Der Zaubergarten – Geheimnisse sind blau - Nelly Möhle - E-Book
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Der Zaubergarten – Geheimnisse sind blau E-Book

Nelly Möhle

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Beschreibung

Ein magischer Garten, zwei beste Freundinnen und ein großes Geheimnis – in dieser Reihe werden Kinderträume wahr!Als Tilda aus dem verwilderten Garten nebenan – versehentlich!!! – eine wunder-, wunderschöne blaue Blume über die hohe Mauer mit nach Hause nimmt, ahnt sie noch nicht, welches Geheimnis sie birgt. Einmal an den in allen Blautönen schimmernden Blütenblättern geschnuppert, und – plöpp! – wird man unsichtbar! Klar, dass Tilda und ihre Freundin Anni noch einmal über die Mauer klettern müssen – vielleicht sind da ja noch mehr Zauberblumen? Doch die beiden haben die Rechnung ohne den unheimlichen Besitzer des Gartens gemacht. Der will seine magische Pflanze zurück und lässt die beiden Mädchen nicht mehr aus den Augen …Der erste Band der erfolgreichen Kinderbuchreihe von Nelly Möhle – mit vielen magischen Bildern von Eva Schöffmann-DavidovAusgezeichnet mit der »Kieler Lesesprotte 2020«!Alle Bände der Serie »Der Zaubergarten«:Band 1: Geheimnisse sind blauBand 2: Abenteuer können fliegenBand 3: Überraschungen haben FellBand 4: Freundschaft macht lustigBand 5: Wunder blühen buntBand 6: Ferien bringen Glück (erscheint im Sommer 2022)Serie bei Antolin gelistet

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Seitenzahl: 161

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Nelly Möhle

Der Zaubergarten

Geheimnisse sind blau

Mit Bildern von Eva Schöffmann-Davidov

FISCHER E-Books

Inhalt

WidmungHallo! Ich bin Tilda.Der verbotene GartenEntwischt!ZaubereiHaarige BegegnungAlles geht schiefErkundungenVerfolgtIn der NachtAufgeflogenHerr BovistDie ZauberblumenDer AuftragLESEPROBEIch glaube, der Dschungel [...]

Für Lilly und Louis

Hallo! Ich bin Tilda. Und ich möchte dir eine unglaubliche Geschichte erzählen. Meine Geschichte ist nicht nur unglaublich. Sie ist mir, besser gesagt uns, wirklich genau so passiert!

Es war der letzte Samstag im Mai, also vor noch nicht einmal einem Monat. Ich stand am Küchenfenster und sammelte die toten Fliegen auf dem Fensterbrett ein. Eine fürchterliche Langeweile hatte mich gepackt. Normalerweise hätte ich mich an so einem Tag mit meiner besten Freundin Lea verabredet. Aber das ging nicht mehr. Denn die wohnte jetzt in einer anderen Stadt, weit, weit weg.

»Matilda!« Mama musste im Flur sein. »Tilda-Schatz, ich hab hier jemanden für dich!«

Das Haar des Mädchens, das Mama im nächsten Moment in die Küche schob, glänzte wie das schwarze Fell eines Panthers.

»Anni ist die Tochter meiner alten Freundin Renate. Die beiden sind erst letzte Woche zurück in die Stadt gezogen und wohnen gleich um die Ecke«, teilte mir Mama freudig mit. »Renate hat noch so viel zu erledigen, und da dachte ich, ihr beiden könntet so lange zusammen spielen.«

Aha.

»Hallo!«, sagte das Panther-Mädchen und grinste mich mit ihrem großen Mund lustig an.

»Ihr seid auch noch gleich alt! Womöglich kommt Anni in deine Klasse!«, rief Mama und freute sich wie verrückt. Sie schob Anni ein Stück in meine Richtung. »Du wolltest doch mit den Zwillingen zum Schuppen gehen, Tilda. Den würde Anni sich bestimmt gern anschauen!«

Mama zwinkerte mir zu. Und verschwand durch die Küchentür.

Ich wusste immer noch nicht, was ich sagen sollte. Anni wickelte sich eine ihrer Haarsträhnen um den Finger. So lange schwarze und wunderschöne Schneewittchenhaare hatte ich mir immer gewünscht. Meine Locken sind braun-blond gemischt. Wie der Pudel von Frau Rössel, sagt mein Bruder Finn. Das stimmt aber nicht, weil der Pudel immer geschoren wird, während meine Locken wachsen, seit ich aus Mamas Bauch gekrochen bin!

Aber gut.

»Willst du mit in unser Geheimversteck?«, fragte ich schließlich.

»Klar!«, sagte Anni.

»Aber meine älteren Brüder Finn und Jonas gehen auch mit«, warnte ich sie.

»Super!«

Die hatte wohl keine Brüder.

Egal. Ein gleichaltriges Mädchen, das aussieht wie ein Panther und grinst wie Pippi Langstrumpf, konnte so verkehrt nicht sein.

Zu viert machten wir uns wenig später auf den Weg zu unserem Geheimversteck.

Unser Schuppen steht im Garten von Oma und Opa, nur eine Straße weiter.

Finn und Jonas hatten den Fußball mitgenommen und kickten ihn hin und her.

»Die beiden sehen ja absolut gleich aus«, sagte Anni.

»Ja, schon. Ich kann sie leicht auseinanderhalten. Weil sie total unterschiedlich sind: Finn ist wie ein Löwe. So ein Löwenmännchen habe ich im Fernsehen gesehen. Er denkt, er ist der Allerstärkste. Und er reißt sein Maul zum Brüllen ganz weit auf!«

Anni sagte: »Er hat auch eine Mähne wie ein Löwe.«

»Und Jonas ist ein Leopard. Ein Leopard ist leise und geschmeidig«, klärte ich Anni auf.

»Du magst Tiere«, stellte Anni fest.

»Ich liebe Raubkatzen!«, sagte ich. »Und alle anderen Tiere auch. Außer Zecken. Zecken finde ich total eklig!«

Ich liebe wirklich alle Tiere, selbst Läuse. Von denen habe ich mal welche aus der Schule mitgebracht. Papa musste uns allen eine stinkige Paste in die Haare schmieren und Plastiktüten auf den Kopf setzen. Selbst Mama und Papa hatten eine Tüte auf. Und wir durften alle einen Tag zu Hause bleiben und Spiele machen. Schön war das.

Wieder lachte Anni. Sie holte ihr Lachen ganz tief aus dem Bauch heraus. Hohohooo! Fast wie der Weihnachtsmann.

Meine Brüder lachten nicht mehr.

»Kannst du nicht ein einziges Mal gerade schießen?«, meckerte Jonas.

»Mein Schuss ist wie immer genial! Dein Babyball eiert!«, rief Finn.

Inzwischen waren wir in der Scheffelstraße 14 angekommen. Neben dem Haus von Oma und Opa schlüpften wir durch das versteckte Gartentörchen.

Anni staunte: »Das ist ja ein Park. Sogar Wege gibt es hier!«

»Und alle Wege enden bei unserem Schuppen«, sagte ich.

Ich bin immer richtig stolz auf den Garten. Obwohl er mir ja gar nicht gehört. Er ist riesig und mit vielen uralten Bäumen und Büschen bewachsen. Und zwischen all den Bäumen und Büschen gibt es immer wieder kleine Grasflächen und Blumenbeete und Bänke, auf denen Oma sich ausruhen kann.

Opa ist besonders stolz auf seinen Rosengarten. Er hat ihn vor unzähligen Jahren angelegt. Papa sagt, allein Opas Rosengarten ist so groß wie unser gesamtes Reihenhausgrundstück.

Jedenfalls steht hinter all den Rosen und Sträuchern und Bäumen, direkt an der großen Gartenmauer, unser Schuppen. Opa hat ihn uns geschenkt.

Wir nahmen den linken Gartenweg an der großen Steinmauer entlang. Meine Brüder stritten sich inzwischen wie verrückt.

»Du bekommst keinen einzigen Schuss gerade hin«, rief Finn gerade. Er kickte den Ball gegen die Mauer und fing ihn wieder auf.

»Gib den Ball her!«, schrie Jonas.

»Hol ihn dir doch, du Zwerg!«, äffte Finn und hob den Ball mit gestreckten Armen über den Kopf.

Jonas stürmte los. Aber Finn war schneller. Er ließ den Ball fallen und schoss ihn – plopp! – in hohem Bogen über die Mauer in das verwilderte Nachbargrundstück.

»Du Knallfrosch!«, brüllte Jonas. »Der war teuer! Den holst du wieder!«

Finn glotzte immer noch dem Ball hinterher. »Äh«, sagte er schließlich. »Jetzt hab ich mich echt mal verschossen!«

Jonas’ Gesicht war knallrot, und die hellblonden Haare standen wild ab. »Mir grad egal, du mieser Torschützenkönig! Hol mir den WM-Ball wieder! Sonst passiert was Schreckliches, ich schwör es!«

Finn knabberte an seinem Daumennagel. Und stierte auf die Mauer.

»Die Mauer ist ja riesig! Da kommt man nie im Leben drüber!«, sagte Anni und legte den Kopf in den Nacken.

»Wir dürfen sowieso nicht über die Mauer klettern«, sagte ich, »strengstes Gartengesetz. Opa sagt, dass wir niemals nie in den Nachbargarten klettern dürfen, egal was passiert!«

»Warum nicht?«, fragte Anni. »Wer wohnt denn dort drüben?«

»Da wohnt ein Herr Bovist«, sagte ich.

»Oh! Ja, das hört sich echt gruselig an!«, rief Anni. »Hohohooo!«

Blöd fand ich das von ihr.

Aber gut, sie konnte ja auch nicht Bescheid wissen. Also erklärte ich es ihr:

»Hinter dieser hohen Steinmauer liegt gut versteckt ein riesiges Grundstück. Niemals werden die Bäume und Büsche dieses Anwesens geschnitten. Kein Mensch kann einen Blick hineinwerfen. Die große Mauer, von der das gesamte Grundstück eingeschlossen ist, kann nur durch ein großes Eisentor betreten werden. Allerdings ist dieses Tor immer verschlossen, und eine Klingel gibt es nicht.«

Anni kratzte sich den Bauch. »Und dieser Herr Bovist? Wo steckt der?«

»Tja«, antwortete ich. »Herr Bovist lebt irgendwo auf diesem Grundstück. Wie ein Einsiedler, sagt meine Tante Ilse. Und die weiß einfach alles, was hier in unserer Stadt passiert. Und vor allem weiß sie, was in unserem Wohnviertel passiert. Tante Ilse ist Opas Schwester. Sie sagt auch, dass seit Jahren keiner mehr Herrn Bovist gesehen hat. Nur seinen schwarzen Geländewagen mit den verdunkelten Scheiben sieht man ab und zu aus dem Tor kommen. Manche Nachbarn aus der Scheffelstraße erzählen von fürchterlichem Hundegebell und Gewinsel von hinter der Mauer.«

Ich hatte allerdings noch nie Hundegebell von der anderen Seite der Mauer gehört. Obwohl ich schon ein paarmal extra gelauscht hatte.

»Und einmal, vor vielen Jahren«, erzählte Jonas, »ist Opa hier mit der Leiter auf die Mauer gestiegen, um die Brombeerranken zu schneiden. Plötzlich tauchte dort drüben ein vollständig behaarter Mensch auf. Er starrte Opa grimmig an und stieß einen seltsamen Laut aus. Opa ist vor Schreck abgestürzt und lag mit gebrochenem Bein wochenlang auf dem Sofa. Oma hat ihm verboten, noch einmal über die Mauer zu gucken!«

»Quatsch mit Soße!«, sagte Anni.

Wie jetzt? Glaubte Anni uns nicht? Vor Schreck verschluckte ich mein Melonen-Kaugummi. Ich stellte mir Herrn Bovist immer wie Räuber Hotzenplotz vor. Wild, gefährlich und behaart.

»Und überhaupt bekommen wir lebenslanges Schuppenverbot, wenn wir auch nur einmal einen Fuß hinter die Mauer setzen«, rief ich. »Das hat Opa gesagt. Und Tante Ilse sagt, wer da rüberklettert, ist nicht mehr zu retten!«

»Man wird ja wohl kurz seinen Ball holen dürfen!«, sagte Anni. »Oder traut ihr euch wirklich nicht?«

»Klar trau ich mich da rüber!«, antwortete Finn angeberisch. »Bis jetzt hat mich dieser zugewachsene Acker einfach nicht interessiert!«

»Ach, echt? Na prima!«, rief Jonas. »Dann los, kletter rüber und hol meinen Ball!«

Finn zog mit einem schmatzenden Geräusch die Nase hoch.

Jonas gab ihm einen Schubs. »Du musst hinten beim Schuppen über die Mauer. Da kommen Oma und Opa fast nie hin.«

Finn sagte: »Klar! Gar kein Problem.« Und lief den Pfad entlang in Richtung Schuppen.

Wir folgten ihm im Gänsemarsch.

Ganz hinten im Garten treffen sich alle drei Pfade wie an einer kleinen Kreuzung. Und genau dort steht unser Geheimversteck. Direkt an der großen Mauer aus Natursteinen.

»Boah, eine grüne Hütte!«, rief Anni.

Ja, wir haben wirklich das schönste Geheimversteck aller Zeiten!

Opa hat den Schuppen vor Urzeiten für seine Gartengeräte gezimmert. Weil hier hinten an der Mauer früher Gemüsebeete waren. Da waren Oma und Opa noch junge Leute.

Jedenfalls ist unser Schuppen aus Holz und hat eine Tür und ein kleines Fenster. Und ein schräges Dach aus Wellblech. Auf dieses Wellblechdach kletterte Finn nun mit Hilfe einer Holzkiste. Und von dort zog er sich auf die rote Steinmauer hinauf.

Ich musste meinen Kopf ganz weit in den Nacken legen, um zu Finn auf der Mauer zu gucken. So hoch ist die Mauer, das muss man sich mal vorstellen.

»Finn ist kein Löwe, er ist ein Affe«, sagte Anni kichernd.

Ich stupste sie in die Seite.

Finn rief von oben: »Das ist ein richtiger Urwald. Die Büsche und Bäume hinter der Mauer sind riesig. Da findest du nicht mal einen Elefanten wieder!«

»Du kannst mir ja auch einen neuen Ball kaufen!«, brüllte Jonas. »Das bedeutet vier Monate kein Taschengeld! Und wenn ich es Mama erzähle, bekommst du nie wieder Taschengeld!«

Finn zeigte Jonas einen Vogel. Und sprang. Ich hörte einen Plumps auf der anderen Seite. Dann ein Rascheln. Und dann hörte ich nichts mehr!

Jonas guckte finster. »Der findet den Ball niemals. Bei dem Gestrüpp da drüben!«

Da konnte ich Jonas nur zustimmen. Finn fand nie etwas. Nicht in seinem Zimmer und auch nicht in seinem Schulranzen.

Jonas setzte sich auf die Obstkiste. »Ist mir grad egal, wie er’s macht. Hauptsache, er kommt nicht ohne Ball wieder.«

Das konnte dauern. Also zeigte ich Anni erst mal unseren Schuppen. Die Vorhänge mit den Vögelchen drauf fand sie am allerschönsten. Aber auch der kleine Tisch und die roten Hocker gefielen ihr. Deshalb zeigte ich ihr auch noch die Kiste mit den Zeitschriften. Es sind Omas Zeitschriften, und da sind viele Fotos von echten Prinzessinnen und anderen berühmten wichtigen Leuten drin.

»Toll, echt«, sagte Anni.

Zum Abschluss meiner Hüttenführung zeigte ich ihr noch Knox. Besser gesagt: seinen Hauseingang.

»Kno… was?«, fragte Anni.

»Knox!«, sagte ich. »Meine Maus. Sie ist leider mein einziges Haustier.«

Das war wirklich so. Obwohl ich mir schon seit Ewigkeiten einen Hund wünsche. Aber immer wenn ich einen Hund auf meinen Wunschzettel schreibe, sagt Papa: »Tilda-Schatz, vier Kinder im Haus ersetzen jedes Haustier. Da ist vom Ferkel bis zum Kampfhund alles dabei!«

Jetzt erklärte ich Anni: »Schau mal, hier hinten an der Schuppenwand hat Knox einen kleinen Eingang geknabbert. Das darfst du aber nicht Opa erzählen. Er mag nämlich keine Mäuse.«

Opa hat in seinem Keller fiese Mausefallen. Ich mag Mäuse. Und vor allem natürlich Knox. Der ist richtig niedlich mit seiner kleinen rosa Nase und den langen Barthaaren, die immer so zucken, wenn er mich sieht.

Viel mehr konnte ich Anni dann aber nicht mehr zeigen.

»Kiiinder!« Das war Omas Stimme.

Sie musste schon ganz nah beim Schuppen sein.

Jonas riss die Hüttentür auf und rief mir zu: »Achtung! Oma ist im Anmarsch! Wir müssen sie von Finn ablenken!«

Schon flitzte er los. Ich sauste hinterher.

»Kiiinder!«, ertönte es wieder. Omas Kopf tauchte hinter den Johannisbeersträuchern auf.

»Aaah, da seid ihr ja. Mama hat mir verraten, dass ich euch hier finde. Es gibt Vanilleeis mit heißen Himbeeren!«

Ich liebe Vanilleeis mit heißen Himbeeren!

Oma schaute sich um. »Wo ist denn Finn?«

Tja!

In diesem Moment entdeckte Oma Anni. »Und wer bist du?«, fragte sie.

»Guten Tag«, antwortete Anni und strahlte Oma an. »Mein Name ist Annemarie Kummer. Meine Mutter ist die Renate.«

»Ach, du bist Renates Tochter? Ihr wohnt wieder in der Stadt, stimmt’s? Wie schön! Komm, wir essen auf der Terrasse ein leckeres Eis, dann kannst du mir alles erzählen. Wo ist Finn überhaupt?«, plapperte Oma fröhlich.

»Er holt einen Fußball«, antwortete Anni.

»Jaja, na ja, er wird uns finden, wenn er seinen Ball geholt hat«, meinte Oma und hakte sich bei Anni ein. Zusammen gingen sie in Richtung Haus davon.

Oma war fürs Erste beschäftigt.

Blöd nur, dass wir unseren Posten an der Mauer verlassen mussten. Was, wenn Finn nach uns rufen würde?

Kein Eis zu essen kam aber auch nicht in Frage. Und was sollte schon passieren?

Ich schaute noch einmal zur Mauer.

Alles war still.

Oma hatte den Tisch auf der Terrasse gedeckt. Von dort hat man einen tollen Blick über die raspelkurz gemähte Sonnenwiese und den Rosengarten bis hin zu den ersten Obstbäumen. Beim Essen befragte Oma Anni. Ich hörte nicht wirklich zu, sondern beobachtete den mittleren Gartenweg. Auf dem müsste Finn bald erscheinen. Nachdem ich alle Himbeeren einzeln gelutscht hatte und Finn immer noch nicht aufgetaucht war, rutschte ich zappelig auf dem quietschenden Eisenstuhl herum. Wo blieb er nur?

Jonas’ Füße zuckten wild.

Anni bestellte bei Oma eine zweite Portion Eis. Ich versuchte, ihr einen Blick zuzuwerfen. Sie merkte nichts. Als ihr die glückliche Oma noch ein drittes Eis bringen wollte, verpasste ich Anni einen Tritt unter dem Tisch.

Anni verstand. »Leider bin ich satt. Vielen Dank für das vorzügliche Eis!«

Oma rief begeistert: »Kind, was kannst du dich schön ausdrücken! Jetzt haben wir euch genug in Beschlag genommen, ihr wollt bestimmt spielen. Wenn Finn auftaucht und sein Eis essen möchte, schickt ihn her.«

Wie eine Herde Pferde galoppierten wir über die Wiese davon.

Atemlos standen wir wieder beim Schuppen an der Mauer. Von Finn war weit und breit nichts zu sehen.

Ich rief: »Fiiinn!« Und spitzte die Ohren.

Nichts!

»Dem muss was passiert sein! Er ist schon ewig drüben!« Jonas raufte sich die Haare.

»Wir müssen zum Abendessen wieder zu Hause sein. Mit Finn!«, stellte ich fest.

Ich musste was unternehmen. Ich stieg auf die Obstkiste. Und versuchte, mich am Schuppendach hochzuziehen.

»Du bist kein Affe«, sagte Anni.

»Lass mich mal!« Jonas schubste mich von der Kiste und sprang wie eine Katze von der Kiste auf das Dach und von dort auf die Mauer.

Anni guckte mich an. »Ich komm da auch nicht hoch. Wir brauchen eine Leiter.«

»Opa hat eine Leiter bei den Kirschbäumen stehen«, fiel mir ein.

Bei den Kirschbäumen fanden wir keine Leiter. Auch nicht bei den Apfel- und Birnenbäumen.

»Wie viele Obstbäume gibt es denn noch in diesem riesigen Garten?«, fragte Anni.

»Nur noch zwei Quittenbäume!«, antwortete ich. »Die stehen dort hinter der Brombeerhecke.«

Und tatsächlich lehnte an dem einen Quittenbaum Opas lange Holzleiter. Es war ganz schön mühsam, das alte Ding bis zur Mauer zu schleppen.

Ich kletterte als Erste hoch. Die Leiter ächzte und wackelte. Breit war die Mauer, da konnte ich nur staunen. Fast wie bei einer Burg. Vorsichtig richtete ich mich auf. Und sah nur noch grün.

»Fiiinn!«, rief Jonas.

Ich merkte, dass er sich Sorgen machte. Bei den Zwillingen ist es nämlich so: Sie streiten wie die Verrückten. Aber ohne einander können sie es kaum aushalten.

»Fiiinn!«, rief auch ich.

Hinter mir knarzte die Leiter. Anni stieg Sprosse um Sprosse nach oben. Jetzt klammerte sie sich an der Mauer fest und schaute neugierig in das Grün auf der anderen Seite.

»Ihr müsst mal rücken«, sagte sie. Also balancierte ich mit ausgebreiteten Armen ein Stück auf der Mauer entlang. Wie tief es da runterging!

Weit kam ich nicht. Aus dem Nachbargarten quollen Äste und Zweige wie lange Arme herüber und versperrten mir den Weg.

»Wir müssen Finn suchen«, sagte Jonas.

Er stieß sich ab und sprang in den Nachbargarten.

Anni saß inzwischen auf der Mauer. Ihre Füße baumelten auf Herrn Bovists Seite.

»Das ist mir eindeutig zu hoch«, sagte sie und starrte auf Jonas.

Der rief zu uns herauf: »Jetzt macht schon!«

Also zerrten Anni und ich die Holzleiter auf die Mauer und ließen sie auf der anderen Seite in den Garten hinunter. Ganz schön schwierig war das.

»So ein sperriges Miststück!«, schimpfte Anni.

Vorsichtig stiegen wir nach unten. Die alte Leiter wackelte und stöhnte.

Aber endlich standen wir alle auf der anderen Seite im verbotenen Garten.

»Jetzt kann ich nur hoffen, dass es hier nicht wirklich wilde Hunde gibt!«, sagte Anni.

Mein Bauch grummelte.

Ich drehte meinen Kopf nach links, nach rechts, nach oben. Und was soll ich sagen:

Wir standen mitten im Dschungel!

»Okay!«, sagte Jonas. »Auf geht’s!«

Aber das war leichter gesagt als getan. Das Grünzeug stand entlang der Mauer so dicht, dass wir erst einmal in den Dschungel hineingehen mussten. Ach was, gehen. Wir kletterten über einen umgefallenen Baumriesen, unter einem anderen robbten wir durch. Überall wucherte dichtes Gestrüpp, so dass wir ständig Umwege und Slalom machen mussten. Der Waldboden war bedeckt von hellgrünen Farnen und dunkelgrünem Moos.

Und unsere Füße raschelten durch braunes, vertrocknetes Laub.

Ehrlich gesagt kam bei mir noch die Angst dazu. Ich meine, ich hatte oft genug Tante Ilses Erzählungen über dieses Grundstück gehört. Und über die Bewohner natürlich auch. Gruselig!

Immer wieder blieben wir stehen und spitzten die Ohren. Aber wir konnten kein Hundegebell oder Gewinsel hören. Es war überhaupt gar nichts zu hören.

Und wenn ich nach oben schaute, konnte ich keinen Himmel sehen. Nur grün.

Plötzlich blieb Jonas stehen. »Da vorne werden die Büsche und Bäume weniger. Wir schleichen uns vorsichtig an. Keiner sagt auch nur einen Ton. Ist das klar?«

Anni und ich nickten stumm.

Jonas musterte uns von oben bis unten. »Noch bunter hättet ihr euch nicht anziehen können, oder? Wie zwei Papageien. Wenn Herr Bovist hier irgendwo herumläuft, sieht er euch schon aus einem Kilometer Entfernung!«

Ich schaute erst an mir herunter, dann an Anni. Schön sahen wir aus. Tatsächlich wie zwei prachtvolle Papageien. Anni und ich grinsten uns an.

Nur Jonas schaute bitterböse. Und schlich in Richtung des Lichts davon.

Wir erreichten das Ende des Dschungels und standen am Rande einer Lichtung. Sie war fast kreisrund. Büsche und Bäume bildeten einen kompletten Schutzwall um die Wiese herum. Darauf stand ein Gewächshaus. Es war ungefähr doppelt so groß wie mein Kinderzimmer und aus kleinen Glasscheiben zusammengesetzt. Viele Scheiben waren zerbrochen. So ein Gartenhaus bräuchten wir für unsere Garten-AG in der Schule. Wir pflanzen unser Gemüse und die Blumen in Holzkisten und unter Plastikplanen.

Plötzlich bewegte sich etwas in dem Glashaus. Ich zog Anni hinter einen mächtigen Farn.

»Da-ha!«, wisperte ich.

»Pscht!«, machte Jonas.

Es war eindeutig ein Mensch. Ein Mann, um genau zu sein. Er kauerte gebückt am Boden. Was machte er da? Wieder kroch Angst in mir hoch. War das Herr Bovist? Der über und über behaarte Mann, den Opa gesehen hatte?