Deutschland einig Lachland - Peter Ufer - E-Book

Deutschland einig Lachland E-Book

Peter Ufer

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Beschreibung

Wo der Spaß aufhört, fängt der Humor an!

Auf der Weltkarte des Humors gilt Deutschland als scherzfreie Zone. Peter Ufer beweist in seinem »Humor-Reiseführer« überzeugend das Gegenteil: Deutschland lacht wie nie zuvor. Auch über sich selbst. Auf seiner Expedition durch Deutschland begegnet er vielen Humortypen, lernt ihre Scherztheorien und ihre Lachmentalität kennen und ergründet ihren Witz. Entstanden ist ein Kompass des deutschen Humors, den es in dieser Komplexität bisher nicht gibt: Sachsen, Bayern, Berliner, Rheinländer, Norddeutsche und andere – alle lachen anders, doch alle lachen gern.

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Seitenzahl: 214

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PETER UFER

Deutschland

einig Lachland

EIN HUMORISTISCHER REISEFÜHRER

GÜTERSLOHER VERLAGSHAUS

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2015 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

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Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Coverfoto: © moremari / fotolia.com

ISBN 978-3-641-15612-1V002

www.gtvh.de

In Erinnerung an Hellmuth Karasek

Inhalt

KAPITEL 1

Deutschland macht lustig

Von Witzwort über Sülz zur Kichererbsenalm

Der Karikaturist Til Mette

Wir haben schon mal einen Juden im Keller versteckt

Deutsches Phänomen 1

Das Design bestimmt das Bewusstsein

KAPITEL 2

Die lachende Mitte

Von Witzenhausen über Ebergötzen bis Hannover

Der Karikaturist Nel

Tägliche Verzweiflung

Deutsches Phänomen 2

Nachricht von Spam

KAPITEL 3

Heiter bis tödlich am Humornordpol

Von Husum bis HH-Altona und dann noch Eppendorf

Deutsches Phänomen 3

Handicare Gemino

KAPITEL 4

Tief im Westen mit ohne Zölibat

Von Frechen nach Köln und dann Alaaf

Die Karikaturistin Petra Kaster

Gruppenweise in den Untergang

Deutsches Phänomen 4

Das Ende der Hängelampe

KAPITEL 5

Grandln und frotzln mit Gaudi

Von München zum Wörtersee bis München

Der Karikaturist Rudi Hurzlmeier

Der Zwang zur Lederhose

Deutsches Phänomen 5

Skandal im Deutschgebiet

KAPITEL 6

Preußen gibt es nur noch zum Lachen

Entdeckungen in der Gegend des Flachlandhumors

Deutsches Phänomen 6

Klagen eines bayerischen Gärtners

KAPITEL 7

Forhonebibeln könn mor uns alleene

Tief in Sachsen, wo die schönen Kalauer wachsen

Der Karikaturist Beck

Der bestellte Witz

Deutsches Phänomen 7

Ein Königreich für einen Grill

KAPITEL 8

Die Vertreibung aus der Hölle

Calau, Saarland und der letzte Ulkrest

Deutsches Phänomen 8

Puppe auf der Autobahn

SERVICETEIL

KAPITEL 1

Deutschland macht lustig

Von Witzwort über Sülz zur Kichererbsenalm

Es geht los. Gleich früh am Morgen. Denn hier geht die Wonne auf. Immer die Seitenstraßen entlang durch das Land des Lächelns. Deutschland macht lustig. So wie sauer. 16 Bundesländer voller Witzfiguren und Spaßnester. Lächerlich schön.

Es gibt Ecken, wo sich Reinecke Fuchs und Hans Wurst – der ältere Bruder von Conchita – gute Nacht wünschen. Es existieren Plätze, wo Münchhausen mit Hape Kerkeling den Schildbürger an der Nase herumführt, Wiesen, wo Karl Valentin mit Heinz Erhardt übers Völkischsein lästert. Irgendwo schaut Hans Sachs um die Ecke, und in Kabaretts stellen sich grundgesetzliche Fragen. Nebenan veranstalten Abdelkarim, Jilet Ayse und Freunde voll krass den Migrantenstadl. Wir sehen Kanäle, wo Oliver Welke mit Olaf Schubert Satire ausschüttet und Stadien, in denen Mario Barth Cindy aus Marzahn vorführt. Und beim nächstbesten Oktoberfest haut der Spießer den Lukas, bis Dieter Nuhr Stunden später der Geduldsfaden reißt. Herzlich willkommen im deutschen Lachland, das sich einig ist: Wir sind ein Witz. Und das ist gut so. Die Deutschen pflegen ihr nationales Humorgut. Aber jeder Witz ist anders. Der Kölner sagt: »Jet jeck sin mer all, ävver jeder Jeck es anders.«

Die Scherzfahrt geht Zickzack von der Pointe am Stammtisch nach Witzwort, Zinnowitz zur Hamburger Philharmonie im Norden über Jux bei Wüstenrot, Heitersheim im Breisgau, Köln bei Sülz, Alberndorf in Mittelfranken, den Flughafen in Berlin, Possendorf in Sachsen, bis nach Lachen in Schwaben und die Kichererbsenalm am Tegernsee. Ein Schelmenstaat mit geografischen Spitzen.

Wie nennt man einen Lüneburger, der aus der Kirche austritt? Lüneburger Heide.

Was ist schlimmer als verlieren? Siegen.

Was macht ein Schwabe mit einer Kerze vor dem Spiegel? Er feiert den zweiten Advent.

Wohin gehören die Pfälzer? In die Pfalz.

Wohin gehören die Saarländer? In die Saar.

Wie heißt die Starthilfe eines Flüchtlings in Deutschland? Mobbing.

Deutschland komisch Vaterland. Das schafft sich nicht ab, das lacht sich schlapp. Hier wächst seit Jahren eine lässige Mittelschicht, ökologisch-konservativ, offen und stolz auf dieses weltmeisterliche Land mit seinen vielen Fehlern, die mal stören und mal nicht, aber vorwärts treiben. Jeder Zweite feixt sich hier schon vor dem zweiten Frühstück ins Fäustchen.

Als Obama zu Besuch in Berlin war, erzählten sich plötzlich alle, er hätte bei seiner Rede einen unvergesslichen ersten Satz zu den Deutschen gesagt: »Ich kenne euch doch alle!« Während seines Besuches kam ein Junge auf ihn zu und fragte Obama: »Mister, mein Vater hat gesagt, Du bist der Mann, der immer in meinem Computer steckt, stimmt das?« Obama reagierte sofort und sagte zu dem Jungen: »Das ist nicht Dein Vater.«

Immer wird ein anderer durchs deutsche Dorf getrieben. Die Russen sind ab und zu mal dran. Diesmal heißt der Gejagte Putin der Jäger. Und da erzählt der eine Deutsche dem anderen:

In Moskau ist ein Stau. Ein Mann steht mittendrin, plötzlich klopft ein Fremder an seine Autoscheibe und sagt: »Ganz Moskau ist zu, überall Stau, denn unser Präsident Putin ist von Terroristen entführt worden. Sie wollen ihn heute Abend mit Benzin übergießen und anzünden, wenn sie nicht zehn Millionen Rubel bekommen. Also geben Sie so viel sie können«, fordert der Fremde den Autofahrer auf. Der antwortet: »In Ordnung. Ich kann Ihnen zehn Kanister geben.«

Allein die Schadenfreude ist in Deutschland einzigartig auf der Welt. Schon der Philosoph Thomas Hobbes glaubte, dass die Essenz des Humors im »plötzlichen Triumph« liege, den Menschen fühlen, wenn andere zum Gespött werden. Engländer benutzen dasselbe Wort, weil sie keinen eigenen Begriff für Schadenfreude haben. Sie schimpfen nur, die Deutschen seien ein Volk von paranoiden Schizophrenikern, die sich nicht entscheiden können, ob sie schmunzeln oder weinen wollen. Das sagen die Briten? Natürlich. Der Deutschlandkorrespondent der Londoner »Times« Roger Boyes beispielsweise pflegt in seinen Texten und Büchern gern das gängige Vorurteil des depressiven Deutschen, der himmelhochjauchzend zu Tode betrübt sei. Der Engländer glaubt, die Deutschen seien ein mieser Scherz. So wie die vier hier:

Wie nennen Hamburger ein China-Restaurant? Denn man Tau.

In Köln fragt der Chef die Sekretärin: »Un, wat steit dies Woch om Kalender?« Sie: »Mondaach, Dingsdaach, Mettwoch ...«

Was trieben Schlangen einst in Sachsen? Es dlabberdn die Dlabborschlang bis ihre Dlabborn schlabbor dlang.

Was ist grün und steht in München am Straßenrand? Die Froschtituierte.

Das ist lustig, aber ohne Erkenntnis. Der Oberbayer, geboren in Dorfen, Michael Mittermeier sagt dazu: »Für Komik gibt es letztlich nur ein Kriterium: Lustig oder nicht lustig. Punkt. Die Frage, ob das politisch korrekt ist oder ob man unter seinem Niveau lacht, wird nicht gestellt, sondern es wird gelacht oder nicht. Wenn Sie Langeweile haben wollen, da können Sie auch ihre Schwiegermutter anrufen.«

Das passiert jetzt nicht. Aber die Scherzreise führt natürlich auch durch Bayern, denn es gehört ja noch zu Deutschland. Da kommt keiner dran vorbei, der gern nach Italien will. Und da herrscht Schmarrn. Der Münchner Autor Herbert Schneider packte den Gemütszustand in folgende Zeilen:

Unta’m Baam liegn

Und in Himmi schaugn

Is des Scheenste.

D ’Vogerl singa

Und d ’Woikn

Fahrn Schifferl.

Und an des bisserl

Rheumatisch

Gwöhnst de.

Die Engländer und Franzosen glauben nach wie vor, des Deutschen Scherz sei Schmerz, sie leiden und würden selbst in den Bergen nur flachen Humor kennen. Deshalb erzählen sie sich seit Jahren den kürzesten Witz über die Deutschen: »Lachen zwei Deutsche.« Dann holen die Engländer einen ganz alten Gag aus der Witzkiste:

Der Engländer schreibt über die Kunst, Elefanten zu jagen; der Franzose über das Liebesleben der Elefanten; der Deutsche über das Seelenleben des Dickhäuters ...

Oder die Franzosen nehmen das alte Ding mit dem Eins-zwei-drei-Schema:

Ein Ungar: ein Held, zwei Ungarn: ein Adelsverband, drei Ungarn: eine Zigeunerkapelle ... Ein Russe: ein Seelchen, zwei Russen: ein Chor, drei Russen: ein Chaos ... Ein Franzose: ein Kavalier, zwei Franzosen: ein Duell, drei Franzosen: eine glückliche Ehe. Ein Deutscher: ein Philosoph, zwei Deutsche: ein Verein, drei Deutsche: ein Krieg.

Und heute erzählen Engländer und Franzosen gern den Witz:

Sitzen ein Portugiese, ein Italiener und ein Grieche im Restaurant. Sie essen, trinken und lassen es sich gut gehen. Wer zahlt am Ende? Der Deutsche.

Klar, darüber brechen die anderen in Gelächter aus und haben Tränen in den Augen. Der Portugiese feixt, der Italiener schmunzelt, der Grieche grinst. Der Deutsche zieht eine Fleppe. So lautet die klassische Mentalitäts-Hierarchie der Zentral-Europäer.

Das beruht auf Geschichte. Denn spätestens seit die Deutschen mit einem Zweiten Weltkrieg den anderen Völkern auf den Geist und ans Leben gingen, wurde es ernst. Die Deutschen litten Jahrzehnte am Grübelvirus »Warum« und die Heilung brauchte ihre Zeit. Deshalb dachten die Engländer beim Besuch einer deutschen Stadt lange, hier wäre gerade ein Attentat verübt worden, denn es sahen alle so traurig aus. Sie sahen nicht traurig aus, sie sahen nur den Engländer.

Deutsche und Engländer verbindet seit Jahren die Tatsache, dass sie drei Kriege gegeneinander ausgefochten haben, die die Engländer alle gewannen: 1914-18, 1939-45 und 1966 in Wembley. Der Brite kann es aber nicht ertragen, dass die Verlierer von ’45 nach 70 Jahren schon wieder grienen und Weltmeister sind. Spaß beiseite, ruft er. Und der Deutsche denkt, das ist Schnee von gestern. Wir sind längst aufgetaut.

Ein Deutscher und ein Engländer spielen Schiffe versenken.

Der Engländer: »D2!« Der Deutsche: »Versenkt!«

Er findet das lustig. Der Engländer aber pflegt sein deutsches Trauerklosbild so, wie kurz nach dem Krieg die Glasaugen-Witze rumgingen:

Der deutsche Arzt sagt zum Franzosen: »Ich will sie kostenlos behandeln, wenn Sie erraten, welches von meinen beiden Augen ein Glasauge ist.« Der französische Patient: »Das linke«. Der deutsche Arzt: »Gut, ich verzichte auf das Honorar. Aber wie haben Sie es herausgefunden?« Der Franzose: »Es schaut so menschlich.«

Im Dritten Reich erzählte man sich in Deutschland den gleichen Witz in scharfer Form: Der Arzt hatte sich in einen SS-Mann verwandelt, der Patient in einen Juden, der – falls er das Glasauge errät – nicht erschossen werden soll. Er errät es mühelos. »Es schaut so menschlich, Herr SS-Offizier.«

So etwas erzählt keiner mehr, darüber ging die Zeit hinweg. Doch dass deutsche Unangepasste am liebsten auf hohem intellektuellem Niveau schänden möchten, blieb als Vorurteil weiter haften. Und mit Ironie könne der Deutsche immer noch nichts anfangen, insbesondere mit Selbstironie. Bei seinem Urteil helfen dem Briten die hängenden Kanzlerinnen-Mundwinkel. Dort verreckt sogar ein englischer Gag. Dabei ist die Dame gelegentlich freiwillig komisch.

Nach dem Flugzeugabsturz von Lech Katschinski in Smolensk sagte sie nach dem Tod des polnischen Ministerpräsidenten:

Lech Katschinski war nicht immer ein einfacher Partner. Aber zum Schluss hat sich immer eine Lösung gefunden.

Oder:

Wir sind jetzt gerade im Sommer der Entscheidungen. Und dann kommen der Herbst und dann der Winter der Entscheidungen. Jetzt kommen überhaupt nur noch Entscheidungen.

Legendär der abgehörte Satz:

Das Internet ist für uns alle Neuland.

Und der lustigste Satz seit Erfindung der Merkel:

Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung.

Das gibt den erfolgreichsten Comedy-Preis seit Erfindung des Comedy-Preises. Merkel fühlt sich ausgezeichnet und hält sich den Bauch hinter den Kostümknöpfen, wenn sie die sieben Zwerge beim Gipfel trifft. Scherzkeks Boyes lässt sich dennoch nicht beirren und rät den Deutschen, dem Humor abzuschwören und ihn lieber zu importieren. England baue schließlich auch keine Autos mehr. Dafür basteln sie Serien mit übergewichtigen Schwulen, die Darmstadt für die Hauptstadt Deutschlands halten und nennen sich Little Britain. »Aber ja, aber nein, aber ja, aber nein.« Jetzt sinkt für Sie das Niveau. Holen Sie es bitte nicht wieder hoch, denn jede Debatte darüber bleibt bloße Geschmackssache.

Auf der Weltkarte des Humors gilt Deutschland indes weiterhin als scherzfreie Zone. Wer das beweisen will, der reist immer den Trauerweidenweg entlang in die germanischen Kleinöden nach Bösgesäß, Dormagen, Elend, Galgen, Güllesheim, Hetzdorf, Jucken, Kuhfraß, Langweiler, Nothweiler, Wolfenbüttel, Streit, Todesfelde oder Zanken. Wer dort war, muss nichts mehr fürchten. Wie sagt der Dichter:

Und treffen wir uns nicht in dieser Welt,

so treffen wir uns in Bielefeld.

Wo bitte? Die schöne alte Verschwörungstheorie, dass es Bielefeld gar nicht gibt, schmeckt dem Ostwestfalen zwar wie ein dauergekauter Kaugummi, aber es hört einfach nicht auf. Denn immer wenn einer meint, dass es eine Verschwörungstheorie sei, dann ist er ganz nah dran an der Wahrheit. Heute-Show-Moderator Oliver Welke behauptet mit dreister Permanenz, 1966 das Licht von Bielefeld erblickt zu haben. Genau wie Lück, Ingolf. Aber wer bitte war gleich nochmal Ingolf Lück? Kaum einer kennt einen, der einen kennt, der schon mal in Bielefeld war. Überlebende der Stadt, die keiner vermisst, nehmen das jedoch nicht ernst, sondern drehten kürzlich einen Thriller über die Bielefeld-Verschwörung und sollen sich totgelacht haben. Der Running Gag läuft und läuft und läuft. Bielefeld ein Friedhof, ein Landeplatz für Außerirdische, deutsche Folklore, um CIA und Mossad zu verwirren. Es funktioniert.

Geheimdienste verbreiten weiterhin die Meinung, deutscher Humor sei, wenn man trotzdem nicht lacht. Dieser schöne Satz stammt nicht mehr von Boyes, sondern von dem deutschen Schriftsteller Sigismund von Radecki. Er bringt es lachhaft auf den Tränensack und alle schreiben seit Jahren von ihm ab. Noch einen Satz zum Abschreiben? Klar: Deutscher Humor ist ein echter Schlankmacher, man muss meilenweit laufen, bis man ihn trifft. Wow. Ein echter Knaller, diesmal von Dieter Hallervorden, der es eigentlich besser wissen müsste. Denn dass der Deutsche angeblich keinen Humor hat, ist ein Witz.

Der Humor fängt dort an, wo der Spaß aufhört, gleich hinter den deutschen Tabuzonen. Bergwitz, Caaschwitz, Freudenstadt, Gaggenau, Großerlach, Heiterer Blick, Illerich, Jeckenbach, Spöttl oder Schalkmühle zeigen schon im Namen, wo es langgeht. Die Provinz schreibt köstliche Geschichten.

Zwei Männer stehen in ihrem kleinen Ort vor dem Friedhof. Da fragt der eine zu dem anderen: »Gehst Du zur Beerdigung vom Lehmann?« Sagt der andere: »Warum sollte ich, glaubst Du vielleicht, er kommt zu meiner?«

Das mit dem Traurigsein ist ideal. Denn der beste Witz entsteht aus der Tragik des Lebens. Wer gestern kurz vor dem Abgrund stand, kann heute behaupten, er sei einen Schritt weiter. Überstürzend komisch. Witze sind einerseits Niedermacher, sie erniedrigen andere oder sich selbst. Doch wird der Witz melancholisch, so war er schon Humor. Ein guter Witz ist Sex für den Geist. Humor ist Seelenlage. Und Lage ist bekanntlich alles. Der Deutsche lässt im Gegensatz zum Engländer und erst recht zum US-Amerikaner Melancholie noch zu. Er suhlt sich auch mal im Ungemach. Andere Europäer schimpfen, der Deutsche setze immer mehr Speck an. Kann sein, aber wenn, dann ist es ausgelassener Speck. Gutes Rezept.

Lachland lässt amüsieren, brüllen, frohlocken, freuen, grandeln, grinsen, gackern, lächeln, prusten, schmunzeln, spotten, wiehern. Köstlich. Es lässt aber ebenso lachen, auslachen, verlachen. Der aus Kröpstädt in Sachsen-Anhalt stammende Liedermacher und Autor Hans-Eckardt Wenzel sagt: Sobald im Lachen Erkenntnis steckt, will es verändern. Ganz im Gegensatz zu Macht, die sich erhalten will. Schon Heinrich Heine frotzelte sich durch Deutschland und wird als Weltliterat geehrt. Er machte einfach seinen Reim auf die Verhältnisse. Die von Hochwohlgeboren regten sich auf, der Bürger hatte seinen Spaß, denn es kommt nur an, was nicht über ihm schwebt. Viele Deutsche besitzen viele Bücher, rein statistisch gesehen haben Stuttgarter im Verhältnis zur Einwohnerzahl sogar weit mehr Sparkassenbücher als die anderen Deutschen. Und so zitiert der Schwabe gern und ständig den arrogantesten Vers der deutschen Literatur, geschrieben von Eduard Paulus:

Der Schelling und der Hegel,

Der Schiller und der Hauff,

Die sind bei uns die Regel,

Die fallet gar nit auf.

Schöne Ironie des Schicksals. Die Bundesbürger selbst nämlich halten sich nicht nur für gebildet, sondern vor allem für wahnsinnig lustig. Drei von vier Erwachsenen glauben, sie könnten Säle zum Brüllen bringen. Das fand »Lisa« heraus, was einen eigentlich bedenklich stimmen sollte, denn die Zeitschrift gilt weder als Institut für soziale Forschungen noch als besonders lustig. Aber wir glauben es einfach mal, denn immerhin behaupten in derselben Umfrage 87 Prozent der Männer und 91 Prozent der Frauen, sie könnten über sich selbst lachen. Na also. Zig Millionen Stimmungskanonen bevölkern das Land. Boyes wird ausgewiesen. Er hat schlicht keine Ahnung, denn die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit.

Waren Sie mal in Kneitlingen? Fahren Sie mal hin! Ein Ort, unweit von Hannover, wie viele in Deutschland. Zufahrtsstraße durch Felder, die Kirche an der höchsten Stelle, davor gefegte Höfe und fein sortierte Einfamilienhäuser samt Hecken, geschnitten. Neben dem Gotteshaus ein Friedhof und ein kleiner Park. Da steht ein Haus und in dem Haus stehen ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank und ein leeres Bett. Die Kneitlinger warten auf ihren berühmtesten Sohn wie andere auf den Messias. Er wird zurückkommen in seine Geburtsstadt und sich auf die Matratze legen. Vor Schmerzen im Zwerchfell wird er wochenlang liegen müssen. Ein wenig darf er sich ärgern, weil vor der Kirche das Denkmal, das ihn zeigt, so traurig aussieht. In Stein gehauene Ehrfurcht ohne Leichtigkeit für den ersten Narren der Nation.

Till Eulenspiegel zog eine Spur des Scherzes durch Deutschland. Taktik der verlachten Erde. Und das schon vor 500 Jahren. Der Schelm starb angeblich in Mölln, liegt nicht tot in der Grube, er steht begraben. Die Kneitlinger hoffen und singen wie Roland kaiserlich: Jetzt geht es wieder los, das darf doch wohl nicht wahr sein, dass man so total den Halt verliert.

Till, der Reiseführer der Heiterkeit, bestimmte lange die Geografie des deutschen Humors. Eulenspiegel war überall und nirgends: Rostock, Lüneburg, Bremen, Hannover, Braunschweig, Staßfurt, Marburg, Erfurt, Dresden, Frankfurt am Main, Stuttgart, Nürnberg. Deutschland einig Lachland. Nur Schöppenstedt betrat er nie. Aber dort befindet sich heute das Till-Eulenspiegel-Museum, eine Sammlung aller möglichen Dinge, die irgendwie mit dem Seiltänzer, Scheinbäcker und Plazeboarzt in Verbindung gebracht werden können. Erich Leimkugel trug die Dinge zusammen, schenkte sie 1947 seiner Vaterstadt, die nun plötzlich ehren sollte, was doch eigentlich die Kneitlinger ganz in der Nähe erledigen sollten. Zunächst lagerte alles in einem Privathaus, aber 1996 bauten die Schöppenstädter ein schickes Gebäude, viel Glas und drei Etagen Fläche für Plakate, Bücher, Skulpturen, Papiere. Eulenspiegeleien. Klein, aber fein.

Das deutsche Land steckt voller Komik und feiner Unterschiede zwischen Ironie, Sarkasmus, Skurrilität und Zynismus. Denn Humor bedient sich des Witzes und bindet sich an Charakter, Landschaft, Sprache. Übrigens nicht unwesentlich auch an Alkohol, der Hemmschwellen fortspült. Wein lässt das Gemüt leicht, beschwingt und freudig lachen. Beim Bier kommt es auf die Sorte an. 5.000 verschiedene Biere werden in Deutschland in über 1.330 Brauereien gebraut. Hopfen und Malz sind nicht verloren, sondern regional bestens verteilt, ganz nach Geschmack. Die größte Brauereidichte herrscht übrigens im fränkischen Aufsess: je 350 Einwohner eine eigene Brauerei. Prost.

Beim deutschen Humor geht es ähnlich zu. Überall ist er zu kriegen, aber in so vielen Stilen wie es Bier in dem Land gibt. Und Dialekte. Herbert Schöffler, 1888 in Leipzig geboren, studierte in Paris, wurde Professor in Bern, Dekan in Köln, 1933 abgelöst, weil er sich 1932 geweigert hatte, einen Brief zur Wahl Hitlers zirkulieren zu lassen. Er nahm es mit Humor und veröffentlichte 1941 eine Serie in der Zeitung »Das Reich« über den Witz der deutschen Stämme. Bekommen ist ihm das nicht. Der Sprachwissenschaftler wurde daraufhin von Studenten bedroht und vom Gauleiter suspendiert. Er ging nach Göttingen, wo er nach dem Krieg Dekan der Universität wurde. 1946 nahm er sich das Leben. Er litt an Depressionen. Typisch deutsch, würden die Engländer sagen.

Den typisch deutschen Humor scheint es indes nicht zu geben, weil es keine für alle Bundesländer typisch deutsche Figur gibt. Der deutsche Michel war es mal, aber der mit der Zipfelmütze tut es längst nicht mehr. Eulenspiegel bleibt für Identifikation unzuverlässig. Es bieten sich mit ihren Texten Tucholsky, Polgar, Kästner an, Werner Finck, Walter Groß. Aber eine identitätsstiftende Figur wie Schwejk fehlt. Loriot war einer, der als gesamtdeutsche Knollennase im Ausland die Krauts vertrat. Ein Virtuose der Sprache, ein Meister des Timings, trocken und schlau genug, um immer höflich zu bleiben. Das führte dazu, die Unhöflichkeit der Deutschen gegenüber ihren Nachbarvölkern ein wenig in Vergessenheit geraten zu lassen. Aber Loriot blieb immer Begleiter der alten Bundesrepublik und nach der Wiedervereinigung der feine Westler der realen Groteske. Seine Menschen sind die Kleinbürger des patriarchalischen Adenauer-Staates. Und so wird fleißig behauptet, Loriot sei der größte aller deutschen Komiker. Er wehrt sich noch immer dagegen. Dieter Hildebrandt gelang satirische Wiedervereinigung, auch Helge Schneider und Harald Schmidt erwarben sich gesamtdeutschen Gagstatus, Mario Barth gelingt im deutschen Durchschnitt Massentauglichkeit. Aber auch sie sind individuell, vertreten nicht den ganzen Humor, wie etwa Monty Python, Mr. Bean, also Rowan Atkinson, Benny Hill oder Douglas Adams zweifellos englischen Humor repräsentieren.

In den 16 deutschen Bundesländern leben Figuren, die das Land verkörpern und jeweils den Bayern, Berliner, Rheinländer, Schwaben, Hessen, Sachsen oder Hamburger mit seinem Dialekt und seiner Mentalität zeigen. Frank-Markus Barwasser zum Beispiel gibt Pelzig, den Franken, Gerd Dudenhöffer spielt Heinz Becker, den Saarländer, Gerhard Polt liefert den gebürtigen Bayern, Olaf Schubert verkörpert den Sachsen, Kurt Krömer, bürgerlich Alexander Bojcan, versucht sich als Berliner, Olli Dittrich, in Offenbach geboren, hat als Dittsche speziellen Hamburger Humor im Biss, der Mannheimer Bülent Ceylan inszeniert sich als Türke mit baden-württembergischen Migrationshintergrund, Rheinländer stellen ganze Armeen von Pappnasenfiguren und fluten Fernsehkanäle, allen voran viele Jahre Stefan Raab. Und bei YouTube sucht die nächste Generation, die jeglichen Respekt verloren hat, nach Orientierung und Publikum. Die Summe aller Witzfiguren ist deutscher Humor.

1955 erschien Schöfflers Scherz-Serie als Buch unter dem Titel »Kleine Geographie des deutschen Witzes«. Darin unterschied er fünf große Humor-Landschaften in Deutschland: Die Bayerische, die Berliner, die Rheinländische, die Norddeutsche und die Sächsische. Und jetzt liegt es seit Jahren da, das Buch, nie neu aufgelegt, aber gut aufgelegt. Eine Vorlage für die Nachfahren zum Nachfahren. Mal sehen, ob es bekommt, denn vieles hat sich geändert. Plötzlich gibt es veraltete Bundesländer, das Saarland stieß als neues Bundesland zum Bund, die DDR kam, ging und Deutschland vereinigte sich zu einem Land, das es so noch nie gab, aber alle nannten es Wiedervereinigung. Und die Humorgrenzen laufen inzwischen weniger zwischen Ost und West als vielmehr zwischen Nord und Süd. Nur eines stimmt noch immer: Ein guter Witz wird nach wie vor gern missverstanden. Beispiel? Beispiel:

Ein Deutscher wird in China zum Tode verurteilt. Der chinesischer Henker schwingt so schnell das scharfe Schwert, dass der Delinquent seine eigene Hinrichtung nicht bemerkt hat: »Ich lebe noch.« – »Nicken Sie mal!«, sagt der Henker.

Frau Krause gibt aber diesen Witz in der Bridgestunde folgendermaßen wieder:

In China müssen die Verbrecher so lange mit dem Kopf nicken, bis sie tot sind.

Zwischen den Ländergrenzen differenziert sich vieles aus, überlagert sich, und da der Deutsche mobil ist wie sein Auto, wandert der Charakter des Humors in allen Himmelsrichtungen hin und her. Wäre er steuerpflichtig, müsste er vom Finanzamt seine komplette Pendlerpauschale erstattet bekommen. Herr Schäuble, kommen Sie bloß nicht auf die Idee, den Scherz zu besteuern. Sie waren es doch, der sagte:

Wer es ernst meint mit der Freiheit, der muss dafür aufstehen.

Scherzmaut führt zur Revolution. Freies Lachen für freie Bürger. Und: Es importiert sich neue Heiterkeit durch Einwanderer und deren Kinder.

Also los jetzt, reisen wir zusammen. Wie sagte Schmunzelmeister Heinz Erhardt:

Ich könnte manchmal vor Glück eine ganze Allee von Purzelbäumen schlagen.

Bitte folgen.

Der Karikaturist Til Mette

Wir haben schon mal einen Juden versteckt

Es existiert nicht nur diese eine Stadt nicht. Vieles verschwindet einfach so. Selbst der Therapeut liebt es, sich in Luft aufzulösen. Til Mette weiß das. Der gebürtige Bielefelder hinterlässt Zeichenspuren, die dem menschlichen Mechanismus der Verdrängungen folgen. Er selbst ist manchmal auch nicht da. Eine seiner zwei Töchter sagt: »Papa ist weg.« Er dreht mit seinem Motorrad eine Runde. Luft kämmt seinen Kopf. Durchatmen für die nächste Idee.

Dann ist er wieder da, steht plötzlich im Zimmer. Nicht zu übersehen, ein kantiger Kerl mit lockigem Haar. Der kommt nicht rein, der erscheint, wirbelt die stehende Luft auf. Alles bewegt sich. Til Mette redet. Woher er stammt, kommt in der Rede gar nicht vor. 1956 landete er im Kreißsaal eines Bielefelder Krankenhauses, in dem auch seine drei Geschwister ankamen. Doch als die Familie vollständig schien, da bemerkten die Eltern, dass ihr Zusammensein ein Irrtum war. Blöd gelaufen. Trennung. Seine Schwester musste plötzlich mit einem Hirntumor kämpfen, die Mutter, überbeschäftigt mit all den Sorgen, schickte den Sohn aufs Internat. Der Junior wanderte durch Schulklassen und Schulen, acht Wechsel in vier Jahren, Reise durch verschiedene Bundesländer und damit Lehrpläne. Irgendwann verzichtete er darauf, schon wieder neue Lehrbücher zu besitzen. Das war 1970, sein 13. Lebensjahr und ein Zeugnis mit einer Vier drauf. Der Rest Fünfen und Sechsen.

Von Verschwörungstheorien hält er dennoch nichts. Die Realität hat es schon schwer genug. Der Witz steht ihr auf der Stirn geschrieben. Til Mette bemerkte das zeitig und begann das abzumalen. »Ich habe irgendwie schon immer gezeichnet«, sagt der heute 58-Jährige. Seine Karikaturen wirken wie das Irgendwas, das sowieso ständig dazwischenkommt. »Ich bin aber deshalb noch lange kein Fatalist«, sagt Mette, der später noch auf dem Oberstufen-Kolleg das Abitur absolvierte und in Bremen Kunst und Geschichte studierte. Er wollte Pfarrer oder Lehrer werden. Und zeichnete. »Das ist das Einzige, was ich kann«, sagt er. Sein Vater konnte das auch, da guckte er sich manches ab. Zeichnen kann man lernen, meint Mette, Humor nicht. »Den hat man oder nicht.«