Der Weihnachtstango & Paganini und das Weihnachtswunder - Michaela Schwarz - E-Book
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Der Weihnachtstango & Paganini und das Weihnachtswunder E-Book

Michaela Schwarz

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Beschreibung

Zwei Weihnachtsromane von Michalea Schwarz in einem E-Book.

Der Weihnachtstango.
Vor dem hell erleuchteten Weihnachtsbaum am Rockefeller Center in New York gaben Robert und Mara sich einst als frisch Verliebte das Versprechen, sich jedes Jahr am 20. Dezember für eine Nacht in Köln zu treffen. Ein Ritual, das sie seither nie versäumt haben. Aber nach vielen Jahren erhofft sich Robert von dem Treffen am Rhein mehr als je zuvor: Er möchte Mara für immer an seiner Seite haben und mit ihr zusammen durchs Leben gehen. Aber zum ersten Mal lässt Mara auf sich warten ...

Paganini und das Weihnachtswunder.
Martin, der um seine verlorene Liebe trauert. Anna, eine glücklose Musikerin. Und ein herrenloser Hund – das sind die herzerwärmenden Helden in dieser bezaubernden Weihnachtsgeschichte. Alle drei brauchen sie dringend ein Wunder, damit sie wieder Freude am Leben haben. Ein geheimnisvoller alter Mann und die Klänge einer Violine könnten es vielleicht auf magische Weise bewirken ...

Zwei zauberhafte Romane über die Wunder der Weihnachtszeit.

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Zwei Weihnachtsromane von Michalea Schwarz in einem E-Book!

Der Weihnachtstango.Vor dem hell erleuchteten Weihnachtsbaum am Rockefeller Center in New York gaben Robert und Mara sich einst als frisch Verliebte das Versprechen, sich jedes Jahr am 20. Dezember für eine Nacht in Köln zu treffen. Ein Ritual, das sie seither nie versäumt haben. Aber nach vielen Jahren erhofft sich Robert von dem Treffen am Rhein mehr als je zuvor: Er möchte Mara für immer an seiner Seite haben und mit ihr zusammen durchs Leben gehen. Aber zum ersten Mal lässt Mara auf sich warten …

Paganini und das Weihnachtswunder.Martin, der um eine verlorene Liebe trauert. Anna, eine glücklose Musikerin. Und ein herrenloser Hund – das sind die herzerwärmenden Helden in dieser bezaubernden Weihnachtsgeschichte. Alle drei brauchen sie dringend ein Wunder, damit sie wieder Freude am Leben haben. Ein geheimnisvoller alter Mann und die Klänge einer Violine könnten es vielleicht auf magische Weise bewirken … Ein zauberhafter Roman über die Wunder der Weihnachtszeit und die Magie der Zufälle.

Über Michaela Schwarz

Michaela Schwarz arbeitet als Homoöpathin und lebt mit ihrer Familie und ihrem Mischling (Bearded Collie-Großer Münsterländer) in der Nähe von Köln.

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Michaela Schwarz

Der Weihnachtstango & Paganini und das Weihnachtswunder

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Der Weihnachtstango

PROLOG

ERSTES KAPITEL

ZWEITES KAPITEL

DRITTES KAPITEL

VIERTES KAPITEL

FÜNFTES KAPITEL

SECHSTES KAPITEL

SIEBTES KAPITEL

ACHTES KAPITEL

NEUNTES KAPITEL

ZEHNTES KAPITEL

ELFTES KAPITEL

ZWÖLFTES KAPITEL

DREIZEHNTES KAPITEL

VIERZEHNTES KAPITEL

FÜNFZEHNTES KAPITEL

SECHZEHNTES KAPITEL

SIEBZEHNTES KAPITEL

ACHZEHNTES KAPITEL

NEUNZEHNTES KAPITEL

Paganini und das Weihnachtswunder

ERSTES KAPITEL

ZWEITES KAPITEL

DRITTES KAPITEL

VIERTES KAPITEL

FÜNFTES KAPITEL

SECHSTES KAPITEL

SIEBTES KAPITEL

ACHTES KAPITEL

NEUNTES KAPITEL

ZEHNTES KAPITEL

ELFTES KAPITEL

ZWÖLFTES KAPITEL

DREIZEHNTES KAPITEL

EPILOG

Impressum

Wer von diesen Weihnachtsromanen begeistert ist, liest auch ...

 

 

 

 

 

 

 

»Und man sagt dir, die Gesichter in dieser Nacht seien anders als sonst. Denn sie erwarten ein Wunder.«

Antoine de Saint-Exupéry

Prolog

 

 

 

 

 

Mitternacht war längst vorüber. Seit drei Stunden waren sie durch Manhattan gelaufen; meistens schwiegen sie, spürten nur die Nähe des anderen. Allenfalls hatten sie sich dann und wann auf besondere Passanten aufmerksam gemacht – einen dicken Schwarzen, der über seiner Jacke ein Hemd mit der Aufschrift »Blackout 1977« trug, eine Alte, die in einem zerknitterten Rüschenkleid daherspazierte, als käme sie geradewegs von ihrer eigenen Hochzeit, und ein kleines Kind, das einen roten Umhang trug, als spiele es den Weihnachtsmann.

In zehn Stunden ging ihr Rückflug nach Deutschland. Danach würden sie sich nie mehr wiedersehen.

Vor vier Tagen, auf der Überfahrt zur Freiheitsstatue, hatten sie zum ersten Mal miteinander gesprochen. Allein hatte sie auf dem Oberdeck gestanden und sich gegen den eisigen Wind gestemmt. Nachdenklich, fast sehnsüchtig hatte sie über das graue Wasser geblickt. Er hatte kaum gewagt, sich ihr zu nähern. Sie war es dann gewesen, die ihn angesprochen hatte.

»Hier«, sagte sie und deutete nach Ellis Island hinüber, »hier sind viele Träume wahr geworden – der Eintritt ins Land der Wunder und Möglichkeiten.« Ihr Lächeln war das schönste gewesen, das er je gesehen hatte.

»Nicht für alle«, erwiderte er, »manche hat man sofort zurückgeschickt – die Kranken und Alten.«

Sie schaute ihn an. »Sind Sie immer so? Sehen erst das Unglück, dann das Glück?«

Im nächsten Moment, bevor er antworten konnte, wurde das Schiff, während es rumpelnd anlegte, von einer Welle erfasst, und sie war ihm beinahe in die Arme gefallen, ohne sich jedoch zu entschuldigen.

»Mara«, hatte sie stattdessen geflüstert, »ich heiße Mara und glaube an Träume.«

Danach waren sie beinahe unzertrennlich gewesen, und er hatte sich selbst nicht mehr erkannt.

Träume? Darüber hatte er niemals nachgedacht, nicht einmal zur Weihnachtszeit.

Als sie nun zum Rockefeller Center kamen, war die Eisbahn längst geschlossen, aber die Lichter an dem riesigen Weihnachtsbaum brannten offenbar die ganze Nacht. Die Temperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt. Der Schnee, der am Tag zuvor gefallen war, war leider nicht liegen geblieben. Es war merkwürdig still. Zwei, drei gelbe Taxis fuhren vorbei. Von der Rockefeller Plaza klang entfernt Musik herüber. Die wenigen Passanten eilten vorbei, ohne dem geschmückten Baum Beachtung zu schenken.

Er sah die Reflexion der Lichter auf ihrem Gesicht; wie ein kleines Kind staunte sie den Weihnachtsbaum an.

Ich liebe sie, dachte er, ich liebe Linda, meine kluge, zuverlässige Frau, und ich liebe Mara. Das ist die Tragödie.

Als Mara für einen Moment die Augen schloss, wirkte sie noch schöner – die markanten Wangenknochen, der sinnliche Mund; selbst ihre Ohren, die ein wenig zu groß waren, gefielen ihm. Er war plötzlich sicher, dass sie sich etwas wünschte, und schloss auch die Augen.

Ich wünsche mir, dass dieser Moment nie vergeht.

Die Reise nach New York hatte nur der Weiterbildung von ein paar jungen deutschen Medizinern dienen sollen, und nun war sie das größte Abenteuer seines Lebens geworden.

Im nächsten Moment, während sie sich mit geschlossenen Augen an den Händen hielten und die Wärme dieses einzigartigen Weihnachtsbaums zu spüren glaubten, begann die Musik.

Eine einzelne Geige spielte eine schwungvolle, ungewöhnliche Melodie.

Er war so überrascht, dass er zusammenzuckte und die Augen aufriss. Ein schwarzhaariger Mann mit einer so dunklen Haut, dass er ihn im ersten Moment für einen Indianer hielt, stand da und nickte ihnen freundlich zu, während er spielte.

Sie waren ganz allein.

»Das ist ein Tango«, sagte Mara leise. »Kannst du Tango tanzen?«

Er schüttelte den Kopf, doch da hatte sie sich schon von ihm gelöst und sich wie eine richtige Tänzerin vor ihn hingestellt. Sie ergriff seine linke Hand, legte die andere um seine Taille und führte ihn – die ersten einfachen Schritte eines Tangos, den er zum letzten Mal vor über zehn Jahren auf dem Abiturball mehr schlecht als recht getanzt hatte. Aber sie konnte auch das: Tango tanzen.

Er sah, wie der dunkelhäutige Mann ihre Bewegungen mit einem beifälligen Lächeln begleitete.

»Gut so!«, hauchte Mara ihm ins Ohr.

Ich liebe dich, wollte er sagen, verdammt, vergessen wir all das, was uns in Deutschland erwartet, und bleiben einfach hier.

»Welcher Tag ist heute?«, fragte sie unvermittelt.

Er geriet ein wenig ins Stolpern, verpasste ein paar Schritte, doch so, als wäre es ein Leichtes, ihn wieder in den Rhythmus zurückzuführen, zog sie ihn an sich und ließ ihn spüren, welche Bewegungen er machen musste.

»Heute ist Dienstag, der 20. Dezember 1977.«

»Dann sollten wir uns Wiedersehen – nächstes Jahr, am selben Tag, irgendwo in Deutschland. Zu unserem nächsten Tango.«

Einen Moment später löste Mara sich von ihm, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und lief davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.

 

Als sie sich am nächsten Morgen am Abflugschalter wieder begegneten, trug Mara eine Sonnenbrille, die ihr halbes Gesicht bedeckte. Er wusste, dass sie geweint hatte. Sie war seit zwei Jahren mit einem älteren Chirurgen verheiratet, wie sie ihm wie beiläufig gestanden hatte, nachdem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Und er selbst hatte Linda, seine kluge, nüchterne Frau, die er bei seinem ersten Praktikum im Krankenhaus kennengelernt hatte, wo sie schon Assistenzärztin gewesen war. Am 2. Januar würde er in ihre Praxis einsteigen. Alles war vorbereitet.

Wenn er zu Mara herüberschaute, wandte sie den Kopf, als bereite es ihr Schmerzen, ihn anzuschauen. Er wollte an ihr vorbeigehen, ihr den Umschlag mit der Nachricht zustecken, die er am frühen Morgen in seinem Hotel am Central Park geschrieben hatte. Statt vieler Liebesschwüre stand da nur: Mittwoch, 20. Dezember 1978 – Domhotel Köln. Ich warte auf Dich. Er wagte es jedoch nicht, ihr den Brief zu übergeben. Das Risiko, dass es die anderen aus ihrer Reisegruppe mitbekommen hätten, erschien ihm zu groß. Er war schon immer ein Feigling gewesen. Vielleicht hatte er auch deshalb Linda geheiratet, die immer wusste, was sie wollte.

Mara hatte augenscheinlich mit jemandem aus ihrer Gruppe den Platz getauscht, so dass sie fünf Reihen vor ihm saß. Während alle anderen während des langen Fluges schliefen, war er hellwach. Der Umschlag in seiner Tasche schien zu glühen. Wie könnte er es schaffen, ihr den Brief zuzustecken?

Als sie schon im Landeanflug auf Frankfurt waren, bat er eine Stewardess, ihr den Umschlag zu geben. Die junge Frau war ein wenig überrascht, willigte jedoch ein.

Er sah Mara nicht mehr, als sie das Flugzeug verließen. Irgendwo vor ihm hastete sie zu ihrem Gate – Weiterflug nach Hamburg in fünfundzwanzig Minuten.

Während er auf sein Gepäck wartete und wusste, dass Linda ihn draußen in Empfang nehmen würde, hatte er das Gefühl, als hätte man ihm ein lebenswichtiges Organ aus dem Körper gerissen. Seine Traurigkeit war so groß, dass er glaubte, nicht mehr atmen zu können. Sein Blutdruck war im Keller, und er nahm die Menschen um sich herum nur als diffuse Schattenwesen wahr.

Wie sollte er gleich Linda begegnen? Sie hatte daraufbestanden, ihn in Frankfurt abzuholen, um ihn nach dem langen Flug zu ihrem Haus am Ammersee zu chauffieren.

Als er sein Gepäck vom Band nahm, fühlte er sich wie ein alter, geschlagener Mann. Doch plötzlich stand die Stewardess aus dem Flugzeug vor ihm und überreichte ihm lächelnd einen Umschlag. Sie hatte offenbar Gefallen daran gefunden, die Liebesbotin zu spielen.

Sofort, ohne sich bei der jungen Frau zu bedanken, riss er ihn auf. Auf einem kleinen weißen Zettel stand nur ein einziges Wort: Ja.

 

So hatte es angefangen, und so war es mit Mara und ihm immer weitergegangen – dreißig Jahre lang..

Erstes Kapitel

 

 

 

 

 

Die ganze Woche hatte er an Mara gedacht. Er hatte schon erwogen, früher nach Köln zu fahren, um sich dort in aller Ruhe auf ihr Treffen vorzubereiten, aber dann hatte er sich nicht getraut, die Praxis vor der Zeit zu schließen. Außerdem waren noch einige Dinge zu besprechen gewesen – mit dem Steinmetz, der den Grabstein im Februar fertig haben sollte, und mit Rainer, der im Frühjahr die Praxis allein weiterführen würde.

Robert blickte auf Lindas Grab, betrachtete das helle Holzkreuz mit ihrem Namen und kam sich wie ein Betrüger vor. Aber er war ja auch ein Betrüger gewesen – jedes Jahr am 20. Dezember hatte er sie mit der Frau betrogen, die er wirklich liebte.

Verzeih mir!, wollte er flüstern, brachte jedoch kein Wort heraus.

Eine alte Frau lief an ihm vorbei und grüßte ihn. Er erinnerte sich nicht an ihren Namen, wusste aber, dass sie stets Lindas Patientin gewesen war – wie viele Frauen aus dem Dorf, die sich genierten, sich von einem Mann untersuchen zu lassen.

Linda war dreiundsechzig geworden, sieben Jahre älter als er. Es hatte bei ihr nie Anzeichen von Bluthochdruck gegeben, und doch hatte sie innerhalb von vier Monatenzwei Schlaganfälle erlitten; der erste hatte ihr die Sprache geraubt, der zweite war tödlich gewesen.

Robert erwiderte den Gruß der Frau, als sie sich schon längst wieder abgewandt hatte, und strebte dem Ausgang des Friedhofs zu.

Der Ford stand da. In sechs Stunden würde er vom Ammersee aus in Köln sein und auf Mara warten, und zum ersten Mal hatte er sich keine seltsame Entschuldigung einfallen lassen müssen, warum er vier Tage vor Heiligabend unbedingt nach Köln fahren wollte. Er war nun Witwer, ein alleinstehender, kinderloser Mann. Da war nur Rainer, Lindas Neffe, den er insgeheim für einen Schwätzer und einen miserablen Arzt hielt.

Er fuhr langsamer als sonst. Vielleicht weil er sich zum ersten Mal vor der Begegnung mit Mara fürchtete. Er musste mit ihr reden, ihr endlich sagen, dass es nicht mehr ging; er konnte sie nicht mehr nur einmal im Jahr für eine Nacht und ein langes Frühstück treffen. Er musste sie häufiger sehen, jeden Tag – oder gar nicht mehr.

Bereits bei ihrem achten Treffen, im Jahr 1985, war er fest entschlossen gewesen, es Mara zu sagen – ihr gewissermaßen einen Antrag zu machen. Ich verlasse meine Frau, weil ich mit dir zusammen sein will. Ich ziehe nach Hamburg, wenn du willst, suche mir eine Praxis, in die ich einsteigen kann.

Sorgsam hatte er sich die Worte zurechtgelegt, wie es ihm zur Gewohnheit geworden war, wenn ihm etwas besonders schwerfiel. Es würde sicherlich nicht leicht sein, in Hamburg Fuß zu fassen. Mara war eine erfolgreiche Herzchirurgin an der Universitätsklinik, er hingegen nur ein einfacher Landarzt aus Bayern, aber damit könnte er fertig werden.

Für das erste Wiedersehen hatte er noch einen Besuch bei einem Schulfreund vorgeschoben. Im zweiten Jahr hatte er so getan, als müsse er ein Geschenk für Linda besorgen, und hatte ihr dann, gewissermaßen als Kompensation, ein teures Bild geschenkt. Dann hatte er einen guten Vorwand gefunden: Er wolle seinen neuen Ford direkt beim Werk in Köln abholen, hatte er Linda erklärt, und damit begründet, warum er sie für einen Tag in der Praxis allein lassen musste. Ab 1983 hatte er sich jedes zweite Jahr ein neues Ford-Modell besorgt, obwohl er eigentlich viel lieber einen BMW gefahren hätte, aber das gehörte zu seiner Tarnung. »Lass mich doch!«, hatte er seiner Frau letztes Jahr noch gesagt. »Diese Reise nach Köln ist so eine Art Ritual für mich, und ein Arzt, der mit einem Ford vorfährt, ist den Leuten sofort sympathisch, weil er nicht mit seinem Status angibt.«

Er hatte keine Ahnung, ob sie ihm diese Gründe jemals geglaubt hatte. Wahrscheinlich hatte es sie irgendwann auch nicht mehr interessiert; sie hatte jedenfalls gelacht, als er seine Ausrede zum ersten Mal vorgebracht hatte, und war in ihren Landrover gestiegen, um Patienten zu besuchen oder in den Reitstall zu fahren, wo sie inzwischen jede freie Minute verbrachte. Ihr Verhältnis war an einem Nullpunkt angekommen. Sie hatten sich schon damals über ihre Arbeit hinaus nicht mehr viel zu sagen. Er schob es auf Mara, die Schattenfrau, die ihn nie losließ. Linda erklärte es sich damit, dass sie kinderlos geblieben waren.

 

Bei diesem besonderen Treffen, 1985, traf er um siebzehn Uhr im Domhotel ein, das wie immer weihnachtlich geschmückt war. Man begrüßte ihn höflich wie jedes Jahr. »Ja, Herr Doktor Faber – das Eckzimmer mit Domblick. Es ist alles vorbereitet.«

Zuerst packte er seinen Koffer aus und baute den Rekorder mit der Tangomusik auf. Auch das gehörte zu ihrem Ritual. Um genau Mitternacht tanzten Mara und er Tango. Er hatte heimlich Unterricht genommen, war deswegen eigens von Schondorf nach München gefahren, um in einer Doppelstunde die wichtigsten Schritte zu üben, obwohl ihm klar war, dass er im Vergleich zu ihr immer ein jämmerlicher Tänzer bleiben würde.

Um zwanzig Uhr war Mara immer noch nicht eingetroffen. Er begann sich Sorgen zu machen. War ihr etwas passiert? Warum versetzte sie ihn ausgerechnet dieses Jahr, wo er so ernsthaft mit ihr reden wollte?

Er konnte nicht einmal in Hamburg nachfragen, weil er weder ihre Telefonnummer noch ihre Adresse hatte. Auch das hatte von Anfang an zu ihrer Verabredung gehört. Keine Nachrichten, keine Telefonate, keine Fragen.

Nur der 20. Dezember sollte ihnen gehören.

Gegen halb zehn klopfte es an der Zimmertür.

Er hatte schon eine heimliche Zigarette geraucht und sich damit abgefunden, dass Mara dieses Jahr nicht kommen würde, aber da stand sie vor ihm: verlegen lächelnd, mit funkelnden Augen.

»Tut mir leid, Liebster«, sagte sie und küsste ihn sofort. »Ich habe den Zug verpasst, und der zweite hatte Verspätung, aber nun bin ich ja da.«

Sie öffneten sofort den Champagner und tranken, ohne zuvor – wie sonst – in das Restaurant zu gehen und etwas zu essen.

Mara war anders als sonst – aufgekratzter, redseliger, während er immer schweigsamer und nachdenklicher wurde.

Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, tanzten sie ihren Tango – er war und blieb ein schlechter Tänzer, aber was spielte es für eine Rolle? Er wollte sie im Arm halten, sie riechen, den Duft ihrer Haut einatmen.

Sie war ein wenig magerer geworden und hatte zwei Falten um die Mundwinkel, aber auf keinen Fall wollte er sie nach den Gründen fragen. Einmal, im dritten Jahr, hatte er sich scheinbar beiläufig nach ihrem Mann erkundigt, und da war sie ganz steif geworden, als habe ein Schmerz sie getroffen. »Robert – bitte keine Fragen!«, hatte sie gesagt und ihm ihr anderes, düsteres Gesicht gezeigt. »Wolf und ich durchleben gerade eine schwierige Phase.«

Als der Tango beinahe zu Ende war, hatte er sich geräuspert und zu seiner Rede angesetzt: »Mara, ich muss dir etwas sagen.«

Sie hatte ihn angeschaut und glücklich gelächelt. »Ich dir auch«, hatte sie geflüstert.

Für einen Moment war er sicher gewesen, dass sie ihm dasselbe mitteilen wollte. Sie waren Seelenverwandte. Auch sie hatte vor, ihren Mann für ihn zu verlassen, um mit ihm zusammen zu sein.

»Fang du an!«, sagte er ungewohnt siegessicher.

Mara hatte ein wenig Lippenstift aufgelegt, überhaupt war sie geschminkt, was sonst nie vorgekommen war. Dezent hatte sie die Lider nachgezogen; ihre blauen Augen funkelten, und dann brach es aus ihr heraus. »Stell dir vor – ich bin verliebt«, sagte sie. »Er heißt Sören und ist Däne; kein Arzt, Gott sei Dank, sondern ein Bauingenieur. Er will mich heiraten.«

Robert geriet aus dem Takt. Zum Glück verklang die Musik wenig später. Mara kehrte in ihrem T-Shirt ins Bett zurück, während er in einem Sessel Platz nahm und sich eine Zigarette ansteckte; ihr gefiel nicht, wenn er rauchte, doch nun achtete sie gar nicht darauf.

Innerhalb von zehn Minuten erfuhr er mehr von ihrem Leben als bei den sieben Treffen zuvor. Sie arbeitete längst nicht mehr als Herzchirurgin, sondern hatte eine homöopathische Zusatzausbildung absolviert und praktizierte als Ärztin für Naturheilkunde in der eigenen Praxis. Seit zwei Jahren war sie von ihrem ersten Mann geschieden und hatte wieder ihren Mädchennamen angenommen, den sie ihm jedoch nicht nannte.

Er begriff, dass er überhaupt nichts von ihr wusste. Sie waren keine Seelenverwandten, sie war eine Frau, mit der er einmal im Jahr Tango tanzte – mehr nicht.

Als sie sich am nächsten Morgen trennten, war er sicher, dass er sie nie wiedersehen würde, doch ein Jahr später erwartete sie ihn bei seinem Eintreffen bereits auf ihrem Zimmer im Domhotel, zum ersten und einzigen Mal in all den Jahren. Von dem Dänen hatte sie nie wieder gesprochen.

 

Es war sechzehn Uhr, als er in Köln eintraf. Er parkte in der Garage unter dem Dom und ging dann die wenigen Schritte zum gediegenen, ehrwürdigen Domhotel. DerHimmel war grau, es nieselte leicht. Vom Weihnachtsmarkt neben dem Hotel drang Musik herüber. Kinder sangen auf einer Bühne Weihnachtslieder.

Wo Linda jetzt wohl ist?, dachte er und erschrak bei diesem Gedanken. Sah sie vom Himmel herab und begriff nun, was er all die Jahre lang am 20. Dezember getan hatte? Ein Auto abholen, einen Freund besuchen, einen Herzspezialisten konsultieren, in einer Galerie ein Bild kaufen – was für armselige Ausreden er für seinen Betrug gehabt hatte!

Er lächelte über sich selbst. Der Rest eines Kinderglaubens schien noch in ihm zu stecken, wenn er meinte, dass die tote Linda auf ihn herabschaute.

Er nahm sich vor, im Dom eine Kerze für sie anzuzünden – morgen, wenn Mara wieder abgereist war und er eine Antwort von ihr hatte, ob sie für immer bei ihm bleiben wollte.

Zweites Kapitel

 

 

 

 

 

Gab es das – ein böses Omen, dass an diesem 20. Dezember alles schiefgehen könnte? Robert war nicht abergläubisch, aber als er den alten Rekorder aufbaute, sah er, dass die Kassette mit den drei Tangoliedern fehlte. Wie konnte das sein? Er benutzte diesen Rekorder genau ein Mal im Jahr, dann hüllte er ihn in eine Plastiktüte und verstaute ihn in einem verbeulten Koffer in der hintersten Ecke des Kellers, wo ihn garantiert niemand finden würde. Doch nun, als er ganz routiniert den Klang überprüfen wollte, gähnte ihn ein leerer Kassettenschacht an. Robert schätzte solche Überraschungen ganz und gar nicht. Ein Wiedersehen mit Mara ohne ihren Tango um Mitternacht war schlichtweg unvorstellbar.

War dieser kleine Diebstahl Lindas letzte Rache gewesen? Hatte sie ihm zeigen wollen, dass sie genau gewusst hatte, wohin er all die Jahre gefahren war? Nein, Linda kam für so einen lächerlichen Diebstahl eigentlich nicht in Frage, aber wer hätte sich sonst an dem Gerät zu schaffen machen sollen? Herta, ihre Haushaltshilfe, hätte nie gewagt, den Koffer zu öffnen, geschweige denn, etwas herauszunehmen.

Er blickte auf die Uhr. Es war zwanzig Minuten nach sechzehn Uhr. Zum Glück blieb genügend Zeit, um fürneue Musik zu sorgen. Vermutlich würde er aber keine Kassette mehr finden. Gab es überhaupt noch welche zu kaufen? Von dem livrierten Portier ließ er sich den Weg zum nächsten Kaufhaus weisen.

»Kein Problem«, erklärte der Mann mit einem höflichen Lächeln. »Kaufhäuser gibt es hier mehr als genug.«

Als er auf den Platz vor dem Dom abbog, sah er sie. Da ging Mara – oder zumindest eine Frau, die Mara ähnlich sah. Robert lief ihr ein paar Schritte nach. Der Ruf nach ihr blieb ihm jedoch im Halse stecken. Was sollte Mara hier zu tun haben? Sie kam nur einmal im Jahr zu ihrem geheimen Rendezvous in diese Stadt. Die Frau war genauso groß und schlank wie Mara, sie trug einen schwarzen Umhang und blaue Jeans und lehnte sich leicht gegen den Wind, der unablässig über die Domplatte wehte. Über ihrer Schulter hing ein schwarzer Lederbeutel. Auch ihr Haar erinnerte an Mara – braun, knapp schulterlang und mit wenigen grauen Strähnen durchsetzt. Allenfalls der schwarze Hut passte nicht zu Mara, jedenfalls hatte er sie noch nie mit Hut gesehen.

Die Frau schritt in den Dom, und er folgte ihr in einigem Abstand. Er wollte ihr Gesicht sehen, ganz sicher sein, dass sie es nicht war, sondern lediglich eine Frau, die ihr ähnelte.

Im Innern der Kirche roch es nach Weihrauch; Kerzen und ein paar Lampen spendeten ein diffuses Licht. Robert fiel auf, dass er bei seinen Besuchen in Köln nur ein- oder zweimal in den Dom gegangen war. Zwischen all den Touristen, die als stumme, staunende Schattenwesen durch die Kathedrale liefen, suchte er nach der Unbekannten. Obwohl sie nur wenige Schritte Vorsprung gehabt hatte, war sie verschwunden.

Robert eilte durch den Mittelgang zum Altar, lief dann um den goldenen Schrein herum, in dem angeblich die Gebeine der Heiligen Drei Könige lagen. Dann, als er schon aufgeben wollte, entdeckte er die Frau. Sie hatte an einem Seitenaltar ein Licht aufgestellt, verneigte sich und verließ die Kirche durch einen Nebenausgang.

Wieder hatte er ihr Gesicht nicht sehen können, doch plötzlich war er nicht mehr so überzeugt, dass sie es nicht war – die Statur, die Bewegungen, alles erinnerte an Mara. Aber sie konnte es nicht sein. Sie war nicht gläubig. Niemals hätte sie ein Licht aufgestellt und sich in Richtung Altar verneigt. Oder etwa doch? Konnte es zu ihrem Programm gehören, schon vorher durch Köln zu laufen, Kerzen im Dom anzuzünden, bevor sie zu ihm ins Hotel ging? Oder hatte sie vielleicht dieses Jahr auch einen Grund zu trauern, genau wie er?

Er überlegte abzudrehen, um sich eine neue Tangoplatte und einen CD-Spieler zu besorgen, aber da hatte er sich schon an ihre Fersen geheftet.

Auch wenn diese Frau nicht Mara sein konnte, war er neugierig, was sie als Nächstes tun würde.

Er sah, wie sie die breite Treppe auf den Bahnhof zusteuerte. Dann verschwand sie erneut in der dichten Menschenmenge.

Spätestens jetzt hätte er die Verfolgung aufgeben müssen, aber irgendetwas an dieser Unbekannten ließ ihn nicht los – als hätte sie ein Geheimnis, das er entschlüsseln musste.

Er war noch nie einer Frau nachgelaufen, das war unvernünftig und gehörte sich nicht, aber war nicht der 20. Dezember der einzige Tag im Jahr, an dem er die Vernunft, die sein Leben sonst bestimmte, beiseiteschob?

Durch den Bahnhof hetzte er wie ein Reisender, der im Begriff war, seinen Zug zu verpassen. Er rempelte wildfremde Menschen an, murmelte halbherzige Entschuldigungen und ließ die Unbekannte nicht aus den Augen.

Sie hatte den Bahnhof nur durchquert, ohne nach links oder rechts zu schauen, und war nicht in einen Zug gestiegen, wie er vermutet hatte. Sie schlug den Weg zum Fluss ein, passierte die breite Uferstraße und lief die Promenade hinunter, aber nicht dorthin, wo die geschmückten, hell erleuchteten Ausflugsboote lagen, von denen Weihnachtsmusik erklang, sondern in die andere Richtung, aus der Stadt heraus.

Er folgte ihr in einem so großen Abstand, dass es ihr nicht auffallen konnte, dass sie verfolgt wurde. Sollte sie sich umdrehen, könnte er jederzeit kehrtmachen.

Der Himmel war bewölkt, nur wenige Passanten kamen ihm entgegen; in einer knappen halben Stunde würde es stockdunkel sein. Spärlich beleuchtet fuhren drei Lastkähne den Rhein hinauf.

Kaum hatte sie die befestigte Uferpromenade hinter sich gelassen, bog die Frau ab und schritt über eine Wiese auf den Fluss zu. Robert blieb stehen. Er spürte, wie sein Herz heftiger zu schlagen begann. Was tat die Frau da? Wie eine Selbstmörderin, die nichts anderes vorhatte, als sich in die grauen Fluten zu stürzen, durchquerte sie die Wiese, als wäre sie in Trance.

Robert setzte sich in Bewegung, folgte ihr, während er gleichzeitig nach seinem Mobiltelefon tastete, um rasch Hilfe rufen zu können, falls die Frau sich tatsächlich ins Wasser werfen sollte. Wie lange kann man bei diesen eisigen Temperaturen überleben?, fragte er sich. Wahrscheinlich nicht länger als ein oder zwei Minuten, falls man nicht ohnehin von der Strömung in die Tiefe gerissen wurde.

Die Frau hatte nicht Halt gemacht. Nun musste sie das Wasser erreicht haben. Er konnte es nicht genau erkennen, weil ihre Gestalt durch hohe Brennnesseln verdeckt wurde. Dann sah er, dass sie ihren Lederbeutel in den Ast einer einzelnen Birke gehängt hatte. Der Beutel war geöffnet, nur eine leere Plastiktüte steckte darin. Auf dem Fluss rauschte mit der Strömung ein stählerner Schiffsrumpf vorbei, der ihm Angst einjagte, weil er wie zum Greifen nahe war. Robert rannte nun, bahnte sich einen Weg durch Brennnesseln und Gestrüpp. Wo war die Frau abgeblieben? Trieb sie schon im Wasser?

»Hallo!«, schrie er. »Wo sind Sie?« Panik lag in seiner Stimme. Plötzlich fühlte er sich für einen wildfremden Menschen verantwortlich.

Dann, als er sich durch die letzten Brennnesseln geplagt hatte, entdeckte er sie. Sie stand auf einem Flecken Sand, die schwarzen Stiefel von Wasser umspült, und warf eine rote Rose in den Fluss. Vier andere tanzten bereits ein Stück vor ihr auf den Wellen, die der Lastkahn hinterlassen hatte.

Völlig außer Atem hielt er inne. Erleichterung erfüllte ihn – die Frau war keine Selbstmörderin. Gedankenverloren warf sie noch zwei Rosen in den Fluss, bevor sie sich umdrehte und ihn argwöhnisch anschaute. Sie war viel jünger als Mara, erkannte er nun, und die einzige Ähnlichkeit bestand darin, dass sie groß und schlank war und ihr Haar gleichfalls halblang trug.

Er hob die Hand, wie zu einem Gruß und als wolle er sich entschuldigen, dass er ihr gefolgt war. Tut mir leid, wollte er ihr zurufen, ich wollte Sie nicht stören, ich habe mir lediglich Sorgen gemacht.

Die Frau winkte ihm – immer noch mit ernstem Gesicht – und zeigte auf den Fluss, als würde diese Geste erklären, was sie da tat. Die Rosen tanzten einträchtig nebeneinander auf dem Wasser und wurden bereits in die Mitte des Flusses hinausgetrieben. Dann warf sie noch eine vor sich in die Fluten.

Im nächsten Moment hörte Robert einen Motor aufheulen. Er wandte den Kopf und sah ein Motorrad, das mit eingeschaltetem Scheinwerfer durch das Dickicht preschte und genau auf die Frau zuhielt. Eine Gestalt in schwarzer Ledermontur und mit schwarzem Helm stand förmlich auf den Pedalen, um die Balance halten zu können. Die Frau warf ihre Arme in die Höhe, als die Maschine in einem waghalsigen Tempo an ihr vorbeiwischte. Ein Faustschlag des Fahrers traf die Frau. Sie taumelte zurück und stürzte ins Wasser. Geschickt riss der Fahrer in voller Fahrt die Maschine herum und kehrte zurück, bevor sie sich wieder aufrichten konnte.

»Aufhören!«, schrie Robert, aber vor Entsetzen brachte er nur ein Krächzen heraus. »Hören Sie sofort auf damit!« Panisch lief er auf die Frau zu und stürzte über einen Ast. Als er sich wieder aufgerappelt hatte, beobachtete er, dass die Gestalt in der Ledermontur vom Motorrad abgesprungen war und nun auf die Frau einprügelte. Sie schrie und rief immer wieder einen Namen. »Johann«, glaubte Robert zu verstehen. Nichts sonst, nur diesen Namen. Er griff sich ein Stück Holz, das im Sand lag, und eilte weiter. Die Frau lag nun halb im Wasser, und die Ledergestalt schlug weiter auf sie ein, offenbar nicht nur, um sie zu verletzen, sondern um sie ins Wasser zu treiben. Die letzte rote Rose hatte sich in dem Haar der Frau verfangen; sie keuchte und schien kaum noch Luft zu bekommen.

Dann hatte Robert sie erreicht. Er holte aus und ließ das Holz auf den Rücken des Angreifers in der Ledermontur krachen. Der schrie auf und wandte sich blitzschnell um.

Robert sah, dass er es mit einem Mann zu tun hatte. Zwei blaue Augen starrten ihn hasserfüllt unter dem geöffneten Visier des Helms hervor an.

Der Mann sagte etwas, das Robert nicht verstand. Dann spürte er den ersten Schlag, der gegen seine linke Wange krachte, der zweite, der einen Atemzug später folgte, traf ihn in den Magen. Er taumelte zurück und sackte zusammen, als ihn ein dritter Hieb erwischte. Plötzlich lag er im Wasser. Kälte durchflutete ihn. Er versuchte den Kopf zu heben. Was geschah hier? Versuchte der Mann die Frau zu töten? Robert sammelte seine Kräfte, um auf die Beine zu kommen, aber dann sah er, wie ein riesiger, schwarzer Stiefel heranrauschte und ihn am Kinn traf. Ein greller Schmerz explodierte tief in ihm.

Eine Sekunde später wurde ihm schwarz vor Augen.

Drittes Kapitel

 

 

 

 

 

Dagmar hatte schon um sechs Uhr morgens angerufen, weil sie krank in einem Hotelzimmer in Peking lag. »Wieso Peking?«, hatte Mara verschlafen gefragt und ganz vergessen, dass ihre Schwester ihr von einer Ausstellung im Goethe-Institut erzählt hatte. Zum Glück hatte Dagmar sich offenbar nur den Magen verdorben. Aber eigentlich litt sie noch daran, dass Jan sie verlassen hatte. Zu Weihnachten hatte sie noch nie gut allein sein können.

Anne Jessen meldete sich auf ihrem Handy, weil ihr Mann in der Nacht Fieber bekommen hatte – 39,8 Grad, also nicht wirklich besorgniserregend. Mara beruhigte sie und versprach, telefonisch das ganze Wochenende erreichbar zu sein.

Ihr schwarzes Kleid war noch in der Reinigung, und Pluto musste sie auch noch zu Anna bringen. Der Labrador wusste schon jetzt, was los war, und hatte sich einen Platz hinter dem Ledersofa gesucht.

»Es ist nur für eine Nacht!«, rief sie ihm zu, aber stimmte das? Wollte sie diesmal wirklich nur eine Nacht in Köln bleiben?

Während sie den Koffer hervorholte, rief Hendrik an. Ehemann Nummer drei klang armselig. Kurz vor Weihnachten nahm sein Selbstmitleid überhand. Sie konnte seinen Tonfall kaum ertragen und klemmte sich den Telefonhörer unter das Kinn, um weiterpacken zu können.

Er habe die ganze Nacht wegen Atemnot nicht geschlafen, klagte er.

»Wahrscheinlich trinkst du zu viel«, sagte sie ungerührt.

»Fährst du wieder nach Köln?«, fragte er unvermittelt.

»Nach Köln? Wieso sollte ich nach Köln fahren?« Sie tat überrascht.

»Weil du jedes Jahr am 20. Dezember nach Köln fährst. Letztes Jahr bin ich dir gefolgt. Ich habe dich mit ihm gesehen, ein distinguierter älterer Herr, eigentlich gar nicht dein Typ. Domhotel, ein Zweiertisch am Fenster, dann ein kurzer Spaziergang am Rhein. Ich habe gar nicht gewusst, wie hässlich Köln ist. Aber dafür habt ihr ja keine Augen gehabt.« Hendrik lachte, aber auch sein Lachen klang armselig.

Wie hatte sie jemals glauben können, ihn zu lieben? Er war ein Rechthaber, ein Geizkragen und ein schlechter Verlierer obendrein.

Sie zögerte einen Moment. Sollte sie alles abstreiten oder sich entschuldigen?

»Du hast mich betrogen«, fuhr er anklagend fort. »Jahrelang hast du mich betrogen. Ist dieser Kerl schuld daran, dass es mit uns nicht geklappt hat?«

»Dieser Kerl heißt Robert Faber und ist ein Kollege«, erwiderte sie in einem Tonfall, als müsse sie sich tatsächlich verteidigen. Dabei sprach da nur ihr Exmann, der es mit der Wahrheit auch manchmal nicht besonders genau nahm – wenn es ihm gerade in den Kram passte. »Ich kenne ihn schon viel länger als dich, und mit dir hatte das alles nichts zu tun.«

»Ach, eine heimliche Jugendliebe – wie romantisch!«, stieß Hendrik hervor und lachte wieder spöttisch auf. Letztes Jahr hatte sie noch Heiligabend mit ihm verbracht – dieses Jahr würde sie lieber allein bleiben. Anna würde wieder zu ihrem Vater fahren, und Robert...

»Ich will mit dir nicht darüber sprechen«, sagte sie und legte auf, doch zuvor hörte sie noch, wie er sagte: »Liebst du ihn?«

Zornig warf sie das Telefon auf den Sessel in der Ecke, wo letztes Jahr noch der Weihnachtsbaum gestanden hatte. Dieses Jahr brauchte sie keinen – zumindest hatte sie das bis gestern noch geglaubt. Was bildete sich Hendrik ein, dass er ihr diese Frage stellte? Robert war der verlässlichste Mensch, den sie jemals getroffen hatte. Eigentlich war er, wenn sie genau darüber nachdachte, die Konstante in ihrem Leben. Seit dreißig Jahren trafen sie sich – aber hatte das etwas mit Liebe zu tun? Vielleicht ja doch...

Seit dem letzten Sommer, seit sie Hendrik endgültig in die Wüste geschickt hatte, ging es ihr nicht gut. Was war mit ihr und ihren Träumen passiert? Sie war vierundfünfzig, und ihre Bilanz war nicht eben besonders erfreulich: drei gescheiterte Ehen, ein paar Affären, zwei Fehlgeburten, eine Nacht im Gefängnis, weil sie einen Arzt, der sich als Stalker betätigt hatte, mit einer Bierflasche verletzt hatte, dazu ein Bankkonto, auf dem Ebbe herrschte, weil Hendrik fünfzigtausend Euro mitgenommen hatte – als Entschädigung, wie er gemeint hatte. Entschädigung wofür? Für schmutzige Socken unter ihrem Bett, für Vorwürfe, betrunkene Zärtlichkeiten, ständige Kontrollanrufe?

Nein, sie hatte genug von solchen Typen.

Robert war anders – er roch immer gut, er war nie unrasiert, und er hörte ihr zu. Aber war das eine Kunst? Schließlich trafen sie sich nur einmal im Jahr.

Doch da war immer dieses Leuchten in seinen Augen, das sich niemals verändert hatte – ein helles Licht, das aufschien, wenn er sie sah.

Was wäre nur geschehen, wenn sie damals, am Rockefeller Center, während ihres ersten Tangos gesagt hätte: Lass uns für immer zusammenbleiben?

Sie ertappte sich dabei, dass sie immer häufiger darüber nachsann.

Als sie letztes Jahr im Zug saß und nach Köln fuhr, hatte sie daran gedacht, ihm einen Vorschlag zu machen – zum ersten Mal in all den Jahren. Wie wäre es, wenn wir uns demnächst früher wiedertreffen, im April vielleicht, und für ein paar Tage wegfahren – nach Mallorca oder auf die Kanarischen Inseln? Sie hatte keine Ahnung, ob er viel verreiste. Sie wusste, dass er gelegentlich zum Skifahren in die Berge fuhr, Samnaun, irgendein Ort in der Schweiz. Er hatte es einmal erwähnt.

Bei ihrer Ankunft war er schweigsamer gewesen als sonst. Er wirkte auch gealtert, dünner und faltiger, wenn auch nicht unattraktiv. Beim Essen hatte er, was ungewöhnlich war, von seiner Frau gesprochen, und da hatte sie gewusst, dass sie ihren Vorschlag nicht über die Lippen bringen würde. Linda litt an Depressionen. »Wahrscheinlich weil wir keine Kinder haben«, hatte Robert mit einem schmerzlichen Lächeln gesagt. »Das macht ihr nun, wo sie über sechzig ist, zu schaffen. Merkwürdig, nicht wahr?«

Nein, hatte sie antworten wollen, das ist ganz und gar nicht merkwürdig. Stattdessen hatte sie geschwiegen und gespürt, wie sie sich versteift hatte. Sie wollte von seiner Frau nichts wissen – und sie wollte auch nicht der Kummerkasten für ihn sein. Das war sie auch in all den Jahren vorher nie gewesen.

Zum Glück hatte er ihr Unbehagen gespürt und rasch das Thema gewechselt. In dieser Beziehung war er so sensibel wie kein anderer Mann, dem sie jemals begegnet war.

Später, während er von den Bergen schwärmte, war ihr eingefallen, dass er sie niemals gefragt hatte, ob sie ein Kind hatte. Stillschweigend schien er davon auszugehen, dass sie ebenfalls kinderlos war.

Im Bett hinterher war er dann so zärtlich gewesen wie in all den Jahren zuvor. Bei ihm war es, als wäre sie alterslos – als wären die Jahre zwischen ihren Treffen gar nicht wirklich vergangen, sondern wären wie unbedeutende Träume nur vorbeigewischt.

Vielleicht liebten sie sich wirklich, aber warum hatten sie dann niemals versucht, ihre Liebe zu leben?