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In der Nacht vor ihrem Geburtstag purzelt der Wupp in Annas Leben, und fortan ist er ihr bester Freund. Eines Tages jedoch werden die beiden getrennt – eine Katastrophe! Mutig macht sich der Wupp auf den Weg zurück zu seiner Anna. Unterwegs trifft er auf viele erstaunliche Gestalten, deren Sorgen und Sehnsüchte sich der Wupp beherzt annimmt. Zum Dank stehen seine neuen Freunde ihm während seiner aufregenden Reise tatkräftig und treu zur Seite. Und auch seine Anna schafft es, ihm auf wundersame Weise nah zu sein... Eine Geschichte über ungewöhnliche Freundschaften, die Kraft der Träume…und ein kleines bisschen auch über Elvis.
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Seitenzahl: 96
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Martina Temming wurde 1972 in Gelsenkirchen geboren. Die Leidenschaft für Bücher und Geschichten begleitet sie bereits seit frühester Kindheit. Beruflich schlug sie mit einem Wirtschaftsstudium und Tätigkeiten im Marketing einen völlig anderen Weg ein und widmete sich erst später dem Schreiben eigener Kinder- und Jugendbücher. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Essen.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
V or langer – oder vielleicht auch kurzer Zeit, das weiß man nicht ganz genau – lebte in einer kleinen – oder auch großen Stadt, wie gesagt, man weiß es einfach nicht ganz sicher – jedenfalls, es lebte einmal zu irgendeiner Zeit an irgendeinem Ort ein Mädchen namens Anna – und dass das Mädchen so und überhaupt nicht anders hieß, steht ohne Zweifel fest.
Das Mädchen hatte lange blonde Haare, kullerblaue Augen, ein rundes freundliches Gesicht wie eine kleine Sonne – und es hatte vor allem ganz viel Phantasie. Es dachte sich die wunderschönsten Geschichten aus. Vieles davon malte sie, und sie bastelte unzählige Figuren, die sie sich in ihrem unerschöpflichen Kopf ausgedacht hatte. So waren ihr Zimmer und später das gesamte Haus ihrer Familie voll mit Phantasiegeschöpfen und Gemälden von wundersamen Orten.
Am meisten Freude hatte Anna allerdings dabei, sich vorzustellen, was sie selbst alles sein könnte, wenn sie nicht – zum Glück – ein fröhliches kleines Mädchen wäre. Das Problem war nur: sie wollte gern viele verschiedene Gestalten sein, denn sie hatte nicht nur ein Lieblingswesen. Außerdem stellte sie fest, dass es je nach Jahreszeit durchaus Vor-, aber auch Nachteile haben konnte, ein bestimmtes Wesen zu sein.
Aber da Anna – abgesehen davon, dass sie sehr viel Phantasie hatte – zudem sehr praktisch veranlagt war, entschied sie sich dafür, in jeder Jahreszeit ein anderes Wesen sein zu wollen.
Somit malte sie sich im Frühjahr aus, ein kleiner Hase zu sein, der geschwind über die Wiesen hoppelte, mit den Marienkäfern Fangen spielte und an Ostern natürlich dem Osterhasen beim Verstecken der Ostereier half.
Im Sommer wurde sie dann ein wunderbar glatter und schneller Delfin, der durch Meere und Ozeane zog, tollkühne Sprünge vollführte und mit Meerjungfrauen um die Wette schwamm.
Wurde es dann im Herbst bunter und kühler, verwandelte Anna sich gern in einen flinken lustigen Igel. Sie wühlte sich durch Laubhaufen, sammelte Beeren und Nüsse (die Regenwürmer und Schnecken überließ sie den echten Igeln) und kugelte sich gern zu einem Probe-Winterschläfchen zusammen.
Im Winter dann wurde sie ein wunderschöner kleiner Engel mit einem glitzernden weißen Kleidchen und silbrig glänzenden Federflügeln. Natürlich half sie auch dem Weihnachtsmann und dem Christkind, den Advent und Weihnachten zu einer ganz besonders zauberhaften Zeit zu machen.
So verlebte Anna ihre Kindheit – mal in der richtigen Welt, mal in ihrer Phantasiewelt. Aber für sie waren beide Welten gleich wirklich. Sie ging zuerst in den Kindergarten und kam dann wie alle klugen kleinen Mädchen und Jungen in die Grundschule.
Und in diesem sowieso sehr besonderen Jahr passierte dann das, wovon diese Geschichte erzählt.
In der Nacht vom 4. auf den 5. März – welchen Jahres genau ist wie gesagt leider nicht bekannt – träumte die kleine Anna einen ganz außergewöhnlichen Traum. Das war auch kein Wunder: schließlich war der 5. März ihr Geburtstag. Sie freute sich schon seit Wochen auf diesen Tag – eigentlich schon wieder seit dem Tag nach ihrem letzten Geburtstag – und war natürlich sehr aufgeregt. Sie träumte von ihrer bevorstehenden Geburtstagsfeier, von dem riesigen, mit Schokolade und 1.000 Gummibärchen verzierten Geburtstagskuchen, von Spielen, Liedern und Geschenken – und davon, dass zu diesem ganz besonderen Geburtstag ein ganz besonderer Gast eingeladen wäre.
Sie träumte davon, dass zu ihrem Geburtstag ein Wesen zu Besuch kommen würde, welches alle Wesen in sich vereinte, die sie so gern sein würde. Sozusagen ein Hasen-Delfin-Igel-Engel. In ihrem Traum hatte diese Gestalt die schnellen Beine und den Kopf eines Hasen, die Schwanzflosse eines Delfins, den lustigen Stachelleib eines Igels und die Flügel eines Engels. Anna sah dieses Wesen im Schlaf genau vor sich und unterhielt sich mit ihm.
„Ich wünschte“, sagte Anna zu dem Wesen, „du wärest echt. Du bist alles, was ich immer schon sein wollte. Schade, dass ich dich nicht aus meinem Traum heraus mitnehmen kann.“
Das Wesen schaute sie an. „Versuch´s doch einfach“, sprach es mit freundlicher Stimme zu ihr. „Manchmal, wenn man sich etwas ganz doll wünscht, geht es tatsächlich in Erfüllung.“
Anna überlegte nicht lang. Es wäre herrlich, wenn dieses Wesen bei ihr wäre. Also kniff sie im Traum fest die Augen zusammen, drückte beide Daumen und zur Sicherheit auch beide Zehen und richtete alle Wunschkraft auf den einen Gedanken: „Ich wünsche mir, dass es den Hasen-Delfin-Igel-Engel wirklich gibt.“
Ein paar Sekunden lang geschah nichts, dann erklang ein dumpfes „Rumms“ – und Anna erwachte mit schmerzendem Popo auf dem Fußboden. Offenbar hatte sie sich in ihrem aufregenden Traum so heftig bewegt, dass sie aus dem Bett gefallen war.
Anna war ein bisschen enttäuscht. Der Traum war so schön gewesen, und fast hatte sie damit gerechnet, dass das Herauswünschen des Hasen-Delfin-Igel-Engels aus ihrem Traum wirklich funktionieren würde. Im Halbdunkel des Kinderzimmers sah sie aber nur ihre Schwester im Bett gegenüber, ein paar Spielzeuge am Boden, eine seltsame Gestalt, die auf ihrem Bett saß, ein paar verstreute Kleidungsstücke, die…
Anna stutzte. Eine seltsame Gestalt, die auf ihrem Bett saß?? Sie riss die Augen weit auf, um in der Dunkelheit besser sehen zu können. Tatsächlich, neben all den vielen anderen Stofftieren und Kissen, die ihr Bett bevölkerten, befand sich dort nun eine weitere Figur, die beim Zubettgehen ganz sicher noch nicht dort gesessen hatte.
Der Schattenriss ähnelte dem einer Puppe, jedoch war der Körper von einer sehr merkwürdigen Form. ,Irgendwie – stachelig`, dachte Anna. Außerdem befanden sich hinten am Rücken und am Kopf mehrere Dinge, die Puppen dort normalerweise nicht haben.
Aber all das, nicht der Traum oder der Sturz aus dem Bett, nicht das plötzliche Auftauchen eines neuen Bettbewohners und auch nicht dessen eigentümlicher Umriss – all das überraschte Anna nicht im Entferntesten so sehr wie das, was dann geschah.
Die seltsame Gestalt begann plötzlich, sich zu rühren und gab einen Laut von sich: „Hallo?“
Jetzt konnte Anna ihre Neugier nicht mehr zügeln. Sie langte hinüber zu ihrer kleinen Nachttischlampe, knipste sie an und sah zum ersten Mal genau, was da auf ihrem Bett gelandet war.
Es war – der Hasen-Delfin-Igel-Engel aus ihrem Traum! Und er hatte tatsächlich die schnellen Beine und den Kopf eines Hasen, die Schwanzflosse eines Delfins, den lustigen Stachelleib eines Igels und die Flügel eines Engels!
Ein paar Sekunden sahen sie sich gegenseitig entgeistert und mit kullerigen Augen an. Dann ertönte das leise Stimmchen erneut.
„Guten Abend!“, sagte der Hasen-Delfin-Igel-Engel. „Oder vielleicht schon ,Guten Morgen`? Egal, einen herzlichen Gruß von mir an dich! Du kommst mir irgendwie bekannt vor. Wie heißt du?“
„I-ich h-heiße A-anna“, stotterte Anna vollkommen fassungslos. Nicht nur, dass diese Gestalt plötzlich auf ihrem Bett saß, sie sprach auch noch zu ihr!
„Kann es sein, dass wir uns schon einmal begegnet sind?“, fragte der Hasen-Delfin-Igel-Engel.
„Ja, das sind wir“, antwortete Anna. „Ich habe gerade von dir geträumt. Und im Traum habe ich mir ganz doll gewünscht, du wärest echt. Dann bin ich wach geworden – und jetzt bist du tatsächlich hier.“
„Stimmt, jetzt erinnere ich mich!“, erwiderte der Hasen-Delfin-Igel-Engel. „Ich bin wohl tatsächlich irgendwie aus deinem Traum in dein wirkliches Leben gepurzelt. Vielen Dank dafür!“
„Gern geschehen!“, sagte Anna. „Hast du auch einen Namen?“
„Bis jetzt noch nicht“, antwortete der Hasen-Delfin-Igel-Engel. „Aber du darfst mir einen geben. Schließlich bist du ja so etwas Ähnliches wie meine…Mama.“
„Wirklich? Oh, das ist toll!“, rief Anna aus. Und auch ungemein praktisch, denn auf Dauer wäre „Hasen-Delfin-Igel-Engel“ wohl auch etwas umständlich. „Lass´ mich kurz überlegen…“
Wie könnte sie ihren neuen Freund nennen? Vielleicht „Hasdeligengel“ als Abkürzung für all die Wesen, die er verkörperte? Nein, das hörte sich irgendwie nicht gut an. Ein ganz normaler Kosename wie „Hoppel“, „Finchen“, „Stachelchen“ oder „Engelchen“ passte auch nicht, da dieser immer nur zu einem der vier Wesen passen würde. Es musste also etwas ganz und gar Neues und Anderes sein.
Anna überlegte weiter. Es gab viele Worte, die sie mochte, weil sie einen tollen Klang hatten. „Smack“ war so ein Wort, denn genau so war es, wenn sie ihrer Mama einen dicken Kuss gab. „Kwaatsch“ mochte sie auch gern, denn so klang es, wenn man Matsche durch die Hände quetschte. Aber beides passte nicht recht zu ihrem neuen Freund.
Sie schaute ihren Überraschungsgast nachdenklich an. Welcher Name nur würde ihm gut stehen? Weitere Worte schossen ihr durch den Kopf: „Schmussel“, „Rapolter“, „Kawumm“ … alles Lieblingsworte, aber alles keine geeigneten Namen für das aus ihrem Traum gefallene Wesen. Sie drückten einfach nicht das passende Gefühl aus.
Mit einem Mal kam Anna der Geistesblitz. Ja, das war der richtige Name! Er hörte sich an wie ein weiches Kissen, wie Hopsen auf einem Trampolin, wie Streiche machen und wie ein Schlag Sahne auf Erdbeeren. Es gab bestimmt nichts und niemanden, der bereits so hieß. Und irgendwie passte er einfach, das fühlte Anna nun ganz deutlich. Ja, so sollte ihr neuer Gefährte heißen.
Anna setzte sich aufrecht hin, nahm die Hände des Hasen-Delfin-Igel-Engels und sagte feierlich: „Lieber Hasen-Delfin-Igel-Engel, ab heute sollst du der ,Wupp´ sein!“
Der Wupp überlegte einen Moment, dann strahlte er Anna an. „So ein wunderschöner Name!“, sagte er. „Ich danke dir sehr dafür.“
Und so kam der Wupp in Annas Leben.
Natürlich wunderte sich Annas Familie über ihren ungewöhnlichen neuen Freund. Als der Wupp an Annas Geburtstag auf einmal da war, fragten ihre Eltern, woher denn dieses Wesen gekommen sei. Anna sagte – mit reichlich schlechtem Gewissen, denn sie schwindelte wirklich nur ganz ausnahmsweise in großer Not, aber dies war sicher ein solcher Notfall – sie hätte es am Tag zuvor für ganz wenig Geld auf dem Schulflohmarkt gekauft.
Aber mal ehrlich: wenn sie ihren Eltern gesagt hätte, der Wupp sei aus ihrem Traum gefallen, weil sie es sich so doll gewünscht hatte, hätten sie es verstanden? Wohl nicht, denn Erwachsene können manchmal erstaunlich wenig verstehen.
Wie gesagt: ihre Familie wunderte sich sehr über Annas ungewöhnlichen neuen Freund. Dabei war er für alle außer Anna eigentlich nur halb so außergewöhnlich wie für sie. Allen anderen erschien der Wupp nämlich einfach nur als Kuscheltier, das sich weder bewegte noch sprach. Aber wenn er mit Anna allein war, war der Wupp lebendig, und sie sprachen, lachten und spielten miteinander. Sobald jemand ins Zimmer kam oder zu ihrem Spiel hinzustieß, wurde der Wupp sofort still und stumm – vorsichtshalber, denn Erwachsene erschrecken vor lebendigen Kuscheltieren meist ganz furchtbar.
Jedenfalls wurde es für Anna der wunderbarste Geburtstag aller Zeiten. Denn zu all den Dingen, auf die sie sich schon seit ihrem letzten Geburtstag gefreut hatte, kam nun noch die unbändige Freude über ihren neuen außergewöhnlichen Freund hinzu.
Bereits nach kurzer Zeit konnte sich niemand mehr ein Leben ohne den Wupp vorstellen, so sehr hingen Anna und der Wupp aneinander. Sie nahm ihn überallhin mit, setzte ihn zu den Mahlzeiten an den Tisch und natürlich schlief er auch in ihrem Bett. Nur in die Schule durfte sie ihn nicht mitnehmen, höchstens am Spielzeugtag. Anna liebte ihren neuen Gefährten über alles und war jeden Tag dankbar, dass er aus der Traumwelt zu ihr herübergekommen war. Er tröstete sie, wenn sie Streit mit ihrer Schwester hatte, hörte zu, wenn sie lustige Dinge aus der Schule erzählte und behütete ihren Schlaf.