Der Wunderheiler von Moosbach - Richard Wunderer - E-Book

Der Wunderheiler von Moosbach E-Book

Richard Wunderer

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Beschreibung

Für den Zellner, den Bürgermeister von Moosbach, ist es keine Frage: Sein Sohn Klaus wird die Wirtstochter Gabi heiraten. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander. Aber Gabi quält den Klaus mit ihrer ständigen Eifersucht auf die Sennerin Cornelia. Und so beginnen sich bei dem jungen Mann Zweifel zu regen, ob sie die richtige Frau für ihn ist. Eines Tages taucht Elias, Meister der spirituellen Heilkunde, im Dorf auf. Sein Auftreten spaltet die Bevölkerung in zwei Lager: Ist er ein Mensch mit besonderen Fähigkeiten oder ein Scharlatan? In der nächsten Zeit spielen sich dramatische Ereignisse in Moosbach ab, die nicht nur diese Frage eindeutig beantworten.

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© 2016 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelbild: Günter Standl, Laufen Lektorat: Gisela Faller, Stuttgart Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

eISBN 978-3-475-54614-3 (epub)

Worum geht es im Buch?

Richard Wunderer

Der Wunderheiler von Moosbach

Für den Zellner, den Bürgermeister von Moosbach, ist es keine Frage: Sein Sohn Klaus wird die Wirtstochter Gabi heiraten. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander. Aber Gabi quält den Klaus mit ihrer ständigen Eifersucht auf die Sennerin Cornelia. Und so beginnen sich bei dem jungen Mann Zweifel zu regen, ob sie die richtige Frau für ihn ist.

Eines Tages taucht Elias, Meister der spirituellen Heilkunde, im Dorf auf. Sein Auftreten spaltet die Bevölkerung in zwei Lager: Ist er ein Mensch mit besonderen Fähigkeiten oder ein Scharlatan? In der nächsten Zeit spielen sich dramatische Ereignisse in Moosbach ab, die nicht nur diese Frage eindeutig beantworten.

Die letzten zwei Wochen im Mai waren vom ersten bis zum letzten Tag verregnet, kalt und windig. Kaum ließ sich die lang ersehnte Sonne doch einmal für eine Viertelstunde blicken, schob sich schon das nächste Unwetter über die Berge heran. Dunkelgraue, schwere Regenwolken wälzten sich vom Stöger-Sattel in die Felswände, der nächste Wettersturz war abzusehen.

Dennoch konnte es der Schwab-Wirt gar nicht fassen, dass sogar seine treuesten Stammgäste ihren Urlaub vorzeitig abbrachen. Jedem Einzelnen von ihnen schwor er, in ein paar Tagen würde in Moosbach nicht nur der Frühling, sondern ein sonniger Frühsommer einziehen. Doch vergeblich. Schon zu lang kündigte er ein Kaiserwetter an, als dass ihm noch jemand geglaubt hätte. Mit Verbeugungen und Bitten ums Wiederkommen verabschiedete er einen nach dem anderen, und erst als ihn keiner mehr hören konnte, schimpfte er hinter ihnen her: »Typisch Stadtleute! Die glauben wohl, bei ihnen daheim hat es ein anderes Wetter?«

Wie aus Bosheit brach ein paar Stunden später dann wirklich die Sonne durch und strahlte vom nächsten Tag an wieder von einem wolkenlosen Himmel.

Bis neue Gäste kamen, blieben dem Wirt Moritz Schwab vom »Goldesel« in Moosbach also nur die Einheimischen für seinen Verdienst, von denen die meisten an sechs Tagen der Woche keine Zeit fanden, sich in ein Wirtshaus zu setzen und am Sonntag ihr Silbergeld zehnmal umdrehten, bevor sie es einem armen Wirt überließen.

»Du brauchst gar nicht zu jammern, als ob du schon den Gerichtsvollzieher fürchten müsstest!«, hielt ihm Günther Zellner vor. »Immerhin bist du der reichste Mann von Moosbach.«

Er konnte sich diese kleine Stichelei erlauben, denn er war nicht nur der Bürgermeister, sondern auch der beste Freund des Wirts.

»Der Zweitreichste«, räumte der Schwab-Wirt ein. »Der Reichste bist ja schon du selbst. Und du hast mir außerdem noch einen großen Vorteil voraus: Deine Rindviecher können dir nicht einfach davonrennen, aber meine lieben Gäste sind wegen der paar Regentropfen geflüchtet, als ob vom Himmel nicht Wasser, sondern Feuer gefallen wäre!«

»So lange meine Tiere gesund bleiben, sind sie schon ein dauerhafter Wert«, räumte der Bauer ein. »Nicht umsonst achte ich schon immer auf Qualität, und meine Zuchterfolge können sich sehen lassen. Aber du hast dafür ein kleineres Risiko mit deinen Gästen zu tragen als ich mit meinem Vieh, denn das Schlimmste, was dir passieren kann, ist Regenwetter, und das ist bald wieder vorbei. Wenn die Sonne scheint, dann kommen auch wieder neue Gäste. Stell dir aber vor, bei mir bricht eines Tages die Rinderkrankheit aus. Wenn auch nur ein Tier betroffen ist, dann müssen alle anderen auf dem Hof ebenfalls geschlachtet werden. Das kann einen Bauern von heute auf morgen in den Ruin treiben.«

Der Wirt brachte dem Zellner eine mustergültig eingeschenkte Maß mit der richtigen weißen Schaumhaube auf den Tisch, nahm für sich selbst nur einen Pfiff und setzte sich zu ihm hin.

»Ich dachte, in solchen Fällen bekommen die Leute Geld vom Staat?«, erkundigte er sich. »Vor ein paar Wochen stand das doch in der Kreiszeitung.«

»Ja, freilich«, bestätigte der Zellner. »Es gibt eine Entschädigungszahlung, die wenigstens einen Teil des Schadens ersetzt. Aber bis man das Geld bekommt, das dauert auch seine Zeit. Und auch dann, wenn man es endlich hat: Der Verdacht, dass die Seuche noch einmal bei einem ausbrechen könnte, bleibt weiter an einem haften, und so kann man eben doch in den Ruin getrieben werden. Der Tierdoktor hat mir erst kürzlich von einem solchen Fall erzählt«, fuhr er fort, nachdem er einen kräftigen Schluck von seinem Bier genommen hatte. »Der Bauer hat ohnehin schon Schulden gehabt, und als dann eine seiner Kühe die Krankheit bekam, wurden ihm alle vierzig notgeschlachtet. Noch bevor er das Entschädigungsgeld hatte, ist ihm der Hof zwangsversteigert worden.«

Im Stillen dachte der Wirt, dass der Zellner eine so tragische Entwicklung wohl kaum befürchten musste, denn Schulden hatte der keine – im Gegenteil, jeder wusste, dass der Bürgermeister einiges an Geld auf der Bank hatte.

Immerhin, auch für den reichsten Bauern von Moosbach wäre der Ausbruch der Rinderkrankheit eine Katastrophe gewesen. Auch für das Dorf selbst natürlich – denn für Urlaubsgäste war es wohl kaum eine Empfehlung, wenn Moosbach wegen einer solchen Sache in die Schlagzeilen kam.

Abersogern Moritz Schwabauchüberdenschlechten Geschäftsgang jammerte, eine Tragödie dieser Größenordnung stellte er sich dann doch lieber gar nicht erst vor, und so wechselte er das Thema.

»Lieber Freund, es bleibt doch bei dem, was wir besprochen haben? Dein Klaus und meine Gabi …«

Günther Zellner nahm einen herzhaften Schluck aus seinem Bierkrug und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum von den Lippen. Erst nach einer wirkungsvollen Weile bestätigte er: »Die beiden können noch vor dem Jahresende heiraten, wie wir zwei es besprochen haben.«

Ein Auswärtiger hätte diesen Wortwechsel leicht missverstehen können, denn wer die Verhältnisse von Moosbach nicht kannte, für den hörte sich das an, als ob die beiden Väter über den Kopf ihrer Kinder hinweg deren Eheschließung vereinbart hätten. Das war allerdings nicht so. Wenn es irgendein junges Paar in Moosbach gab, bei dem jeder sicher war, dass es über kurz oder lang vor dem Pfarrer stehen würde, dann waren das Gabi Schwab und Klaus Zellner.

Die beiden verband die sprichwörtliche Sandkastenliebe – schon in der Schule hatten sie ein und dieselbe Schulbank miteinander geteilt, obwohl in der Moosbacher Schule eigentlich die Mädchen bis heute immer noch in der linken und die Buben in der rechten Bankreihe saßen. Doch in diesem Falle hatte der Lehrer vor Gabis Hartnäckigkeit die Waffen gestreckt und sie auf dem Platz neben Klaus sitzen lassen.

Wer in einem Gasthaus arbeitete, der durfte nicht zimperlich sein, und so konnte der Schwab-Wirt zufrieden damit sein, dass seine Tochter sich schon von klein auf durchzusetzen wusste. Sorgen machte ihm da eher ihr Auserwählter.

Nicht, dass er irgendwelche Einwände dagegen gehabt hätte, einen Sohn des Zellner-Bauern zum Schwiegersohn zu bekommen. Ganz im Gegenteil – die beiden Väter waren sich einig, dass sie sich eine bessere Verbindung gar nicht wünschen konnten als die zwischen den beiden wohlhabendsten Familien des Ortes. In letzter Zeit machten dem Schwab-Wirt allerdings immer häufiger ungute Ahnungen zu schaffen, wenn er über Gabi und Klaus nachdachte.

»Wir zwei sind uns einig«, sagte er, die Worte sorgsam abwägend. »Aber sind es unsere Kinder auch? In letzter Zeit bin ich mir bei deinem Klaus jedenfalls nicht mehr so sicher.«

Er merkte gleich, dass er es anders hätte formulieren müssen, denn nun fuhr ihm der Zellner-Bauer zornig über den Mund: »Am Klaus allein liegt es bestimmt nicht, wenn die beiden manchmal wie Hund und Katze sind. Deine Tochter, mein Lieber, hat nun einmal Haare auf den Zähnen.«

Nun verdüsterte sich auch die Miene des Wirts. Der Zellner merkte, dass er zu weit gegangen war. Er lachte und meinte begütigend: »Es ist ja nicht so, dass mein Klaus nicht eine Frau gebrauchen könnte, die ihn ein bisschen auf Trab bringt, wenn es nötig ist. Dass sie dann manchmal in Streit geraten, ist doch ganz normal und kein Grund zur Sorge. Ich bleibe dabei: Hochzeit im Herbst!«

Mit einem Blick zur Küche hin, zum Reich der Schwab-Wirtin, beruhigte sich der Moritz und flüsterte: »Hast Recht, lieber Freund. Aber jetzt sag mir wenigstens, ob du dir vorstellen kannst, warum sie in letzter Zeit so viel streiten.«

Der Bauer zuckte die Achseln. »Du weißt doch: Was sich liebt, das neckt sich.«

Das konnte den Schwab-Wirt nicht beruhigen. »Ich frage mich schon manchmal: Haben die zwei einander vielleicht doch zu wenig gern?«

Seine Stimme klang ehrlich besorgt.

Günther Zellners Miene blieb sorglos. »Wenn du mich schon so fragst, Moritz, dann sage ich: Zu viel Liebe ist kaum weniger gefährlich als zu wenig, sie lässt einem den Verstand eintrocknen und Dummheiten machen, die man später vielleicht bereut. Meine Meinung lautet: Die beiden lieben sich weder zu viel noch zu wenig, sie sind nur schon so lange zusammen, dass sie sich natürlich nicht so benehmen, wie man es von anderen Jungverliebten gewohnt ist. Andere haben ihren ersten Ehekrach ein Jahr nach der Hochzeit und im verflixten siebten Jahr eine längere Ehekrise, bevor sie sich endgültig zusammengerauft haben. Die Gabi und der Klaus bringen das alles schon vorher hinter sich, und das ist eher gut als schlecht für ihre Ehe.«

Es war reiner Zufall, dass Klaus, der jüngere Sohn des Zellner-Bauern, kaum eine halbe Stunde später mit dem Kleintransporter über den Kirchenplatz fuhr. Dass er sofort die weibliche Gestalt bemerkte, die am Fenster des Schwab-Gasthofs stand und mit einem weißen Taschentuch zu ihm hinwinkte, geschah dagegen nicht zufällig, denn dass sein Blick unwillkürlich zu diesem Fenster hinglitt, wann immer er den Platz überquerte, war eine seit vielen Jahren eingeübte Gewohnheit.

Aber das war auch ganz gut so, denn das weiße Taschentuch bedeutete nach einem Streit, wie sie ihn gestern gehabt hatten, erfahrungsgemäß ein Friedenszeichen. Er steuerte den Transporter also vor den Gasthof und hielt dort an, und wirklich kam die Gabi schon zur Tür heraus, noch bevor er ausgestiegen war.

Als Tochter des Wirts half sie in erster Linie im Büro des Wirtshauses, wo sie die Einkäufe organisierte, Buchungsanfragen bearbeitete und ihrem Vater viel von der leidigen Schreibarbeit abnahm. Das erledigte sie mit viel Geschick und Routine.

Daneben sprang sie aber überall ein, wo es nötig war: Beim Saubermachen der Gästezimmer, bei der Mutter in der Küche und bei hohem Arbeitsanfall auch beim Servieren oder hinter dem Schanktisch. Jetzt trug sie aber gerade weder die Kluft einer Kellnerin noch eine Küchenschürze, sondern ein Dirndlkleid, das ihr ausgezeichnet stand. Genau das sagte ihr jetzt der gerade Angekommene.

»Hat dich etwa die Reue gepackt?«, fragte sie. Das Lächeln auf ihren Lippen wirkte eher spöttisch als zärtlich.

»Ich hab doch gar nichts zu bereuen«, antwortete er ernüchtert und ein wenig gereizt. »Sollte es dir nicht eher Leid tun, dass du wegen nichts und wieder nichts so eifersüchtig gewesen bist? Warte nur, wenn die nächste Fuhre Urlaubsgäste sich bei euch einquartiert! Dann suche ich mir das hübscheste Mädchen aus und halte mich endlich einmal dafür schadlos, dass du mich jedes Mal verdächtigst, sobald ein halbwegs ansehnliches Frauenzimmer bei euch logiert!«

Statt auch dazu ein versöhnliches Wort zu sagen, riet sie ihm: »Wozu auf die Urlauberinnen warten? Auf eurer Alm die Sennerin soll keine Kostverächterin sein. Und dorthin kommen nicht nur Touristen, sondern auch Waldarbeiter und sogar der Gemeindejäger! Die Konkurrenz ist also groß. Beeil dich, Klaus, damit sie dich auch noch ein bissel mitnaschen lassen!«

Das ging Klaus endgültig zu weit. »Gabi, hast du es wirklich nötig, über ein anständiges Mädchen wie die Cornelia in dieser Weise herzuziehen? So weit sollte man die Eifersucht nicht treiben …«

Mit einem streitlustigen Lachen fuhr sie auf: »Ich und eifersüchtig? Ich hab’s doch wirklich nicht nötig, mit einer Stallmagd in Konkurrenz zu treten. Also, dann fahr los, sonst wird auf der Zellner-Alm deiner schönen Cornelia noch die Milch sauer!«

Bevor er noch das Gaspedal zornig niedertreten konnte, um ihr giftiges Gestichel nicht mehr anhören zu müssen, flüsterte sie ihm plötzlich doch noch mit viel sanfterer Stimme zu: »Pfüat dich, Klaus. Vergiss auf keinen Fall: Ich hab dich lieb!«

Das rührte ihn nun doch wieder, und sein Zorn verflog. »Ich hab dich doch auch lieb!«, konnte er ihr gerade noch nachrufen, da war sie schon durch die Tür zur Schank wieder davon.

Cornelia Lang, mit zweiundzwanzig schon die verantwortliche Sennerin auf der Zellner-Alm und der Gegenstand von Gabis Eifersucht, war mit ihren hellblonden Haaren, den ebenmäßigen Gesichtszügen und der guten Figur hübsch genug, um solche feindseligen Anwandlungen zu erklären. Doch gerecht war es von der Wirtstochter nicht gewesen, ihr einen lockeren Lebenswandel zu unterstellen. Erstens nahm Cornelia ihre Aufgaben ernst und arbeitete, wenn es nötig war, bis zum Umfallen. Wie hätte sie sich da nebenbei Liebesaffären leisten können? Und zweitens fehlte es ihr ohnehin an der Gelegenheit dazu, denn sie war ja auf der Alm nicht alleine. Der Rupert hätte es ohne Bedenken in alle Welt hinausposaunt, wenn er bei ihr auch nur den kleinsten Hinweis darauf entdeckt hätte, dass sie Heimlichkeiten hatte.

Nicht, dass ihr Helfer ihr die Verantwortung geneidet hätte. Das Arbeiten hatte er nämlich nicht erfunden, und er war’s zufrieden, mit seinen über sechzig Jahren weiterhin nur dann zuzupacken, wenn es ihm ausdrücklich aufgetragen wurde. Sein loses Mundwerk machte aber vor niemandem Halt. Doch so war er nun einmal, der Rupert, und wenn man ihn zu nehmen wusste, war er eine angenehme Gesellschaft, die keine schlechte Laune aufkommen ließ. Nicht nur die schöne Sennerin, sondern auch ihr kauziger Helfer machten die Zellner-Alm zu einem Anziehungspunkt für jeden, der hier oben zu tun hatte, und so war es in den Abendstunden oder am Wochenende ein gewohnter Anblick, dass außer Cornelia und dem Rupert noch mindestens zwei oder drei weitere Personen als Gäste in der Hütte saßen.

Normalerweise war Cornelia ein heiterer Mensch, und so musste es wohl einen Grund geben, dass ihre Miene sich verdüsterte, als sie zur Gleissner-Wand hinaufblickte, in der noch kleine Nebelfetzen hingen.

»Rupert!«, rief sie nach ihrem Helfer. Sie wartete einige Momente, bevor sie es noch einmal wiederholte. Als sie auch darauf keine Antwort bekam, schimpfte sie lautstark los: »Teufel, sakra noch mal! Wenn ich ihn zur Arbeit rufe, sitzt der Alte auf den Ohren. Geht’s um das Essen, hört er aber jedes Flüstern! Rupert!«

Die Außentür vom Dachboden der Sennhütte klappte auf, und zwei krumme Beine waren zu sehen. Mit verschlafenem Blick tastete sich der Rupert die Leiter herunter. »Was schreist du denn wie am Spieß?«, warf er ihr vor, denn einen furchtlosen Angriff hielt er allemal für die beste Verteidigung. »Ich hab auf dem Dachboden das Heu umlagern und aufstapeln müssen.«

»Bei der Arbeit bist du eingeschlafen, denn sonst hättest du nicht auf dem Rücken mehr Heu hängen, als eine Kuh am Tag fressen kann!«, gab sie mit einem halb verärgerten, halb amüsierten Kopfschütteln zurück. »Komm her, sonst wird uns die Zeit noch zu knapp!«

»Ist man erst alt, so hat man genug Zeit!«, widersprach der Rupert noch einmal und wischte sich den Schlaf aus den Augen. »Wo brennt’s denn?«

Mit seiner augenzwinkernden Frechheit entwaffnete er sie immer wieder, und sie konnte ihm nicht längere Zeit böse sein. »Brennen wird’s hoffentlich nicht, eher könnten wir ersaufen«, warnte sie. »Schau zur Wand hinauf! Die dunklen Wolken gefallen mir gar nicht. Wir sollten uns mit dem Melken beeilen, sonst kommen wir in ein Unwetter.«

Unfreundliches vor sich hinmurmelnd, griff sich der Alte einen Stock. Cornelia hielt er vor: »Du meinst wieder einmal, wir müssten alles allein packen. Dabei sollte der Klaus längst auch schon heroben sein, aber der Herr Sohn von unserem Bauern wartet wohl vorsichtshalber, bis wir die ganze Arbeit alleine geschafft haben. Der junge Herr möchte nur mit dem Geländeauto spazieren fahren. Zu mehr taugt er nicht.« Er zwinkerte ihr mit seinen kleinen Augen listig zu. »Oder hat er dich schon einmal gebusselt?«

Mit solchen Worten machte sie der Rupert nun doch ernsthaft zornig. »Vielleicht bist du ja zu deiner Zeit mit jeder ins Heu gegangen, die dir nicht davongelaufen ist, aber deswegen muss ja nicht jeder deinem schlechten Beispiel folgen«, fertigte sie ihn ab. »Und der Klaus schon gar nicht! Der ist mit der Tochter vom Schwab-Wirt verlobt und schaut keine andere an!«

»Aber davonlaufen würdest du vor ihm nicht, stimmt’s?« Ihre Miene wurde nun so drohend, dass er flüchtete, so schnell ihn seine krummen Beine trugen.

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