Der Zorobaster - Rolf Clostermann - E-Book

Der Zorobaster E-Book

Rolf Clostermann

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Beschreibung

Eine Feder, mit der Der Zorobaster einst geschrieben wurde, taucht in einem Baggersee am Niederrhein auf. Fynn hat sie gefunden. Jetzt ist er in Gefahr, denn das magische Zauberbuch ist in die Hände des bösen Klingsor geraten, der die Welt in seine Macht bringen will und nach der Feder strebt, ohne die die Wirksamkeit des Zorobaster nicht voll entfaltet werden kann. Das alles erfährt Fynn zu seinem Erstaunen von Ferrice, dem Staubigen, der ihm aus einer Staubwolke erschienen ist. Zusammen mit Fynns Schwester Leslie beschließen sie, das verlorene Buch zurückzuerobern. Die drei brechen zu einer Reise voller Gefahren und Abenteuer auf. Sie werden von Trollen und Snuffgolms, Sbeksen, Hexen und Riesen verfolgt, müssen hohe Felsen erklettern, sich durch ein Labyrinth, Treibsand, Eis und Schnee kämpfen und gelangen schließlich in die seelenlose, kalte Welt, die Klingsor bereits verändert hat. Kann ihnen der weise Mönche Gerwasius von Tilbury, der eine Abschrift des Zorobaster besitzen soll, behilflich sein? Eine fantastische Historiensaga mit nicht zu leugnenden Bezügen zur Gegenwart.

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Seitenzahl: 356

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Rolf Clostermann

Der Zorobaster

Das verlorene Buch der Zauberer

E-Book
1. Auflage Oktober 2015
Info3-Verlag, Frankfurt am Main
Herstellung: Kulturfarm, Rinteln
Umschlagsgestaltung: Frank Schubert
ISBN 978-3-924391-89-8
Buchausgabe
1. Auflage Oktober 2015
Mit Illustrationen von Alfred Marschall-Sutor
Satz und Buchgestaltung: Frank Schubert
Druck und Bindung: CPI books, Leck
ISBN 978-3-95779-034-7

Prolog im Himmel

Am Anfang war der Logos.

Und der war bei Gott.

Alles ist durch ihn geworden.

Und die Wahrheit kam durch

den Fleisch gewordenen Logos.

Frei nach Johannes 1.

Die Wahrheit und das Märchen

Die Wahrheit ging durch die einsamen Straßen der Stadt spazieren. Es war die nackte Wahrheit. Warum sollte sie sich auch kleiden? Sie sagte zu sich selbst: „Ich bin die Wahrheit und habe nichts zu verbergen. Und auch, wenn ich alt bin, so gehe ich doch so, wie ich bin.“

Oft ging die Wahrheit aber traurig und gedankenverloren durch die Gassen. Sie wunderte sich, dass niemand sie in sein Haus einlassen wollte, und fühlte sich einsam, weil niemand etwas mit ihr zu tun haben wollte. Aber wer mochte denn schon einer nackten Wahrheit ins Auge sehen? Nein, viele fürchteten sich davor.

Da stand auf einmal, wie aus dem Nichts gekommen, das schöne Märchen vor ihr. Das Märchen erfreute sich bei den Menschen großer Beliebtheit. Alle sahen es gerne an, weil es stets die hübschesten, farbigsten Kleider trug.

Das Märchen hatte die Wahrheit schon eine Weile beobachtet, wie sie so traurig durch die Straßen lief. Es hatte Mitleid mit ihr, sprach sie schließlich an und fragte, ob es ihr helfen könne.

Die Wahrheit erzählte dem Märchen, dass niemand etwas mit ihr zu tun haben wolle. Sie glaube, sie sei zu alt, und das läge wohl daran.

„Sei nicht betrübt, liebe Wahrheit“, sagte das Märchen, „sieh mich an. Auch ich bin sehr alt. Und je älter ich werde, desto mehr lieben mich die Menschen. Ich will dir mein Geheimnis verraten. Alle Menschen mögen es, sich zu schmücken. Und viele lieben es auch, sich ab und zu etwas zu verkleiden. Ich will dir helfen und dir einige meiner vielen Kleider leihen. Die sollst du anziehen. Dann wirst du schnell merken, dass die Menschen dich aufsuchen, um deine Freundschaft zu erlangen. Und du wirst niemals mehr einsam sein.“

Das ließ sich die Wahrheit nicht zweimal sagen. Und schnell schlüpfte sie in die ihr vom Märchen dargereichten Kleider. Von nun an liefen beide gemeinsam durch die Straßen, waren überall willkommen und erfreuten sich allseits großer Beliebtheit.

Aus dem Jüdischen nacherzählt von Rolf Clostermann

Der Staubige

Genofulus, der Hofkater, zwängte sich durch das dichte Schlehengestrüpp oberhalb des Baggerseeufers. Er ärgerte sich über die beiden Mehlschwalben, die ihn abwechselnd im Sturzflug attackierten. Der Schlehdorn aber bot ihm ausreichend Schutz. Als die Vögel endlich das Interesse an ihm verloren und abdrehten, nahm er missmutig prüfend noch einmal den Himmel in Augenschein. Dann verließ er sein Versteck und lief zu der Kieshalde, die zwischen dem Ufer und der Obstplantage lag. Auf dem Weg dorthin überquerte er einen langgezogenen, farbig blühenden Wildblumenstreifen, den der Obstbauer dort angelegt hatte. Auf den weißen Schafgarbendolden saßen unzählige orangefarbene Weichkäfer, aber auch Schwebfliegen und andere Insekten. Und aus den blauen Natternkopfblüten holten sich Erdhummeln den kostbaren Nektar. Genofulus beachtete sie nicht. Die Kieshalde lag bereits weit hinter ihm, als er den kleinen Blaufichtenwald erreichte. Dort traf er auf Fauch Mäuseschreck, die gezähmte Wildkatze des Obstbauern.

„Hallo, Fauch!“

„Hey, Gen!“, antwortete die Getigerte, „ich habe mir schon gedacht, dass ich heute auf dich treffe. Es ist ein guter Tag zum Mäusefangen.“

„So, findest du?“, bemerkte der Kater mürrisch. „Was gibt es sonst Neues?“

„Ich komme gerade vom See und habe dort den Biber Ben getroffen.“

„Wie geht es ihm?“, erkundigte sich der Hofkater.

„Es geht ihm sehr gut. Er hat mir von einer geheimnisvollen Kiste erzählt, die er am Ufer in der Nähe des Schwanennestes gefunden hat.“

„Und? Was hat er darin gefunden?“, wollte Genofulus wissen.

„Ein Pergament, ein Schriftstück, sonst nichts.“

„Nur ein Schriftstück? So etwas Langweiliges“, seufzte Genofulus enttäuscht.

„Na, so ganz langweilig finde ich das nicht“, widersprach ihm die Wildkatze, „es waren nämlich auch Mäuse darauf abgebildet. Vielleicht ist es eine geheime Schatzkarte, die auf die Existenz eines großen Mäusenestes hindeutet.“

Die Enttäuschung des Hofkaters war auf einmal wie weggeblasen. „Schon möglich...“, murmelte er nachdenklich.

„Etwas macht mich allerdings stutzig. Da ist noch etwas abgebildet, ein Geschöpf, das aussieht wie ein Drache oder so etwas.“

Der Hofkater schüttelte sich. „Äußerst mysteriös, das Ganze“, fauchte er.

„Wir müssen jemanden finden, der lesen kann. Soll ich Biber Ben fragen?“

„Du bist ein alter Trottel! Nur Menschen können lesen!“, herrschte Genofulus sie an, „ich werde mal Fynn, den Sohn des Bauern, fragen.“ Er verabschiedete sich und verschwand unter den nahegelegenen Holunderbüschen.

Fynn saß in seinem Zimmer und beobachtete die Schildkröte Betty in ihrem Terrarium. Da öffnete sich die angelehnte Türe einen Spalt breit und Genofulus schlich ins Zimmer hinein, ein vergilbtes Papier zwischen den Zähnen.

Fynn drehte sich um. „Was hast du denn da im Maul? Gib mal her!“

Genofulus ließ das aufgerollte Pergament fallen, verdrehte den Kopf und blickte Fynn schief in die Augen: „Miauuu?“

Fynn ging zum Schreibtisch, knipste die Lampe an und hielt das mysteriöse Papier unter das Licht. Das Schriftstück schien ihm sehr alt zu sein, denn das Papier war brüchig und vergilbt. Darauf war eine Zeichnung mit einigen handschriftlichen Notizen, die offenbar mit einer nadelfeinen Feder eilig aufs Papier geworfen waren, so wie man wohl vor Jahrhunderten auf gegerbte Eselshaut geschrieben hatte. Die Zeichnung sah aus wie eine Landkarte. „Rums!!“ Genofulus sprang auf den Tisch, schnüffelte an den Buchstaben und einer der abgebildeten Mäuse. Dann blickte er Fynn fragend und sehnsüchtig ins Gesicht. „Ich habe auch keine Antwort darauf“, gab dieser zu. „Wo hast du das eigentlich her, Genofulus?“

Mit einem Satz landete die Katze auf dem Läufer vor der Türe. „In Ordnung, ich folge dir“, sagte Fynn. Sie rannten die Treppe herunter und gelangten durch die geöffnete Haustüre in den Garten. Genofulus huschte an der riesigen, wohl 150 Jahre alten Kastanie vorbei, unter dem Gartentor her, in die hinter dem Haus liegende Apfelplantage. Immer wieder hielt er inne, um auf den Jungen zu warten. „Nicht so schnell!“, rief Fynn ihm hinterher. Schließlich erreichten sie das Ufer des nahegelegenen Baggersees. Da sah Fynn plötzlich zwischen den Ästen, die der Biber Ben gefällt hatte und die jetzt am Seeufer kreuz und quer übereinander lagen, ein hölzernes Kästchen schwimmen. „Du meinst, das Pergament war da drin?“

„Miaau!“, bestätigte, der Kater der jetzt auf einem gefällten Weidenzweig saß, der weit hinaus ins Wasser ragte.

Fynn zog das Kästchen mit einem Stock ans Ufer und öffnete es. Das Kästchen war leer. Doch wenn man es schüttelte, rappelte es darin.

„Es muss einen doppelten Boden haben!“, stellte er sachlich fest. Er griff nach seinem Taschenmesser und schnitt ein Loch in den Boden. Als es groß genug war und er das Kästchen noch einmal schüttelte, fiel ein kleiner aufgeweichter, etwas länglicher Karton heraus, so groß vielleicht wie die Verpackung einer Zahnbürste. Darin befand sich eine Schreibfeder und so etwas wie eine Gebrauchsanweisung.

Fynn faltete das Papier auseinander und versuchte die seltsam triefenden Lettern zu lesen:

Dies ist die Feder, mit der der Alte Zorobaster geschrieben worden ist. Sie sucht sich stets ihren Finder und verleiht ihm große Macht. Nur wer die Feder besitzt, ist in der Lage, den Zorobaster, das große vergessene Buch der Zauberei, zu lesen.

Dann folgten einige Sätze, die Fynn nicht entziffern konnte, da die Schrift verwischt war. Das Kästchen hatte wohl eine undichte Stelle, so dass Wasser in den Hohlraum eindringen konnte. Dadurch zeigte das Papier in der Pappschachtel erste Auflösungserscheinungen, die die Schrift zum Teil unleserlich machten. Fynn schaute den Kater fragend an. Was sollte der ihm schon für eine Antwort geben? Doch es blieb ihnen kaum Zeit, darüber nachzusinnen. Hinter sich vernahmen die beiden plötzlich ein drohendes Knurren. Fynn drehte sich langsam um und starrte unversehens in die bösen rot glühenden Augen eines großen schwarzen Hundes. Aber nicht nur das! Das Biest war umgeben von einem ganzen Rudel schwarz behaarter Artgenossen. Auch sie starrten ihn böse an. Da stürzte sich der große Schwarze mit einem Satz auf den Jungen. Genofulus kreischte entsetzt auf. Fynn lag hilflos am Boden, das riesige Tier direkt über ihm. Er spürte den blutrünstigen, nach Aas riechenden heißen Atem aus dem Maul des Tieres und hörte, wie das geifernde Gebiss sich knirschend in etwas hineinbohrte. Fynn schrie!

Überrascht bemerkte er, dass ihm nichts geschehen war. Der Hund hatte das Kästchen gepackt und von ihm abgelassen. Mit einem riesigen Sprung landete er auf der steilen Uferböschung. Die anderen Hunde folgten ihm mit schnellen Sätzen in die Apfelplantage.

Was hatte das zu bedeuten? Zitternd vor Aufregung starrte Fynn auf die längliche Schachtel, die er noch immer in der linken Hand umklammert hielt. Seine Rechte hatte das Kästchen gehalten, das ihm nun der Rudelführer der schwarzen Hunde aus der Hand gerissen hatte. Genofulus hatte sich hinter einem vom Biber Ben zernagten Baumstumpf versteckt und lugte nun vorsichtig hervor. Er miaute, als wolle er sagen: „Sind sie weg?“

Fynn starrte noch immer auf die Schachtel mit der Feder in seiner linken Hand. „Wir haben Glück, dass wir die Feder zuvor aus dem Kästchen genommen haben“, murmelte er grüblerisch. „Irgendjemand muss das Rudel Hunde beauftragt haben, uns das Kästchen wegzuschnappen. Und dieser Jemand hat es bestimmt auf die mysteriöse Feder, nicht aber auf den leeren Kasten abgesehen.“

Jetzt wollte er nur noch schnell nach Hause. Er hatte so ein Gefühl, dass es nicht gut war, noch länger hier zu bleiben. Eilig liefen die beiden auf den Rosenweg zu, der mitten durch die Plantage führte.

Zu Hause angekommen, lief Fynn die Mittelhaustreppe hinauf, geradewegs in sein Zimmer. Im Vorbeilaufen hörte er seine Mutter hinter sich her rufen: „Ich habe dir einen Brief, der heute mit der Post kam, auf dein Bett gelegt!“ Ja richtig, da lag er. Er nahm ihn in die Hand und untersuchte ihn. Merkwürdig, kein Absender! Lediglich der Vermerk „Riechbrief“ stand auf der Rückseite. Fynn ergriff den Brieföffner auf seinem Schreibtisch und schlitzte den Umschlag auf.

Dabei löste sich aus dem Brief eine Staubwolke und Fynn musste heftig niesen. Als er sich wieder beruhigt hatte, stand vor ihm im Zimmer eine seltsame Gestalt. Sie trug eine weiße Kutte mit einem schwarz geflochtenen Gürtel und einer Kapuze, die sie tief nach vorne gezogen hatte, so dass man das Gesicht nicht sehen konnte.

„Du hast Glück gehabt, vorhin am See“, sprach ihn eine tiefe freundliche Stimme an, „du und dein Kater, die Hunde hätten euch töten können!“

„Wer bist du?“, fragte Fynn.

„Man nennt mich Ferrice, den Staubigen. Ich bin der Herr der Bücher und des Schicksals. Hundert Jahre hat meine Vorbereitung gedauert, um dir jetzt erscheinen zu können!“

„So lange? Du lieber Himmel, was ist denn so wichtig, dass du deinen Besuch so lange vorbereiten musstest?“

„Der Zorobaster!“, hauchte der Staubige mit gedämpfter Stimme, senkte den Kopf und blickte sich nach allen Seiten um, so als fürchte er, dass irgendjemand seine Worte belauschen könnte.

„Der was?“, fragte Fynn, denn er verstand nicht recht.

„Der Zorobaster!“, zischte Ferrice mit zusammen gepressten Lippen und fügte ärgerlich hinzu: „Man darf den Namen nicht so laut aussprechen!“

„Wieso nicht?“

„Weil es gefährlich ist! Der Zorobaster ist das größte Zauberbuch der Welt. Wer es besitzt, hat die Macht…“

„Gut, aber was habe ich damit zu tun?“, zuckte Fynn mit den Schultern.

„Seit heute eine ganze Menge! Es hätte dich fast dein Leben gekostet! Du bist jetzt im Besitz der magischen Feder, mit der es geschrieben worden ist.“

„Na und?“

„Wie? Na und!“, wiederholte der Staubige und starrte den Jungen entgeistert an, als habe er nicht recht gehört.

„Fynn! Die schwarzen Hunde am See, sie hatten es auf die magische Feder abgesehen. Ihr Auftrag war es, das Kästchen mit der Feder zu schnappen. Gut, dass du sie vorher herausgenommen hast. Doch jetzt trägst du eine große Verantwortung.“

„Wer war denn der Auftraggeber der Bestien?“, fragte Fynn zögernd.

Der Staubige schüttelte sich, sodass Fynn nochmals kräftig niesen musste. Als der Staub sich gelegt hatte, sah er, wie sein Gegenüber mit verschränkten Armen schweigend dastand und ihm tief in die Augen sah. Nach einer Weile, keiner von beiden sagte etwas, ergriff Ferrice schließlich doch das Wort.

„Ich sehe, ich bin dir eine Erklärung schuldig“, begann er. „So höre denn alles, was ich über die Geschichte des Zorobasters weiß.“

Die Geschichte vom Zorobaster

„In einem Kloster lebte einst vor vielen hundert Jahren ein Mönch namens Gerwasius von Tilbury. Er schrieb ein Buch über ein Buch. Viele hielten es für nur eine nette Geschichte, aber nur wenige wussten, dass das Buch von einer wahren Begebenheit handelte. Der Inhalt der Schrift befasste sich mit der Geschichte des ältesten Zauberbuches der Welt, dem Zorobaster.

Die berühmte Geschichte des Zorobasters beginnt in der Jugendzeit des römischen Dichters Publius Vergilius Maro, genannt Vergil, kurz vor dem Beginn unserer Zeitrechnung. In einer Höhle begegnete er einem Teufel, der dort eingesperrt war. Dieser bat ihn flehentlich um seine Befreiung und bot ihm als Lohn die Einweihung in die schwarzen Künste an. Vergil befreite ihn und erhielt von ihm zum Dank ein dickes Zauberbuch, den Alten Zorobaster. Nur mit Mühe und Klugheit gelang es Vergil, den Teufel später zu übertölpeln und wieder einzusperren. Nach dem Tod des Dichters verlief sich die Spur des Zorobasters für lange Zeit im Dunkeln. Erst im Mittelalter tauchte das Buch schließlich wieder auf. Offensichtlich gab es aber auch noch ein zweites Exemplar. Denn eines wurde Gerwasius von Tilbury zugeschrieben, ein weiteres dem dunklen Zauberer Klingsor aus der Geschichte Gawans, eines Ritters der Tafelrunde am Hofe König Artus. Dieser rühmte sich, ein Nachfahre Vergils zu sein und von diesem den Alten Zorobaster geerbt zu haben. Von ihm wird erzählt, dass er aus der Höhle des Einhorns den Trank ewiger Jugend gestohlen hat und seither alle Jahrhunderte überlebte.

Den Zorobaster, der Gerwasius zugeschrieben wurde, nannte man den ‚Neuen‘ Zorobaster, weil in ihm eine Abschrift des ersten vermutet wurde. Aus diesem Grunde wurden seinen Zaubersprüchen eine geringere Zauberkraft zugesprochen als dem ‚Alten‘ Zorobaster Klingsors. Wollte man ihm dennoch die Zauberkraft des ‚Alten‘ verleihen, so musste sein Besitzer das letzte Viertel seiner Zauberkraft durch eigene Schulung, durch Arbeit an der eigenen Persönlichkeit und durch Frömmigkeit und Reife seines Wissens erlangen. Gerwasius von Tilbury erfüllte diese Anforderungen, schließlich war er ein frommer Mönch und lebte ein bescheidenes Leben. Sein größtes Anliegen war es, dem bösen Zauberer Klingsor den ‚Alten Zorobaster‘ zu entreißen, weil der damit seine schwarzmagischen Kräfte wirksam machte.

Das ist alles, was ich über den Zorobaster weiß. Nun ist die magische Feder, mit der der Zorobaster geschrieben worden ist, wieder aufgetaucht. Du hast sie in dem Schatzkästchen am See gefunden und glücklicherweise herausgenommen, sonst hätten die wilden Hunde sie dir entrissen. Es müssen Klingsors Hunde gewesen sein. Gerwasius würde einen solchen Raub nicht begehen.“

„Warum ist die Feder so wichtig für Klingsor?“, fragte Fynn.

„Sie ist zugleich der Zauberstab des Zorobasters. Verwendet er einen anderen Zauberstab, so besitzt er nicht die volle Macht. Und das kann der dunkle Zauberer nicht aushalten“, antwortete der Staubige.

„Das ist ja eine reizende Geschichte. Und was soll ich jetzt tun?“

„Ich werde dich an einen Ort bringen, wo du sicher bist, wenigstens vorläufig…“, zischte der Staubige.

„Ich will auch mit!“, ertönte da eine Stimme. Es war Leslie, Fynns Schwester. „Gut, so sollt ihr beide mitkommen.“

„Eine Frage habe ich noch“, sagte Fynn, „auf dem Schriftstück steht, dass nur derjenige, der die Feder besitzt, den Zorobaster lesen kann.“

„Stimmt!“, bekannte der Staubige. „Und doch, man kann den Zorobaster auch so lesen… Nur, was zwischen den Zeilen steht, das eröffnet sich nur dem, der die magische Feder besitzt. Genug geschwätzt. Jetzt müssen wir aber los!“

Leslie schrieb noch schnell ein paar Zeilen für ihre Eltern auf und steckte sich das Mobiltelefon in die Tasche. Fynn griff sich derweil seine kleine Schildkröte Betty und versteckte sie unter seinem Pullover. Ferrice, der Staubige, geleitete die beiden Jugendlichen zur Haustüre hinaus.

Aufbruch

„Schnell!“, rief der Staubige, „die Hunde haben unsere Witterung aufgenommen.“ Plötzlich fielen Schüsse. Kugeln sausten ihnen um die Ohren. „Schneller!“, trieb der Staubige sie an. „Wenn wir die Tannenschonung erreicht haben, sind wir in Sicherheit!“

„Wer schießt da eigentlich auf uns?“, japste Leslie ganz außer Atem.

„Der Spam und seine Meute!“

„Wer ist der Spam?“

„Später… nicht jetzt!“, zischte der Staubige ärgerlich und legte noch mal in der Geschwindigkeit zu.

Leslie drehte sich um und sah, wie die Meute der schrecklichen Hunde und mehrere Männer in schwarzen Kutten hinter ihnen herliefen. Die Gesichter waren durch schwarze Tücher, die nur durch schmale Sehschlitze durchbrochen waren, verdeckt. Wieder peitschte ein Schuss durch die Luft. Fynn schrie laut auf. „Mein Arm!“, stöhnte er.

„Weiter, weiter!“, drängte der Staubige. Endlich erreichten sie das Tannenwäldchen.

„Jetzt können die hinter uns was erleben!“, grinste der Staubige und kniff verheißungsvoll ein Auge zu. Leslie und Fynn schauten sich an: Was meinte er damit?

„Gib mir mal die magische Feder, Fynn!“ Fynn kramte in seiner Hosentasche. „Hier!“

Der Staubige drehte sich um, ergriff die Feder und zeichnete damit etwas in die Luft. Dann rief er laut: „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein!“ Da hielten die Hunde wie vom Schlag getroffen inne, drehten sich plötzlich um und hetzten nun auf ihre Herren los. Ein Tumult brach aus. Geschrei und Gejammer. Der Staubige setzte sich derweil auf eine Obstkiste, die am Wegrand lag, machte es sich darauf bequem und betrachtete amüsiert, wie sich ihre Verfolger mit lautem Geschrei davonmachten, die bellenden Hunde hinterdrein. Am letzten unter den Spams hing eines der wütenden Tiere und hatte sich an dessen Hinterteil festgebissen. Dieser fasste sich an den Allerwertesten und heulte um sein Leben.

Der Staubige drehte sich zu den Geschwistern um und sagte: „Nun seht ihr, was man allein mit der Feder des Zorobasters anstellen kann“, und gab Fynn die Feder zurück. „Ahnt ihr jetzt, zu was man mit dem Zorobaster fähig ist, im Guten wie im Bösen?“

Fynn und Leslie ahnten es, wussten aber nicht recht, wie sie mit dieser Ahnung umgehen sollten.

„Ich habe bis jetzt nur mit den Hunden und den Spams zu tun gehabt“, sinnierte der Staubige. „Sie sind aber nur die Vorhut des Bösen.“

„Was machen wir jetzt?“, fragte Leslie, „was soll mit der Feder geschehen? Wie können wir verhindern, dass Klingsor sie findet?“

„Wir müssen jemanden suchen, der es mit Klingsor aufnehmen kann…“, sprach der Staubige nachdenklich. „Aber vorher möchte ich mir erst einmal deinen Arm ansehen“, wandte er sich an Fynn und besah sich die stark blutende Wunde. „Du hast Glück gehabt. Es ist nur ein Streifschuss.“ Er griff in seinen weiten Mantel und holte eine Puderdose hervor. „Man nennt mich nicht umsonst den Staubigen“, grinste er, „das ist Heilpuder.“ Er streute das Pulver auf die Wunde. Fynn spürte, wie der Schmerz sofort nachließ. „Was ist das?“, wollte er wissen.

„Ach, das sind nur ein paar getrocknete, pulverisierte Heilkräuter“, murmelte der Staubige.

„Also, weißt du jemanden, der Klingsor gewachsen ist?“, setzte Leslie nun die Unterhaltung fort.

„Ich denke schon“, antworte der Staubige, indem er Fynn noch einen Verband anlegte. Entschlossenheit lag jetzt in seiner Stimme. „Es gibt nur einen: Gerwasius von Tilbury, den Gegenspieler von Klingsor. Auch er soll noch an den Trank ewiger Jugend gekommen sein.“

„Wo finden wir ihn?“, wollte Fynn wissen.

„Ich weiß es nicht“, gab der Staubige ratlos zu. „Aber er wird es spüren, wenn jemand ihn sucht, dessen bin ich mir sicher.“

„Du sprachst davon, dass du einen Ort kennst, an dem wir vorläufig sicher seien.“

„Stimmt“, bekannte der Staubige, „die Schädelsteinhöhlen im Koselgebirge. Dort hat Gerwasius lange gelebt. Es muss dort eine Verbindung zu ihm geben. Ich habe da so eine Ahnung…“

„Also los, warum noch zögern!“, rief Leslie

„Halt!“, rief Fynn, „ich habe noch eine Frage. Was ist mit der Karte aus dem Kästchen?“

„Was für eine Karte?“, erkundigte sich der Staubige interessiert.

„Ich habe vergessen, davon zu erzählen. Genofulus, unser Hauskater, kam damit an. Ich vermute, dass sie in dem Kästchen lag.“

„Gib mal her!“, forderte der Staubige ihn auf.

Fynn griff in seine Tasche und übergab ihm die Karte.

Ferrice, der Staubige, rollte das Pergament auseinander und vertiefte sich in die geheimnisvollen Schriftzeichen.

„Miiiau?“, machte es plötzlich.

„Pssst!“, zischte Leslie ärgerlich.

Genofulus, der Hofkater, streckte seinen Kopf aus Leslies Leinentasche.

„Schmeiß den verdammten Kater raus! Den können wir hier doch nun wirklich nicht gebrauchen!“, schimpfte Fynn.

„Sei still! Genofulus ist ganz lieb und wird uns keine Schwierigkeiten machen. Er kommt jedenfalls mit. Basta!“

„Ihr Streithähne!“, fuhr Ferrice dazwischen und blickte von dem Dokument auf. Allerdings saß noch immer eine goldene Lesebrille auf seiner Nase. „Hört zu!“, fuhr er fort. „Ich habe die Karte studiert. Sie verweist auf einen Weg durch das Koselgebirge. Auch führt dieser Weg durch die Schädelsteinhöhlen. Den Rest habe ich allerdings nicht ergründen können. Ich kann nicht sagen, ob der Drache auf der Karte nur ein Symbol, der Hinweis auf eine Gefahr oder echt ist. Ebenso die Ratten auf der Karte sagen mir nichts. Zumindest wissen wir jetzt, wie wir zu den Schädelsteinhöhlen finden.“

„Und wie geht es jetzt von hier aus weiter?“, erkundigte sich Fynn.

„Seht euch um! Hier das Tannenwäldchen in der Plantage, der Obstbauer nennt es nicht umsonst den ‚Zauberwald‘. Dreht euch dreimal um die eigene Achse und ruft laut: ‚Lochnoll nienweh!‘, und ihr findet euch im Koselgebirge wieder.“

„Gut, auf denn, so lasst uns das Abenteuer beginnen!“, rief Fynn begeistert.

Alle drehten sich dreimal um und sprachen die beiden magischen Wörter. „Wumms!“ Und die Freunde purzelten durcheinander.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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