Der Wendigo - Algernon Blackwood - E-Book

Der Wendigo E-Book

Algernon Blackwood

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Beschreibung

Uebersetzung der Kurzgeschichte 'The Wendigo' von Algernon Blackwood, publiziert im Jahre 1910 in seinem Buch 'The Lost Valley and Other Strories'. Blackwood war ein englischer Autor, Esoteriker und Theosoph. Als Autor ist er für zahlreiche unheimliche Kurzgeschichten bekannt. Wendigo ist der Name eines daemonischen Wesens aus der indianischen Kultur und kommt seit Urzeiten in entsprechenden Erzaehlungen vor. Er ist ein "Menschenfresser" und boesartiger Geist, der die Menschen in den Wahnsinn treibt und selbst zu Kannibalen macht. Sein Aufenthaltsraum sind besonders die großen, dunklen Waelder. Ausdauernd und hartnaeckig verfolgt er Wanderer und Jaeger, wenn die Dunkelheit hereinbricht, um sie dann zu ueberfallen.

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Übersetzung der Kurzgeschichte 'The Wendigo' von Algernon Blackwood, publiziert im Jahre 1910 in seinem Buch 'The Lost Valley and Other Stories'

Inhalt

Vorwort

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Vorwort zur Übersetzung

DER WENDIGO von Algernon Blackwood (1910)

Die Übersetzung wurde gelegentlich ein wenig im Satzbau verändert, da, wo es der flüssigeren Lesbarkeit dient, ohne dabei den Stil des Autors – und der Zeit – zu sehr zu verletzen. Manche, teils überlangen Absätze wurden aufgeteilt, auch mit Rücksicht auf die eBook Version. Dazu gibt es einige erklärende Anmerkungen. Diese sind direkt in den Text eingefügt […] oder wurden als Zusatz in den Satz eingearbeitet. Dies ermöglicht den Verzicht auf Fuß- oder Endnoten.

Algernon Blackwood (1869 – 1951), war ein englischer Autor, Esoteriker und Theosoph. Als Autor ist er für zahlreiche unheimliche Kurzgeschichten bekannt. Er behauptete, selbst Geistererscheinungen gehabt zu haben und dies in seine Geschichten einzubinden. Sehr geschätzt wurde er auch von seinem berühmten Kollegen in Sachen Übernatürliches und Horrorgeschichten, H.P. Lovecraft.

Wendigo ist der Name eines dämonischen Wesens aus der indianischen Kultur und kommt seit Urzeiten in entsprechenden Erzählungen vor, speziell bei den Ojibwa und Cree in Kanada. Er ist ein 'Menschenfresser' und bösartiger Geist. Sein Aufenthaltsraum sind dunkle Wälder oder verlassene Friedhöfe; sein Aussehen entspricht dem moderner Zombiebeschreibungen, vergleichbar auch mit dem Werwolf. Von seiner Statur her soll er so groß sein, dass er die Spitzen von Bäumen abreißen kann.

Ausdauernd und hartnäckig, verfolgt er Wanderer und Jäger, bis die Dunkelheit hereinbricht, um sie dann zu überfallen und zu fressen. Gelegentlich treibt er sie auch 'nur' in den Wahnsinn.

Seine Opfer bringen dann andere Jäger, Freunde oder Familienmitglieder um, um ihr Fleisch zu essen. Die Geister von Wendigo-Opfern finden keine Ruhe mehr, und werden selbst zu einem Wendigo.

Die Angst bei den Indianern war so groß, dass sie, ähnlich wie bei unseren Hexenverfolgungen, angeblich besessene Stammesmitglieder töteten.

Natürlich konnte man die Geschichten vom Wendigo auch Kindern und Jugendlichen erzählen, um sie von nächtlichen Alleingängen abzuhalten. In großen Hungerzeiten konnte man so auch den Kannibalismus bekämpfen, denn jeder, der Menschenfleisch isst, wird selbst zum Wendigo.

Es gibt noch andere Möglichkeiten, ein Wendigo zu werden: Man träumt von einem Wendigo, vielleicht ist man im Traum sogar selbst einer, oder man wird im Wald vom Wendigo erwischt und verletzt.

I

Eine stattliche Anzahl von Jagdgesellschaften war dieses Jahr unterwegs, ohne auch nur eine einzige, frische Spur zu finden. Die Elche waren ungewöhnlich scheu, und die verschiedenen Nimrode [leidenschaftliche Jäger] kehrten heim zu ihren Familien, mit den besten Ausreden, die sie sich einfallen lassen konnten. Dr. Cathcart kam, wie auch andere, ohne Jagdtrophäe zurück. Stattdessen brachte er aber die Erinnerungen an eine Erfahrung mit, von der er behauptete, sie sei mehr wert als alle Elchbullen, die er je geschossen hatte. Man muss dazu sagen, dass sich Cathcart auch für andere Dinge als Elche interessierte – unter anderem auch für die Launen des menschlichen Geistes.

Diese spezielle Geschichte fand aber keine Erwähnung in seinem Fachbuch über kollektive Halluzination, und zwar aus einem einfachen Grund (wie er es einst einem Kollegen anvertraute), weil er meinte, dabei selbst eine zu innige Rolle gespielt zu haben, um sich ein kompetentes Urteil über die Angelegenheit als solche bilden zu können.

Neben ihm und seinem Führer Hank Davis, war sein Neffe dabei, der junge Simpson, ein Theologiestudent, der für den schottischen Protestantenorden 'Wee Kirk' ausersehen war (zu dieser Zeit auf seinem ersten Besuch in der kanadischen Wildnis), und dessen Führer Défago.

Überdies war er sehr empfänglich für den einzigartigen Zauber, den die Wildnis über bestimmte, einsame Naturen legen konnte, und er liebte die wilde Einsamkeit in einer Art romantischer Leidenschaft, die fast zur Obsession wurde. Das Leben der Wildnis faszinierte ihn, woraus – unzweifelhaft – seine überragenden Begabungen im Umgang mit ihren Mysterien erwuchs.

Er wurde von Hank für diese besondere Expedition ausgewählt. Hank kannte ihn und schwor auf ihn. Dennoch verfluchte er ihn auch, so wie es ein Kumpel eben macht. Und da er einen großen Wortschatz an deftigen, jedoch total unsinnigen Flüchen hatte, waren die Unterhaltungen der beiden strammen und abgehärteten Holzfäller, meist eher lebhafter Natur.

Hank sah aber ein, dass er den Fluss seiner Schimpfwörter etwas eindämmen musste, aus Respekt vor seinem alten 'Jagdboss', Dr. Cathcart, den er natürlich, nach alter Sitte, als 'Doc' ansprach und auch, weil er verstanden hatte, dass der junge Simpson schon ein 'bisschen Pfarrer' geworden war.

Einen Vorbehalt gegen Défago hatte er jedoch – und nur einen. Dieser war, dass der Frankokanadier manchmal etwas zur Schau stellte, was Hank als 'Ausgeburt eines verfluchten und düsteren Verstands' beschrieb. Damit meinte er offensichtlich, dass dieser sich manchmal in einer Weise verhielt, die typisch war, typisch für einen Lateiner, mit Anfällen von stiller Verdrießlichkeit, wenn ihn nichts dazu verleiten konnte, ein Wort herauszubringen.

Défago war, so kann man sagen, fantasiebegabt und melancholisch. Man konnte aber in der Regel davon ausgehen, dass es nur dem Einfluss eines zu langen Aufenthalts in der Zivilisation geschuldet war, was die Anfälle auslöste, da ihn einige Tage in der Wildnis immer wieder davon heilten.

Das war also die Vierergruppe, die sich in der letzten Woche des Oktobers im Lager befand, in diesem 'Jahr der scheuen Elche', ganz weit oben in der Wildnis, nördlich von Rat Portage – eine verlassene und trostlose Gegend.

Es gab da aber auch noch Punk, einen Indianer, der Dr. Cathcart und Hank in den vorausgegangenen Jahren auf deren Jagdausflügen begleitet hatte und als Koch fungierte. Seine Aufgaben bestanden lediglich darin, im Lager zu bleiben, Fische zu fangen und Wildbretsteaks und Kaffee, mit ein paar Minuten Voranmeldung, zuzubereiten.

Er trug die abgenutzten Kleider, die ihm von ehemaligen Herren vermacht wurden. Abgesehen von seinem groben, schwarzen Haar und seiner dunklen Haut, sah er in dieser städtischen Kleidung genauso wenig wie eine echte Rothaut aus, wie ein Neger auf der Bühne, einem echten Afrikaner ähnlichsieht. Trotz alledem hatte Punk immer noch die Instinkte seiner aussterbenden Rasse in sich; seine Wortkargheit und sein Durchhaltevermögen hatten überlebt, wie auch sein Aberglaube.

Die Gesellschaft, die sich in dieser Nacht rund um das Feuer gesellte, war niedergeschlagen, denn es war schon eine Woche vergangen, ohne dass es irgendeinen Hinweis auf Elche in der Nähe gegeben hätte.

Défago hatte sein Lied gesungen und tauchte in eine Geschichte ein, aber Hank, in schlechter Laune, hatte ihn immer wieder daran erinnert, dass er die Tatsachen so durcheinanderbrachte, dass es am Ende nichts als längst ausgeleierte Lügen waren, woraufhin sich der Franzose schmollend in eine Stille zurückzog, die scheinbar von nichts zu durchbrechen war.

Dr. Cathcart und sein Neffe waren nach einem anstrengenden Tag ziemlich fertig. Punk spülte das Geschirr ab und murmelte unter seinem aus Zweigen gemachten Wetterschutz vor sich hin, wo er später auch schlief. Niemand kümmerte sich darum, das langsam verlöschende Feuer wieder anzufachen.

Über ihnen glitzerten die Sterne an dem schon winterlichen Himmel, und es gab so wenig Wind, dass sich das Eis bereits verstohlen am Ufer des ruhigen Sees hinter ihnen bildete. Die Stille des ausgedehnten Waldes kam zu ihnen heran und hüllte sie ein.

Plötzlich wurde diese Ruhe von Hank mit seiner nasalen Stimme unterbrochen.

"Ich bin dafür, dass wir uns morgen auf die Suche nach einem neuen Revier machen, Doc", sagte er mit Bestimmtheit und schaute dabei hinüber zu seinem Arbeitgeber. "Wir haben hier in der Gegend noch nicht einmal die Chance eines toten 'Dagos'" [Schimpfwort für eine Person italienischer oder spanischer Abstammung].

"Einverstanden", sagte Cathcart, wie immer ein Mann weniger Worte. "Ich denke, die Idee ist gut."

"Sicher ist sie das", fuhr Hank mit Selbstvertrauen fort. "Ich denke, dass Sie und ich uns nach Westen aufmachen, zur Abwechslung hoch zum Garden Lake. Keiner von uns war schon einmal in diesem stillen Stückchen Land – "

"Gut, ich gehe mit", sagte Cathcart.

"Und du, Défago, nimmst Mr. Simpson mit in dem kleinen Kanu. Rudert über den See, begebt euch dann über Land zu den Gewässern von Fifty Island und schaut euch dort gut am südlichen Ufer um. Die Elche haben sich dort im letzten Jahr massenhaft aufgehalten. Soweit wir wissen, könnten sie es dieses Jahr wieder tun, nur um uns zu ärgern."

Défago, der seine Augen auf das Feuer gerichtet hatte, gab darauf keine Antwort. Er war noch immer beleidigt, wahrscheinlich wegen seiner unterbrochenen Geschichte.

"Keiner war dieses Jahr dort oben gewesen, darauf würde ich Gift nehmen!", fügte Hank mit Nachdruck hinzu – so, als hätte er einen Grund, dies mit Bestimmtheit anzunehmen.

Er schaute seinen Partner scharf an. "Nehmt besser das kleine Seidenzelt mit und bleibt für zwei Nächte weg", fügte er noch hinzu, als wäre das alles schon fest beschlossen, denn Hank war als Hauptorganisator der Jagd akzeptiert und für die Gesellschaft verantwortlich.

Es war für jeden offensichtlich, dass Défago diesem Plan nicht sofort zustimmen wollte, aber sein Schweigen schien mehr als nur gewöhnliche Ablehnung auszudrücken. Über sein sensibles, dunkles Gesicht huschte ein seltsamer Ausdruck, wie der flüchtige Schein eines Feuers – aber doch nicht so schnell, dass die drei Männer keine Zeit gehabt hätten, dies zu erfassen.

"Ich habe gedacht, dass er aus irgendeinem Grund gekniffen hat", sagte Simpson später im Zelt, das er sich mit seinem Onkel teilte. Dr. Cathcart antwortete nicht sofort darauf, obwohl der Anblick, in jenem Moment, auch sein Interesse so sehr geweckt hatte, dass er sich diesen eingeprägte. Dieser Gesichtsausdruck hatte in ihm ein vorübergehendes Unbehagen verursacht, was er sich in diesem Moment nicht recht erklären konnte.

Aber Hank war natürlich der Erste, der dies bemerkt hatte. Das Merkwürdige daran war, dass er, anstelle sofort zu explodieren oder ärgerlich zu werden, wegen dieses Widerwillens, sofort damit begann, ihn bei guter Laune zu halten.

"Es gibt da keinen besonderen Grund, warum dieses Jahr niemand dort oben war", sagte er mit spürbarer Beschwichtigung in seiner Stimme, "jedenfalls nicht aus dem Grund, den du meinst. Letztes Jahr waren es die Waldbrände, welche die Leute ferngehalten haben, und dieses Jahr denke ich – ich denke, das ist einfach nur mal so, das ist alles!" Sein Verhalten war klar auf Ermutigung ausgerichtet.

Joseph Défago sah für einen Moment hoch, dann senkte er wieder seinen Blick. Ein Windstoß kam aus dem Wald heraus und verwandelte die Glut in eine vorübergehende Feuersbrunst. Dr. Cathcart bemerkte wieder den Ausdruck in dem Gesicht des Führers und wieder gefiel es ihm nicht. Aber dieses Mal hatte die Art und Weise des Blicks die Dinge offengelegt. In diesen Augen, zumindest für einen Augenblick, erhaschte er der Schein eines Mannes, der bis in sein Innerstes verängstigt war. Es beunruhigte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte.

"Gibt es da böse Indianer auf diesem Weg?", fragte er, unterlegt von einem Lachen, um die Sache ein wenig zu entkrampfen, während Simpson, der zu schläfrig war, um dieses subtile Handeln zu bemerken, sich mit einem gewaltigen Gähnen zu Bett begab.

"Oder – oder ist etwas mit der Gegend nicht in Ordnung?", fügte er hinzu, als sein Neffe außer Hörweite war.

Hank schaute ihn an, mit weniger Offenheit als sonst.

"Er ist nur verängstigt", antwortete er gutmütig. "Total verängstigt wegen eines alten Märchens. Das ist alles, ist es nicht so mein alter Freund?" Dabei gab er Défago einen freundlichen Stoß auf dessen in einen Mokassin steckenden Fuß, der sich nahe am Feuer befand.

Défago schaute plötzlich hoch, wie aus einem Traum gerissen, einem Traum jedoch, der ihn nicht daran gehindert hatte, alles zu beobachten, was um ihn herum geschah. "Verängstigt – Unsinn