Der Zauber von Immerda 3 – Das verschluckte Königreich - Dominique Valente - E-Book

Der Zauber von Immerda 3 – Das verschluckte Königreich E-Book

Dominique Valente

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Beschreibung

Zum ersten Mal seit Hexen gedenken dürfen magische Kinder mit nicht-magischen zur Schule gehen! Doch warum wollen die Lehrer allen Schülern einreden, Magie sei schädlich? Anemona geht der Sache nach und zusammen mit der Tornado-Elfe Twist und dem Peg Jungen findet sie heraus, dass Immerda in größter Gefahr schwebt! Um diese abzuwenden, muss Anemona ein vor Jahrtausenden versunkenes Königreich wiederfinden. Wird Anemonas Gabe dazu ausreichen? Ein phantastisches Setting und viele originelle Figuren: der dritte Band der Serie. Ausgestattet mit vielen Bildern von Sarah Warburton. Alle Bände der Serie »Der Zauber von Immerda«: Die Suche nach dem verschwundenen Dienstag (Band 1) Ein Hellseher sieht schwarz (Band 2) Das verschluckte Königreich (Band 3)

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Seitenzahl: 222

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Dominique Valente

Der Zauber von Immerda 3

Das verschluckte Königreich

 

Aus dem Englischen von Sandra Knuffinke und Jessika Komina

 

Mit Illustrationen von Sarah Warburton

Über dieses Buch

 

 

Alle Bände der Serie ›Der Zauber von Immerda‹:

 

Band 1: Die Suche nach dem verschwundenen Dienstag

Band 2: Ein Hellseher sieht schwarz

Band 3: Das verschluckte Königreich

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Dominique Valente wurde in Südafrika geboren und lebt heute in Sussex, England. Bevor sie mit dem Schreiben von Büchern begann, hat sie als Journalistin für Magazine gearbeitet. Da sie aber – wie sie vermutet – an dem Phänomen leidet, mit zunehmendem Alter immer jünger zu werden, zieht sie es heute vor, tagsüber die meiste Zeit im Pyjama zu bleiben und von mürrischen Monstern, schrulligen Drachen und Magie zu träumen.

 

Sarah Warburton Sarah Warburton ist Illustratorin, Mutter und Besitzerin eines Border Terriers, und ihr Zuhause befindet sich in einem überwucherten Garten und einem hübschen Atelier mit vielen Keksen und großen Tassen heißem Tee. Sie lebt in Bristol, England.

 

Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de

Inhalt

[Widmung]

[Karte]

KNÖTERICH-KURIER

Der Hase

1 (K)ein erstklassiger Empfang

2 Vom Winde verdreht

3 Stormy Brausewetter

4 Eine Elfenlegende

5 Die Vision einer besseren Zukunft

6 Die Tornadoreise

7 Die Elfenstadt

8 Ein dreifaches Brausewetter

9 Das fühlende Haus

10 Magische Konsequenzen

11 Das Wandbild

12 Was in den Sternen steht

13 Gandolfos Zirkus der Wunder

14 Das Luminarium

15 Bett und Besen

16 Die Wolkenberge

17 Die Felsendrachen

18 Das verschluckte Königreich

19 Erinnerungen eines Königreichs

20 Der Plan des Großmeisters

21 Die Trollarmee

22 Der eiserne Halbmond

Danksagung

Für Rui, danke, dass Du mir immer wieder hilfst, die Magie zu finden

KNÖTERICH-KURIER
AKTUELLE MELDUNGEN DER VERHEXZA ZU DEN MAGISCHEN BEGEBENHEITEN IN DEN WEITEN IMMERDAS
Vorwort zur vorliegenden Ausgabe:

Liebe Leser, es geht heiß her seit der Ernennung von Silas Wolbruder zum neuen Anführer der Bruderschaft des Wol! Der Gute hat nämlich verfügt, dass magisch begabte Kinder unter dreizehn Jahren ab sofort reguläre Schulen besuchen dürfen – erstmalig in der Geschichte Immerdas! Was ja wohl eine wirklich bahnbrechende Änderung im Friedensabkommen zwischen Zauberleuten und normalem Volk ist, wenn Sie mich fragen.

Die Präsidentin der VerHexZa (Vereinigung der Hexen und Zauberer), Celestine Bear, ist überzeugt, dass Wolbruders Berufung zum Oberhaupt der nicht magisch begabten Bevölkerung uns nur Vorteile bringen kann. In einem Exklusivinterview (Seite 2), erklärt sie: »Was Wolbruder seit seinem Amtsantritt auf die Beine gestellt hat, ist schon erstaunlich. Besonders, weil wir Zauberleute diese Neuerung eigentlich nie eingefordert hatten, darum sind wir schon ziemlich überrascht – aber wer wollte sich da beklagen? Und wer weiß, vielleicht glauben uns die Wol-Brüder ja sogar eines Tages, dass nicht mal eine reine Zauberschule zum sofortigen Untergang Immerdas führt. Alles ist möglich!«

Ganz anderer Meinung ist dagegen Anemona Moss. Unsere Stammleser wissen ja bereits, dass die zwölf Jahre junge Hexe nur zu gern wilde Geschichten erfindet. Kürzlich warf sie Wolbruder doch glatt vor, er hätte »einen Tag gestohlen« (seltsam nur, dass sich niemand an diesen Tag erinnern konnte).

»Wir dürfen Silas nicht trauen. Er muss die VerHexZa irgendwie ausgetrickst haben«, warnt sie und bezichtigt Wolbruder, in Wirklichkeit ein Zauberer zu sein, »der uns allen die Magie stehlen will«. Anemona behauptet, Wolbruders »teuflischem Plan« vor ein paar Monaten während eines Ausflugs ins Reich der Untoten auf die Schliche gekommen zu sein.

»Die Kleine hat wohl nicht mehr alle Kräuter im Trank«, kommentiert Bear. »Niemand macht mal eben einen ›Ausflug‹ nach Nimmerda, es sei denn, man legt es darauf an, seine Seele zu verlieren. Dieses Mädchen hat doch Wahnvorstellungen!«

Andere VerHexZa-Mitglieder nahmen die Anschuldigungen ernster, vor allem, nachdem die ebenso berühmte wie mächtige Hexe Moreg Vaine sich auf Anemonas Seite geschlagen hatte. Moreg ging sogar so weit, eine Anhörung in die Wege zu leiten, bei der Anemona trotz ihres jungen Alters ihr Anliegen vortragen durfte. Dennoch wird die unmündige Hexe es nicht müde, den Knöterich-Kurier mit Briefen zu diesem Thema zu bombardieren.

Die besorgten Stimmen sind jedoch schnell wieder verstummt, seit Moreg sich aus der Diskussion zurückgezogen hat. Schon über drei Monate hat nun niemand mehr etwas von ihr gehört.

»Zum Glück«, so Bear weiter, »ist mittlerweile wieder Vernunft eingekehrt. Man scheint sich einig zu sein, dass die kleine Anemona entweder ernstzunehmende Probleme hat oder ein sehr ausgeprägtes Geltungsbedürfnis. Und dass Moreg Vaine auf einmal in der Versenkung verschwunden ist – tja, das erklärt sich wohl von selbst. Ich persönlich denke ja, es ist ihr einfach peinlich, dass sie in diese Sache mit reingezogen wurde.« Mehr zum Thema finden Sie auf den Seiten 3, 4 und 7 sowie in Anemona Moss’ neustem unverschämten Brief auf Seite 9.

Der zweite Aufreger der Woche war der Streit zwischen der Elfenmetropole Lael und der Bücherstadt Libraria, nachdem aus Letzterer offenbar eine unschätzbar wertvolle Schriftrolle entwendet wurde. Viele Elfen glauben, auf dem Pergament sei die Lage des Elfenkönigreichs Llandunia verzeichnet, das mitsamt seiner Königin Almefeira im Langen Krieg verloren gegangen ist.

Die meisten librarianischen Geschichtsgelehrten halten das allerdings für eine bloße Legende, zumal es in den letzten tausend Jahren niemandem gelungen ist, die Schriftrolle zu entschlüsseln. »Kann gut sein, dass da bloß ein altes Rezept für Elfenbrot draufsteht«, äußerte sich Copernica Darling, eine der Geheimhalterinnen, zu dem Vorfall. »Aber es ist nun mal ein unersetzliches historisches Dokument. Wir haben eine Belohnung ausgesetzt und hoffen, dass es dadurch wohlbehalten zurück in unseren Besitz gelangt.« Mehr dazu lesen Sie auf Seite 10.

Da wir gerade beim Thema Diebstahl sind: Davon gab es in den vergangenen Tagen eine ganze Reihe. Mehrere Dörfer rund um den Mitternachtsmarkt sowie Lael und Heulingen wurden von Einbrechern heimgesucht. Auch mein eigenes Haus ist nicht verschont geblieben, allerdings wurde nichts gestohlen außer einem alten Auge, das ich mir für schlechte Zeiten aufheben wollte. VerHexZa-Ermittler vermuten, die Einbrüche könnten auf das Konto einer Bande von Zauberpiraten gehen, deren erklärtes Ziel es ist, den Brackwasser-Bezirk der Stadt Funkelfels zurückzuerobern, nachdem diese vor einigen Monaten zur Verbotenen Zone erklärt wurde … Mehr zu diesem Thema lesen Sie auf Seite 11.

Zu guter – oder wohl eher schlechter – Letzt führten mehrere erneute Versuche der Trolle, ihr Territorium auf Teile des Zwergengebiets auszuweiten (lesen Sie hierzu unseren ausführlichen Artikel auf den Seiten 12 und 13), zu Protesten unter den erbosten Nachbarn.

Der Gezwergschaftsvorsitzende Magnus Pack teilte mit: »Uns stinkt’s gewaltig! Wir lassen uns von diesen keulenschwingenden Tölpeln, die mit ihren haarigen Füßen unsere schönen Wälder zertrampeln, nicht länger tyrannisieren!«

Als ich Obertrollin Megrat um einen Kommentar bat, schleuderte sie ihre Keule nach mir. Ihre Tochter Krawalltraud übersetzte mir die Geste freundlicherweise mit »Hau lieber ab«, was ich mir nicht zweimal sagen ließ.

 

Rubix Grimoire

Herausgeberin

Der Hase war ein mageres Geschöpf mit langen Gliedmaßen und schütterem grauem Fell. Sein linkes Ohr machte ein wenig den Anschein, als hätte jemand darauf herumgekaut.

Eigentlich hatte er nichts Besonderes an sich, abgesehen vielleicht von der Tatsache, dass er von einem bläulichen Schimmer umgeben und, nun ja, ein Geist war.

Er folgte der Hexe in einigem Abstand, die ihn ihrerseits sorgsam im Auge behielt.

Schließlich griff sie in die Innentasche ihres neuen Portalmantels und zog eine Schlafmatte, ein Käsebrot und eine zusammengerollte Zeitung hervor. Das Kreuzworträtsel darin wollte sie sich für später aufsparen.

Es würde sicher noch einige Zeit dauern, bis sie wieder gemütlich zu Hause sitzen konnte. Bis dahin hatte sie noch ein paar wichtige Dinge zu erledigen, und im Leben einer Hexe gab es Dinge, die niemanden etwas angingen.

Der Himmel über der violett gesprenkelten Heidelandschaft hatte sich zinngrau verfärbt, und als sie kurz innehielt, um dem Lied eines vorüberfliegenden Spatzen zu lauschen, stellte sie fest, dass sich in der Ferne ein Sturm zusammenbraute. Und dieser Sturm hatte rein gar nichts mit dem Wetter zu tun.

1(K)ein erstklassiger Empfang

In einem Kaff namens Mild, einer winzigen Pustel auf der Landkarte, wo sich die Sonne heute trotzig zu scheinen weigerte, verlief Anemona Moss’ Start in den Morgen denkbar schlecht.

Dazu muss man wissen, dass dies Anemonas erster Tag an einer Schule war, und das ausgerechnet an einer Schule der Wol-Brüder. Nun sind ja die wenigsten ersten Schultage eine wahre Freude, aber Anemona schien geradewegs auf einen neuen Rekord in Sachen »Schlimmster erster Schultag aller Zeiten« zuzusteuern, und dabei hatte er gerade erst angefangen.

Mehr und mehr Gedanken drängten sich in ihrem Kopf. Und wie immer wucherten die unangenehmen drauflos wie Unkraut und verdrängten alles andere. Da musste man aufpassen und fleißig rupfen, sonst hatte man am Ende den Kopf voller stacheligem Gestrüpp. Möglicherweise, das erkannte Anemona jetzt, hätte sie das Ganze ein bisschen anders angehen sollen.

Zum Beispiel wäre sie wohl besser nicht mit ihrem fliegenden Besen mitten auf dem Schulhof gelandet.

Das war ihr relativ schnell klar geworden.

Dank des Geschreis …

… und dank der Tatsache, dass ihre Mitschüler sich hastig unter ihren Pulten verkrochen hatten, als sie mit ihrer grünen Zotteltasche den Klassenraum betrat. Ein Junge hatte sogar das Zeichen des Wol gemacht, als müsste er sich das Böse vom Leib halten. Und für den Fall, dass sie es bis dahin nicht kapiert hatte, stand auch der Lehrer rücklings an die Wand gepresst, die Arme erhoben, wie um sich gegen eine schlecht gelaunte Natter zu verteidigen.

Alles andere als ideal.

Die zweite Idee, die sie vielleicht besser noch mal überdacht hätte, war, ihr Monster von unter dem Bett mit in die Schule zu nehmen.

Denn Oswald, besagtes Monster (und Anemonas bester Freund), musste natürlich ausgerechnet in diesem Moment seinen pelzigen Kopf aus der Zotteltasche stecken und, die grünen Kulleraugen gegen das grelle Tageslicht zusammengekniffen, wettern: »Was für ’ne Aufhaufung Plitzfiepen … Man sollte vermeinen, die hätten noch niemalsnich ’ne Hexe geblickst. Als würdst du die alleversamt in deinen Kessel schmeißen und dir ’nen Einstopf draus schmurgseln …« Dieser Aussage folgte ein lautes Magenknurren, und Oswald fuhr wehmütig fort: »Bei genaulichem Hindenken könnt ich jetzt für eins, zwei Tellers Dreitopf wen vermordseln.«

Was selbstverständlich zu noch mehr Geschrei führte.

»Die Katze da kann sprechen!«

»Warum ist die denn grün?«

»Hat die gerade gesagt, sie will Eintopf aus uns machen?«

»O Wol, jetzt wechselt sie die FARBE …«

»Bah, was müffelt denn hier so? Hilfe!«

Und so weiter.

Anemona kramte ihr Romanorakel hervor, ein kleines kompassähnliches Instrument aus der Bücherstadt Libraria, das eigentlich dazu gedacht war, einem beim Romanschreiben zu helfen, aber oft auch einen guten Ratschlag für komplizierte Lebenslagen in petto hatte. Der Zeiger bewegte sich zwischen fünf Punkten hin und her:

Im Moment deutete er auf »Hätte man sich ja denken können«.

Anemona seufzte und schob Oswald – der sich von Erbsensuppengrün zu einem tiefen Orangerot verfärbt hatte – zurück in die Tasche.

»Bin KEINE KATZEnich! Bin das furchtverregnendeMonster von unterm Bett! Was lernen diese Bälgier dennheutzutäglich im Unsterricht?«, fauchte er.

»Ist ja gut«, flüsterte Anemona und massierte sich die Nasenwurzel.

Oswald, der ein Kobold und damit eine Unterart von Monster war, schnaubte empört. Zu seinem Leidwesen sah er nämlich wirklich aus wie eine Katze, aber daran erinnerte man ihn besser nicht, denn dann wurde er überaus ungehalten, wofür der Farbwechsel stets ein sicheres Anzeichen war. Wenn man ihn richtig schlimm triezte, kam es sogar vor, dass er explodierte … und das war in den wenigsten Situationen hilfreich.

So hatte Anemona sich ihren ersten Schultag jedenfalls nicht vorgestellt.

Bevor sie am Morgen von zu Hause aufgebrochen war, hatte Hagedorn, ihr Vater, ihr ein Frühstückspaket gepackt, bestehend aus zwei Gumbo-Äpfeln und einem Aalleber-Sandwich. Tja, die gute Absicht zählte wohl.

»Ach, die Schulzeit«, hatte Hagedorn geseufzt, und seine mandelförmigen Augen, die Anemonas so ähnlich waren, hatten einen feuchten Schimmer angenommen. »Was für herrliche Erinnerungen da hochkommen. Die paar Narben, na ja … Ich bin gespannt, was du nach deinem ersten Tag zu erzählen hast.«

Anemona hatte lächelnd genickt, dabei jedoch ein furchtbar schlechtes Gewissen bekommen. Es gefiel ihr gar nicht, ihrer Familie gegenüber so zu tun, als freute sie sich auf die Schule, aber sie wusste sich einfach keinen anderen Rat.

Ihr Handgelenk war jetzt noch steif von all den Briefen an den Knöterich-Kurier, die ihr, wenn sie denn überhaupt beachtet worden waren, nichts als Hohn eingebracht hatten. Die Herausgeberin, Rubix Grimoire – die zudem die Ziehmutter ihrer besten Freundin Sonnenschein war –, schien sich endgültig gegen sie gewendet zu haben. Und von Moreg Vaine, der Einzigen, die möglicherweise in der Lage gewesen wäre, die VerHexZa von der Wahrheit zu überzeugen, fehlte jede Spur. Das alles hatte Anemona mehr schlaflose Nächte beschert, als sie zählen konnte.

Sie hatte es satt, von niemandem beachtet zu werden und keine Antworten zu bekommen. Dann musste sie eben selbst ergründen, warum die Wol-Brüder ihre Meinung geändert hatten und plötzlich magisch begabte Kinder an ihren Schulen duldeten … und warum niemand außer ihr sich über diesen Sinneswandel zu wundern schien.

Also hatte sie Kleidung und Proviant für ein paar Tage in ihre grüne Zotteltasche gestopft und ihrer Familie einen Zettel hingelegt, auf dem stand, dass sie erst wieder nach Hause kommen würde, wenn sie rausgefunden hatte, was in Immerda vor sich ging.

Wesentlich sinnvoller und vernünftiger wäre es vermutlich gewesen, sich erst mal an ihrer neuen Schule einzugewöhnen, dabei tunlichst nicht aufzufallen und Augen und Ohren offen zu halten. Stattdessen stand Anemona nun ungewollt im Mittelpunkt. In einer Hinsicht musste sie Oswald jedenfalls recht geben: Die Reaktion ihrer Mitschüler war ein wenig … sonderbar.

Das Dörfchen Mild lag nur ungefähr fünf Meilen von Grinfog entfernt, wo Anemona mit ihrer Hexenfamilie lebte, darum war sie davon ausgegangen, dass die Leute hier schon mal von ihr gehört hätten. Bei diesem Empfang jedoch hätte man meinen können, sie würde von Immerdas zweitem Mond, Helsebub (von dem es hieß, er hätte sich vor mehreren Ewigkeiten nach einem kosmischen Familienstreit von Immerdas erstem Mond, Jelsebub, losgerissen und sei mehrere tausend Meilen davongeschossen), stammen. Aber vielleicht lag genau da der Hase im Pfeffer – vielleicht hatten die Leute ja schon von ihr gehört und deswegen Angst.

Zu Anemonas Erleichterung wirkten ein paar andere Kinder aus Grinfog ähnlich verwirrt über die Panik wie sie selbst. Unter ihnen war Peg Spoon, ein Junge mit grünen Augen und dunkelbrauner Haut, den sie schon oft am Fluss beim Angeln gesehen hatte. Er warf seinen Mitschülern einen verständnislosen Blick zu, bevor er Anemona zaghaft zuwinkte. Sie winkte zurück.

Dann holte sie tief Luft und wandte sich möglichst behutsam an den Lehrer. »Ich bin Anemona … Anemona Moss. Sie müssen keine Angst vor mir haben …«

Sie sah von ihm zu einem Mädchen, das zu weinen angefangen hatte und jetzt immer lauter schluchzte, und wieder zurück

»Ähm. Vielleicht blinzeln Sie einfach, wenn Sie mich hören können?«, schlug sie vor.

Die Augen des Lehrers quollen förmlich aus ihren Höhlen, doch er blinzelte folgsam.

»Gut … also, meine Mutter hat mir einen Brief für Sie mitgegeben«, erklärte sie dann und schwenkte das zusammengefaltete Blatt Papier wie eine weiße Flagge als Zeichen ihrer friedlichen Absichten.

Der Lehrer, der sich allmählich von seinem Schock zu erholen schien, löste sich widerstrebend von der Wand und nahm den Zettel.

»Ich setze mich einfach hier hin, ja?«, fuhr Anemona fort und steuerte einen freien Platz in der Mitte des Klassenraums an. Dankbar registrierte sie, dass Peg sich auf den Stuhl neben ihr fallen ließ.

»J-jaja«, krächzte der Lehrer, der den Brief zu lesen begonnen hatte und dabei zusehends blasser wurde.

Sehr geehrter Herr Lehrer,

 

wir sind furchtbar stolz, ab heute unsere jüngste Tochter Anemona in Ihre Schule schicken zu dürfen. In was für wunderbar neuen Zeiten wir doch leben! Mein Mann und ich sind entzückt über die Anpassung des Friedensabkommens. Wie aufregend muss das alles erst für Sie sein! Ich wünschte, wir könnten heute dabei sein und uns gemeinsam mit Ihnen freuen.

Ich habe vollstes Vertrauen, dass Sie als erfahrener Pädagoge bestens für den Umgang mit einem magisch begabten Kind qualifiziert sind. (Zweifellos werden Sie ja umfassend für diese neue Herausforderung geschult worden sein, mit der, wie ich annehme, ohnehin nur die fähigsten Lehrkräfte betraut werden.) Für den Fall, dass Sie dennoch Anlass zur Sorge sehen, kann ich Sie beruhigen: Anemona ist die harmloseste meiner drei Hexentöchter, und es besteht keinerlei Gefahr, dass sie ihre Mitschüler in Kröten verwandelt oder durch die Kraft ihrer Gedanken in die Luft katapultiert! (Tja, Kinder – so sind sie nun mal.)

Allerdings existiert die zwar verschwindend geringe, aber trotzdem nicht zu verleugnende Möglichkeit, dass Anemona eines oder auch mehrere der anderen Kinder verschwinden lässt – eine unschöne Angewohnheit, die sie in den letzten Monaten entwickelt hat. (Sie kommt wohl langsam ins Teenager-Alter.) Sollte es tatsächlich einmal dazu kommen, seien Sie versichert, dass unsere Tochter diese Fähigkeit recht passabel unter Kontrolle hat (es sei denn, sie muss niesen) und die Verschwundenen in der Regel mehr oder weniger unversehrt wieder auftauchen. Somit sollten Sie alle sich nun rundum entspannt dem Unterricht widmen können.

Was Anemonas Schulbildung angeht, so wurde sie bislang von ihrer Großmutter zu Hause unterrichtet – der berühmten Zaubertrankbrauerin Floralia Moss, die leider vor kurzem von uns gegangen ist. Da meine geschätzte Schwiegermutter jedoch infolge einer Zaubertrankexplosion im Gebirge des Nax einen, wenn Sie den Ausdruck entschuldigen möchten, ziemlichen Sprung in der Schüssel hatte, sollten Sie darauf gefasst sein, dass einiges an Arbeit vor Ihnen liegt. Es tut mir leid.

Mit freundlichen Grüßen

Regena Moss

Dorfhexe im benachbarten Grinfog, anerkannte Hellseherin und Begründerin des Sehermarkts*

 

*Tickets erhältlich per Rabe, jetzt zum halben Preis bei Mitbuchung eines Besuchs auf dem Mitternachtsmarkt (Angebot nur gültig bis zum Ende der Mondgrüne)

Das Gesicht des Lehrers wurde immer bestürzter, während er den Brief zu Ende las – und gleich darauf noch mal von vorne anfing, als hoffte er, das alles wäre bloß ein böser Traum. Schließlich ließ er das Blatt sinken und musterte Anemona wie eine besonders große, haarige Spinne.

»Geht es dir, äh … gut?«

»Sehr gut, danke.«

Er räusperte sich, dann überflog er abermals Regenas Zeilen, und auf seinen kalkweißen Wangen traten rote Flecken hervor. »K-keine … äh … Erkältungssymptome? Sch-Schnupfen oder so?«

Es dauerte einen Moment, bis Anemona begriff, warum er sich danach erkundigte. »Ach so, das meinen Sie! Nein, alles in Ordnung. Und außerdem hab ich vor kurzem festgestellt, dass viel weniger Leute verschwinden, wenn ich mir beim Niesen die Nase zuhalte.«

Wieder schwappte eine Welle von Panik durch den Raum.

Die Wahrheit war, dass Anemona, wenn sie das Niesen unterdrückte, für gewöhnlich sich selbst zum Verschwinden brachte. Nur für eine Minute oder so. Sie hatte jedoch das Gefühl, dass diese Information in die Kategorie Sachen, die man besser verschweigt fiel.

»Und dein, äh … das da?« Er deutete auf die Zotteltasche samt Kobold. »Eigentlich ist es bei uns nämlich nicht üblich, sein … Haustier mit zur Schule zu bringen.«

»SeinWAS?«, ertönte Oswalds empörte Stimme, und die Tasche begann, unheilvoll zu qualmen.

Anemona seufzte. »Da trifft es sich ja gut, dass Oswald kein Haustier ist. Und er wird auch niemanden stören.« Dann beugte sie sich über Oswalds kürbisorange funkelndes Auge, das durch den Reißverschluss spähte, und setzte eine Miene auf, die … Übles verhieß, wenn jemand sich nicht sofort gehörig zusammenriss. Genauer gesagt: ein Bad.

Ein Grunzen drang aus der Tasche. »Na, bitterschön. Als wär’s nichentwürzigend genug, was diese Plitzfiepen über Katzens verzählen. Aber Haustier ist jawohlig der Zipfel der Feistigkeit! Kein Respekt nichmehr, nich mal für den letztesten Kobold.«

»Äh, gut. Tja, dann w-wollen wir mal. Herzlich willkommen, Anemona. Ich bin –«, der Lehrer klopfte sich nervös die Taschen ab, als könnte in einer davon sein Name verborgen sein, »Mr. Kuttelfisch.« Dann warf er dem grünen Zottelhaufen zu Anemonas Füßen einen letzten Blick zu und schien zu beschließen, ihn nicht weiter zu beachten, was vermutlich die klügste Entscheidung war.

Jemand zupfte an Anemonas Ärmel, und als sie den Kopf wandte, guckte Peg sie aus weit aufgerissenen Augen an. Von nahem sah sie die Sommersprossen auf seiner Nase. »Du kannst Leute verschwinden lassen?«, fragte er.

Der Geisterhase hockte auf der Lichtung.

»Hast du, worum ich dich gebeten habe?«, fragte Silas.

Der Hase starrte ihn einen Moment lang an. Dann öffnete er den Mund und gab einen trockenen Würgelaut von sich. Etwas Rundes, Graues rollte durchs Gras.

Ein Auge.

Es wirkte trüb, regelrecht vernebelt.

Silas bückte sich und hob es vorsichtig auf. Das Ding sah ziemlich leblos aus, schien sich dann jedoch auf die Berührung hin noch mehr zu bewölken.

Wind kam auf, und am Horizont braute sich ein Unwetter zusammen.

Silas gestattete sich den winzigsten Anflug eines Lächelns. »Gute Arbeit.«

2Vom Winde verdreht

Anemona nickte verlegen. »Na ja, dass ich Sachen wiederfinde, weißt du ja schon.« Sie hatte Peg schon des Öfteren bei der Suche nach irgendwas geholfen. Er neigte nämlich dazu, seine Köder fürs Fliegenfischen zu verbummeln.

Er grinste.

»Aber neuerdings lasse ich auch manchmal welche verschwinden. Das fing letztes Jahr an«, fuhr sie fort. »Erinnerst du dich an … die Elpennacht?«

Peg schlug sich die Hand vor den Mund und prustete los. »Das warst echt du? Deinetwegen stand Birdy Pondwater plötzlich pudelnackt am Freudenfeuer?«

Anemona wurde knallrot.

Genau genommen hatte die alte Dame zumindest noch eine rot-weiß gemusterte Rüschenunterhose und ein Hemdchen angehabt, also war pudelnackt nicht ganz zutreffend, aber was den Rest anging: Ja, irgendwie hatte Anemona aus Versehen in aller Öffentlichkeit Birdys Kleid zum Verschwinden gebracht.

Bei der Erinnerung schloss sie die Augen und verzog das Gesicht. Auch das war nicht gerade einer ihrer besten Tage gewesen. Als sie die Augen wieder öffnete, musterte Peg sie noch immer amüsiert.

»Also, ich hab dir damals jedenfalls geglaubt, als du behauptet hast, du wärst es nicht gewesen. Du weißt schon, kurz bevor die anderen angefangen haben, dich mit Rosinenbrötchen zu bewerfen, und deine Schwester dich nach Hause geschleift hat.« Wieder grinste er, und in seiner Wange bildete sich ein Grübchen.

Jetzt musste Anemona sich selbst das Lachen verkneifen. »Oleandra hat mich nicht nach Hause geschleift. Sie hat mich bloß … vor der wütenden Meute in Sicherheit gebracht.«

»Ach so, klar. Das ist natürlich ein Unterschied.«

»Genau.«

Sie kicherten.

»Tja, aber dann hat sich rausgestellt, dass ich es irgendwie doch war … obwohl ich es zu dem Zeitpunkt gar nicht gemerkt hab. Meine Magie hat damals einfach ein bisschen verrücktgespielt, oder zumindest dachte ich das. Ist ’ne lange Geschichte, aber jedenfalls kann ich jetzt auch das Gegenteil von dem, worin meine Gabe vorher bestand – also Sachen verschwinden lassen, anstatt nur welche wiederfinden. Und Menschen auch, aber das passiert meistens eher unabsichtlich. Daran muss ich noch arbeiten.«

Sie verriet Peg lieber nicht, dass sie für gewöhnlich die falsche Person verschwinden ließ, wie zum Beispiel ihre Mum, wenn sie es eigentlich auf ihre Schwester Camilla abgesehen hatte. Was bei ihr zu Hause schon so einige Male für Wirbel gesorgt und ihr eine Menge Zeit auf dem Dachboden beschert hatte, wo sie »über ihr Verhalten nachdenken« sollte, während Camilla ihr von der Treppe aus biestige Blicke zuwarf … so dass das Ganze oft gleich wieder von vorne losging.

Ein Glück, dass ihre Schwestern schon zu alt für die neuen gemischten Schulen waren.

Zu Anemonas Erleichterung schien Peg jedoch nicht im Geringsten zu befürchten, sich jeden Moment in Luft aufzulösen. Im Gegenteil, sein Grinsen war jetzt noch schelmischer. »Schade, dass es noch nicht perfekt klappt«, sagte er mit einem unauffälligen Nicken Richtung Lehrerpult. »Könnte nämlich ganz nützlich sein. Du hast echt keine Ahnung, wie langweilig Mr. Kuttelfischs Stunden sein können, wenn er’s drauf anlegt. Und das tut er meistens.«

Anemona lachte leise.

Dann wurde Pegs Gesicht mit einem Mal ernst. »Aber schon irre, dass du jetzt hier bist, oder?«, fügte er flüsternd hinzu. »Meine Mum hat erst mal Zustände gekriegt, als sie gelesen hat, dass sie die Regeln geändert haben …« Er senkte betreten den Blick. »Sie ist da ein bisschen altmodisch.«

Anemona nickte. Da Pegs Mutter Begonia stets eine Hexenabwehrhalskette trug, hatte sie sich so was schon gedacht. Die Kette bestand aus Ziegenhaaren und Perückenkraut und sollte ihre Trägerin vor Magie jeglicher Art schützen. Was vollkommener Unfug war, aber das behielt Anemona lieber für sich.

 

Als Kind hatte Anemona Pegs Mutter einmal auf der Straße getroffen und sofort bemerkt, wie hastig Begonia nach ihrer Halskette getastet hatte. Sie war schnurstracks zu Granny Flora gelaufen – ihre Großmutter hatte gerade an einem Anti-Verstopfungstrank gearbeitet, der später explodierte und Teile des Gewächshauses zerstörte – und hatte ihr davon erzählt.

Ihre Granny hatte sich eine lange grüne Haarsträhne hinters Ohr gestrichen und verwundert zu Anemona aufgeschaut. »Begonias Halskette? Ach, das ist nichts als ein bisschen aufgefädelter Krimskrams, kann man auf jedem Markt kaufen. Früher hab ich sogar selbst solche Dinger hergestellt, um guten Willen zu zeigen. Damals, als wir Zauberleute in die normalen Städte gezogen sind. Nicht, dass die groß was bewirken würden, außer einem vielleicht ein paar Flöhe vom Leib zu halten. Aber besser, man stößt niemanden mit der Nase drauf.« Sie blickte Anemona vielsagend an. »Manchmal muss man den Leuten einfach was zum dran Glauben geben, damit sie sich nicht von ihren Ängsten überwältigen lassen.«

Anemona war einigermaßen entsetzt gewesen. »Du hast selbst welche davon gemacht? Obwohl du wusstest, dass sie gar nicht funktionieren? Ist das nicht … unehrlich?«

Granny Flora hatte einen Moment darüber nachgedacht, während sie Grummelnde Gertruden für ihren Zaubertrank hackte – vermutlich um dessen fiesen Geschmack zu übertünchen –, und der Saft färbte ihre Finger dunkelrot. »Furcht ist eine finstere Gefährtin, Kind, und etwas wie Rücksicht ist ihr fremd. Wenn du sie einmal reinlässt, macht sie sich unaufhaltsam in deinem Kopf breit, darum ist es immer gut, wenn jemand einen Weg findet, sie in Schach zu halten. Das ist keine Frage von ehrlich oder unehrlich, von richtig oder falsch. Die Mischung macht’s, wie so oft im Leben, verstehst du?«

Ja, das hatte Anemona verstanden. Aber ihr war auch klar gewesen, dass das nicht jeder tat.

 

»Ich find’s echt blöd, dass sie diese Kette trägt«, sagte Peg jetzt zerknirscht. »Vor allem, weil sie ja eigentlich weiß, dass es dazu überhaupt keinen Grund gibt.«

»Ist schon gut, Peg. Mir macht das nichts aus.«

Am liebsten hätte Anemona einen ganzen Schwung Ketten an ihre Mitschüler verteilt, wenn sie sich dadurch besser fühlten. Gleichzeitig jedoch wünschte sie, so was wäre gar nicht nötig und die anderen würden einfach von selbst erkennen, dass sie sich nicht vor ihr fürchten mussten, bloß weil sie ein wenig anders war.