Des Meeres und der Liebe Wellen - Franz Grillparzer - E-Book

Des Meeres und der Liebe Wellen E-Book

Franz Grillparzer

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Beschreibung

Grillparzers Tragödie, dessen Vorlage die zwei Gestalten Hero und Leander aus der griechischen Mythologie waren, ist eine herzzerreißende Geschichte, die den inneren Konflikt einer jungen Priesterin angesichts ihrer verbotenen Liebe darstellt.Ausgerechnet als die junge Hero gerade zur Priesterin geweiht wird und Enthaltsamkeit schwören muss, erblickt sie Leander und verliebt sich schlagartig in ihn. Ihre Gefühle beruhen auf Gegenseitigkeit, doch fortan muss Hero alleine in einem Turm an einer steilen Küste leben. Eines Nachts schwimmt Leander, geleitet von einer Kerze in Heros Zimmer, zu seiner Liebsten. Am nächsten Morgen beschließen sie, dass Leander von nun an jede Nacht zu ihr kommen soll. Doch schon zum zweiten Mal wird es niemals kommen...-

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Franz Grillparzer

Des Meeres und der Liebe Wellen

Trauerspiel in fünf Aufzügen

Saga

Des Meeres und der Liebe Wellen

 

Coverbil/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1831, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726997354

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Personen:

Hero Der Oberpriester , ihr OheimLeander Naukleros Janthe Der Hüter des TempelsHeros Eltern Diener, Fischer, Volk

Erster Aufzug

Vorhof im Tempel der Aphrodite zu Sestos. Den Mittelgrund bilden Säulen mit weiten Zwischenräumen, das Peristyl bezeichnend. Im Hintergrunde der Tempel, zu dem mehrere Stufen emporführen. Nach vorne, rechts die Statue Amors, links Hymenäus' Bildsäule. Früher Morgen.

Hero(ein Körbchen mit Blumen im Arme haltend tritt aus dem Tempel und steigt die Stufen herab).

Nun, so weit wär's getan. Geschmückt der Tempel,

Mit Myrt' und Rosen ist er rings bestreut

Und harret auf das Kommende, das Fest.

Und ich bin dieses Festes Gegenstand.

Mir wird vergönnt, die unbemerkten Tage,

Die fernhin rollen ohne Richt und Ziel,

Dem Dienst der hohen Himmlischen zu weihn;

Die einzelnen, die Wiesenblümchen gleich,

Der Fuß des Wanderers zertritt und knickt,

Zum Kranz gewunden um der Göttin Haupt,

Zu weihen und verklären. Sie und mich.

Wie bin ich glücklich, daß nun heut der Tag;

Und daß der Tag so schön, so still, so lieblich!

Kein Wölkchen trübt das blaue Firmament,

Und Phöbus blickt, dem hellen Meer entstiegen,

Schon über jene Zinnen segnend her.

Schaust du mich schon als eine von den Euren?

Ward es dir kund, daß jene muntre Hero,

Die du wohl spielen sahst an Tempels Stufen,

Daß sie, ergreifend ihrer Ahnen Recht,

Die Priester gaben von Urväterzeit

Dem hehren Heiligtum – daß sie's ergreifend

Das schöne Vorrecht, Priesterin nun selbst;

Und heute, heut; an diesem, diesem Tage.

Auf jenen Stufen wird das Volk sie sehn

Den Himmlischen der Opfer Gaben spendend.

Von jeder Lippe ringt sich Jubel los,

Und in dem Glanz, der Göttin dargebracht,

Strahlt auf der Priestrin Haupt –

     Allein, wie nur?

Beginn ich mit Versäumen meinen Dienst?

Hier sind noch Kränze, Blumen hab ich noch,

Und jene Bilder stehen ungeschmückt?

Hier, Hymenäus, der die Menschen bindet,

Nimm diesen Kranz von einer, die gern frei.

Die Seelen tauschest du? Ei, gute Götter,

Ich will die meine nur für mich behalten,

Wer weiß, ob eine andre mir so nütz'?

Dir Amor sei der zweite meiner Kränze.

Bist du der Göttin Sohn, und ich ihr Kind,

Sind wir verwandt; und redliche Geschwister

Beschädigen sich nicht und halten Ruh'.

So sei's mit uns, und ehren will ich dich,

Wie man verehrt, was man auch nicht erkennt.

Nun noch die Blumen auf den Estrich. – Doch

Wie liegt nur das Geräte rings am Boden?

Der Sprengkrug und der Wedel, Bast und Binden.

Saumsel'ge Dienerinnen dieses Hauses

Euch stand es zu. Übt so ihr eure Pflicht?

Lieg immer denn, und gib ein kundbar Zeugnis –

Und doch, es martert mein erglühend Auge.

Fort, Niedriges, und laß mich dich nicht schaun.

(Sich mit Zurechtstellen beschäftigend.)

Dort kommt der Schwarm, von lautem Spiel erhitzt,

Nunmehr zu tun, was ohne sie vollendet.

(Janthe und mehrere Dienerinnen kommen.)

Janthe.

Ei, schöne Hero, schon so früh beschäftigt?

Hero.

So früh, weil's andre nicht, wenn noch so spät.

(Die Dienerinnen stellen das übrige zurecht.)

Janthe.

Ei seht, sie tadelt uns, weil wir die Kanne,

Das wenige Gerät nicht weggeschafft.

Hero.

Viel oder wenig, du hast's nicht getan.

Janthe.

Wir waren früh am Werk und sprengten, fegten.

Da kam die Lust, im Grünen uns zu jagen.

Hero.

Drauf gingt ihr hin und – Nun, beim hohen Himmel!

Als du den leichten Fuß erhobst und senktest,

Kam dir der Vorhof deiner Göttin nicht,

Dein unvollendet Werk dir nicht vors Auge?

Genug, ich faß euch nicht, wir wollen schweigen.

Janthe.

Weil du so grämlich bist und einsam schmollst,

Beneidest du dem Frohen jede Lust.

Hero.

Ich bin nicht grämlich, froher leicht als ihr,

Und oft hab ich zur Abendzeit beklagt,

Wo Spiel vergönnt, daß ihr des Spielens müde,

Doch nehm ich nicht dem Ernste seine Lust,

Indem ich mit des Scherzes Lust sie menge.

Janthe.

Verzeih, wir sind gemeines, niedres Volk.

Du freilich, aus der Priester Stamm entsprossen –

Hero.

Du sagst es.

Janthe.      Und zu Höherem bestimmt.

Hero.

Mit Stolz entgegn' ich: ja.

Janthe.      Ganz andre Freuden,

Erhabnere Genüsse sind für dich.

Hero.

Du weißt, ich kann nicht spotten; spotte nur!

Janthe.

Und doch, gingst du mit uns, und sahst die beiden,

Die fremden Jünglinge am Gittertor –

Hero.

Nun schweig!

Janthe.      Was gilt's? du blinzeltest wohl selber

Ein wenig durch die Stäbe.

Hero.      Schweige, sag ich.

Ich habe deiner Torheit Raum gegeben,

Leichtfertigem verschließt sich dieses Ohr.

Sprich nicht und reg dich nicht! denn bei den Göttern!

Dem Priester, meinem Oheim sag ich's an,

Und er bestraft dich, wie du's wohl verdienst.

Ich bin mir gram, daß mich der Zorn bemeistert,

Und doch kann ich nicht anders, hör ich dies.

Du sollst nicht reden, sag ich, nicht ein Wort!

(Der Priester, von dem Tempelhüter begleitet, ist von der rechten Seite her aufgetreten.)

Hero(ihm entgegen).

O wohl mir, daß du kömmst, mein edler Ohm.

Dein Kind war im Begriff zu zürnen, heut,

Am Morgen dieses feierlichen Tags,

Der sie auf immer – O verzeih, mein Ohm!

Priester.

Was aber war der heißen Regung Grund?

Hero.

Die argen Worte dieser Leichtgesinnten;

Der frevle Hohn, der was er selbst nicht achtet,

So gern als unwert aller Achtung malte.

O daß die Weisheit halb so eifrig wäre

Nach Schülern und Bekehrten, als der Spott!

Priester.

Und welche war's, die vor den andern kühn,

Die Sitte unsers Hauses so verletzt?

Hero(nach einer Pause).

Genau besehn, will ich sie dir nicht nennen,

Ob ihr die Rüge gleich gar wohl verdient.

Schilt sie nur alle, Herr, und heiß sie gehn,

Die Schuld'ge nimmt sich selbst wohl ihren Teil.

(Zum Tempelhüter.)

Du aber sieh zum äußern Gittertor,

Damit nicht Fremde –

Priester.

     Hätte denn –?

Hero.

          Ich bitte!

Priester.

So geh! – Und ihr! und meidet zu begegnen

Dem Zorne, der sein Recht und seine Mittel kennt.

(Der Tempelhüter nach der linken, die Mädchen nach der rechten Seite ab.)

Hero.

Nun ist mir leicht! Ich könnte sie bedauern,

Wenn ihre Torheit an sich selber zehrte,

Nicht um Genossen würb' und Billigung.

Priester.

Sosehr mich freut, daß du den Schwarm vermeidest,

Und aus der Menge nicht die Freundin wählst,

So sehr befremdet mich, ja ich beklag es,

Daß dich zu keiner unter deinesgleichen

Des Herzens Zug, ein still Bedürfnis führte.

Ein einsam Leben harrt der Priesterin,

Zu zweien trägt und wirkt sich's noch so leicht.

Hero.

Ich kann nicht finden, daß Gesellschaft fördert;

Was einem obliegt muß man selber tun.

Dann, nennst du einsam einer Priestrin Leben?

Wann war es einsam hier im Tempel je?

Vom frühen Morgen drängt die laute Menge,

Aus Ost und Westen strömt herbei das Volk.

Von Weihgeschenken und von Opfergaben,

Von Festeszügen, fremden Beterscharen

War nimmer dieses Hauses Schwelle leer.

Dann fehlt's ja nicht an mancherlei zu tun:

Der Wasserkrug, der Opferherd, die Kränze,

Und Säul' und Sockel, Estrich und Altar

Zu reinigen, zu schmücken, zu bewahren.

Wo bliebe da zum Schwätzen wohl die Zeit,

Zum Kosen mit der Freundin, wie du meinst.

Priester.

Du hast mich nicht gefaßt.

Hero.      Wohl denn, es sei!

Was man nicht faßt, erregt auch kein Verlangen.

Laß mich so wie ich bin, ich bin es gern.

Priester.

Doch kommt die Zeit und ändert Wunsch und Neigung.

Hero.

Man klagt ja täglich, daß der Unverständ'ge

Beharrt und bleibt, man tadl' ihn wie man will;

Weshalb nun den Verständ'gen unverständ'ger

Und unbeständ'ger glauben als den Tor?

Ich weiß ja was ich will und was wir wählten,

Wenn wählen heißen kann, wo keine Wahl.

Vielmehr ein glücklich Ungefähr hat mich

Nur halb bewußt an diesen Ort gebracht,

Wo – wie der Mensch, der müd' am Sommerabend

Vom Ufer steigt ins weiche Wellenbad,

Und, von dem lauen Strome rings umfangen,

In gleiche Wärme seine Glieder breitet,

So daß er, prüfend, kaum vermag zu sagen:

Hier fühl ich mich und hier fühl ich ein Fremdes –

Mein Wesen sich hindangibt und besitzt.

Aus langer Kindheit träumerischem Staunen

Bin hier ich zum Bewußtsein erst erwacht;

Im Tempel, an der Göttin Fußgestelle

Ward mir ein Dasein erst, ein Ziel, ein Zweck.

Wer, wenn er mühsam nur das Land gewonnen,

Sehnt sich ins Meer zurück, wo's wüst und schwindelnd?

Ja, diese Bilder, diese Säulengänge,

Sie sind ein Äußeres mir nicht, ein Totes;

Mein Wesen rankt sich auf an diesen Stützen,

Getrennt von ihnen, wär' ich tot wie sie.

Priester.

Nur hüte dich, daß so beschränktes Streben

Ein Billiger nicht möge selbstisch nennen!

Es hält der Mensch mit Recht von seinem Wesen

Jegliche Störung fern; allein sein Leben,

Ablehnend alles andre, nur auf sich,

Des eignen Sinns Bewahrung zu beschränken,

Scheint widrig, unerlaubt, ja ungeheuer,

Und doch auch wieder eng und schwach und klein.

Du weißt, es war seit undenkbaren Zeiten

Begnadet von den Göttern unser Stamm

Mit Priesterehren, Zeichen und Orakeln,

Zu sprechen liebten sie durch unsern Mund:

Lockt's dich nun nicht zurück es zu gewinnen

Das schöne Vorrecht, dir zum höchsten Ruhm

Und allem Volk zu segensreichem Frommen?

Ich riet dir oft, in still verborgner Nacht

Zu nahen unsrer Göttin Heiligtum

Und dort zu lauschen auf die leisen Stimmen,

Mit denen wohl das Überird'sche spricht.

Hero.

Verschiednes geben Götter an Verschiedne;

Mich haben sie zur Sehrin nicht bestimmt.

Auch ist die Nacht, zu ruhn; der Tag, zu wirken,

Ich kann mich freuen nur am Strahl des Lichts.

Priester.

Vor allem sollte heut –

Hero.      Ich war ja dort,

Noch eh' die Sonne kam, in unserm Tempel

Und setzte mich bei meiner Göttin Thron

Und sann. Doch keine Stimme kam von oben.

Da griff ich zu den Blumen, die du siehst,

Und wand ihr Kränze meiner hohen Herrin,

Erst ihr, dann jenen beiden Himmlischen,

Und war vergnügt.

Priester.      Und dachtest?

Hero.           An mein Werk.

Priester.

An andres nicht?

Hero.

     Was sonst?

Priester.

          An deine Eltern.

Hero.

Was nützt es auch? sie denken nicht an mich.

Priester.

Sie denken dein und sehnen sich nach dir.

Hero.

Ich weiß das anders, doch du glaubst es nicht.

War ihnen ich doch immer eine Last,

Und fort und fort ging Sturm in ihrem Hause.

Mein Vater wollte was kein andres wollte,

Und drängte mich, und zürnte ohne Grund.

Die Mutter duldete und schwieg.

Mein Bruder – Von den Menschen all, die leben,

Bin ich nur einem gram, es ist mein Bruder.

Als Älterer, und weil ich nur ein Weib,

Ersah er mich zum Spielwerk seiner Launen.

Doch hielt ich gut, und grollte still und tief.

Priester.

So zürnst du deinen Eltern?

Hero.      Zürnen? Oh!

Vergaß ich sie, geschah's um sie zu lieben.

Auch ist mein Wesen umgekehrt und eben,

Seit mich die Göttin nahm in ihren Schutz.

Priester.

Wenn sie nun kämen?

Hero.      Ach, sie werden's nicht.

Priester.

Dich heimzuholen.

Hero.      Mich? Von hier? Vergebens!

Priester.

Die Mutter mit dem Bräut'gam an der Hand.

Hero(zum Gehen gewendet).

Du scherzest, Herr, und ich, ich scherzte nicht.

Priester.

Bleib nur! Auch ist es Scherz. Doch deine Eltern

Sind hier.

Hero.      Nein! Hier?

Priester.           Seit gestern abends.

Hero.                Oh!

Und du verhehltest mir's?

Priester.      Sie wollten's selbst,

Die Weihe nicht zu stören dieser Nacht,

Die dir ein Morgen ist für viele Tage.

Doch bist du stark, und mögen sie denn nahn.

Sieh dort den Kommenden. Er wandelt, steht,

Holt tiefer Atem, nähert sich.

Hero.      Mein Vater?

Priester.

Er selber, ja.

Hero.      Und ist der Mann so alt?

Priester.

Die Frau an seiner Seite –

Hero.      Mutter! Mutter!

Priester.

Erbleichst du? Eilst den Lieben nicht entgegen

In froher Hast?

Hero.      O laß mich sie betrachten!

Hab ich sie doch so lange nicht gesehn!

(Heros Eltern kommen.)

Vater.

Mein Kind! Hero, mein Kind!

Hero(auf ihre Mutter zueilend).

     O meine Mutter!

Vater.

Sieh nur, wir kommen her, den weiten Weg –

Mein Atem wird schon kurz! – So fern vom Hause,

Als Zeugen deines götternahen Glücks.

Zu schauen, wie du in der Ahnen Spur

Antrittst das Recht, um das sie uns beneiden,

Die andern alle rings umher im Land;