Der Verräter - Regina Mars - E-Book

Der Verräter E-Book

Regina Mars

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Beschreibung

Wer ist der Verräter in der Zentrale? Seit Monaten arbeitet er für die Gegenseite und schreckt selbst vor Mord nicht zurück. Nach der tödlichen Ghul-Attacke gibt es endlich eine Spur. Leider führt sie zu einem Mitglied der Putztruppe. Können sie seine Unschuld beweisen? Und das, obwohl es handfeste Beweise gibt? Außerdem: Eine Hausdurchsuchung geht schief. Sehr schief. Wie entkommt man einem Rudel absolut unbesiegbarer Höllenhunde? Enthält: Brutale Bestien und fürchterlichen Verrat!

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Was bisher geschah
Aeron von Thrane
Unruhe in Ruhleben
Flucht vor den Fellnasen
Freier Fall
Sitz!
Verrat
Eindeutig
Rätselhaft
Tief unten
Das Verhör
Die wissenschaftliche Herangehensweise
Das Schwert und die Hexe

Impressum

 

Die Wächter von Magow 9: Der Verräter

Text Copyright © 2021, 2023 Regina Mars

Alle Rechte am Werk liegen beim Autor.

Regina Mars

c/o Block Services

Stuttgarter Str. 106

70736 Fellbach

[email protected]

www.reginamars.de

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Stockphotos von Adobe Stock

Magisches Symbol: © robin_ph/Adobe Stock

Stadtplan: © pbardocz/Adobe Stock

Stadtsilhouette: © FSEID/Adobe Stock

Schwert: © shaineast/Adobe Stock

 

Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.

Was bisher geschah

 

Sofie entdeckt den geheimen Bezirk Berlins: Magow, wo die magischen Wesen hausen. Und sie ist eins von ihnen! Als frisch entdeckte Hexe tritt sie ihren Dienst bei den Wächtern an, der magischen Polizeieinheit Magows. Zusammen mit dem Rest ihres Teams schützt sie die Einwohner vor Rattenkönigen, Kelpies und Werwölfen bei Vollmond.

 

Ihr Team besteht aus:

Nat, einem blondgelockten Vampir, der an Liebe, Frieden und Teamwork glaubt,

Isa, einer entspannten bis faulen Werwölfin, die umkippt, wenn sie ihr eigenes Blut sieht,

Vivi, einer schüchternen Meerjungfrau, Informatikgenie und Fan von allem was glitzert und

Jean, einem schlecht gelaunten Incubus, der keiner sein will. Vor kurzem besorgten die anderen ihm ein Amulett, das seine Kräfte unterdrückt.

 

Nach einigen Umwegen findet Sofie ihre totgeglaubte Mutter. Leider ist Adina nicht das, was sie zu sein vorgibt. Ein Ritual, mit dem sie sich ewiges Leben verschaffen will, geht schief und das Team zahlt einen schrecklichen Preis: Isa stirbt.

 

Sofie, Vivi, Jean und Nat schwören Rache. Unerwartete Hilfe kommt von General Stein, der sie in die geheime Spezialeinheit der Zentrale holt, die Abteilung zur Bekämpfung illegaler magischer Aktivität.

 

Was gut ist, denn die Gefahr ist nah: Adina und Aeron verstecken sich mitten in Magow und bereiten das nächste Ritual vor. Und sie haben einen mächtigen Verbündeten: Nacht-Bürgermeister Ricky Scholle.

Aeron von Thrane

 

DAMALS

 

Die Landstraße führte durch Dutzende kleiner Käffer und er hätte kotzen können, sobald die gelben Ortsschilder in Sicht kamen.

Er kannte sie. Alle. Ja, es war eine gute Idee gewesen, zurückzukehren. In das provinzielle Nest, in dem er gezwungen gewesen war, seine Jugend zu verbringen.

Aeron spürte den Fahrtwind in den Haaren, roch den Sommer. Hinter ihm war die Sonne verschwunden und verwandelte den Wald links und rechts in eine Schlucht, durch die sein 911 Carrera Cabriolet fuhr wie ein winziges Beutetier, flink und leise, die Scheinwerfer zwei suchende, grelle Augen. Dabei war Aeron selbst ein Jäger. Ein Räuber, wild und unbesiegbar.

Ein weiteres Kaff tauchte vor ihm auf und verhagelte ihm die Laune. Mit den krummen Fachwerkhäusern sah es fast aus wie das Nest, in dem Adina sich versteckte, obwohl das am anderen Ende Deutschlands lag. Adina, die versagt hatte. Die es nicht geschafft hatte, Waldemars lächerliche Formeln wiederherzustellen. Adina, die sich stets als größte Hexe der Welt bezeichnet hatte. Adina in ihrem bekloppten Blümchenkleid und der Strickjacke, die besser zu einer Rentnerin gepasst hätte als zu einer Hexe.

Er seufzte leise. Jagte durch kurvige Dorfstraßen, vorbei an einer Pizzeria mit selbstgeschriebenem Ladenschild und zwei ranzigen Kneipen mit gelben Fenstern.

»Was ist aus dir geworden, Hexe?«, fragte er leise. »Langweilig bist du geworden. Und hast bestimmt zehn Kilo zugelegt.«

Wobei der Anblick ihrer fleischigen Waden ihn nicht ganz kaltgelassen hatte. Adina war eine Herausforderung gewesen, schon damals im Zirkel. Trotz ihres Schutzamulettes war er sicher, dass sie ihm früher oder später verfallen wäre. Das taten sie alle, ob er seine Fähigkeiten anwandte oder nicht.

Ab und zu machte er sich einen Spaß daraus, seine Macht herunterzudimmen, bis sie keinen Effekt mehr auf seine Opfer hatte. Nur, um zu sehen, ob er es auch so schaffen konnte.

Konnte er. Immer.

Na ja, außer bei Adina, aber er war sicher, dass sie ihr Desinteresse nur spielte.

Stahlach kam in Sicht und sein Magen verkrampfte sich. Immer noch. Obwohl er in einem Porsche saß, der mehr kostete, als seine Eltern in drei Jahren verdient hatten. Obwohl er kampfgestählt war und zwei Schwerter im Fußraum des Beifahrersitzes lagen. Obwohl er die Welt bereist und hunderte Frauen verführt und getötet hatte, brach ihm der Schweiß aus, sobald er das erste rote Dach sah, fast grau im Mondschein.

Er hörte das enttäuschte Seufzen seiner Mutter, das Lachen seiner Klassenkameraden, spürte die Anwesenheit seines Vaters, der ihn nicht ansah, und dessen Aufmerksamkeit er verzweifelt zu erringen versuchte. Sah das höhnische Lächeln seiner Schwester, die ein Jahr jünger als er war und trotzdem alles besser konnte.

Seine Finger krallten sich in das Lenkrad.

Nein, dachte er. Ich bin Aeron von Thrane. Es gibt nichts zu fürchten. Nicht in diesem lächerlichen Kaff. Nicht, nachdem ich aus Magow geflüchtet bin, mit meinem Lächeln als einziger Waffe. Alle zusammen sind sie nicht so mächtig wie ich.

Der Mühlen-Park bei Stahlach war eine Neubausiedlung und ausschließlich bewohnt von Incubi und Succubi. Die von Thranes waren nur eine der alten Familien. Alt und stark. Vielleicht die stärksten, die es gab. Seit Jahrhunderten zogen sie zusammen durch Europa, lebten mal zehn Jahre an einem Ort, dann dreißig an einem anderen. Immer auf der Hut vor anderen magischen Wesen, die sie aufgrund ihrer Fähigkeiten fürchteten und töten wollten.

Die Gesetze hatten sich geändert. Seit einiger Zeit waren sie sicher, konnten sich frei in der magischen Gesellschaft bewegen. Viele Incubi und Succubi lebten in den magischen Bezirken der großen Städte.

Aber nicht Aerons Familie. Sie trauten dem neuen Frieden nicht.

Warten wir noch hundert Jahre ab, hatte sein Vater gesagt. Bis dahin bleiben wir unauffällig.

In hundert Jahren würde keiner von ihnen mehr leben. Beinahe hätte Aeron sein Leben verborgen in einem Kaff zwischen Rhein und Schwarzwald verbracht.

Beinahe.

Bis sie ihn verraten hatten. Alle. Seine Fingernägel gruben sich in das harte Leder des Lenkrads. Eine Spezialanfertigung, genau wie die blutroten Sitze.

Er holte Luft, spürte die Reste der Sommerhitze. Es gab keinen Grund mehr, zu warten. Er würde nicht unsterblich werden, weil diese Schlampe Adina …

Hoffnungslosigkeit wollte sich in ihm breitmachen, aber er ließ es nicht zu. Manchmal sah er es. Wenn er mit seinen Opfern schlief, wenn er ihre Lebensenergie aufsaugte, ging er eine Verbindung ein, die erst kurz vor ihrem Tod abriss.

Manchmal erst einen Wimpernschlag später. Dann spürte er die Leere, die Schwärze, als würde er in einem Ozean tauchen, in dem es weder oben noch unten gab. Einem unermesslichen Ozean, kalt und trostlos.

Er wollte das nicht. Wenn das Sterben war, dann konnte er darauf verzichten. Ja, er fühlte sich elend, wenn er nur daran dachte. Egal, wie energiegeladen und stark er nach einer Fütterung war, die Schwärze wirkte nach.

»Zeit, es zu tun«, murmelte er. Zeit, sich zu rächen.

Er war der Letzte gewesen. Incubi entwickelten ihre Kräfte mit Einsetzen der Pubertät und er … Er hörte ihr Lachen, die grausamen Scherze, all die Sprüche, die sich unter seine Haut gegraben hatten wie Würmer.

Mickrig war er gewesen, immer. Zu klein, um gut in Sport zu sein, obwohl er sich fast die Beine ausgerissen hatte, und zu schmächtig, um den Mädchen zu gefallen. Wenn er an den erbärmlichen kleinen Jungen dachte, der er gewesen war, dann wurde ihm schlecht vor Ekel. Als all seine ‚Freunde‘ sich längst in ausgewachsene Incubi verwandelt hatten, war er immer noch ein Kind gewesen. Ein kümmerliches Kind. Erbärmlich. Schwach. Peinlich.

Peinlich für seine Eltern, die sich kaum noch mit ihm gezeigt hatten. Die immer gereizter reagiert hatten, je länger er versagte. Jedes Mal, wenn seine Mutter ihn anbrüllte, wusste er, dass die Nachbarn gefragt hatten, ob er endlich Anzeichen der Verwandlung zeigte.

Hatte er nicht. Nachts hatte er gebetet, dass es endlich so weit sein würde. War so erbärmlich aufgewacht wie immer. Wochenlang. Monatelang.

Aber dann.

Als die Verwandlung endlich eingesetzt hatte, hatte sie einer Explosion geglichen. Er war in die Höhe geschossen und hatte eine Macht entwickelt, die die Kräfte der anderen aussehen ließen wie die von Glühwürmchen.

Sein erstes Opfer war eine Wanderin gewesen, die in der Nähe der Siedlung gerastet hatte. Er erinnerte sich noch gut an ihre gebräunten Beine. An ihre leeren Augen, als er mit ihr fertig gewesen war.

Er drosselte den Motor, als er knapp vor Stahlach auf die schmale Straße abbog, die zur Siedlung führte. Warf einen Blick auf die Schwerter im Fußraum des Beifahrersitzes. Seine Brust wurde eng. All die breiten Eichen, an denen er vorbeifuhr, die Meilensteine, die Weiden mit den krummen Zäunen. Er kannte sie.

Über diese Wege war er spaziert, wenn ihn mal wieder alle im Stich gelassen hatten. Nicht weit von der halb verfallenen Hütte da drüben hatte er die Leiche seines dritten Opfers versteckt. Eines Forstarbeiters mit Stiernacken und Lachfältchen um die Augen. Man musste schließlich alles mal ausprobieren.

Dann war er da. Endlich.

Er parkte knapp hinter dem Poller, der den Hauptweg versperrte. Sah das dunkle Skelett des Klettergerüsts zwischen den Einfamilienhäusern, in deren Photovoltaikanlagen sich der Mond spiegelte. Die Photovoltaikanlagen waren neu. Der Rest sah noch genauso aus wie früher, selbst die Kinderwagen in den Vorgärten.

Mit einem Mal war er ruhig. Er wusste, was zu tun war.

Aeron nahm beide Schwerter und stieg aus. Gemächlich schlenderte er über den kurzgeschnittenen Rasen zum ersten Haus. Sein Schatten fiel auf das Karussell, in dem er damals gespielt hatte. Den Sandkasten, die Wippe in Form einer Ente.

Als Erstes klingelte er bei Familie von Brenlarin.

Licht ging im Inneren an und schien durch das karoförmige Fenster in der Tür. Ein Gesicht kam in Sicht und Aeron lächelte. Seine Macht schaltete sich automatisch ein.

Ein Moment des Zögerns, dann öffnete Laurent ihm die Tür.

»Hallo.« Aerons Lächeln wurde breiter. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, als er den weggetretenen Ausdruck im Gesicht des anderen Incubus sah. Seines ehemals besten Freundes, überwältigt von Aerons Macht. »Darf ich hereinkommen?«

»Natürlich.« Laurent strahlte. Fältchen kräuselten sich in seinen Augenwinkeln und die ersten Ansätze von Geheimratsecken gruben sich in seine dunklen Haare. »Wie schön, dass du da bist. Wir haben uns so lange nicht gesehen.«

Aeron trat ein und schloss die Tür hinter sich.

 

***

 

Später, als er das Blut von seiner Klinge putzte, dimmte er seine Macht. Nur einen Moment lang. Nur, damit Laurent sehen konnte, was er mit seiner geliebten Familie angestellt hatte.

Laurents Lider flatterten. Die Farbe verschwand aus seinem Gesicht. Entsetzt starrte er auf seine Hände, die immer noch das rotglänzende Schwert hielten. Auf die Leiber der Enthaupteten.

»Magali«, krächzte er. »Was … Aeron? Was … Warum?«

Das Schwert fiel klappernd zu Boden. Enttäuschend. Aeron hatte gehofft, dass sie sich einen Kampf liefern würden. Dass er beweisen könnte, dass er Laurent auch darin überlegen war, so wie in allem anderen. Aber der sank zu Boden und schlug die Hände über den Mund, biss in seinen Daumen, bis er blutete. »Nein … Nein.«

»Doch, ich fürchte, das hast du getan.« Aeron schüttelte den Kopf. »Arme Magali. Ich habe sie gemocht, weißt du? Vielleicht war ich sogar mal verliebt in sie, in der siebten oder achten Klasse. Natürlich hat sie lieber mit Zahred rumgemacht. Wie all diese Schlampen, denen ich immer zu mickrig war.« Er deutete mit dem Kinn auf das Schwert vor Laurent. »Willst du das nicht aufheben? Du könntest mich angreifen. Oder dich hineinstürzen, weil du deine Frau und deine Kinder ermordet hast.«

»Das war ich nicht«, krächzte Laurent. »Das hast du getan. Du hast mich dazu gebracht.«

Aeron zuckte mit den Achseln. »Was ändert es? Sie sind tot.«

»Du …« Laurent zitterte unkontrolliert. »Du …«

»Was? Bestie? So habt ihr mich damals genannt.« Aeron machte einen Schritt auf Laurent zu. »Als ihr versucht habt, mich umzubringen.«

»D-du hattest …« Nun richtete sich dieser erbärmliche Schwächling doch auf. »Wir haben dir eine zweite Chance gegeben. Und eine dritte. Du …« Laurent erhob sich. Ballte die Fäuste. »Du hast gemordet! Unsere oberste Regel lautet, nie zu morden!«

»Die oberste Regel ist langweilig.« Aeron ließ sein Schwert locker herunterbaumeln, aber er blieb wachsam. »Seit ich entkommen bin, habe ich so viele Menschen ermordet, dass ich sie nicht mal zählen kann. Und ich hatte Spaß dabei. Mehr Spaß als du je hattest, in dieser lächerlichen Landidylle. Dieses Leben ist einem Incubus nicht angemessen. Wir sind Jäger. Wir verkriechen uns nicht.«

»Niemand wollte es«, sagte Laurent. »Niemand. Aber wir mussten es tun. Du warst eine Gefahr. Wenn du so weitergemacht hättest, hätten sie uns entdeckt. Sie hätten uns für das gehalten, was wir nicht sind, für Bestien. Dabei gab es nur eine Bestie hier.«

Aeron fletschte die Zähne. »Ihr wolltet mich töten. Ich bin nur entkommen, weil Zahred den ersten Schlag verbockt hat. Wenn er mich gleich richtig erwischt hätte …« Er holte tief Luft. »Ihr wolltet, dass ich sterbe. Aber das bin ich nicht. Und nun«, er packte seinen Schwertgriff fester, »bin ich zurück. Heb das Schwert auf.«

»Nein.« Laurent sah zu Boden. Das bisschen Kampfgeist, das er besessen hatte, schwand schon wieder. Sein leerer Blick schweifte über die Toten. »Nein.«

Aeron sah ein, dass es keinen Sinn hatte. Er köpfte Laurent, stahl eine Flasche Bunnahabhain aus seiner Vitrine und schlug die Tür hinter sich zu. Schwere Sommerluft umhüllte ihn. Schrilles Zirpen aus dem Gras und düsteres Rauschen aus dem umliegenden Wald.

Zwölf Häuser standen um den Spielplatz herum. Elf lebende Familien.

Noch.

Unruhe in Ruhleben

 

JETZT

 

»Ein richtiger Profi-Einsatz«, flüsterte Nat. Seine Augen hinter der Sturmhaube leuchteten.

Trockene Blätter knisterten unter ihren Füßen, während sie über den weichen Waldboden liefen. Es war arschkalt. Eisige Luft drang in jeden Schlitz von Sofies Wächteruniform.

»Von wegen richtiger Einsatz«, brummte Jean. »Wir halten den echten Profis den Rücken frei. Wahrscheinlich sehen wir überhaupt keine Action.«

»Ruhe.« Lilifloras Zopf peitschte hinter ihr her, als sie über einen umgekippten Baumstamm sprang, leichtfüßig wie ein Reh. Sie hatte vorhin ein Brombeergestrüpp ausgesaugt und summte vor Macht. »Wir sind fast da. Haltet die Klappe, ihr Anfänger.«

Obwohl sie alle schwarze Sturmhauben trugen, wusste Sofie, dass die Dryade genervt das Gesicht verzog. Tat sie schließlich immer.

Vor ihnen schlichen die Profi-Wächter durch das Unterholz, deutlich leiser als selbst Liliflora. Es waren fünf an der Zahl. Zwei Vampire, ein Werwolf, eine Ogerin und ein Wasserspeier. General Stein höchstselbst. Sofie hatte gar nicht gewusst, dass er aktiv bei Einsätzen dabei war. Sie hatte ihn meist hinter dem Schreibtisch erlebt.

Na, irgendwie muss er es ja bis zum General gebracht haben, dachte sie. Mit Rumsitzen schafft man das wohl nicht.

Sofie und ihre Freunde waren hier, um die Profis zu unterstützen. Vor allem, indem sie die Ausgänge des Einfamilienhauses in Ruhleben sicherten, dem sie sich gerade durch den Wald näherten. Das Haus lag in der Nähe der Waldbühne und des Olympiastadions und es gab Hinweise darauf, dass sich Mitglieder des neuformierten Schattenfellrudels hier versteckten. Das hatte die Befragung eines Zwergs ergeben, der zur Rockerbande ›Tunnelterroristen e.V.‹ gehörte, und den die Wächter vor zwei Wochen festgenommen hatten. Heute Morgen hatte er beschlossen, zu reden. Und nun, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, folgten sie dem Hinweis.

Zwischen den Baumstämmen kam die Rückseite des Einfamilienhauses in Sicht. Die Sturmhaube juckte auf Sofies Wangen, aber sie war zu nervös, um sich zu kratzen. Vorsichtig schlich sie den Profis hinterher. Was gar nicht so leicht war. Die verschmolzen mit den Schatten, als hätten sie magische Tarnfähigkeiten. Hatten sie die? Oder hatten sie das hier einfach hundertmal öfter geübt als Sofie, unter deren Füßen schon wieder ein Zweig knackte?

Gurke, dachte sie. Siehst du etwas?

Gurke, der sich irgendwo weit über ihr befand, gurrte. Die Fenster sind dunkel, Metze. Warte einen Moment, ich nähere mich.

Ein grauer Taubenleib ließ sich auf einer der Fensterbänke des weißgestrichenen Hauses nieder. Der Bau sah vollkommen normal aus, bis auf den etwas ungepflegten Rasen, der von geköpften Gartenzwergen übersät war. Die Konkurrenten der ›Tunnelterroristen‹, eine Oger-Gang namens ›Green Bastards‹ hatte diesen Unterschlupf verunstaltet. Dies hatte zu Unruhen geführt, mit denen mehrere Wächterteams beschäftigt gewesen waren. Liliflora war immer noch sauer, dass sie das verpasst hatte.

Nichts bewegt sich, sagte Gurke.

Auch hinter den anderen Fenstern war kein Lebenszeichen zu erkennen und Sofie gab Gurkes Beobachtungen flüsternd in ihr Mikro weiter.

»Gut«, hörte sie General Stein aus ihrem Ohrhörer. »In Position. Zugriff auf drei.«

Die Profis näherten sich dem Haus, nah an der Rückwand der Garage entlang schleichend. Die dunkelbraune Holztür, die in den Garten hinaus ging, war geschlossen. Auch sie sah so gewöhnlich aus, dass Sofie sich wunderte. Aber klar, wenn man als magisches Wesen im nicht-magischen Berlin unterkroch, verhielt man sich besser unauffällig.

Sie schlich hinterher, zwischen Nat und Liliflora.

Die fünf Profi-Wächter postierten sich links und rechts der Tür und warteten.

---ENDE DER LESEPROBE---