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Findet er sie nicht schnell, ist sie tot: Der Psychothriller »Devilʼs Kiss – Dir bleiben 48 Stunden« von Robert Gregory Browne als eBook bei dotbooks. Diese beiden Männer bekämpfen einander bis aufs Blut: Auf der Seite des Gesetzes steht Agent Jack Donovan, sein Widersacher ist der Terrorist Alexander Gunderson. Als dessen schwangere Freundin bei einer spektakulären Verfolgungsjagd mit der Polizei so schwer verletzt wird, dass sie ins Koma fällt, schwört Gunderson Rache. Er entführt Donovans Tochter Jessie, setzt ihr eine Atemmaske auf, die sie 48 Stunden lang mit Sauerstoff versorgen wird – und lässt sie lebendig begraben. Donovans einzige Chance, sie zu finden, scheint Gunderson selbst zu sein, doch der kommt unter dramatischen Umständen ums Leben. Kann Donovan seine Tochter finden, bevor sie ihren letzten Atemzug tut? »Ein brillanter Thriller. Die Handlung ist so halsbrecherisch schnell, dass man kaum Zeit hat, zwischendurch Luft zu holen.« Bestsellerautorin Tess Gerritsen Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der schnell getaktete Thriller »Devilʼs Kiss – Dir bleiben 48 Stunden« von Robert Gregory Browne wird Fans der Bestseller von Michael Robotham und Max Barry das Fürchten lehren! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 408
Veröffentlichungsjahr: 2023
Über dieses Buch:
Diese beiden Männer bekämpfen einander bis aufs Blut: Auf der Seite des Gesetzes steht Agent Jack Donovan, sein Widersacher ist der Terrorist Alexander Gunderson. Als dessen schwangere Freundin bei einer spektakulären Verfolgungsjagd mit der Polizei so schwer verletzt wird, dass sie ins Koma fällt, schwört Gunderson Rache. Er entführt Donovans Tochter Jessie, setzt ihr eine Atemmaske auf, die sie 48 Stunden lang mit Sauerstoff versorgen wird – und lässt sie lebendig begraben. Donovans einzige Chance, sie zu finden, scheint Gunderson selbst zu sein, doch der kommt unter dramatischen Umständen ums Leben. Kann Donovan seine Tochter finden, bevor sie ihren letzten Atemzug tut?
Über den Autor:
Robert Gregory Browne, wurde 1955 in Baltimore geboren und lebt heute mit seiner Familie in Kalifornien. Nach erfolgreichen Jahren in der Film- und Fernsehbranche entschied er, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Heute ist er ist Autor zahlreicher Thriller, die in den Vereinigten Staaten und weltweit veröffentlicht wurden, darunter »Totenkult – Finde die Wahrheit«, der für den ITW-Thriller-Preis nominiert wurde.
Robert Gregory Browne veröffentlichte bei dotbooks bereits »Der Seelenjäger – Er wird sie töten«, »Totenkult – Finde die Wahrheit« und »Der Witwer - Klebt ihr Blut an deinen Händen?«.
Die Website des Autors: robertgregorybrowne.com/
Der Autor im Internet: facebook.com/RobertGregoryBrowneBestsellingAuthor/
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eBook-Neuausgabe Juni 2023
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2008 unter dem Originaltitel »Kiss Her Goodbye« bei St. Martin’s Press, New York.
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2007 by Robert Gregory Browne
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2007 by Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.
Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/leisuretime 70
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)
ISBN 978-3-98690-658-0
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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags
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Robert Gregory Browne
Devil's Kiss – Dir bleiben 48 Stunden
Thriller
Aus dem Amerikanischen von Karlheinz Dürr
dotbooks.
Für meinen Vater, meine Mutter und meine Schwester, die meinen Traum immer unterstützt haben
Und für Leila, Lani und Matthew, die ihn vor langer Zeit erfüllt haben
Ursache
Alles fing damit an, dass das schwangere Mädchen durchdrehte.
Walt sah sie sofort. Sie stand in einem Knäuel von Kunden, die darauf warteten, dass er aufschloss. Sie war neunzehn oder zwanzig Jahre alt. Ihr Bauch kurz vorm Platzen. Ihr Lächeln liebenswürdig.
Als Walt dieses Lächeln sah, musste er an Emily denken. An ihr frisches Aussehen, das sonnige Wesen, das sie bis ins Alter hatte, die Fähigkeit zu lächeln, selbst als der Tod die Hand nach ihr ausstreckte und ihr Herz sich in seinem Würgegriff befand.
Walt sah die junge Frau an, und es schnürte ihm fast die Kehle zu, als er die Flügeltür der Bank aufstieß. Er hatte seine Frau geliebt, aber er dachte eigentlich nicht gern zurück. Er war nicht der Typ, der an der Vergangenheit hing, und so liebenswürdig diese kleine Lady auch sein mochte, er hatte ein ungutes Gefühl dabei, ihr in die Augen zu sehen.
Sie dagegen schien kein Problem zu haben. Als die Kunden an ihm vorbei in die Bank drängten, reihte sie sich geduldig ein, lächelte gewinnend, als sie bei ihm ankam, und schaute ihm in die Augen.
»Schöner Morgen, stimmt’s?«
Ihre Stimme klang völlig unbekümmert – hatte einen fröhlichen Mir-gehört-die-Welt-Ton. Den Ton, den nur junge Leute haben. Walt selbst war kein Siegertyp – was seine siebenundvierzig Jahre Dienst als Wachmann bei derselben Bank und bei derselben Filiale demonstrierten, aber er beneidete Leute, die sich für unbesiegbar hielten.
Er wich ihrem Blick aus und schaute zum Himmel, der so blau war wie Emilys Augen.
»Ja, Ma’am«, antwortete er, »an einem Morgen wie diesem wünsche ich mir, Flügel zu haben.«
Das war nicht wahr, aber er war gern höflich und außerdem klang es gut. Fast poetisch.
Walt hätte es nicht für möglich gehalten, aber das Lächeln der Lady wurde noch herzlicher, als sie an ihm vorbeischlüpfte und mit der Schulter seine graue Uniform streifte.
Er schaute diesem Engel nach, beobachtete den watschelnden Gang des Mädchens, mit dem sie auf den Schalter in der Mitte der Halle zusteuerte, wo sie einen Rückzahlungsschein auszufüllen begann, so sorgfältig, als würde er später eingerahmt.
Walt wurde klar, dass es nicht nur das Lächeln war, das ihn an Emily erinnerte. Alles an ihr erinnerte ihn an Emily. Ihr Körperbau, das gelbe Sommerkleidchen, das kurze Haar, die Art, wie sie ihre Tasche an der Seite trug, die Konzentration, mit der sie sich ihrer Aufgabe widmete.
Einen kurzen Augenblick lang wünschte er sich, wieder jung zu sein. Wünschte, er könne die langen Jahre ohne seine Frau einfach wegwischen und wieder zu dem Moment zurückkehren, als für sie beide nur etwas im Leben wirklich wichtig war – wie sehr sie sich liebten. Als Lachen noch eine Lebensart war und ein tropfendes Wasserrohr oder ein ausgerissenes Haustier oder ein falsches Abbiegen eher ein Abenteuer als ein Ärgernis war. Ein Abenteuer, das sie wie Waffenbrüder teilten.
Sosehr er sich auch bemühte, die Gedanken ließen sich nicht aufhalten. Irgendwie hatte diese kleine Lady Schleusentore geöffnet, und er wusste jetzt, dass ihr »Schöner Morgen« der Beginn seines schlechten Tages war.
Und dann geschah es.
Die junge Frau drehte sich ein bisschen. Sie lächelte noch immer. Dann flackerte etwas in ihren Augen, und das Lächeln verschwand abrupt. Sie legte eine Hand auf ihren prallen Bauch, taumelte rückwärts und stieß einen kleinen Schmerzensschrei aus. Der Rückzahlungsschein flatterte zu Boden.
Walt eilte zu ihr hinüber und fing sie bei den Schultern auf, als sie zu fallen drohte.
»Alles in Ordnung, Ma’am?«
»Super«, sagte sie.
Das entsprach nicht gerade der Antwort, die Walt erwartet hatte, aber bevor er sich noch darüber wundern konnte, entwand sich ihm die junge Frau, und er schaute auf eine Neunmillimeter Smith & Wesson.
Den Lauf auf seinen dreiundsechzigjährigen Bauch gerichtet.
Das Liebenswürdige war verschwunden, der fröhliche Klang ihrer Stimme einer messerscharfen Kälte gewichen.
»Auf den Boden! Sofort!«
Walt war fassungslos. Ein schwangeres Mädchen zielte mit einer Pistole auf ihn. Ein verrücktes schwangeres Mädchen, das ihn in keiner Weise mehr an Emily erinnerte.
Er zögerte kurz, dachte an seine Waffe an der Seite.
»Sofort!«, befahl die junge Frau. »Oder du kriegst Flügel.«
Walt spürte seine alten Knochen, als er ihrem Befehl folgte. Er lag noch nicht, als er jemanden brüllen hörte und Sams Stimme erkannte.
Sam war sein Kollege. Machte seit zehn Jahren Dienst. Hatte Frau und zwei nette Kinder, die ständig kicherten und Walt Onkel Wally nannten.
»Waffe fallen lassen!«, brüllte Sam.
Ohne zu zögern, wirbelte die Lady herum und schoss zweimal kurz hintereinander.
Walt riss seinen Kopf hoch, gerade noch rechtzeitig, um Sam zu sehen – die Hand an seiner Waffe, die noch im Halfter steckte –, der, von zwei Kugeln ins Gesicht getroffen, nach hinten fiel, auf dem Linoleum zusammensackte.
Jetzt reagierte Walt.
Ohne nachzudenken, ohne zu planen.
Seine Hand schoss zum Griff seiner Pistole, nur ein Ruck, und er hätte sie gezogen.
Aber die junge Frau war zu schnell.
Als hätte sie gespürt, was er vorhatte, wirbelte sie wieder zu ihm herum – und dieses Mal blickte ihr Walt direkt in die Augen. Was er sah, machte ihn schaudern.
Die Augen eines Raubtiers.
Eine Wildheit, die ihm das Blut in den Adern erstarren ließ.
Seine Waffe steckte noch halb im Halfter, als die Lady die Smith & Wesson auf ihn richtete und abdrückte.
Das Letzte, was Walter O’Brien dachte, bevor er starb, war: Ich komme, Schatz.
Bis gleich.
Alle schrien. Kassierer. Kunden. Die hochnäsigen kleinen Bankmiezen mit ihrem ach-so-überlegenen Lächeln hinter den Schaltern.
Jetzt lächelten sie nicht mehr.
Sara feuerte eine Kugel in die Decke, genau wie Alex es ihr beigebracht hatte. Lass sie gleich wissen, wer der Boss ist.
»Runter, alle!«, schrie sie. »Gesicht auf den Boden!«
Wie sie sich hinwarfen!
Beinahe hätte sie gekichert, beherrschte sich aber. Für Leichtfertigkeit war jetzt keine Zeit. Dies war eine ernste Sache.
Überall um sie herum warfen die Leute sich auf den Boden, hielten die Köpfe brav unten, hatten Angst, sie anzuschauen, weil sie befürchteten, dass sie jemandem eine Kugel in den Kopf jagen würde.
Und genau das würde sie tun.
Kein Mitleid, sagte Alex immer. Zeig ihnen kein Mitleid. Mitleid ist ein Zeichen von Schwäche.
Und Schwäche wird nicht respektiert.
Alex war ein echtes Genie. Dichter. Philosoph. Mystiker. Aktivist.
Alles in einem.
Und das mit Leib und Seele.
Sara hatte das sofort bei ihrer ersten Begegnung damals auf dem Knox College erkannt. Ihre Zimmergenossin, ein ständig kicherndes Luder namens Tiffany, hatte ihn im Passion Pit aufgegabelt und für einen Quickie mit auf ihr Zimmer gebracht – einen Burschen mit Pferdeschwanz, also bitte. Aber als er Sara sah, war Tiffany abgeschrieben. Er gab ihr kurzerhand eine Abfuhr, dann lief er Sara hinterher in den Flur und lud sie zu einem Joint draußen ein.
Tiffany war natürlich stocksauer, um es mal milde auszudrücken, stand in der Tür, mit ihrem berühmten Du-kannst-mich-mal-Gesicht, aber Sara war das egal. Dieser Typ hatte hypnotisierende grüne Augen, die einen durchbohrten, wenn er mit dir redete. Als ob es ihm wirklich wichtig wäre, dass es dich gibt. Als ob man nicht nur irgendein Loch wäre, um das er in der Hoffnung herumstrich, Glück zu haben.
Sie schlichen sich in den Glockenturm vom Old Main, kifften sich zu und verbrachten die Nacht mit Reden und Lachen. Und während dieser Stunden entdeckte sie, dass er ihre Gefühle lesen konnte wie niemand vor ihm. Als die Sonne aufging, liebten sie sich zweimal hintereinander, und danach war Sara klar, das ist er.
Und er war es.
Einen Monat später heirateten sie, und Sara schmiss das Studium. Ihr Alter Herr bekam fast einen Schlaganfall, als er es herausfand, aber er konnte nicht viel dagegen tun. Sie wusste, dass er versucht hatte, Alex zu bestechen, aber Alex hatte ihn zum Teufel geschickt. Ausnahmsweise war Daddys Geld nutzlos.
Außerdem hatte Alex eine eigene Finanzstrategie.
»Bitte, tun Sie den Leuten nichts.« Das kam von einem schwitzenden kleinen Arschloch mit Fliege. »Nehmen Sie, was Sie haben wollen.«
Sara hielt ihn für den Bankmanager.
Wahrscheinlich behandelte er seine Leute wie Dreck. War schon an seinem Gesicht zu erkennen, dass er ein Fiesling war.
Er erinnerte sie an ihren Vater.
Sie richtete die Pistole auf ihn, und er duckte sich weg, schützte den Kopf mit beiden Händen. Sie war drauf und dran abzudrücken, weil schon sein bloßer Anblick sie krank machte, aber das wäre vielleicht ein Fehler.
Noch einer von Alex’ Lehrsätzen: kein unnötiges Blutvergießen.
Die beiden Wachleute – das war reine Notwehr. Wenn sie nicht so verrückt gewesen wären zu ziehen, würden sie jetzt noch leben und nicht in ihrem Blut liegen.
Sara fühlte sich unwohl, was den Älteren anging. Als sie ihn ansah und ihre Knarre auf ihn richtete, wurden seine wässrigen grauen Augen groß und ängstlich. Sie hatte sich praktisch zwingen müssen zu schießen.
Aber er war selbst schuld. Er hätte sich ja nur auf den Boden legen und still dort liegen bleiben müssen, wie sie es ihm befohlen hatte.
Dummer alter Narr.
Hinten im Raum bewegte sich etwas, und Sara schoss eine weitere Kugel in die Decke. Eine Frau schrie, als Putz auf sie herabrieselte.
»Ich sag’s nicht noch mal«, brüllte Sara. »Wer sich bewegt, stirbt. Kapiert?«
Jetzt sah sie alle an – mit diesem Raubtierblick, den sie stundenlang trainiert hatte. Alex behauptete, sie habe einen natürlichen Hang (sein Ausdruck), Liebenswürdigkeit auszustrahlen, und er hatte Tage damit verbracht, ihr beizubringen, wie sie diese ein- und ausschalten konnte. Er meinte, diese Fähigkeit sei besser als jede Waffe, die er besaß, und Alex besaß jede Menge Waffen.
Wo zum Teufel war er eigentlich?
Die beiden Wachleute waren erledigt, sie hatte den Raum unter Kontrolle ...
Er hätte jetzt hier sein sollen.
Bevor sie den Gedanken zu Ende verfolgt hatte, schwang die Flügeltür der Bank auf und die Liebe ihres Lebens schlenderte herein.
Gunderson hasste Bankjobs. Sie waren dreckig und kompliziert und voller unbekannter Größen. Man wusste nie, ob es nicht irgendeinem Irren plötzlich wichtiger war, als Held zu sterben, statt seinen Kids an diesem Abend eine Gutenachtgeschichte vorzulesen.
Und außerdem war der Arbeit/Gewinn-Quotient ein bisschen zu niedrig, dass es der Mühe wert war. Da konnte er ja mehr Geld machen, wenn er Kreditkartennummern aus dem Internet kopierte.
Aber Bankjobs machten was her. Und wenn man eine Botschaft verbreiten will, wie zum Beispiel Gunderson, dann braucht es Publicity.
Er stieß die Flügel der Banktür weit auf und winkte Luther und Nemo zu, als Erste hineinzugehen. Wie Gunderson trugen sie schwarze Kampfanzüge, Skimasken und waren mit einem Colt Commando M733 bewaffnet. Ein bisschen prahlerisch, aber genau darauf kam es an.
Ihre Armbänder zierten handgestickte chinesische Schriftzeichen auf schwarzem Grund – das Symbol für Krieger, Alex Gundersons Lieblingssymbol. Sara hatte die Armbänder an einem Abend entworfen, nach einem besonders sportlichen Liebesakt. Er sei ihr Krieger, hatte sie gesagt. Seine Energie inspirierte sie.
Und sie inspirierte ihn.
Gunderson hob seinen 733 und ging nach Luther und Nemo hinein. Sara stand in der Nähe eines Schalters in der Mitte des Raums mit ihrem Raubtierausdruck auf dem Gesicht, in der linken Hand die Neunmillimeter, die Alex ihr zum Geburtstag geschenkt hatte.
Ihr Ehering glitzerte im Neonlicht – ein Vierzigtausenddollarstück, das er einer sonnenbankgebräunten Schnepfe in Boulder City nach einem Marathonfick abgenommen hatte.
Für seine Sara war ihm nur das Beste gut genug.
Gunderson schlenderte zu ihr hinüber und reichte ihr eine Kevlarweste. Sie gestikulierte mit der Neunmillimeter, zeigte auf die Leute auf dem Boden. »Bist du stolz auf mich?«
Gunderson lächelte und rieb ihren prallen Bauch. Das Kind strampelte wie verrückt. »Immer, Baby. Immer.«
Als er ihr in die Weste half, staunte er wieder einmal, wie gut ihr die Schwangerschaft stand. Er konnte sich niemanden vorstellen, der schöner aussah als Sara, so wie sie jetzt war. Auch nicht zu irgendeinem anderen Zeitpunkt.
Sie gehörte zu den Frauen, für die Männer Sonette schreiben. Und sich Duelle liefern.
Und sie gehörte ihm. Ganz und gar ihm.
Gunderson zog die Skimaske vom Kopf, küsste Sara auf die Stirn, drehte sich dann um, richtete seinen Revolver auf die nächste Überwachungskamera und holte sie von ihrem Gelenkarm herunter.
Als die Bruchstücke herabregneten, kam es zu hörbarer Unruhe bei den Geiseln.
Gunderson grinste. »Schon gut, Leute, beruhigt euch. Das ist nur ein kleiner Banküberfall, wie man so sagt.«
T-O-D.
Ein Wort mit drei Buchstaben für »Hinübergehen«.
Donovan versuchte, das Wort hinzuschreiben, als A. J. das Lenkrad herumriss und mit überhöhter Geschwindigkeit eine Kurve nahm. Die Reifen des Chryslers stöhnten hörbar, und die Fliehkraft presste Donovan gegen die Beifahrertür.
»Pass doch auf, du Idiot. Du machst meine Schönschrift kaputt.«
A. J. grunzte nur und nahm eine weitere Kurve, dieses Mal weniger rabiat. A. J. redete nie viel, wenn er fuhr. Besonders dann nicht, wenn er es eilig hatte.
Der Anruf von Sidney Waxman war um 9.15 Uhr eingegangen. Die Filiale der Northland First & Trust in der Madison Street war je nach Verkehr normalerweise in zehn Minuten zu erreichen, aber A. J. schwor, dass er es mit heulender Sirene und rotierendem Blaulicht in weniger als fünf schaffen könne. Das hieß noch ungefähr zwei Minuten, sodass Donovan gerade noch genug Zeit hatte, dieses verdammte Kreuzworträtsel fertig zu machen, mit dem er schon den ganzen Vormittag kämpfte.
Donovan war hochgradig süchtig nach Kreuzworträtseln. Jeder Arbeitstag begann mit einem Glas Grapefruitsaft, einem scharfen Nr.-2-Bleistift und der Seite der Trib, wo sich das System von senkrecht und waagerecht sich kreuzenden Reihen von quadratischen Kästchen zwischen Kunstkritiken und Horoskopen zwängte. Das Rätsel bereitete ihn auf den Arbeitstag vor. Schärfte den Verstand. Leider war Donovan verflucht schlecht im Lösen. Dermaßen schlecht, dass er sich nicht daran erinnern konnte, wann er jemals eines von diesen verdammten Dingern tatsächlich gelöst hatte.
Aber dieses Mal war er nahe dran. Ganz nahe.
»Nur noch vier Blocks«, unterbrach A. J. sein Schweigen. »Wenn ich noch mehr auf die Tube drücke, kann ich meinen eigenen Rekord brechen.«
Donovan blickte nur kurz von der Zeitung auf. »Gib dich nie mit Silber zufrieden, wenn du Gold holen kannst.«
A.J. grinste und trat aufs Gas. Ein Mann mit einer Mission, der sich mit Koffein antörnte. Donovan war nur ein Dutzend Jahre älter, aber mit einem Menschen zu arbeiten, der wie A. J. ständig unter Hochspannung stand, gab ihm manchmal das Gefühl, schon uralt zu sein.
Das mochte etwas damit zu tun haben, dass er es geschafft hatte, so viel Elend und Leid in seine neununddreißig Jahre zu packen. Seine Eltern waren gestorben. Seine Schwester hatte sich umgebracht, als er siebzehn war. Und seine Frau und sein Kind – richtiger: seine Exfrau und sein Kind – hatten praktisch keine Ahnung, ob er noch lebte. Donovan war nicht ganz sicher, wie oder wann ihm das alles entglitten war, aber er hatte es nun mal entgleiten lassen und fühlte sich schuldig.
Eigentlich war schuldig zu milde. Tatsächlich empfand er sich selbst als absoluten Drecksack und machte sich nicht die geringsten Illusionen, dass seine Ex und seine Tochter anderer Meinung sein könnten.
Das Einzige, was Donovan in seinem Leben wirklich gut hingekriegt hatte, war sein Job. Er hatte als Special Agent beim Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms & Explosives (ATF) gearbeitet, lange genug, um seinen Dienst als Lebensaufgabe zu betrachten, und davor zehn Jahre beim Chicago Police Department (CPD). Er galt als aufsteigender Stern in der gewaltigen Bundesbürokratie und hatte bisher die Erwartungen nicht enttäuscht.
Aber es gab natürlich immer ein Morgen. Oder den Rest von heute, um genau zu sein. Doch Donovan hatte genug Vertrauen in seine beruflichen Fähigkeiten, um seine Fehler im Privatleben zu ignorieren und die Zukunft mit Optimismus anzugehen.
Mit vorsichtigem Optimismus.
A. J. bog um die Ecke. »Glaubst du – haben wir es wieder mit einer Verarsche zu tun?«
»Sidney sagt, es ist ein echter Überfall, kein Spielchen.«
»Ergibt keinen Sinn. Warum sollte Gunderson eine Bank ausräumen?«
Donovan zuckte mit den Schultern. »Hab schon lange aufgehört zu versuchen, dieses Arschloch zu begreifen.«
Alexander Gunderson war ein weiteres Rätsel, das Donovan noch zu lösen hatte. Die Task-Force, die er leitete, war speziell eingerichtet worden, um gegen einen lokalen Waffenhändlerring zu ermitteln, der unter Verdacht stand, Verbindungen zu einem bundesweiten Netzwerk zu haben. Je tiefer sie gruben, desto deutlicher kam Gundersons Name zum Vorschein. Also grub Donovan weiter und lernte allmählich die organisierte Anarchie einer kleinen, aber potenziell sehr gefährlichen neuen paramilitärischen Organisation kennen: die »Socialist Amerikan Reconstruction Army«.
S.A.R.A.
Und Gunderson war ihr Gründer.
Die jüngsten, vermehrten Aktivitäten der Gruppe hatten sie auf Donovans Radar gebracht. Aber trotz seiner Warnung, dass man die Gruppe ernst nehmen müsse, stuften sowohl das FBI als auch das Heimatschutzministerium die Organisation als harmlos, als eine übliche Gruppe Unzufriedener ein, die ihnen nur die Zeit stahlen. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, Männer mit olivfarbener Haut zu fangen und für eine Runde Eier toasten nach Guantánamo zu verfrachten.
Donovan wusste es besser. Mit dem Waffenarsenal, das Gunderson besaß, war der Bursche zu fast allem in der Lage.
Aber wieso ein Bankjob?
A. J. hatte recht, die Sache ergab keinen Sinn. Außer: Gunderson war auf mehr Aufmerksamkeit aus. Danach schien er förmlich zu lechzen.
»Zielgerade«, knurrte A. J. »Noch zwanzig Sekunden.«
Sie schossen über eine Kreuzung und fuhren mit solcher Geschwindigkeit um eine Kurve, dass sich Donovan an der Armlehne festklammern musste. Warum A. J. nie die direkte Strecke nahm, war ihm ein Rätsel. Ergeben seufzte er und ließ das Kreuzworträtsel neben sich auf den Sitz fallen. Keine Chance, es jetzt fertig zu bekommen.
Vor ihnen ragte das vierzigstöckige Gebäude auf, in dem sich die Northland First & Trust befand. Der Zirkus hatte schon angefangen. Streifenwagen bildeten in der Nähe des Haupteingangs der Bank eine Barrikade. Die ganze Straße war gesperrt worden. Eine Heerschar von Gaffern, die sich den Hals verrenkten, drängten sich hinter den hölzernen Sägeböcken und warteten begierig auf den großen Showdown. TV-Vans kämpften um einen Platz zum Aufstellen ihrer Kameras. Ein SWAT-Van stand schräg ein paar Meter hinter den Streifenwagen. Wie üblich bei solchen Einsätzen war auch ein Zug Scharfschützen dabei, die an verschiedenen Punkten der umliegenden Gebäude in Stellung lagen.
Ob es nun Gunderson war oder nicht – wer auch immer in der Bank war, Donovan beneidete ihn nicht.
Waxman und der örtliche SWAT-Zugführer warteten bereits auf sie, als Donovan und A. J. neben dem Van anhielten. Donovan stieß die Tür auf und stieg aus. »Schieß los, Sidney.«
Waxman und Donovan waren zusammen beim ATF aufgestiegen; und Donovan betrachtete Waxman schon lange als seinen besten Freund.
Außerdem war er ein verdammt guter Agent.
»Er ist es, Jack. Gunderson, seine bessere Hälfte und zwei Typen mit Skimasken, alle bewaffnet. Die Videos wurden ausgeschaltet, sobald sie die Bank betreten hatten, also operieren wir jetzt blind.«
A. J. schloss sich ihnen an, als sie zu den Streifenwagen hinübergingen. »Hat er schon Kontakt aufgenommen?«
Waxman schüttelte den Kopf. »Kein Wort von ihm.«
Donovan wandte sich an den SWAT-Führer, einen Mann mit breitem Brustkorb und sauber getrimmtem Schnurrbart. »Was ist mit den Geiseln?«
»Wir schätzen, dass es so um die dreißig sein können. Was ist das eigentlich für ein Arschloch?«
»Noch ein netter Junge, der Aufmerksamkeit sucht«, sagte A. J.
Donovan wies zur Bank. »Gibt es noch weitere Ausgänge?«
»Nur wenn sie Presslufthämmer und jede Menge Gelenkschmiere haben. Wir haben die Liftanlage ausgeschaltet und alles abgeriegelt. Hinten gibt es eine Feuertür, aber sie führt nicht direkt in die Bank. Er hat sich selbst in die Zange genommen.«
»Glauben Sie mir«, sagte Donovan, »bevor der Typ dort reinging, hat er sich sehr genau überlegt, wie er wieder rauskommt.«
Gunderson hatte immer etwas in der Hinterhand. Die Kunst bestand darin, es herauszufinden, bevor er Gelegenheit hatte zu handeln.
Sie duckten sich und gingen hinter den Streifenwagen in Stellung. A. J. richtete einen Feldstecher auf den Eingang. Dort wie auch an den Fenstern waren die Jalousien heruntergelassen.
»Sicht zum Kotzen«, sagte er. »Nicht mal Beten wird unseren Schützen viel nützen.«
Donovan zog sein Mobiltelefon aus der Tasche seiner kugelsicheren Weste. »Na, vielleicht ist er inzwischen redseliger geworden.«
Er wählte die Nummer der Vermittlung und ließ sich zur Bank durchstellen. Er selbst hielt nicht viel von sich als Verhandler. Ihm fiel es schwer, sich bei solchem Abschaum anzubiedern. Aber wenn er die Geiseln auf diese Weise freibekommen konnte, war es wohl einen Versuch wert. Und vielleicht hatte er sogar Glück, und Gunderson ließ ihn in seine Karten blicken.
Bei dem Gedanken hätte er beinahe laut aufgelacht.
Ein Wort mit drei Buchstaben für »herzlich wenig Aussicht«.
Kinlaw ging es auf den Sack. Drei Jahre in Uniform, riss sich auf Streife den Arsch auf und musste sich Beschimpfungen von den Bürgern gefallen lassen, die ihn praktisch mit den Schergen eines Polizeistaats auf eine Stufe stellten, und jetzt schob er Dienst am Rand des Geschehens. Man sollte doch denken, dass er sich einen Platz in der ersten Reihe verdient hatte, nach allem, was er schon geleistet hatte.
Aber nein. Der Dienstleiter hatte beschlossen, dass Kinlaw und eine Handvoll seiner uniformierten Kollegen am besten auf der Rückseite des Bankgebäudes in Stellung gehen sollten, nur für den Fall, dass sich die Brüder etwas besonders Schlaues einfallen ließen.
Wie Kinlaw es sah, hätte das aber schon was absolut Geniales sein müssen, denn schließlich gab es hier hinten nur diese eine Feuertür und keine Fenster im Erdgeschoss, und das Gebäude bestand aus Beton und Stahl. Aber wer weiß, vielleicht sprangen sie ja mit Gleitschirmen aus dem vierzigsten Stock und setzten ihre Flucht hundert Meter über den Straßen fort?
Aber sicher, klar doch.
Nur einmal im Leben wollte Kinlaw dort sein, wo was los war. Und vielleicht sogar einen oder zwei Schüsse abgeben, wenn das Feuerwerk losging. Wenn es überhaupt ein Feuerwerk gab.
Stattdessen hing er hier wie ein Idiot für Gott weiß wie lange herum und kam sich vor wie jemand, der auf einer Party Mineralwasser trinkt, weil er fahren muss, während alle anderen sich zuschütteten. Manchmal wollte er seine Dienstmarke nehmen und sie ihnen in den ...
Scheiße.
Da versuchte doch irgend so ein Kerl in einem Van an der Absperrung am Ende des Blocks vorbeizukommen. Ein großer Übertragungswagen von Channel Four, der an dieser Stelle rein gar nichts zu suchen hatte. Kinlaw seufzte und trottete die Straße hinauf. Die ganze Zeit bei der Truppe und immer noch war er nichts weiter als ein ruhmreicher ...
Sekunde – was war das?
Fast wäre er auf der Stelle stehen geblieben, als er den Fahrer sah – eine Wahnsinnsbraut in einem hautengen weißen Feinripp-Tank-Top. Schwer zu sagen durch die Windschutzscheibe, aber es sah so aus, als hätte sie keinen BH an.
Und was für Titten.
Kinlaw hob beide Hände, um den Van zu stoppen.
Der Ü-Wagen kam mit einem Ruck zum Stehen. Kinlaw trat ans Fahrerfenster und wartete, dass sie es herunterkurbelte.
»’tschuldigung, Ma’am, aber hier können Sie nicht durch.«
Verdammt, war die heiß. Sex pur. Kurzes blondes Haar, Figur einer Göttin, niedliches kleines Funk-Headset, das sie noch anziehender machte.
Und die Titten! Autsch!
Sie sah ihn fragend an. »Tut mir leid. Was haben Sie gesagt?«
»Hier ist gesperrt«, erklärte Kinlaw. »Fahren Sie rechts ran und stellen Sie den Motor ab.«
»Aber ich muss eine Story ...«
»Sie dürfen mir glauben: Hier hinten finden Sie keine.«
»Aber ich bin schon zu spät dran, und vorne ist alles abgesperrt, und mein Produzent bringt mich um, wenn ich nichts für die Mittagsnachrichten habe.« Sie lief rot an, als sie das sagte, und Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit.
Ah, dachte Kinlaw, eine Frau in Nöten.
Er lächelte. Es war das Lächeln, das er sich üblicherweise für den Feierabend reservierte, das Lächeln, das er mit in die Tanzbars nahm und so oft wie möglich einsetzte, um sich den Weg in ein Bett zu ebnen. Wieder glitt sein Blick zu ihren Brüsten. Die Spitzen waren hart wie Diamanten. Dann sagte er: »Also los – fahren Sie rechts ran und stellen Sie den Motor ab.«
»Aber ...«
Kinlaw brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen und sagte, wobei er eine berechnete Portion Charme in seine Stimme legte: »Ich werde anrufen. Vielleicht kann ich für Sie eine Sondergenehmigung herausholen.«
Kinlaw wusste, dass eher die Hölle zufror, als dass er eine Sondergenehmigung für sie bekam, aber er konnte es ihr ja jetzt versprechen und sich dann bei einem Abendessen und ein paar Drinks entschuldigen, dass es nicht geklappt hatte. Und beim Dessert natürlich.
Sie blinzelte ihn an. »Wirklich?«
Kinlaw nickte und las Erleichterung in ihrem Blick.
»Tausend Dank!«
»Ist mir ein Vergnügen, Ma’am. Der Polizist, dein Freund und Helfer. Dafür bin ich ja hier.« Er streckte ihr die Hand hin. »Übrigens – mein Name ist Randy.«
Sie schüttelte seine Hand und hielt sie einen Sekundenbruchteil länger als nötig. »Tina«, stellte sie sich vor, und ihre Augen sagten ihm, dass sie definitiv interessiert war.
Yeah, dachte Kinlaw, die hast du.
Vielleicht war es doch nicht so schlecht, hier in der Botanik festzusitzen. Wenn er die Sache richtig anging, würden ihre Möpse ihm vielleicht schon heute Nacht die Hände wärmen.
Er war noch voll damit beschäftigt, sich jedes feinste Detail des kommenden Abends auszumalen, als eine Explosion aus dem Bankgebäude zu hören war.
Kinlaw fuhr herum. Was zum Teufel ...?
Die Explosion ließ die schwere Tür des Tresorraums aus ihrer Stahlverankerung fliegen. Gunderson sah es wie in Zeitlupe, wie eine Szene aus einem alten Peckinpah-Streifen – die Tür bebte, dann landete sie dröhnend auf dem Linoleumboden.
Irgendwo hinter ihm klingelte ein Telefon, aber Gunderson ignorierte es und genoss viel lieber das Spektakel. Vor allem genoss er seine Fähigkeit, die Welt um sich herum auf Kriechtempo zu verlangsamen, wann immer es ihm passte.
Er lächelte, als er die verblüfften Gesichter der Kassierer und Kunden sah; bewunderte die Schnelligkeit, mit der Luther und Nemo mit den Feuerlöschern hantierten, um ein paar verirrte Flammen zu löschen, und dann in den Tresorraum stiegen, um ihre Matchsäcke zu füllen.
Er beobachtete Sara, den Rucksack voller Semtex, wie sie an den Plexiglasscheiben der Kassen vorbei in den hinteren Teil der Bank glitt, mit einer Leichtfüßigkeit und Anmut, die nur für seinen Zeitlupenblick sichtbar waren.
Gunderson war high. Als hätte er ein Dutzend Ecstasy-Pillen geschluckt. Aber er nahm nie Drogen, wenn er arbeitete, und er brauchte sie auch nicht, um die Welt auf seine Weise zu sehen. Das war seine Begabung. Seine Macht. Die er nur sparsam einsetzte und keineswegs für selbstverständlich hielt.
Und es war nicht seine einzige Begabung.
Noch besser war das, was das Miststück, das ihn aufgezogen hatte – diese alte Hexe von einer Tante –, sein »Inneres Auge« genannt hatte, eine geschärfte Wahrnehmung, die er von ihr geerbt hatte. Eine Empfindsamkeit für die Unbeständigkeiten der menschlichen Gefühle, die ihm manchmal einen Blick in die dunkelsten Ecken der Seele gestatteten.
Das war eine Begabung, die die alte Frau zu einer Ausgestoßenen gemacht hatte, einer Art Dorftrottel. Er selbst war intelligent genug, seine Begabung nicht offen zu zeigen, zu lernen, sie verstohlen und präzise einzusetzen, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und sie zu manipulieren. Schließlich war Vertrauen seine wahre Waffe.
Trotz seines Hasses auf die alte Frau, die so grausam wie nur irgendwer gewesen war, teilte Gunderson ihre Faszination für das Funktionieren von Geist und Seele und den Glauben, dass es eine Welt jenseits der bekannten geben müsse, in der Geist und Seele gedeihen und blühen konnten.
Und in der alles möglich war.
Das Telefon läutete immer noch. Gunderson schreckte aus seinem Tagtraum auf und drehte sich zum nächsten Schreibtisch um, wo ein Apparat blinkte.
Das waren natürlich die Cops. Höchstwahrscheinlich die Feds.
Er blickte auf die Uhr. Sie waren immer noch in der Zeit. Die Reaktion der Polizei war schneller gewesen, als er erwartet hatte – wahrscheinlich hatte jemand schon in dem Moment einen stummen Alarm ausgelöst, als Sara zu schießen angefangen hatte –, aber bisher lief alles glatt, alles nach Plan.
Nicht dass ihn das überrascht hätte. Das Buch der Wandlungen hatte selten unrecht. Seine Interpretationen mochten manchmal danebenliegen, aber das konnte man kaum dem I Ching zum Vorwurf machen.
Er klopfte sich auf die Brusttasche und hörte das leise Klirren der I-Ching-Glücksmünzen, die er immer bei sich trug, und fragte sich kurz, ob er sie ein letztes Mal konsultieren sollte. Stattdessen holte er eine Packung Marlboro heraus, schüttelte eine Zigarette aus der Schachtel, knipste den Filter ab und zündete den Stengel an, während er dem Läuten des Telefons lauschte.
Beim siebenundvierzigsten Klingelzeichen nahm er den Hörer ab.
»Lass mich mal raten«, sagte er. »ATF? FBI? Mom?«
»Jack Donovan, Alex. Ich vermute mal, die Explosion kam aus dem Tresorraum?«
Na, so was. Mr. ATF persönlich.
Special Agent Jack hatte jetzt schon seit einer ganzen Weile versucht, Gundersons Plan zur Umerziehung der Nation einen Dämpfer zu verpassen. Sogar schon so lange, dass er zu einem richtigen Ärgernis geworden war. Trotz ihrer gemeinsamen Interessen und einer Reihe von halbdirekten Begegnungen war es heute das erste Mal, dass sie tatsächlich miteinander sprachen.
Donovans leicht herablassender Ton ärgerte Gunderson zwar wahnsinnig, trotzdem blieb er gelassen. »Wie geht’s denn so, Jack?«
»Besser, als es dir gehen wird, wenn du die Geiseln nicht freilässt. Dieses Mal hast du die Sache gewaltig überzogen, Sportsfreund. Jetzt gibt’s kein Zurück mehr.«
»Zurück?«, Gunderson lachte. »Ich bewege mich vorwärts. Genau wie ein Hai.«
»Lass die Geiseln frei, dann verhandeln wir darüber, ob wir dich hier in einem Stück herausholen.«
Gunderson zog an der Marlboro. Stieß den Rauch aus. »Du klingst reichlich selbstsicher, Jack. Weißt du was, was ich nicht weiß?«
»Ich weiß nur eins – dass du auf verlorenem Posten kämpfst. Warum gibst du nicht auf wie ein braver Junge und lässt die Leute gehen? Sie haben ohnehin nichts damit zu tun.«
»Wir alle haben damit zu tun, ob wir es wollen oder nicht. Du nennst sie Geiseln, und damit hast du recht. Sie sind Geiseln eines Landes, das du und Leute wie du geschaffen haben.« Er zog wieder an der Zigarette, dann schnippte er sie weg. »Aber ich will den Leuten hier nichts antun, deshalb sag ich dir was: Du willst sie haben, also kriegst du sie. Aber denk daran: Im Moment ist das Wasser kühl und klar, also vergiss es, dass du mich aufhalten kannst.«
Gunderson legte auf. Im Film seines Lebens war er Che Guevara und dieser Idiot war Barney Fife, der unfähige Wichtigtuer-Cop aus der Andy Griffith Show. Donovan hatte ihn, Alex, seit Monaten über die Abendnachrichten verfolgt und dabei ständig das ATF-Evangelium runtergebetet. War ihm denn wirklich nicht klar, dass sich früher oder später das Blatt wenden würde, wenn immer mehr Bürger die US-Regierung als den Hort der Heuchelei erkannten, der sie war. Das Land hatte wertvolle Ressourcen vergeudet, um ein paar Wüstenratten im Nahen Osten abzuschießen, statt sich, wie es angezeigt gewesen wäre, auf die inneren Belange zu konzentrieren. Die wahre Bedrohung kam nicht von außen. Sie kam direkt von hier, innerhalb unserer eigenen Grenzen. Von unseren gewählten Regierungsvertretern.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis das amerikanische Volk aufwachte, und dann würde Gunderson da sein – als sein Führer.
Luther und Nemo stiegen aus dem Tresorraum, die Matchsäcke prall mit Banknoten gefüllt.
Gunderson schaute zu ihnen hinüber. »Wie läuft’s, Jungs?«
»Wir sind fertig.«
»Ausgezeichnet. Baby?«
Hinten im Raum schaute Sara von einem hübschen Patchwork aus Semtex auf – oder Plastik-Bumm-Bumm, wie sie es gern nannte –, Teil einer Lieferung, die Gunderson aus Prag ins Land geschmuggelt hatte. »Alles bereit, Schatz?«
Gunderson klatschte in die Hände. »Okay, nehmen wir die Beine unter den Arm.« Er winkte Luther, der sofort seinen Matchsack fallen ließ, seine Brusttasche öffnete und eine Mini-DV-Cam herauszog, nicht viel größer als eine Zigarettenschachtel. Ein wahres Wunderwerk der Technik.
Das Einzige, was die traditionellen Medien Gunderson anboten, war Publicity – und die war der wahre Grund für sein Hiersein. Aber die traditionellen Medien wurden von feigen Unternehmenshandlangern beherrscht. Damit zu rechnen, dass sie seine wahre Botschaft verbreiteten, war, wie damit zu rechnen, dass die verstorbene, betrauerte Mutter Teresa auf den Stufen des Petersdoms strippte.
Gunderson wusste genau, dass Fox und die Spätnachrichten ihn auf eine Sechssekundenmeldung beschränken würden, was ATF-Lakaien wie Jack Donovan zu verdanken war. Also nahm er die Sache selbst in die Hand, indem er sich in verschiedene viel besuchte Internetseiten einklinkte, um seine Botschaft zu verbreiten.
Deshalb die Videokamera.
Gunderson strich sich das Haar zurück, richtete seinen Pferdeschwanz und wartete, bis Luther einen guten Schwenk auf die angerichtete Zerstörung fuhr. Als die Kamera auf ihn gerichtet war, wandte er sich an die Geiseln.
»Okay, Leute, hergehört«, sagte er. »Diese kleine Gartenparty hier geht auf das Konto der Socialist American Reconstruction Army. Wir sind normale Leute wie ihr und führen einen Schlag gegen die Neue Weltordnung, die Gehirnwäsche und Propaganda einsetzt, um uns Bürger zu unterwerfen und zu Sklaven zu machen. Es geht um die Freiheit, Leute, und wir holen sie wieder zurück. Wenn jemand von euch sich uns anschließen will, findet er alles Wissenswerte auf unserer Website unter: S-A-R-A-dot-com.«
Jetzt blickte er direkt in die Kamera. »Sei bereit, Amerika. Die Revolution beginnt jetzt!«
Er kratzte sich am Nacken und gab damit Luther das Zeichen, mit der Filmerei aufzuhören. Dann löste er ein Funksprechgerät vom Gürtel und schaltete es ein. »Big Daddy an Tina. Bist du da draußen?«
In seinem Gerät knisterte es: »Roger, Big Daddy. Bin schon auf Position.«
»Dreißig Sekunden, ab jetzt«, sagte Gunderson und drehte sich wieder zu den Geiseln um. »Alle aufstehen.«
Die Geiseln lagen immer noch mit dem Gesicht auf dem Linoleum. Warfen einander Blicke zu, als ob der Befehl zu viel für ihre Spatzenhirne war. Verdammte Schwachköpfe.
»Los, los!«, bellte Gunderson. »Tempo!«
Eine Geisel nach der anderen rappelte sich auf, wobei sie sich immer noch verwirrt anblickten. Angst lag in ihren Blicken. Ein paar Frauen brachen in Tränen aus.
Als sie endlich alle standen, sagte Gunderson: »Okay. Ich fange jetzt an zu zählen. Bei drei bewegt ihr eure Ärsche auf die Straße. Der Letzte, der durch diese Tür geht, kriegt eine Kugel ins Hirn, verstanden?«
Weit aufgerissene Augen. Noch mehr Tränen.
»Ich fasse das als Zustimmung auf. Also, gehen wir: Eins ... zwei ...«
Bevor er zu Ende zählen konnte, brach ein fetter Knabe in dreiteiligem Anzug aus der Gruppe aus und steuerte schnurstracks auf den Ausgang zu. Rufe und Schreie ließen den Raum erbeben, als die übrigen Geiseln hinter ihm herdrängten.
Gunderson sah die panikartige Flucht wie in Zeitlupe und lächelte. »Drei.«
Die Flügeltür der Bank flog ohne Vorwarnung auf. Ein dicker Mann im Dreiteiler-Anzug stolperte ins Freie, fiel auf Hände und Knie und wurde von mindestens einem Dutzend oder mehr Geiseln fast zertrampelt, als sie sich durch den Flaschenhals der Tür boxten und auf die Straße stürzten. Es war, als hätte jemand mitten in einer Bisonherde eine Startpistole abgefeuert. Nicht gerade die geordnete Freilassung der Geiseln, die sich Donovan vorgestellt hatte.
Als er sie sich herausdrängen sah, mit Panik auf den Gesichtern, wurde ihm sofort klar, was das hier war.
Gundersons Schachzug.
»Hurensohn«, knurrte Donovan und wandte sich an seine Leute. Presslufthammer oder nicht, Gunderson wollte den Hinterausgang nehmen. »Er benutzt die Leute nur zur Deckung. Zugriff – jetzt!«
Donovan sprang über die Motorhaube eines Streifenwagens und stürmte zum Bankeingang, wobei er seine Glock aus dem Halfter riss, pflügte durch die aufgeregte Menschenmenge und kämpfte sich zum Eingang durch. Etwas zischte an seinem Kopf vorbei – etwas aus dem Inneren der Bank – und schlug in der Nähe auf. Rauch stieg empor. Eine Rauchbombe, ein Geschenk aus Gundersons gut bestücktem Arsenal. Nach der Explosion zu urteilen, umfasste sein Lager auch einen beträchtlichen Bestand an C4 oder sogar Semtex. Donovan musste in die Bank, bevor Gunderson den Plastiksprengstoff noch mal einsetzen konnte.
In dem Moment, als er die Tür erreichte, erschütterte eine weitere Explosion das Gebäude. Ihre Botschaft ließ ihn bis ins Mark erzittern.
Er kam zu spät.
Es war bereits passiert.
Der Cop namens Randy starrte auf ihre Titten und fragte: »Wer zum Teufel ist Big Daddy?«, als die zweite Detonation ein Loch von der Größe eines Güterwaggons in die Rückwand des Bankgebäudes riss. Betonbrocken flogen durch die Luft und nahmen ein paar Uniformierte mit.
»Verdammte Scheiße!«, schrie der Cop, und als er zu dem Gebäude herumfuhr, jagte Tina ihm eine Kugel ins Ohr.
Das wär doch was für einen Exklusivbericht!
Sie hatte bereits den Rückwärtsgang drin, bevor Randy auf dem Boden aufschlug. Hinter ihr, im Laderaum des Vans, führte ihr Partner Gabriel eine Granate ins Rohr eines M203 ein, dann schob er die Seitentür auf und feuerte.
Das Geschoss traf den Benzintank des nächsten Streifenwagens, schickte einen Rauchpilz, Flammen und Trümmer gen Himmel.
»Festhalten!«, schrie Tina.
Sie trat voll aufs Gaspedal, brach durch ein hölzernes Absperrgitter und raste an dem lichterloh brennenden Streifenwagen vorbei.
Die Cops liefen durcheinander, völlig benommen, mit gezogenen Waffen, warteten auf Befehle, die nicht kamen. Tina hörte Gabe eine weitere Granate einführen und feuern.
Ein zweiter Streifenwagen flog in die Luft. Die giftigen Rauchschwaden gaben ihnen Deckung vor den Scharfschützen, die wahrscheinlich irgendwo über ihnen in Stellung lagen. Tina hielt den Atem an, spürte die Hitze der Flammen, als sie an dem brennenden Streifenwagen vorbeiraste und den Van zu dem Mauerdurchbruch steuerte.
Aus dem Bankgebäude war jetzt das Knattern von Colt-Commando-Revolvern zu hören. Auf der Straße sackte ein Cop blutüberströmt zusammen, dann noch einer und noch einer, als Alex und seine Leute ins Freie traten mit prall gefüllten Matchsäcken.
Wow, dachte Tina. Wir haben Gold geholt.
»Komm schon, komm schon!«, brüllte Alex und gestikulierte mit seiner Waffe, wobei er immer wieder über die Schulter zur Bank zurücksah. Jemand oder etwas verfolgte sie; sie hatten keine Sekunde zu verlieren.
Tina drehte den Van direkt vor ihnen und bremste mit quietschenden Reifen. Während Luther und Nemo die Matchsäcke in den Wagen warfen, half Alex Sara beim Einsteigen. »Vorsichtig, Baby. Steig vorne ein und schnall dich an.«
Luther und Nemo sprangen nach ihr in den Van. Alex wollte ihnen gerade folgen, als Tina aus dem Bankgebäude einen Ruf hörte.
»Stehen bleiben, Gunderson!«
Tina warf den Kopf herum. Ein Typ in marineblauer kugelsicherer Weste stand in einer Rauchwolke in der Bank, seine Waffe auf Alex’ Rücken gerichtet.
Der Fed. Der Wichtigtuer Donovan.
Schon seit Wochen hatte Tina Alex in den Ohren gelegen, sich dieses Scheißkerls zu entledigen, aber Alex hatte sie immer wieder abgewimmelt. »Alles zu seiner Zeit«, hatte er in typischer Alex-Manier erklärt, als ob die Welt warten würde, bis er bereit wäre, ihr seine Aufmerksamkeit zu schenken.
Die hässliche Hardware in der Hand des Feds, dachte Tina, müsste genügen, um Gunderson zu bewegen, es sich noch mal zu überlegen. Sie warf Alex einen Blick zu, und ihr fiel der einzige motivierende Satz ein, den ihr dahingeschiedener Mistkerl von einem Vater jemals in ihrer Gegenwart geäußert hatte. Der alte Bastard hatte zwei Tage lang Crack geraucht und ihr dann einen Zug aus seiner Pfeife angeboten. »Wie sieht’s aus, Mädel? Entweder – oder!«
Nie waren ihr diese Worte passender erschienen als in diesem Augenblick.
Donovan hielt die Glock auf Gunderson gerichtet, den Finger am Abzug. »Ich meine es ernst, Alex! Keine Bewegung!«
Rauch brannte in seinen Augen. Gunderson war nicht viel mehr als eine Silhouette im Qualm, aber Donovan war ein guter Schütze. Wenn er abdrückte, würde der Mann zu Boden gehen, und zwar endgültig. So nah war Donovan noch nie dran gewesen, den Arsch zu kriegen, und er hatte nicht vor, ihn entwischen zu lassen.
Für einen Sekundenbruchteil erstarrte Gunderson an der Tür des Vans. Und einen Moment lang schien es tatsächlich, als wolle er sich umdrehen und sich ergeben.
Dann entdeckte Donovan den Fernzünder in seiner rechten Hand.
Heilige Scheiße.
Mit einer dritten Explosion hatte er nicht gerechnet.
Bevor Donovan reagieren konnte, stürmten A. J., Sidney und eine Handvoll SWAT-Scharfschützen in den Raum hinter ihm und fächerten auseinander.
Donovan warf sofort beide Arme hoch. »Runter! Alle runter!«
Aber es war zu spät.
Mit einem ohrenbetäubenden Krachen zersprangen die Scheiben der Schalter. Gips, Plexiglas, Linoleum und Beton flogen Donovan um die Ohren, als er sich auf A. J. und Sidney stürzte und sie zu Boden riss.
Der Raum stand voller Rauch, und es stank durchdringend nach Cyclonit und verbranntem Fleisch. Durch die Schmerzensschreie der verletzten SWAT-Männer hörte Donovan Pistolenfeuer und das schwache Jaulen durchdrehender Reifen.
Es war Gundersons Van.
Beweg dich, Jack, beweg dich!
Donovan warf einen kurzen Blick in die benommenen Gesichter von Sidney und A. J., prüfte kurz, ob sie körperlich okay waren. Dann sprang er auf und sprintete zu dem Loch in der Mauer.
Das Bild draußen glich dem drinnen. Es war ein Schlachtfeld. Streifenwagen standen in Flammen. Tote Polizisten lagen auf dem Asphalt. Die, die den Angriff überlebt hatten, waren benommen wie Sidney und A. J.
Von weiter unten in der Straße hörte man das Quietschen von Reifen, als der Van von Channel Four durch die Absperrung raste und auf eine Kreuzung zuschoss, während ihm ein paar unter Schock stehende Polizisten hinterherfeuerten.
Donovan schaute sich kurz um, rannte zu einem der unbeschädigten Streifenwagen. Auf halbem Weg durchzog ein heftiger Schmerz sein rechtes Bein. Ein dunkelroter Fleck breitete sich auf seinem Oberschenkel aus; Blut sickerte durch einen Riss in seiner Hose.
Scheiße. Er hatte nicht bemerkt, dass er verletzt war.
Er riss die Autotür auf und sprang in den Wagen. Sein Bein brannte höllisch, aber er hatte jetzt keine Zeit für Schmerzen. Er hatte überhaupt keine Zeit, Punkt. Gundersons Van war immer noch in Sichtweite, aber das würde nicht mehr lange so bleiben.
Der Schlüssel steckte im Lenkradschloss; er drehte ihn, und der Motor heulte auf. Donovan trat voll aufs Gaspedal, riss das Lenkrad herum und jagte auf die Kreuzung zu.
Der Van war inzwischen zwei Blocks vor ihm, fuhr im Slalom durch den Morgenverkehr. Donovan tastete nach dem Schalter auf dem Armaturenbrett, und die Sirene heulte auf.
Der Verkehr machte ihm widerwillig Platz. Er trat das Gaspedal durch, gewann an Geschwindigkeit – zwei Blocks, ein Block, dann noch ein halber Block, er kam seiner Beute ständig näher.
Der Van bog plötzlich scharf nach rechts in eine Gasse ab. Donovan brauste hinterher unter ständigem Hupen. Er riss das Lenkrad herum, bog im selben Moment in die Gasse ein, als der Van sie am anderen Ende verließ. Gunderson bog scharf nach links ab, rasierte fast einen geparkten Wagen und raste mit unverminderter Geschwindigkeit weiter.
Donovan beschleunigte.
Der Van raste über eine Kreuzung. Während Donovan ihn einzuholen versuchte, kam ihm ein Idiot in einem Volvo in die Quere. Donovan riss das Steuer herum, um ihm auszuweichen, erwischte ihn jedoch an der hinteren Stoßstange und brachte ihn ins Kreiseln.
Trottel.
Donovan jagte weiter. Ein Blick in den Rückspiegel: Der Volvo krachte gerade metallknirschend gegen einen Laternenpfahl. Jack konnte nur hoffen, dass dem Fahrer nichts passiert war.
Die Wunde an seinem Schenkel fühlte sich inzwischen wie geschmolzene Lava an. Er tastete sie mit zwei Fingern vorsichtig ab und stellte fest, dass darin etwas Hartes mit Zacken steckte. Er war sich nicht sicher, aber es konnte eine Plexiglasscherbe sein.
Er schluckte heftig, um die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. Versuchte, sich auf den Van zu konzentrieren. Er befand sich jetzt in Reichweite, seine hintere Stoßstange war nur noch Zentimeter von Donovans Wagen entfernt.
Donovan trat auf das Gaspedal und setzte sich hinten rechts neben den Van, riss das Steuer herum und rammte ihn von der Seite.
Der Van schleuderte, verlor an Geschwindigkeit.
So ist es richtig, du Hurensohn, ich sitze dir im Nacken.
Ohne zu zögern, riss Donovan das Steuer noch einmal herum und rammte den Van erneut. Metall knirschte.
Der Van brach hinten aus, der Fahrer verlor beinahe die Kontrolle.
Jetzt hatte er es geschafft. Donovan war sicher – noch ein Rammstoß und die Jagd war zu Ende. Er wollte gerade das Steuer zum dritten Mal herumreißen, als die Seitentür des Vans aufflog und Alexander Gunderson das Rohr eines M203-Granatwerfers auf ihn richtete.
Barney wollte also spielen.
Gunderson hatte ihn durch das Rückfenster des Vans beobachtet, hatte gesehen, dass sich der Mann am Steuer mit einer Entschlossenheit abmühte, die Gunderson nie bei ihm vermutet hätte. Der Typ hatte den Volvo in einen Schrotthaufen verwandelt und kaum einen Blick zurückgeworfen.
Wer so fuhr, hatte echt was drauf.
Bis heute war Special Agent Jack für Gunderson eher ein Ärgernis gewesen als eine Bedrohung, ein Mückenstich, den er ab und zu kratzen musste. Diese Meinung hatte er jetzt revidieren müssen, mit jedem Herumreißen von Barney-Boys Lenkrad. Vielleicht war er gar nicht Barney die Pfeife. Vielleicht war er Charlton Heston, der Reklameheld der National Rifle Association, der seinen Streitwagen in Gundersons Van krachen ließ, sein Team durchschüttelte und sogar Tina, der Königin der Gladiatoren, das Letzte am Steuer abverlangte.
Wenn Jack spielen wollte, würde ihm Gunderson den Gefallen nur zu gern tun.
Für solche Fälle hatte er sein Spielzeug mitgebracht.
Nach dem zweiten Zusammenprall verließ er seinen Ausguck und winkte Gabriel, ihm einen M4-Karabiner und Schussgestell rüberzuwerfen, dann zwängte er sich zwischen Luther und Nemo hindurch zur seitlichen Schiebetür.
Sara, die auf dem Beifahrersitz angeschnallt war, warf einen Blick über die Schulter.
»Sei vorsichtig, Schatz.«
Sie gab sich Mühe, ihre Angst nicht zu zeigen, aber er sah, wie angespannt ihre Nackenmuskeln waren, als rechnete sie mit einem heftigen Zusammenprall.
Armes Kind. Er hatte sie überreden wollen, diese Sache zu Hause auszusitzen, aber sie hatte darauf bestanden mitzumachen. Hatte sich geweigert, allein zurückzubleiben. Sie war eine Rechtgläubige, seine Sara. Ihre Leidenschaft und sein Können – die perfekte Ehe. Und trotz ihres Zustands war sie die beste Soldatin seines Teams.
Sie war seine Muse. Seine Inspiration.
Sein einziger wahrer Antrieb.
Er lächelte sie an, griff über ihre Schulter und strich ihr über den prallen Bauch. Alex junior strampelte wie verrückt. Wahrscheinlich hatte auch er Angst. »Durchhalten, Baby. Die Sache ist in einer Minute vorbei.«
Er lud die Waffe, schob dann mit einem Grunzen die Tür auf und richtete den Lauf auf Donovans Windschutzscheibe.
»Dein letztes Gebet, du Wichser. Gleich küsst du deinem Gott die Füße.«