss sich auf die Zunge, um Ned nicht wegen seiner blühenden Fantasie auszuschimpfen. Die Felsen waren so weit vom Wasser entfernt, dass sich dort bestimmt niemand aus der Mannschaft versteckt hatte. Außerdem hatte keiner aus Tillets Mannschaft einen Grund, sich zu verstecken. Natürlich konnte es sein, dass jemand ihnen nachspionierte, aber die Bucht lag gut versteckt, und das nächste Gehöft war viel zu weit weg. Falls ihnen tatsächlich jemand nachschnüffelte, hätten sie es längst gemerkt. Doch als Ned auf die Felsen zuging, folgte Brian ihm. Vorsichtig umrundeten sie einen hohen Felsen, dann blieb Brian abrupt stehen und fluchte.

»Ich habe dir doch gesagt, dass ich etwas gesehen habe«, erklärte Ned.

»Aye«, gab Brian zu. »Nur schade, dass du die Messer nicht gesehen hast.«

Zwei nasse, zitternde, in Lumpen gehüllte Knaben standen über einem Körper gebeugt, der mit dem Gesicht zum Boden ausgestreckt dalag. Die Kinder wirkten verängstigt, doch sie hielten die Messer mit fester Hand. Brian hätte sie natürlich mühelos entwaffnen können, doch er streckte nur lächelnd die Hände aus, um ihnen zu zeigen, dass er nicht bewaffnet war. Er fand, dass die Kinder, die offenbar den Körper einer Frau bewachten, diesen Respekt verdient hatten.

»Wir wollen euch nichts tun, wir wollen euch nur helfen«, sagte er.

»Warum sollten wir Euch vertrauen?«, fragte der größere der beiden Jungen. In seiner Sprache schwang ein französischer Zungenschlag mit.

»Habt ihr dem Kapitän des Schiffs vertraut, auf dem ihr euch befunden habt?«

»Aye, er war ein guter Mann.«

»Wenn ihr dort rüber zu den Pferden blickt, könnt ihr sehen, wie es ihm geht.«

»Michel, schau doch mal nach und sag mir, was du siehst«, befahl der Junge dem Kleineren auf Französisch.

Michel spähte über die Felsen und antwortete ebenfalls auf Französisch. »Der Kapitän und einige seiner Leute haben überlebt. Diese Männer haben ihnen Decken gegeben und reden freundlich mit ihnen. Der Kapitän wirkt nicht feindselig.«

»Der Kapitän hatte Waren für mich dabei. Wir sind Geschäftspartner«, erklärte Brian. Dann musterte er den Körper, den die beiden bewachten.

Es handelte sich definitiv um eine Frau. Sie hatte lange, verfilzte Haare und wohlgeformte Beine, die ihre zerrissene Kleidung kaum bedeckte. Ihre Arme waren über den Kopf ausgestreckt. Vermutlich hatten die Jungen sie an Land gezerrt. Doch offenbar waren sie so klug gewesen, alle Spuren zu verwischen, sonst hätten sie sie schon viel früher entdeckt.

»Ist sie tot?«, fragte er. Auf diese Frage hin verloren die Kinder das bisschen Farbe, das sie noch gehabt hatten. Brian verfluchte seine Taktlosigkeit.

»Nay!«, rief der Größere, während der Kleine nur heftig den Kopf schüttelte.

»Dann sollte ich wohl mal sehen, was ich für sie tun kann.« Sobald die Knaben die Messer senkten, kniete sich Brian neben die Frau. Er hoffte inständig, den Jungen nicht gleich erklären zu müssen, dass sie einen Leichnam bewacht hatten.

Kapitel 2

Arianna kämpfte gegen das Bewusstsein an, das sich ihrer wieder bemächtigen wollte. Trotz ihrer Bemühungen gewann es die Oberhand, und eine Welle von Schmerz schlug über ihr zusammen. Sie versuchte, die schlimmsten Schmerzen wegzuatmen, doch dabei verkrampfte sich ihr Magen. Arianna stöhnte, wälzte sich mühsam zur Seite und überließ es ihrem Körper, all das Wasser, das sie geschluckt hatte, unter heftigen Krämpfen von sich zu geben.

»Ich habe Euch doch gesagt, dass sie lebt.«

Adelar, dachte sie, und rappelte sich so lange aus ihrem Elend auf, um ein stilles Dankgebet zu sprechen. Einer ihrer Jungen lebte noch. Sobald ihr Magen aufhörte, sie zu foltern, wollte sie herausfinden, wie es Michel ergangen war.

»Ihr solltet auf Adelar hören, Monsieur. Er ist sehr schlau. Das sagt Anna immer wieder.«

Aha, das war Michel. Während weitere Krämpfe ihren Körper erschütterten, dachte Arianna daran, dass ihre beiden Jungs überlebt hatten. Jetzt konnte sie sterben – nicht friedlich oder froh, aber doch dankbar.

Die Berührung ihres Oberarms durch schwielige Männerhände holte Arianna aus ihrem Elend. Sie spürte, dass ihr Oberarm nackt war. Was war mit ihren Kleidern passiert? Im Grunde war ihr das egal, dafür ging es ihr einfach zu schlecht. Als Nächstes fragte sie sich, warum die Berührung einer Männerhand ihr Elend so lindern konnte. Seine großen warmen Hände vertrieben viel von der Kälte, die sich tief in ihre Knochen gegraben hatte. So etwas war ihr bei einer bloßen Berührung noch nie widerfahren.

»Bist du jetzt fertig, dir deinen Magen aus dem Leib zu kotzen, Mädchen?«

Die tiefe, ruppige Stimme kitzelte etwas in ihr wach; etwas, das nichts mit Angst, Schmerz oder Übelkeit zu tun hatte. Und auch nichts mit der Tatsache, dass ihr warm ums Herz wurde bei dem Klang der Stimme eines Landsmanns, nachdem sie so lange fern der Heimat gewesen war. Arianna war sich nicht ganz sicher, worum es sich bei diesem Etwas handelte, doch rein instinktiv wusste sie, dass es ihr eine Menge Ärger einbringen konnte. Sie vertraute ihren Instinkten allerdings nicht mehr besonders, und außerdem war sie viel zu schwach und zu elend, um sich über all dies Klarheit zu verschaffen.

Ihr Versuch, sich aus dem Griff des Mannes zu lösen, wurde von ihm mit einer Mühelosigkeit vereitelt, die sie ärgerte. Bevor sie dagegen protestieren konnte, wurde sie auf den Rücken gedreht und starrte in zwei tief dunkelblaue Augen. Sie brauchte eine Weile, um sich von diesen schönen Augen zu lösen, und dabei fielen ihr schön geschwungene dunkle Brauen auf und beinahe schon zu dichte ebenso dunkle Wimpern. Wer auch immer dieser Mann war, er würde ihr zweifellos Ärger einbringen. Sie besaß nicht die Gabe, in die Zukunft zu sehen, wie sie einige ihrer Murray-Verwandten hatten, doch diese Gefahr konnte sie klar erkennen. Sie wünschte sich, sie wäre jetzt kräftig genug, um die Jungen zu packen und wegzurennen.

Während der Mann ihr Gesicht abwusch, musste sie daran denken, dass das wieder mal typisch für ihr Pech war: Sie wurde an Land gespült, übersät von blauen Flecken und zu Tode erschöpft. Ihr Haar war wirr und mit Sand verklebt, ihr Hemd und die Strümpfe zerrissen und schmutzig. Dann verbrachte sie viel zu viel Zeit damit, ihr Innerstes nach außen zu kehren. Stand ihr ein freundliches altes Weiblein zur Seite? Eine dralle, verheiratete ältere Frau? Eine Bedienstete? Nay. Sie war von einem Mann gefunden worden, einem sehr gut aussehenden Mann. Hatte ihr Schicksal etwa beschlossen, dafür zu sorgen, dass kein Mann in ihr je eine Frau sehen würde, die er begehrte?

Doch wahrscheinlich war es besser so, beschloss sie, als er ihr half, sich aufzurichten, und ihr ein wenig Wein einflößte. Sie hätte ohnehin nicht gewusst, was sie mit einem Mann anstellen sollte, der sie begehrte. Bei ihrem verstorbenen Gemahl hatte sie jedenfalls jämmerlich versagt. Arianna spülte den Mund und spuckte den Inhalt aus. Sie wusste, dass sie das nicht so geschickt tat wie eine richtige Lady. Doch daran waren ihre Brüder schuld und ein ganzes Heer von Cousins.

»Geht es dir besser?«, fragte der Mann.

»Nay«, erwiderte sie. Es wunderte sie nicht, dass ihre Stimme so schwach und heiser klang. Sie hatte bestimmt gelitten, als sie den halben Ozean aus ihrem Magen herausgewürgt hatte. »Ich glaube, ich bleibe einfach hier liegen und sterbe.«

»Nay!«, rief Adelar und packte sie an der Hand. »Du musst bei uns bleiben.«

Sie lächelte die zwei Knaben an, die sie mit weit aufgerissenen, erschrockenen Augen betrachteten. »Ich habe doch nur gescherzt. Lasst mich noch ein Weilchen ausruhen, und dann machen wir uns auf den Weg.«

»Auf den Weg wohin?«, fragte der Mann, der sie noch immer stützend in den Armen hielt.

»Und wer will das von mir wissen?« Wenn sie doch nur ein bisschen stärker gewesen wäre! Doch die Schwäche in ihrer Stimme raubte den Worten all die kühle Arroganz, um die sie sich bemüht hatte.

»Sir Brian MacFingal«, antwortete er, dann deutete er mit dem Kopf auf den großen, dürren jungen Burschen hinter ihm. »Das ist Ned MacFingal, einer meiner Brüder. Ihr wart auf dem Schiff unterwegs, das ich beauftragt hatte, mir ein paar Waren zu bringen, die ich verkaufen wollte.«

Arianna betrachtete ihn stirnrunzelnd. Der Name MacFingal kam ihr bekannt vor, doch sie fühlte sich zu elend, um zu überlegen, woher sie ihn kannte.

»Ich bin Lady Arianna Lucette, und die beiden Knaben sind meine Mündel, Michel und Adelar Lucette. Wir haben Kapitän Tillet für die Überfahrt nach Schottland bezahlt, weil ich meine Mündel zu meiner Familie bringen wollte.« Plötzlich fielen ihr die Geräusche des zerberstenden Schiffes und die entsetzten Schreie der Männer ein. »Die Ärmsten«, wisperte sie und starrte auf die See, die mittlerweile wieder ganz ruhig war. »Sind sie alle umgekommen?«

»Nay. Kapitän Tillet und vier Besatzungsmitglieder haben überlebt.«

Arianna sprach ein Dankgebet und fügte auch noch ein paar Gebete für die Seelen der übrigen aus Kapitän Tillets Mannschaft hinzu. »Eine schreckliche Art zu sterben, und noch dazu völlig überflüssig.«

»Also hat der Kapitän sich nicht geirrt, als er behauptete, sie seien absichtlich gerammt worden«, bemerkte Brian.

»Nay. Ein viel größeres Schiff fuhr direkt in unseres hinein und zerstörte es. Ich sah, wie es auf uns zukam, und bin mit den Jungen vom Schiff, bevor es uns rammte.«

»Ihr seid ins Meer gesprungen?«

»Ich dachte, wir hätten eine bessere Chance zu überleben, wenn wir freiwillig ins Meer springen, anstatt zu warten, bis wir hineingeschleudert werden. Wir haben die dicksten Kleider ausgezogen und uns mit ein paar leeren Fässern über Wasser gehalten.«

»Aha. Dann war das also eure Kleidung, die wir in einem der Fässer gefunden haben«, sagte Ned und errötete, als alle ihn anstarrten. »Sie ist mittlerweile getrocknet.«

»Das ist gut. Danke.« Arianna wurde gewahr, dass sie ihr Kleid, ihren Umhang und die Stiefel abgelegt hatte, doch sie beschloss, sich ob ihres schäbigen Zustandes nicht zu schämen. »Wenn ihr uns ein paar Vorräte borgen könnt, würden wir uns gern so bald wie möglich auf den Weg machen. Sobald ich bei meiner Familie angekommen bin, werde ich dafür sorgen, dass ihr für eure Hilfe großzügig entlohnt werdet.«

»Und welche Familie ist das?«

Brian sah ihr geduldig dabei zu, wie sie die Risiken abwägte, ihm die Wahrheit zu sagen. Die Farbe ihrer Haare war kaum zu erkennen, denn sie waren nass, verfilzt und sandig. An den wenigen Strähnen, die aus dem dichten Knäuel heraushingen, konnte man nur erkennen, dass ihr die Haare bis zu den Hüften reichen mussten, wenn nicht sogar weiter. Ihre zerrissene Kleidung zeigte, dass sie recht schlank war, und ihre wohlgeformten Beine wirkten im Vergleich zu ihrem restlichen Körper ziemlich lang. Trotz der Blutergüsse und Kratzer auf ihrem viel zu bleichen Gesicht sah man, dass sie ein hübsches kleines Ding war, wenn sie erst einmal gesäubert und wieder heil war.

Im Moment waren ihre Augen das Schönste an ihr, obgleich auch sie von den Schatten der Erschöpfung verdüstert und vom Salzwasser gerötet waren. Es waren große, goldbraune Augen, fast zu groß für ihr kleines, herzförmiges Gesicht. Selbst so gezeichnet von Schmerz und Misstrauen, wie diese Augen jetzt waren, fiel es Brian schwer, seinen Blick davon abzuwenden.

Arianna bemühte sich währenddessen, den Nebel der Erschöpfung aus ihrem Kopf zu vertreiben. Sie musste klar denken. Wenn sie diesem Mann sagte, dass sie eine Murray war, konnte ihr das seine Hilfe einbringen, denn schließlich war sie eine Landsmännin. Doch die Murrays aus Donncoill waren sehr bekannt, und auch die vielen Zweige dieses Clans kannte ein jeder. Wenn sie ihre Herkunft preisgab, konnte das ebenso dazu führen, dass man sie als wertvolle Geisel betrachtete, für die man eine Menge Lösegeld fordern konnte. Abgesehen davon hatte ihr Clan viele Feinde. Auf der anderen Seite konnte eine Geiselnahme noch der geringste Ärger sein, der sich ihr auf der Reise zu ihrer Familie in den Weg stellen würde.

Sie sah auf Michel und Adelar. Die zwei hatten sich bislang wirklich tapfer geschlagen. Sie konnte nicht auch noch von ihnen verlangen, dass sie sich auf der vor ihnen liegenden tagelangen Reise um sie kümmerten, bis sie wieder zu Kräften gekommen war. Noch dazu mussten sie den Weg allein und ohne Schutz zurücklegen. Eine solche Last war einfach zu schwer für die schwachen Schultern der Kinder. Darüber hinaus waren sie diesem Mann, dessen Clanname nach wie vor eine Erinnerung in ihrem müden Kopf wachrief, ohnehin mehr oder weniger ausgeliefert. Sie wusste nicht, ob es eine gute oder eine schlechte Erinnerung war. Vielleicht hatte ja auch nur der Kapitän ihn erwähnt? Sie wusste nur, dass sie eine Zeit lang Hilfe brauchen würden. Und Sir Brian MacFingal war im Moment der Einzige, an den sie sich wenden konnte.

»Die Murrays«, sagte sie schließlich. »Ich bin eine Enkelin von Sir Balfour Murray aus Donncoill. Mein Name ist Lady Arianna Murray Lucette. Mein Gemahl ist vor Kurzem gestorben, und nun kehre ich in den Schoß meiner Familie zurück.«

»Aha. Dann seid Ihr also mit der Gemahlin meines Bruders Gregor, Alanna, verwandt, und vielleicht auch mit der Gemahlin meines Lairds. Fiona war eine MacEnroy, bevor sie Ewan heiratete.«

»Aye. Alanna ist meine Cousine, und ich bin auch mit Fiona MacEnroy verwandt, wenn auch nicht blutsverwandt. Ihr Bruder hat meine Cousine Gillyanne geheiratet.« Sie runzelte die Stirn, als die Erinnerung an seinen Namen immer klarer wurde. »Jetzt weiß ich endlich, warum der Name MacFingal mir so bekannt vorkam. All dies geschah, nachdem ich nach Frankreich ging, um dort zu heiraten.«

»Dann wäre es doch das Beste, Ihr kommt mit uns nach Scarglas, und dann benachrichtigen wir Eure Familie.«

»Nay, ich kann nicht ...«

»Brian!« Simon eilte herbei und packte ihn am Arm. »Ich glaube, wir bekommen bald Ärger. Als ich sah, dass du und Ned Überlebende gefunden habt, bin ich noch ein Stück die Küste hinabgelaufen. Ich wollte sehen, ob es noch weitere Leute geschafft haben, ihre Haut zu retten. Dabei habe ich bemerkt, dass mehrere Bewaffnete auf dem Weg zu uns sind.«

Aus den Augenwinkeln sah Brian, wie Arianna und die zwei Knaben erbleichten. »Ich glaube, Ihr habt mir noch nicht alles erzählt«, meinte er, dann wandte er sich wieder an Simon. »Wie weit sind sie noch weg?«

»Sie kommen nur langsam voran. Offenbar suchen sie nach etwas und haben gerade erst damit angefangen. Es dauert wohl noch eine gute halbe Stunde, bis sie hier sind. Ich glaube, insgesamt sind es fünfzehn Männer, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Vielleicht hatten sich ja einige schon aus meinem Blickfeld entfernt oder kommen erst noch an Land. Ich bin nicht lange genug dort geblieben, um mich zu vergewissern.«

»Beladet die Pferde.« Ned und Simon beeilten sich, diesen Befehl auszuführen. Brian erhob sich und zog Arianna hoch. »Werdet Ihr wegen eines Verbrechens gesucht, M’lady?«

»Nay!« Adelar stellte sich neben Arianna und funkelte Sir Brian erbost an. »Sie suchen nach mir und Michel. Sie wollen, dass wir sterben, damit sie einen Anspruch erheben können auf alles, was unser Vater uns hinterlassen hat.«

»Stimmt das?«, fragte Brian und kämpfte gegen den Impuls, Arianna zu stützen, als sie wankte.

»Aye«, erwiderte Arianna. »Sie wollten nicht warten, bis die Familie meines Mannes es schafft, die Jungen zu Bastarden zu erklären.« Als er sie nur finster anstarrte, fügte sie hinzu: »Es ist eine lange, schäbige Geschichte, Sir Brian. Ich glaube nicht, dass die Zeit reicht, um sie jetzt zu erzählen. Wichtig ist im Moment nur eines: Diese Männer trachten den Kindern nach dem Leben. Deshalb haben sie Kapitän Tillets Schiff gerammt und nicht gezögert, uns alle in den Tod zu schicken.«

Halblaut fluchend hob Brian sie hoch, ohne auf ihren Widerspruch zu achten. Er eilte mit ihr zu seinem Pferd. Unterwegs schmiedete er einen Plan nach dem anderen und verwarf ihn gleich darauf wieder. Endlich hatte er einen Einfall, dem er die größten Erfolgsaussichten einräumte. Dieser Plan war zwar riskant, aber er würde die Männer, die sich bald auf ihre Spuren setzen würden, bestimmt verwirren und auseinandersprengen. Lady Arianna Murray Lucette allerdings würde er bestimmt nicht gefallen.

Brian war froh, dass Simon schon mit den Kleidern, die Lady Arianna in das Fass gestopft hatte, bereitstand. Er setzte sie ab, damit sie sich anziehen konnte. Sie hat einen scharfen Verstand, beschloss er, als er darüber nachdachte, wie sie sich und die Knaben gerettet hatte. Ihr Verstand würde ihnen in den nächsten Tagen sicher gute Dienste leisten.

»Simon, Ned – ihr nehmt den kleineren Burschen, den Kapitän und seine Leute mit. Reitet direkt nach Scarglas.« Er schob Adelar, der sich gerade mit seinem Umhang abmühte, zu Simon.

»Nay! Die Jungs müssen bei mir bleiben!«, protestierte Arianna, die soeben in ihre Stiefel schlüpfen wollte.

»Damit ihr drei ein leichtes Ziel für eure Feinde seid?« Er überhörte ihren Einspruch und erklärte seinem Bruder Nathan in knappen Worten, warum die Kinder möglichst rasch von der Küste wegkommen mussten. »Nat, du nimmst den anderen und die Güter, die wir retten konnten, und kehrst so umständlich wie möglich heim.« Er schob Michel zu Nathan. »Und pass gut auf diesen Jungen auf.«

»Und was machst du?«, fragte Nathan, während er Michel half, seinen Umhang zu richten.

»Die Lady und ich werden mit drei Pferden so tun, als würden wir den Weg zum Land der Murrays einschlagen.«

»So tun, als ob? Und wohin wollt ihr wirklich?«

»Nach Scarglas natürlich, aber über Dubheidland. Ich glaube, es ist wieder mal an der Zeit, unseren Cousins, den Camerons, einen Besuch abzustatten. Sigimor ist zu ruhig geworden. Sein Blut kommt bestimmt in Wallung, wenn wir ihm ein wenig Ärger an seine Pforten führen.«

Arianna sah, wie die beiden Männer sich angrinsten. Hastig verschnürte sie ihr Gewand, auch wenn es sich schrecklich unbequem anfühlte, etwas über dem nassen, zerrissenen Hemd zu tragen. Beinahe hätte sie zu schimpfen begonnen über die Männer, die ganz offenkundig richtig berauscht waren von dem Gedanken, die Pläne eines Feindes zu durchkreuzen. Diesen Gesichtsausdruck hatte sie schon sehr oft bei anderen Männern bemerkt, sodass es ihr nicht schwer fiel, ihn zu deuten. Die Tatsache, dass sie sich dieser Herausforderung stellten, um eine Frau und zwei Kinder zu beschützen und um Kapitän Tillets ertrunkene Matrosen zu rächen, steigerte ihre Freude an diesem Kampf um ein Vielfaches. Zum Glück hatte Arianna auch schon andere Seiten an Männern kennengelernt, sonst wäre sie jetzt überzeugt gewesen, dass alle Männer blutrünstige Narren waren.

Sie musterte Adelar und Michel. Die Knaben sahen so verängstigt und verunsichert aus, wie sie sich fühlte. Die Frage, ob es ihnen ebenso unheimlich war, ihr weggenommen zu werden, wie es ihr war, sie gehen zu lassen, erübrigte sich. Es stand ihnen quer über ihre blassen Gesichtchen geschrieben und auch in ihren weit aufgerissenen grauen Augen, in denen Tränen glitzerten. Obwohl die Beine ihr nicht recht gehorchen wollten, ging sie zu den beiden, die sich eng aneinander drückten. Währenddessen beendeten die Männer die Vorkehrungen zum Aufbruch. Arianna wusste, dass ihr nicht viel Zeit blieb, die Kinder und sich selbst zu beruhigen.

»Wir sollten bei dir bleiben«, sagte Adelar. »Wir sollten zusammenbleiben.«

»Wir werden bald wieder vereint sein.« Sie drückte den Jungs einen Kuss auf die Stirn.

»Vertraust du diesen Männern?«

»Aye, ich glaube schon. Ihr habt ja mitbekommen, dass es meine angeheirateten Verwandten sind, und ich habe von ihnen gehört. Auch der Kapitän vertraut ihnen. Geht, meine tapferen Burschen. Wir werden uns bald wiedersehen, und vielleicht ist das ja auch der sicherste Weg zu meiner Familie. Hört auf die Männer, die euch mitnehmen.«

Tränen brannten ihr in den Augen, als beide Jungen sie fest umarmten. Sie streichelte ihnen über den Kopf. Als sie sich abwandten, um bedrückt zu den Männern zu schleichen, ballte sie fest die Fäuste, um sie nicht zurückzuholen. Sie spürte weder Schmerzen noch Müdigkeit, während sie dastand und ihnen nachsah. Doch als sie aus ihrem Blickfeld verschwunden waren, wurde ihr vor Zweifeln und Ängsten ganz flau im Magen. Verbissen kämpfte sie dagegen an. Letztlich beruhte die Entscheidung, die Knaben gehen zu lassen, auf einer harten, kalten Tatsache: Sie war nicht in der Verfassung, für ihre Sicherheit zu sorgen, und würde es noch eine ganze Weile nicht sein.

»Kommt«, sagte Sir Brian, legte ihr den Umhang um die Schultern, nahm sie am Arm und zog sie zu den drei wartenden Pferden. »Wir müssen los.«

»Warum drei Pferde?«, fragte sie und legte eine Hand auf die Flanke der weißen Stute, zu der er sie geführt hatte.

»Ich möchte dafür sorgen, dass Eure Verfolger glauben, sie müssten drei Entscheidungen fällen, und dass sie sich schließlich in drei Gruppen aufteilen, um Euch aufzuspüren.« Er sah sie an. »Seid Ihr stark genug, um zu reiten?«

Arianna nickte. Sie hoffte, dass sie sich nichts vormachte. Sie verspürte wahrhaftig keine große Lust, auf ein Pferd zu steigen und davonzupreschen in dem Versuch, einige ihrer Gegner von den Wegen abzulenken, die die Jungen eingeschlagen hatten. Viel lieber hätte sie jetzt ein Bad, saubere Kleider, eine heiße Mahlzeit und ein weiches Bett gehabt. Und es wäre ihr auch sehr recht gewesen, wenn sie hätte aufhören können, die Starke zu spielen. Es machte ihr schwer zu schaffen, all ihre Angst, ihre Schmerzen und ihre Erschöpfung stumm auszuhalten. Wie gern wäre sie einfach zusammengebrochen und hätte all ihrem Elend nachgegeben, vielleicht sogar ein Weilchen laut geweint wie ein kleines Kind.

Brian stieg in den Sattel und überprüfte den Strick zu dem dritten Pferd, das mit mehreren Säcken beladen war, damit seine Spuren so aussahen, als säße eine Reiter auf ihm. Dann warf er einen Blick auf Lady Arianna, die ihren Umhang enger um sich zog. Sie sah nicht aus, als würde sie sich lange im Sattel halten können. Aber er vermutete, dass in dieser Frau ein stahlharter, entschlossener Kern steckte. Alles, was er von ihr verlangte, waren ein paar Stunden, in denen sie rasch vorankamen. Während er sein Pferd anspornte, überlegte er, was er ihr zum Trost in der kommenden Nacht bieten konnte.

Nach einer Stunde verlangsamte Brian das Tempo ein wenig. Der Pfad, dem sie folgten, war so breit, dass Arianna neben ihm reiten konnte. Er bemerkte, dass sie immer wieder einen Blick nach hinten warf.

»Unseren Ausgangspunkt haben sie erst nach einer Weile erreicht, und die Entscheidung, welchen Spuren sie folgen sollen, hat sie bestimmt noch etwas aufgehalten«, versicherte er ihr. »Außerdem verfolgen sie uns wohl kaum in dem Tempo, das wir vorlegen. Sie kennen die Gegend nicht und müssen immer wieder nach unseren Spuren suchen. Darüber hinaus wollen sie ihre Pferde sicher nicht zu Tode schinden, sofern sie überhaupt welche haben.«

»Ich vermute, sie haben welche«, sagte Arianna. »Das Schiff war sehr groß, viel größer als das von Kapitän Tillet. Sie wollten die Jungs und mich bestimmt nicht zu Fuß verfolgen, falls sie den Verdacht hegten, dass wir nicht ertrunken sind. Wahrscheinlich hat Euer Simon nicht so lange gewartet, bis sie die Pferde an Land brachten.«

»In diesem Fall wird sie auch das weitere Zeit gekostet haben. Gut für uns.«

»Das stimmt. Vielleicht haben sie sogar gewartet, die Pferde vom Schiff zu holen, bis sie sich ganz sicher waren, dass eine Suche an Land nötig ist. Zuerst haben sie wohl nur nach unseren Leichen gesucht.« Sie verzog das Gesicht. »Wenn sie die Toten finden, die wir zurücklassen mussten, werden sie wissen, dass Michel und Adelar überlebt haben. Es tut mir so leid, dass wir diese armen Männer den Aasfressern überlassen mussten.«

»Ihr könnt nichts dafür. Ich glaube nicht, dass Eure Verfolger besonders freundlich zu uns gewesen wären, wenn wir ihnen erklärt hätten, dass sie Euch nicht haben können. Es ist also besser, dass wir nicht auf sie gewartet und uns auf einen Kampf eingelassen haben.«

Arianna rieb sich seufzend die Stirn. Leider richtete das gegen ihre stechenden Kopfschmerzen überhaupt nichts aus. »Ihr habt recht. Aus diesem Grund habe ich auch nirgendwo um Hilfe gebeten. Und auch deshalb, weil Clauds Familie nicht glauben wollte, dass Amiel Böses im Schilde führt. Auf alle Fälle weigerten sie sich zu glauben, dass er sich mit den DeVeau verbündet hat.«

»Wer ist denn Amiel?«

»Der Bruder meines Mannes.«

»Aha. Dann haben die Kinder also etwas geerbt, was er gern haben will.«

Erklärungen waren notwendig, doch Arianna wünschte sich von Herzen, sie nicht liefern zu müssen. Denn das bedeutete, ihre Erniedrigung und Schande zu offenbaren. Leider hatte dieser Mann nicht nur die Antworten verdient, die er haben wollte, sondern er brauchte sie wahrscheinlich sogar, um sie und die Kinder beschützen zu können. In ihrer Kindheit und Jugend hatte sie erfahren, dass selbst die kleinste Information lebenswichtig sein konnte. Auch während der Zeit, als sie das Land ihres Gemahls verwaltet hatte – er selbst hatte einen Großteil seiner Zeit damit zugebracht, mit einer anderen Frau herumzutändeln –, war ihr dies immer wieder vor Augen geführt worden.

»Im Moment sind die Knaben die Erben meines Mannes.«

»Im Moment? Ich dachte, das sind sie auf alle Fälle. Offenbar war er doch verheiratet, bevor er Euch geheiratet hat.«

»Das war er und das blieb er auch, selbst nachdem er mich zur Frau nahm.« Verlegenheit färbte ihr Gesicht tiefrot. Beinahe freute sie sich darüber, denn die Hitze vertrieb die Kälte, die ihren Körper noch immer fest im Griff hatte. »Niemand wusste es, aber er hatte Jahre vor unserer Eheschließung ein Dorfmädchen geheiratet. Seine erste Ehe, in der ihm die Knaben geschenkt wurden, hat er nie annuliert. Stattdessen ließ er uns in dem Glauben, Marie Anne sei seine Geliebte, und ließ mich seine Söhne aufziehen. Ich wusste, dass er der Vater war, aber ich dachte, es wären seine Bastarde, denen er ein besseres Leben ermöglichen wollte.«

Brian verbiss sich die Flüche, die ihm auf der Zunge lagen. Er ahnte, wie tief die Demütigung reichte, die diese Frau quälte. Nur zu gut erinnerte er sich an den Zorn und die Verbitterung, die die Gemahlinnen seines Vaters wegen dessen Untreue durchlitten hatten. Es war bestimmt ein schwerer Schlag für Lady Lucette gewesen, zu erfahren, dass sie nur eine Mätresse war und nicht die rechtmäßige Gemahlin, für die sie sich gehalten hatte.

Dann fiel ihm ein, wie sie mit den zwei Knaben umgegangen war, die seine Verwandten nun in Sicherheit brachten. Zweifellos lag ihr sehr viel an den Kindern und umgekehrt. Dass sie ihren Zorn und ihr Leid nicht an den Knaben ausließ, sprach für sie. Kaum eine Frau wäre so freundlich und liebevoll zu den Kindern eines Mannes gewesen, der sie so schamlos betrogen hatte.

»Und trotzdem nennt Ihr Euch noch Lady Lucette?«

»Wenn ich es nicht täte, würde ich meine Familie und auch die meines verstorbenen Gemahls beschämen. Ich bin bitter enttäuscht über seinen Betrug, aber er ist tot, und seine Frau ist es ebenfalls. Vermutlich hat sein Bruder die beiden ermordet. Seine Verwandten haben sich geweigert, auf meine Warnungen zu hören, und das hätte die Knaben beinahe das Leben gekostet. Die Eltern betrauern den Verlust ihres ältesten Sohnes und haben sich noch kaum von dem Schock erholt, den sie erlitten, als sie von seinen vielen Lügen erfuhren. Meine Familie hingegen hatte damit nichts zu tun. Sie haben ihr Bestes getan, indem sie mir einen Mann gesucht haben, der ihrer Meinung nach ein ausgezeichneter Partner für mich war. Ich habe nichts zu gewinnen, wenn ich ihnen berichte, wie oft mich Claud belogen hat. Es würde nur alle beschämen, die sich im Grunde nichts zuschulden kommen ließen.«

»Einschließlich Euch und die Knaben.«

»Aye, einschließlich uns. Ich habe von der Familie meines Mannes nur verlangt, dass sie den Jungs ihren Besitz in Schottland übertragen und sie weiterhin meiner Obhut überlassen. Die Lucette sollen ruhig selbst herausfinden, wie weit der Betrug ihres Sohnes reicht. Dann habe ich die Jungs hierher gebracht. Es war töricht von mir zu glauben, dass sie damit außer Gefahr wären.«

»Euer Claud war ein Feigling.«

»Wie kommt Ihr darauf?«

»Er hatte nicht den Mut, seinen Verwandten die Wahrheit zu sagen. Wahrscheinlich hat er befürchtet, seinen Platz als Erbe zu verlieren, weil er eine Frau heiratete, von der er wusste, dass seine Familie sie nicht billigen würde. Statt um die Frau, die er haben wollte, und um seine Söhne zu kämpfen, hat er gelogen und Euch in sein verlogenes Leben gezerrt. Er hat nicht den geringsten Gedanken daran verschwendet, wie es Euch damit ergehen würde, wenn Ihr die Wahrheit herausfindet. Aber es war richtig, dass Ihr die Knaben hierher gebracht habt. Hier werden sie den Schutz bekommen, den sie verdienen.«

Das klang schon fast wie ein Versprechen. Doch bevor Arianna auf Sir Brians leidenschaftliche Rede etwas erwidern konnte, trieb er sein Pferd wieder an. Sie beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten. Es war zwar nicht leicht, doch sie zwang sich, die Erschöpfung und die Schmerzen, die ihren Körper plagten, zu ignorieren. Sie hoffte nur, dass ihr Begleiter es bald für sicher genug hielt, anzuhalten und sich auszuruhen.

Arianna dachte darüber nach, was er über ihren verstorbenen Gemahl, Claud, gesagt hatte. Sir Brian hatte vollkommen recht – Claud war ein Feigling gewesen. Er hatte nicht den Mumm gehabt, offen für das zu kämpfen, was er haben wollte. Außerdem war er selbstsüchtig gewesen und hatte nur sein eigenes Wohl im Sinn gehabt. Sie schämte sich, wenn sie sich daran erinnerte, was sie alles versucht hatte, um eine gute Ehe zu führen. Das war, bevor sie die Sache mit Marie Anne herausgefunden hatte, die sie immer für seine Mätresse gehalten hatte. Als sie entdeckte, dass Marie Anne seine wahre Ehefrau war, war sie im ersten Moment erleichtert gewesen, dass sie keinen ihrer vielen großartigen Pläne, ihn von seiner Geliebten wegzulocken, in die Tat umgesetzt hatte.

Wenn doch nur ihr Gefühl, versagt zu haben, ein wenig nachließe! Im Grunde hatte sie ja nicht versagt, denn sie hatte gar keine Möglichkeit gehabt, erfolgreich zu sein. Claud war derjenige, der bei ihnen allen versagt hatte und es über seinen Tod hinaus tat. Anstatt da zu sein und seine Söhne zu beschützen, musste nun die Frau, die er belogen und betrogen hatte, um das Leben der Knaben kämpfen. Arianna richtete den Blick auf Sir Brians breiten Rücken und nahm sich fest vor, diesen Kampf zu gewinnen. Außerdem nahm sie sich fest vor, nie mehr so vertrauensselig und gutgläubig zu sein.

Kapitel 3

»M’lady? M’lady? Meine Güte, ich wusste nicht, dass man im Sattel und mit offenen Augen so fest schlafen kann.«

»Lasst mich in Ruhe!« Arianna versuchte, die Hände abzuwehren, die ihre Taille umfassten.

Erst als sie in der Luft baumelte, merkte sie, wo sie war und wer der Mann war, der sie gerade aus dem Sattel hob. Nur seine großen warmen Hände um ihre Taille verhinderten, dass sie hinunterfiel. Sie atmete tief durch und schob die plötzlich in ihr aufkeimende Angst beiseite. Als er sie auf die Füße stellte und an den Schultern packte, weil sie schwankte, warf sie einen Blick zum Himmel. Warum stand die Sonne auf einmal so tief?

»Seid Ihr jetzt wach?« Brian fand sie in ihrer Benommenheit trotz der wirren Haare und der zahllosen Blutergüsse so bezaubernd, dass er gegen den Wunsch ankämpfen musste, sie zu küssen.

»Ich habe nicht geschlafen!«, protestierte sie.

»Nay? Ich musste Euer Pferd anhalten, Eure Hände von den Zügeln lösen und Euch mehrmals laut rufen, bevor Ihr reagiert habt. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Ihr geschlafen habt.«

Das ging ihr genauso, aber sie wollte es nicht zugeben. Sie erinnerte sich noch deutlich an ein paar peinliche Geschichten aus ihrer Jugend, die ihre Familie immer wieder gern zum Besten gab. Als Kind war sie nämlich manchmal schrecklich erschöpft gewesen. Dennoch war sie nur selten bereit gewesen, von dem abzulassen, was sie gerade trieb. Offenbar hatte sie diese seltsame Eigenart auch als Erwachsene nicht abgelegt. Das bewies schon allein die Tatsache, dass es Sir Brian einige Mühe gekostet hatte, sie auf ihn aufmerksam zu machen. Dabei war Sir Brian MacFingal wahrhaftig kein Mann, den eine Frau so einfach übersah.

»Wo sind wir?«, fragte sie und hoffte, dass er sich nicht weiter über ihr seltsames Verhalten auslassen würde.