Des Meeres und der Liebe Wellen. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen - Franz Grillparzer - E-Book

Des Meeres und der Liebe Wellen. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen E-Book

Franz Grillparzer

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Beschreibung

Einen Tag, nachdem sie zur Priesterin geweiht, trifft Hero auf den schönen Jüngling Leander, der sich in sie verliebt. Das Schicksal nimmt seinen Lauf … Coverbild: © delcarmat / Shutterstock.com

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Franz Grillparzer

Des Meeres und der Liebe Wellen. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

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Des Meeres und der Liebe Wellen. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Franz Grillparzer

Coverbild: © delcarmat / Shutterstock.com

 

PERSONEN:

 

Hero

Der Oberpriester, ihr Oheim

Leander

Naukleros

Janthe

Der Hüter des Tempels

Heros Eltern

Diener, Fischer, Volk

1. Aufzug

Vorhof im Tempel der Aphrodite zu Sestos

 

Den Mittelgrund bilden Säulen mit weiten Zwischenräumen, das Peristyl bezeichnend. Im Hintergrunde der Tempel, zu dem mehrere Stufen emporführen. Nach vorne, rechts, die Statue Amors, links Hymenäus’ Bildsäule.

Früher Morgen.

 

Hero, ein Körbchen mit Blumen im Arme haltend, tritt aus dem Tempel und steigt die Stufen herab.

 

Hero Nun, so weit wär’s getan! Geschmückt der Tempel;

Mit Myrt’ und Rosen ist er rings bestreut

Und harret auf das Kommende, das Fest.

Und ich bin dieses Festes Gegenstand!

Mir wird vergönnt, die unbemerkten Tage,

Die fernhin rollen, ohne Richt und Ziel,

Dem Dienst der hohen Himmlischen zu weihn,

Die Einzelnen, die, Wiesenblümchen gleich,

Der Fuß des Wanderers zertritt und knickt,

Zum Kranz gewunden um der Göttin Haupt,

Zu weihen und verklären; sie und mich.

 

Wie bin ich glücklich, dass nun heut der Tag,

Und dass der Tag so schön, so still, so lieblich!

Kein Wölkchen trübt das blaue Firmament,

Und Phöbus blickt, dem hellen Meer entstiegen,

Schon über jene Zinnen segnend her.

Schaust du mich schon als eine von den Euren?

Ward es dir kund, dass jene muntre Hero,

Die du wohl spielen sahst an Tempels Stufen,

Dass sie, ergreifend ihrer Ahnen Recht,

Die Priester gaben von Urväterzeit

Dem hehren Heiligtum – dass sie’s ergreifend

Das schöne Vorrecht, Priesterin nun selbst;

Und heute, heut, an diesem, diesem Tage.

Auf jenen Stufen wird das Volk sie sehn,

Den Himmlischen der Opfer Gaben spendend,

Von jeder Lippe ringt sich Jubel los,

Und in dem Glanz, der Göttin dargebracht,

Strahlt auf der Priestrin Haupt – Allein, wie nur?

Beginn’ ich mit Versäumen meinen Dienst?

Hier sind noch Kränze, Blumen hab’ ich noch,

Und jene Bilder stehen ungeschmückt.

 

Hier, Hymenäus, der die Menschen bindet,

Nimm diesen Kranz von einer, die gern frei.

Die Seelen tauschest du? Ei, gute Götter!

Ich will die meine nur für mich behalten,

Wer weiß, ob eine andre mir so nütz’?

 

Dir, Amor, sei der zweite meiner Kränze!

Bist du der Göttin Sohn und ich ihr Kind,

Sind wir verwandt; und redliche Geschwister

Beschädigen sich nicht und halten Ruh’.

So sei’s mit uns, und ehren will ich dich,

Wie man verehrt, was man auch nicht erkennt.

 

Nun noch die Blumen auf den Estrich. – Doch,

Wie liegt nur das Geräte rings am Boden?

Der Sprengkrug und der Wedel, Bast und Binden.

Saumsel’ge Dienerinnen dieses Hauses,

Euch stand es zu. Übt so ihr eure Pflicht?

Lieg’ immer denn und gib ein kundbar Zeugnis! –

Und doch, es martert mein erglühend Auge.

Fort, Niedriges! Und lass mich nicht dich schaun!

(Sich mit Zurechtstellen beschäftigend.)

Dort kommt der Schwarm, vom lauten Spiel erhitzt,

Nunmehr zu tun, was ohne sie vollendet.

Janthe und mehrere Dienerinnen kommen.

Janthe Ei, schöne Hero, schon so früh beschäftigt?

Hero So früh, weil’s andre nicht, wenn’s noch so spät.

(Die Dienerinnen stellen das Übrige zurecht.)

Janthe Ei seht! Sie tadelt uns, weil wir die Kanne,

Das wenige Gerät nicht weggeschafft.

Hero Viel oder wenig, du hast’s nicht getan.

Janthe Wir waren früh am Werk und sprengten, fegten;

Da kam die Lust, im Grünen uns zu jagen.

Hero Drauf gingt ihr hin und – nun, beim hohen

Himmel! Als du den leichten Fuß erhobst und senktest,

Kam dir der Vorhof deiner Göttin nicht,

Dein unvollendet Werk dir nicht vors Auge?

Genug, ich fass’ euch nicht. Wir wollen schweigen.

Janthe Weil du so grämlich bist und einsam schmollst,

Beneidest du dem Frohen jede Lust.

Hero Ich bin nicht grämlich; froher leicht als ihr,

Und oft hab’ ich zur Abendzeit beklagt,

Wo Spiel vergönnt, dass ihr des Spielens müde;

Doch nehm’ ich nicht dem Ernste seine Lust,

Indem ich mit des Scherzes Lust sie menge.

Janthe Verzeih, wir sind gemeines, niedres Volk,

Du freilich, aus der Priester Stamm entsprossen –

Hero Du sagst es.

Janthe Und zu Höherem bestimmt –

Hero Mit Stolz entgegn’ ich: Ja!

Janthe Ganz andre Freuden,

Erhabnere Genüsse sind für dich.

Hero Du weißt, ich kann nicht spotten. Spotte nur!

Janthe Und doch, gingst du mit uns und sahst die beiden,

Die fremden Jünglinge am Gittertor

Hero Nun schweig!

Janthe Was gilt’s? Du blinzeltest wohl selber

Ein wenig durch die Stäbe.

Hero Schweige!, sag’ ich.

Ich habe deiner Torheit Raum gegeben,

Leichtfertigem verschließt sich dieses Ohr.

Sprich nicht und reg’ dich nicht! denn, bei den Göttern!

Dem Priester, meinem Oheim, sag’ ich’s an,

Und er bestraft dich, wie du’s wohl verdienst.

Ich bin mir gram, dass mich der Zorn bemeistert,

Und doch kann ich nicht anders, hör’ ich dies.

Du sollst nicht reden, sag’ ich! Nicht ein Wort!

Der Priester, von dem Tempelhüter begleitet, ist von der rechten Seite her aufgetreten.

Hero(ihm entgegen).

O wohl mir, dass du kommst, mein edler Ohm!

Dein Kind war im Begriff, zu zürnen, heut,

Am Morgen dieses feierlichen Tags,

Der sie auf immer – o verzeih, mein Ohm!

Priester Was aber war der heißen Regung Grund?

Hero Die argen Worte dieser Leichtgesinnten,

Der frevle Hohn, der, was er selbst nicht achtet,

So gern als unwert aller Achtung malte.

Oh, dass die Weisheit halb so eifrig wäre

Nach Schülern und Bekehrten, als der Spott!

Priester Und welche war’s, die, vor den andern kühn,

Die Sitte unsres Hauses so verletzt?

Hero(nach einer Pause).

Genau besehn, will ich sie dir nicht nennen,

Ob ihr die Rüge gleich gar wohl verdient.

Schilt sie nur alle, Herr, und heiß sie gehn;

Die Schuld’ge nimmt sich selbst wohl ihren Teil.

(Zum Tempelhüter.)

Du aber sieh zum äußern Gittertor,

Damit nicht Fremde

Priester Hätte denn –?

Hero Ich bitte.

Priester So geh! – Und ihr! Und meidet zu begegnen

Dem Zorne, der sein Recht und seine Mittel kennt.

(Der Tempelhüter nach der linken, die Mädchen nach der rechten Seite ab.)

Hero Nun ist mir leicht! Ich könnte sie bedauern,

Wenn ihre Torheit an sich selber zehrte,

Nicht um Genossen würb’ und Billigung.

Priester So sehr mich freut, dass du den Schwarm vermeidest

Und aus der Menge nicht die Freundin wählst,

So sehr befremdet mich, ja, ich beklag’ es,

Dass dich zu keiner unter deinesgleichen

Des Herzens Zug, ein still Bedürfnis führte.

Ein einsam Leben harrt der Priesterin,

Zu zweien trägt und wirkt sich’s noch so leicht.

Hero Ich kann nicht finden, dass Gesellschaft fördert:

Was einem obliegt, muss man selber tun.

Dann, nennst du einsam einer Priestrin Leben?

Wann war es einsam hier im Tempel je?

Vom frühen Morgen drängt die laute Menge,

Aus Ost und Westen strömt herbei das Volk,

Von Weihgeschenken und von Opfergaben,

Von Festeszügen, fremden Beterscharen

War nimmer dieses Hauses Schwelle leer.

Dann fehlt’s ja nicht an mancherlei zu tun:

Der Wasserkrug, der Opferherd, die Kränze,

Und Säul’ und Sockel, Estrich und Altar

Zu reinigen, zu schmücken, zu bewahren.

Wo bliebe da zum Schwätzen wohl die Zeit,

Zum Kosen mit der Freundin, wie du meinst?

Priester Du hast mich nicht gefasst.

Hero Wohl denn, es sei!

Was man nicht fasst, erregt auch kein Verlangen.

Lass mich, so wie ich bin, ich bin es gern.

Priester Doch kommt die Zeit und ändert Wunsch und Neigung.

Hero Man klagt ja täglich, dass der Unverständ’ge

Beharrt und bleibt, man tadl’ ihn, wie man will;

Weshalb nun den Verständ’gen unverständ’ger

Und unbeständ’ger glauben als den Tor?

Ich weiß ja, was ich will und was wir wählten,

Wenn wählen heißen kann, wo keine Wahl.

Vielmehr ein glücklich Ungefähr hat mich,

Nur halb bewusst, an diesen Ort gebracht,

Wo – wie der Mensch, der, müd’ am Sommerabend

Vom Ufer steigt ins weiche Wellenbad

Und, von dem lauen Strome rings umfangen,

In gleicher Wärme seine Glieder breitet,

Sodass er, prüfend, kaum vermag zu sagen:

Hier fühl’ ich mich, und hier fühl’ ich ein Fremdes –

Mein Wesen sich hintangibt und besitzt.

Aus langer Kindheit träumerischem Staunen

Bin hier ich zum Bewusstsein erst erwacht.

Im Tempel, an der Göttin Fußgestelle,

Ward mir ein Dasein erst, ein Ziel, ein Zweck.

Wer, wenn er mühsam nur das Land gewonnen,

Sehnt sich ins Meer zurück, wo’s wüst und schwindelnd?

Ja, diese Bilder, diese Säulengänge,

Sie sind ein Äußeres mir nicht, ein Totes;

Mein Wesen rankt sich auf an diesen Stützen,

Getrennt von ihnen, wär’ ich tot wie sie.

Priester Nur hüte dich, dass so beschränktes Streben

Ein Billiger nicht möge selbstisch nennen.

Es hält der Mensch mit Recht von seinem Wesen

Jegliche Störung fern; allein sein Leben,

Ablehnend alles andre, nur auf sich,

Des eignen Sinns Bewahrung zu beschränken,

Scheint widrig, unerlaubt, ja ungeheuer,

Und doch auch wieder eng und schwach und klein.

Du weißt, es war seit undenkbaren Zeiten