Diamonds For Love – Vertraute Gefühle - Layla Hagen - E-Book
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Diamonds For Love – Vertraute Gefühle E-Book

Layla Hagen

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Beschreibung

Daniel Bennett lebt das Leben seiner Träume. Nur eine Sache bereut er: dass die Beziehung mit Caroline Dunne, seiner großen Liebe, während des Studiums in die Brüche gegangen ist. Doch Caroline und er haben sich nicht aus den Augen verloren – und ihre Gefühle füreinander auch nie vergessen. Fest entschlossen setzt Daniel nun alles daran, aus seinen Fehlern in der Vergangenheit zu lernen und Carolines Herz erneut zu erobern. Denn für die große Liebe will er kämpfen.

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Aus dem Amerikanischen von Vanessa Lamatsch

© Layla Hagen 2017Titel der amerikanischen Originalausgabe:»Your One True Love«, CreateSpace IndependentPublishing Platform, 2017© der deutschsprachigen Ausgabe:Piper Verlag GmbH, München 2019Covergestaltung: zero-media.net, MünchenCovermotiv: FinePic®, MünchenDatenkonvertierung: Uhl + Massopust, Aalen

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

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Inhalt

1 Caroline

2 Daniel

3 Caroline

4 Caroline

5 Daniel

6 Caroline

7 Daniel

8 Caroline

9 Caroline

10 Daniel

11 Caroline

12 Daniel

13 Caroline

14 Daniel

15 Caroline

16 Daniel

17 Caroline

18 Daniel

19 Daniel

20 Caroline

21 Daniel

22 Caroline

23 Daniel

24 Caroline

25 Daniel

26 Caroline

27 Daniel

28 Caroline

29 Daniel

30 Caroline

31 Caroline

32 Caroline

Epilog

1 Caroline

»Du hast mich vermisst, hm?« Ich tätschele Bing den Kopf, dann lasse ich mich auf ein Knie sinken, um ihn zu knuddeln. Der Golden Retriever leckt mir das Gesicht ab und wedelt eifrig mit dem Schwanz. »Ich weiß, dass du den ganzen Tag allein bist, aber Linda ist ja bald zurück. Ich werde unsere Spaziergänge vermissen.«

Beim Wort Spaziergänge bellt er und hebt eine Pfote.

»Ja, ja. Wir gehen jetzt raus. Komm.«

Ich passe für meine Nachbarin und gute Freundin Linda auf ihren Hund auf, weil sie für eine Woche nach Hawaii geflogen ist. Bing und ich hatten einen schwierigen Start, aber langsam habe ich ihn aus der Reserve gelockt, mithilfe eines Leckerlis nach dem anderen. Ja, ich habe ihn mit Köstlichkeiten bestochen, damit er mich mag, aber eine Frau muss eben tun, was eine Frau tun muss.

Ich führe Bing auf unserer üblichen Route um den Block. Unterwegs halten wir an, damit er ein Eichhörnchen anbellen kann, dann ziehe ich ihn von einem überdrehten, schrill bellenden Mops weg, der an einem Kleiner-Hund-Komplex leidet.

Mein Handy in meiner Handtasche piept. Bings Leine fest in einer Hand grabe ich ungeschickt mit der anderen in meiner Tasche herum, bis ich es gefunden habe. Es ist eine Nachricht von einer meiner besten Freundinnen.

Summer

Bin stolze Tante. Maddox ist gesund und munter.

Sie hat mir auch ein Bild geschickt, und ehrlich, mir wird ganz warm ums Herz. Das winzige Neugeborene mit dem roten Kopf ist absolut anbetungswürdig.

Caroline

So süß. Gratulation! Danke für das Bild. Wie geht es Clara und Blake?

Summer

Clara ist müde, aber glücklich. Und mein Bruder ist ein wenig überdreht. Du kennst ja Blake …

Ich erhalte ein zweites Bild, auf dem Summer das Baby hält. Neben ihr steht ein anderer ihrer Brüder, mein Ex-Freund Daniel. Ich frage mich, ob es eine Frist gibt, nach der man jemanden eigentlich nicht mehr Ex nennen darf. Vielleicht wird es Zeit, eine neutralere Bezeichnung zu finden, wie Bekannter oder guter Freund. Schließlich haben Daniel und ich uns vor fast zehn Jahren getrennt, und ich stehe seiner Mutter und seinen Schwestern sehr nahe.

Ein Zerren an meinem Arm wirft mich fast um. Ich stolpere vorwärts, als Bing versucht, eine streunende Katze zu jagen.

»Bing, nein! Stopp. Sitz. Bing!«

Ich laufe los, um mit ihm Schritt zu halten. Als wir endlich wieder in Lindas Wohnung ankommen, fühlt sich mein Arm an, als würde er jeden Moment abfallen. Bing hebt beide Vorderpfoten, sodass er auf den Hinterbeinen balanciert.

»Ich komme morgen zurück, Bing.«

Bing blinzelt, dann stellt er erst ein, dann das andere Bein ab, legt sich hin, lässt seinen Kopf auf die Pfoten sinken und starrt mit anklagendem Blick zu mir hoch.

Ich senke meine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern und füge hinzu: »Ich werde dir einen Streifen Trockenfleisch mitbringen.«

Ach, verdammt. Nicht mal die Aussicht auf diese Köstlichkeit kann ihn aufmuntern. Ich sehe mich in der ordentlichen, stillen Wohnung um. Ich bringe es einfach nicht über mich, ihn hierzulassen.

»Weißt du was? Heute Abend werden wir die Regeln brechen.« Er hebt den Kopf. »Ja, werden wir. Was hältst du davon, die Nacht in meiner Wohnung zu verbringen? Komm. Lass uns die Treppe nehmen. Ist nur ein Stockwerk.«

Als ich die Tür öffne, springt Bing auf und wedelt heftig mit dem Schwanz. Ich packe seine Leine fester und führe ihn zur Treppe. Bing zittert fast vor Aufregung, als ich ihn in meine Wohnung lasse.

»Hausregeln: kau nicht an den Möbeln. Und auch nicht auf meinen Schuhen.« Er wedelt wieder mit dem Schwanz, vollkommen sorglos, dann beäugt er nachdenklich zwei Paar Schuhe auf dem Boden. Okay, lieber auf Nummer sicher gehen. Ich schiebe die Schuhe in den Schrank neben der Eingangstür, dann löse ich Bings Leine. Er rennt direkt in mein Wohnzimmer, springt auf die Couch und bellt aufgeregt.

Beim Abendessen behalte ich meinen Hundegast im Auge – er blickt unverwandt das Bein meines Couchtisches an, wahrscheinlich, weil er darüber nachdenkt, wie gut sich das Holz zum Zähneschärfen eignen würde. Als mein Bauch voll ist, wage ich es trotzdem, ihn allein zu lassen, und mache einen Abstecher in mein Schlafzimmer, um mir eine Jogginghose und ein weites T-Shirt anzuziehen. Dieses Outfit ist mein heimliches Laster, so unattraktiv es auch aussehen mag.

Ich biege noch kurz ins Bad ab, um mir mein dunkelbraunes Haar zu kämmen und es zu einem Knoten zu binden, damit ich mein Make-up entfernen kann. Nicht, dass ich viel Schminke verwenden würde – nur ein wenig Mascara und Lidschatten, um meine blauen Augen zu betonen, aber trotzdem wasche ich gerne alles ab, wenn ich zu Hause bin.

Die Beine meines Couchtisches sind unversehrt, als ich zurückkehre, also setze ich mich neben Bing, öffne meinen Laptop und rufe Netflix auf. Nach einem langen Arbeitstag gibt es für mich einfach keine bessere Art, wieder runterzukommen, als eine meiner Lieblingsserien zu schauen. Doch bevor ich mich wirklich für eine Sendung entscheiden kann, überwältigt mich meine Neugier. Ich rufe Summer an, um mehr Infos über den Neuzugang in der Bennett-Familie aus ihr herauszukitzeln.

Sie hebt erst nach mehrfachem Klingeln ab.

»Hey, Caroline!«

Die Stimme gehört nicht Summer, sondern Daniel. Sofort verkrampft sich mein Magen. Ich bete darum, dass ich locker klinge, als ich frage: »Hey, ist es gerade ungünstig? Ich wollte nur noch ein wenig mehr über deinen neuen Neffen erfahren.«

An seinem Ende der Leitung kann ich Stimmengewirr hören. Wie ich schon vermutet hatte, campiert die ganze Familie im Krankenhaus. Die Bennetts stehen sich alle sehr nahe.

»Hier ist es gerade ein wenig irre. Summer spricht im Moment mit Clara.«

»Okay, dann rufe ich sie später noch mal an, oder morgen. Ich lasse dich besser wieder in Ruhe.«

»Warte, leg noch nicht auf. Wie geht es dir? Ich habe dich seit einer Weile nicht gesehen. Geht es deinem Zeh gut?«

Ich lache nervös. »Das war nichts. Schon am nächsten Tag war wieder alles in Ordnung.«

Wir haben uns das letzte Mal vor zwei Monaten auf der Hochzeit von Blake und Clara getroffen. Nachdem ich ein wenig zu viel Champagner getrunken hatte und mich in Daniels Nähe viel zu wohl fühlte, habe ich ihn herausgefordert, zusammen mit mir einen traditionellen, irischen Tanz aufs Parkett zu legen. Meine Eltern sind aus Irland nach Amerika gekommen, als ich zehn Jahre alt war, aber obwohl ich zu Hause Unterricht hatte, bin ich keine große Tänzerin. Allerdings neige ich auf Hochzeiten dazu, das zu vergessen. Auf dieser speziellen Hochzeit bin ich mir so heftig auf den eigenen Zeh getrampelt, dass ich danach kaum laufen konnte. Es hat unglaublich wehgetan, aber Daniels starker Arm, der mich auf meinem Weg zum Taxi gestützt hat, war die Schmerzen fast wert. Das ist das Problem mit Daniel: In seiner Nähe kann ich mir selbst einfach nicht trauen, nicht mal nach all diesen Jahren.

»Richte Caroline aus, dass ich die schwarzen Schuhe nächste Woche wieder zurück brauche.« Irgendwo im Hintergrund erklingt Summers Stimme.

»Ich habe es gehört«, meine ich. »Sag ihr …«

Ich stoppe mitten im Satz, als Summer einfach weiterredet. »Aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke: Würdest du bitte der beste Bruder der Welt sein und dich mit ihr treffen, um die Schuhe zu holen? Ich habe nächste Woche unglaublich viel zu tun.«

Daniel und ich lachen gleichzeitig los. O ja, seine Schwestern versuchen, uns zusammenzubringen, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergibt – und wenn sich keine ergibt, dann schaffen sie eine. Daniel und ich kommen gut damit klar und reißen einfach Witze darüber. Wir sind die ständige Kuppelei seiner Schwestern so gewöhnt, dass wir es inzwischen wahrscheinlich seltsam fänden, wenn sie es nicht versuchen würden.

»Damit hätte ich rechnen müssen«, meint Daniel. »Caroline, wie wäre es, wenn wir uns nächste Woche mal treffen, nachdem meine Schwester ja so unglaublich viel zu tun hat?«

»Und du nicht?«, ziehe ich ihn auf.

»Doch, sicher. Nur bin ich klug genug, Summer keine Bitte abzuschlagen.«

Ich lache wieder, eine Hand auf dem Bauch. Summer hat Daniel vollkommen um ihren Finger gewickelt. Aber der Mann tut nichts, was er nicht tun will, also …

»Okay. Lass uns … Bing, nein!« Bei allen guten Geistern! Ich renne in den Flur, um den Schaden zu begutachten. Wie hat er es nur geschafft, den Schrank zu öffnen und ein Paar Schuhe herauszuziehen? Und wieso habe ich das nicht bemerkt?

»Was?«

»Tut mir leid. Ich habe mit dem Hund geredet.«

»Du hast jetzt einen Hund?«

»Nein, der gehört einer Freundin. Verdammt, ich muss jetzt auflegen, wenn ich meine Schuhe retten will. Ich schreibe dir eine Nachricht, okay?«

»Sicher.«

Ich schaffe es kaum, Bing meinen Schuh zu entreißen. Nach einer kurzen Begutachtung kriegt er ihn allerdings sofort wieder zurück. Diesen Schuh kann ich vergessen.

»Bing, wir müssen uns unterhalten. Du attackierst nicht meine Besitztümer, wenn ich abgelenkt bin. Und mit Daniel zu reden, lenkt mich sehr ab. Ich weiß, dass es nicht so sein sollte, okay? Die Sache zwischen uns ist ewig her, aber so liegen die Dinge nun einmal.« Ich wedele mit einem mahnenden Zeigefinger vor seiner Schnauze herum. »Ich bin auf deine Mithilfe angewiesen.«

Bing kaut glücklich auf meinem Schuh herum. Seufzend tätschele ich ihm den Kopf, dann kehre ich zur Couch zurück.

Auf dem Display meines Handys prangt immer noch das Foto von Baby Maddox, Summer und Daniel. Ich seufze, als ich Daniels dunkle, mandelförmige Augen und sein charmantes Lächeln mustere.

Offensichtlich gibt es kein Ablaufdatum dafür, ihn als meinen Ex zu sehen. Er fällt immer noch in diese Kategorie, mit dem Zusatz gefährlich. Charmant, unendlich attraktiv und gefährlich.

2 Daniel

»Ich kann nicht glauben, wie ähnlich er Blake sieht«, sagt Summer, als wir die Tiefgarage des Krankenhauses betreten.

Ich unterdrücke ein Lachen. Ich erkenne keinerlei Ähnlichkeit zwischen dem Baby und meinem Bruder. Für mich sehen eigentlich alle Babys gleich aus. Doch ich habe vor einer halben Stunde den Fehler gemacht, diese Einschätzung laut zu äußern, und mir klingeln jetzt noch die Ohren von Summers Erklärungen zu Augenbrauenform, Ohrwölbung und was auch immer. Ich lerne aus meinen Fehlern.

»Mist! Ich habe einen Platten.«

Wir stehen vor ihrem schwarzen Ford Focus. Der Vorderreifen sieht aus, als wäre er mit dem Beton des Bodens verschmolzen.

»Ich werde ihn für dich wechseln. Hast du ein Ersatzrad?«

Meine Schwester strahlt. »Ja. Ja, habe ich. Vielen Dank. Du bist der beste Bruder der Welt.«

»Das sagst du zu all deinen Brüdern.« Wir haben noch sieben andere Geschwister: zwei Schwestern und fünf Brüder. Nachdem Summer die Jüngste von uns ist, haben wir sie alle unglaublich verwöhnt. Ich war drei, als sie geboren wurde, und bin ihr sofort verfallen. Und in den siebenundzwanzig Jahren seitdem hat sich daran eigentlich nichts geändert.

»Das werde ich weder bestätigen noch leugnen.« Grinsend öffnet sie ihren Kofferraum. Ich hole ihr Ersatzrad heraus und trage es nach vorne.

»Du hast dir irgendetwas in den Reifen eingefahren. Wundert mich, dass du das auf dem Weg hierher nicht gemerkt hast.«

»Ich habe nicht groß aufgepasst. Dafür war ich viel zu aufgeregt.«

Das kann ich verstehen. Ich bin quasi aus einem Meeting gerannt, als der Anruf kam. Schließlich wird mein Zwillingsbruder nicht jeden Tag Vater.

Ich rolle die Ärmel meines Hemdes hoch und mache mich an die Arbeit. »Übrigens, diese Nummer mit den Schuhen war nicht besonders subtil.«

»Das war kein Verkupplungsversuch. Ich brauche die Schuhe wirklich, aber ich fliege morgen nach L.A. zu diesem Workshop von der Galerie, schon vergessen? Ich komme erst nächsten Mittwoch zurück und brauche die Schuhe für ein Event am Donnerstag.«

»Und du hättest nicht Pippa darum bitten können?« Unsere älteste Schwester und Caroline sind eng befreundet. Es macht mir nichts aus, eine Ausrede zu haben, um mich mit Caroline zu treffen, doch mir ist es wichtig, die Verkupplungsversuche meiner Schwestern anzusprechen – sonst eskaliert die Situation womöglich noch.

»Du holst mich bei meiner Rückkehr vom Flughafen ab, und da kannst du sie mir gleich mitbringen. Das ist doch naheliegend.« Sie lächelt hinterhältig. Offensichtlich liegt ihr noch ein Kommentar auf der Zunge.

»Nun spuck es schon aus.«

»Okay, aber ich werde ganz offen sprechen.«

Ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken. »Weil du bis jetzt so zurückhaltend warst?«

»Du hegst immer noch Gefühle für sie. Das erkenne ich daran, wie du sie ansiehst. Ich habe es auf Blakes Hochzeit bemerkt. Und du hast ihrem Dad geholfen.«

»Ich … Woher weißt du das?«

Sie zuckt mit einer Schulter. »Bennett-Tratsch.«

»Natürlich.«

Bei jedem Gespräch mit einem beliebigen Mitglied meiner Familie sollte im Hintergrund ein Warnschild aufleuchten: Alles, was du sagst, kann und wird gegen dich verwendet werden.

»Ex-Partner halten gewöhnlich keinen Kontakt zu den Familien des jeweils anderen. Ich will ja nicht zu viel in diese Sache hineindeuten …«

»Summer, jetzt mal ehrlich: Du deutest immer in alles zu viel hinein.«

Sie hebt einen Finger, als wollte sie sagen: »Aufgepasst!«

»Auf jeden Fall habe ich eine Theorie. Hör zu, und ich verspreche, dass ich heute nichts weiter zu diesem Thema sagen werde.«

»Raus damit.«

»Meine Theorie lautet, dass ihr beide den Kontakt zu der Familie des anderen gehalten habt, weil ihr auf irgendeine Art weiter eine Rolle in seinem Leben spielen wollt.«

Summer gehört zu den romantischsten und optimistischsten Menschen, die ich kenne. Dank ihrer zusätzlichen Neigung, alles zu überinterpretieren, sind ihre Theorien gewöhnlich ziemlich weltfremd. Doch diesmal trifft sie den Nagel auf den Kopf. Sie sieht mich bedeutungsvoll an, hält aber ihr Versprechen.

»Ich bin hier fast fertig. Hast du irgendeinen Lappen? Irgendwas, womit ich mir die Hände abwischen kann? Ich habe überall Schmierfett.«

»Ich schaue mal.« Sie verschwindet Richtung Kofferraum und kehrt kurz darauf mit einem Lappen zurück.

Als sie ihn mir gibt, sagt sie: »Übrigens habe ich das Gerücht gehört, dass Simon Luther dein Klient wird.«

»Stimmt. Und ja, ich werde dir ein Autogramm besorgen.«

»Du bist wirklich der beste Bruder. Woher wusstest du, dass ich dich darum bitten wollte?«

»Nur so eine Ahnung.« In ihrer Jugend waren die Wände von Summers Zimmer quasi mit Bildern des Schauspielers tapeziert.

»Ich liebe deinen Job. Und es freut mich sehr, dass du den Extremsport aufgegeben hast.«

»Mich auch.«

Meine Firma bietet alles an, was unter die Kategorie Events fällt: Touren, Abenteuer und Erlebnisse aller Art. Inzwischen habe ich einen ziemlich illustren Kundenkreis. Als ich angefangen habe, lag mein Schwerpunkt auf Extremsport. Ich habe die Bedenken meiner Familie beiseitegewischt, fest davon überzeugt, dass mir niemals etwas zustoßen würde. Bis genau das passiert ist. Es war reines Glück, dass ich keine ernsthaften Verletzungen davongetragen habe, aber beim nächsten Familienessen wurde klar, dass ich meinen Angehörigen so was nicht noch mal antun konnte.

»So. Fertig.« Ich stehe auf, dann reibe ich mir mit dem Lappen die Hände sauber. Dieses Schmierfett klebt.

»Danke. Ich fahre jetzt direkt nach Hause. Und du?«

»Ich muss noch im Büro vorbeischauen.«

Sie drückt mir einen kurzen Kuss auf die Wange und seufzt. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass Blake Vater ist. Bevor wir wissen, wie uns geschieht, wirst du dran sein.«

Das ist Summers Optimismus in Reinform. Doch ich bin mir sicher, dass mir so was nicht vorherbestimmt ist. Von uns neun Geschwistern sind nur Summer und ich noch Single. Ich habe in den letzten Jahren meine älteren Geschwister und meinen Zwillingsbruder dabei beobachtet, wie sie sich verliebt und Familien gegründet haben. Die Verbindung, die jeder von ihnen zu seinem Partner hat, ist so eng, dass ich mich regelmäßig als fünftes Rad am Wagen fühle, wenn ich mit einem der Paare allein bin.

So eine Verbindung hatte ich einmal mit Caroline, vor vielen Jahren. Doch ich habe keinen Anspruch mehr auf sie. Allerdings vergesse ich dieses Detail gerne einmal, wenn ich in ihrer Nähe bin; ich kann mich kaum davon abhalten, mit ihr zu flirten oder sie zu berühren.

»Danke, dass du dich wegen meiner Schuhe mit Caroline triffst. Mach keinen Rückzieher. Ich brauche die Dinger wirklich.«

»Ich werde sie für dich abholen, du kleine Intrigantin.«

»Ich liebe dich auch.«

Ich küsse sie auf die Stirn und öffne die Autotür für sie. Als Summer auf den Fahrersitz gleitet, wackelt sie mit den Augenbrauen.

»Viel Spaß in L.A.«

»Viel Spaß beim Abholen der Schuhe.«

Lächelnd schüttele ich den Kopf, als ich ihre Tür zuschlage. So viel zu dem Versprechen meiner Schwester.

***

Der Verkehr in San Francisco ist immer schrecklich, aber um sieben Uhr abends quer durch die Stadt zu fahren, ist wirklich die Hölle. Um acht Uhr erreiche ich meine Firma, nur um die Räume leer vorzufinden – nur Lena, unsere Empfangsdame, sitzt noch an ihrem Schreibtisch.

»Wie ist es gelaufen?«, fragt sie.

»Mein Neffe ist vollkommen gesund, und dasselbe gilt für seine Mutter. Was machst du noch hier?«

»Die Tour Company of the Year-Auszeichnung wurde vor einer halben Stunde geliefert. Ich konnte doch nicht verschwinden, bevor sie ihren Platz an unserer Ruhmeswand gefunden hat.«

Ich werfe einen Blick zu fraglicher Wand und entdecke den Neuzugang sofort. Die Urkunde ist dunkelblau, der Name des Preises prangt darauf in goldenen Lettern, umrahmt von einer dünnen, weißen Bordüre. Ich halte nicht viel von solchen Auszeichnungen, aber meine Mitarbeiter finden sie unglaublich motivierend.

»Die Wand wird bald zusammenbrechen«, kommentiere ich grinsend.

»Was für wunderbare Probleme du hast. Verdirb uns nicht die Freude daran. Selbst Justin freut sich, dabei ist er der Firmen-Miesepeter.«

»Lass ihn das bloß nie hören.« Justin Hamel war mein erster Angestellter, auch wenn Mentor wahrscheinlich das bessere Wort wäre. Er kennt das Business wie seine Westentasche, aber sein harscher Umgangston den anderen Angestellten gegenüber macht ihn nicht gerade beliebt.

Lena kichert. »Natürlich nicht. Wie lange bist du noch da? Brauchst du etwas?«

»Ich muss nur die Ausrüstung für die Gruppe morgen abholen. Geh nach Hause.«

»Bist du dir sicher?«

»Jepp.«

»Okay, dann verschwinde ich.« Sie schwingt sich den Riemen ihrer Handtasche über die Schulter, dann winkt sie mir auf dem Weg zur Tür noch einmal zu.

Als ich in Richtung meines Büros gehe, merke ich, dass der Rahmen mit der neuen Auszeichnung leicht schief hängt. Ich halte an, um ihn gerade zu rücken. Stolz steigt in mir auf, und ich muss zugeben, dass meine Angestellten recht damit haben, die Preise aufzuhängen. Sie sind eine nette Erinnerung daran, dass sich harte Arbeit auszahlt.

Meine ältesten Geschwister haben ganz allein ein Geschäftsimperium aufgebaut – Bennett Enterprises gehört zu den größten Schmuckproduzenten auf dem Markt. Ich hätte jederzeit für das Familienunternehmen arbeiten können, aber ich wusste immer, dass das nicht der richtige Weg für mich ist. Wenn ich zu viel Zeit hinter einem Schreibtisch verbringe, werde ich unruhig. Ich bin lieber draußen, was der Grund dafür ist, dass ich eine Event-Agentur gegründet habe und so oft wie möglich mit Gruppen unterwegs bin. Meine Familie hat mich voll und ganz unterstützt, als ich verkündet habe, dass ich meinen eigenen Weg gehen will. Und ich möchte sie stolz machen.

Ich bin gerade auf dem Weg in den Keller, wo wir unsere Ausrüstung aufbewahren, als ich eine Nachricht bekomme.

Caroline

Hey! Ich kann Summers Schuhe am Mittwoch vorbeibringen, wenn das okay ist.

Daniel

Ich bin am Mittwoch mit einer Gruppe unterwegs, aber um sechs Uhr wieder zurück in der Firma.

Caroline

Sechs Uhr ist okay. Oder ich kann sie einfach am Empfang abgeben.

Daniel

Und Summers Zorn riskieren? Sie hat die Sache arrangiert, also erwartet sie zumindest ein persönliches Treffen.

Caroline

Irgendwann demnächst sollten wir mal eine wilde Geschichte erfinden, um ihr den Kopf zurechtzurücken. Ich komme um sechs vorbei, um dir die Schuhe PERSÖNLICH zu übergeben.

Meine Fantasie läuft bereits Amok. Caroline und ich waren wild … es war fantastisch, mit ihr zusammen zu sein. So verdammt gut, dass ich mir immer noch Vorwürfe mache, dass ich sie habe gehen lassen.

Ich schiebe mein Handy in die hintere Hosentasche und entwerfe einen Plan. Meine Schwester mag dieses Treffen eingefädelt haben, aber ich habe durchaus vor, meine Zeit mit Caroline gründlich auszunutzen.

3 Caroline

Am nächsten Tag fahre ich eine Viertelstunde zu spät vor Dads Haus vor, um mit ihm zu Abend zu essen. Er lebt im Excelsior District in demselben kleinen Häuschen, in dem ich aufgewachsen bin. Ich habe das Haus meiner Eltern immer geliebt. Als Mom noch lebte, wuchs Storchenschnabel in den Blumenkästen vor den Fenstern. Seit ihrem Tod wirkt das Haus irgendwie traurig, und die abblätternde hellgrüne Farbe fällt mehr auf. Dass der Himmel heute schrecklich trüb ist, selbst für einen Tag Ende April, macht es auch nicht besser.

Die Tür schwingt auf, bevor ich auch nur die Hand nach der Klingel ausstrecken kann. »Da ist ja mein Mädchen. Alles okay?«

»Ja. Tut mir leid, dass ich zu spät bin.« Ich trete ein und hebe die Tüte mit den Donuts. »Ich bin zu spät aus der Schule gekommen, und dann habe ich ewig gebraucht, um die hier zu machen.«

»Ich habe Eintopf gekocht«, verkündet Dad, als wir ins Esszimmer gehen. Er hat den Tisch bereits gedeckt. Ich lege meine Donuts ab, dann fülle ich unsere Teller, bevor ich mich setze.

»Ich habe das Rezept deiner Mom haargenau befolgt«, erklärt er stolz.

Ja … nur dass Moms Eintopf köstlich schmeckte, während mich das hier an die Dosensuppen erinnert, von denen ich im College gelebt habe. Aber ich esse brav meinen Teller auf. Ich biete so oft wie möglich an, etwas zu essen mitzubringen, aber ich bringe es einfach nicht über mich, ihm direkt zu sagen, dass Kochen definitiv keines seiner Talente ist. Es fällt ihm sowieso schon schwer genug, allein den Buchladen zu führen und sich um das Haus zu kümmern. Ich will nicht, dass er sich fühlt, als würde er nicht mal so eine Kleinigkeit auf die Reihe bekommen.

»Wie läuft es mit der Renovierung, Dad?«

»Wir sind dem Zeitplan voraus. Ich werde viel schneller wieder eröffnen können als gedacht.«

Dank der Beliebtheit des Online-Shoppings und des starken Wettbewerbs durch die großen Ketten kämpft der Buchladen meiner Eltern schon seit einer Weile ums Überleben. Dabei hat es sicher nicht geholfen, dass es dort aussah wie zu Zeiten der Präsidentschaft von Bush Senior. Vor ein paar Monaten hat Dad endlich einer umfassenden Renovierung zugestimmt. Er will an den Laden auch ein kleines Café anschließen, um den Kunden ein Erlebnis zu bieten statt nur einen Ort zum Einkaufen. Diese Idee haben wir zusammen mit Dads Bankberater entwickelt.

»Übrigens, ich habe Daniel gebeten, sich den Business-Plan mal anzusehen.«

»Daniel Bennett?«

Dad lächelt. »Ich kenne sonst keinen Daniel. Und der Mann hat wirklich ein fantastisches Gespür fürs Geschäft. Er hat ein paar sehr gute Anmerkungen gemacht. Er sagt, die Verbesserungen werden das Ruder herumreißen und uns mehr Profit einbringen.«

Daniel führt eine erfolgreiche Firma. Wenn ein Ratschlag von jemandem zählt, dann von ihm. Ich habe Talent dafür, Kinder zu unterrichten, nicht, einen Laden zu führen … obwohl mich das nicht davon abgehalten hat, einen Großteil meiner Ersparnisse in die Renovierung zu stecken.

Daniel verstand sich gut mit meinen Eltern, als wir zusammen waren. Er war immer aufmerksam – hat meiner Mom Blumen mitgebracht und sich mit meinem Dad über seine Fußballmannschaft unterhalten. Als Mom letztes Jahr gestorben ist, war Daniel für uns da, genauso wie der Rest seiner Familie. Ich bin ihnen wieder sehr nahe gekommen, besonders seiner Mutter und seinen Schwestern. Schon im College war ich mit der Familie befreundet, doch nach der Trennung habe ich mich ein wenig zurückgezogen. Ich hatte keine Ahnung, dass Daniel und mein Dad Kontakt gehalten haben.

Hmmm … Ich könnte Dad über das Thema ausfragen, aber er liegt in letzter Zeit so auf einer Wellenlänge mit den Bennett-Schwestern, macht ständig nicht allzu subtile Bemerkungen über Daniel und mich. Ich werde Daniel einfach selbst fragen, wenn ich ihn sehe.

Danach unterhalten wir uns noch über meinen Bruder. Niall lebt in Dublin. Er ist Neurochirurg. Er ist das einzige Familienmitglied, das nicht allzu viel von Daniel hält … vielleicht, weil er bei einigen meiner Nach-Trennungs-Zusammenbrüchen in der ersten Reihe saß.

***

Ich habe Daniel und Blake in unserem ersten Jahr am College kennengelernt. Die Zwillinge und ich haben uns sofort verstanden, weil wir alle drei das Campus-Essen schrecklich fanden, genauso wie die Leute, die San Francisco »Frisco« nannten. Bei endlosen Gesprächen über unsere Familien entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen uns. Die Zwillinge waren eine Art Ersatz für meinen Bruder, den ich damals wahnsinnig vermisste. Zumindest galt das für Blake. Daniel … ähm, das war eine andere Geschichte.

Ich war von Anfang an nicht immun gegen seinen Charme. In seiner Nähe schlug mein Herz immer ein wenig zu schnell, und mir war immer ein wenig zu warm. Und seine Komplimente waren mir wichtiger als die jedes anderen. Am Anfang versuchte ich mir einzureden, dass das eine ganz normale Reaktion war, weil … na ja … Daniel groß, stark und außergewöhnlich gut aussehend war. Doch dasselbe galt für Blake, und auf ihn habe ich nie auf diese Weise reagiert.

Ich kann mich genau an den Moment erinnern, als Daniel und ich die Grenzen unserer Freundschaft überschritten. Es war am Beginn unseres letzten Jahres am College, und wir wollten zusammen zu einer Party gehen. Die Jungs waren gekommen, um mich abzuholen. Keiner von uns hatte eine Verabredung, aber kaum hatte er meine Wohnung betreten, fing Blake an, meine neue Mitbewohnerin zu umgarnen, um sie zu überreden, uns zu begleiten.

Daniel und ich lehnten im Türrahmen, während wir warteten, und checkten uns gegenseitig ab.

»Du siehst heute Abend ziemlich sexy aus«, meinte er.

»Du musst dich auch nicht gerade verstecken.«

Wir hatten solche Komplimente schon mindestens eine Million Mal ausgetauscht. Doch beim eine-Million-und-ersten Mal passierte es. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, wie Daniel sich bei seinen Worten vorlehnte; vielleicht damit, dass ich nach Luft schnappte und mir auf die Lippe biss, was Daniel genau zur Kenntnis nahm. Dann beugte er sich noch ein Stückchen weiter vor, kam mir so nah, dass ich ihn riechen konnte. Sandelholz und Meer. Das war das Aftershave, das ich ihm letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte.

»Vielleicht sollte ich heute Abend dein Date sein«, flüsterte er, und sein warmer Atem strich dabei über meine Wange.

»Vielleicht würde mir das gefallen«, antwortete ich neckisch und stieß ihn leicht mit dem Ellbogen an. Er zwinkerte und lehnte sich wieder zurück, aber wir wussten beide, was für ein Spiel wir da spielten. Wir gaben vor, nur Spaß zu machen, wussten aber, dass das nicht stimmte.

Er beobachtete mich die ganze Nacht über beim Tanzen, und die Hitze in seinen Augen war nicht zu übersehen. Doch er machte keine Anstalten, etwas zu unternehmen, nicht einmal als er mich um vier Uhr morgens nach Hause begleitete. Vor meiner Tür drückte er mir einen Kuss auf die Wange. Er ließ seine Lippen dort verweilen, die Hand auf Höhe meiner Rippen an meiner Seite. Seine Finger gruben sich leicht in meine Haut. Danach lag ich die ganze Nacht wach und verzehrte mich nach ihm.

Ich war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, dass er etwas unternahm, und der Angst davor, dass er genau das tun würde. Ich fühlte mich zerrissen, weil ich Daniel seit fast drei Jahren begehrte, aber … nun, er war wie alle Jungs am College von weiblichen Singles umgeben. Er mochte die Abwechslung, ließ sich nicht festnageln, und ich hielt eigentlich nicht viel davon, Leute verändern zu wollen. Außerdem wusste ich, wie ich Daniel eine gute Freundin sein konnte, aber nicht, wie ich etwas anderes sein sollte. Und mir war die Freundschaft der Zwillinge und die ihrer Familie wichtig. Ich mochte die Bennetts sehr und war mir nicht sicher, ob es eine kluge Entscheidung wäre, aus meinem Verhältnis zu Daniel etwas anderes zu machen.

Doch all meine guten Absichten lösten sich in Luft auf, als wir von einer weiteren Party nach Hause gingen. Es war November und kalt. Daniel gab mir sein Jackett, weil meine Jacke so dünn war, dass ich genauso gut hätte nackt herumlaufen können. Wir mussten den gesamten Campus überqueren, um mein Wohnheim zu erreichen, was hieß, dass wir fast eine halbe Stunde Fußmarsch vor uns hatten.

Trotz seiner Jacke zitterte ich.

»Dir ist immer noch kalt«, meinte er.

»Meine Füße frieren quasi ab.«

Ich deutete nach unten. Ich trug flache Schuhe, aber ohne Socken. Im November. Daniel blieb wie angewurzelt stehen. Es war ziemlich düster, also verstand ich erst nicht, was er vorhatte, doch dann zog er seine Schuhe und Socken aus, um mir letztere zu geben.

»Hier. Zieh die an.«

»Ich … danke.«

Aus irgendeinem Grund – wahrscheinlich, weil ich seit drei Jahren heimlich in ihn verliebt war und seit Wochen heiße Träume von ihm hatte – berührte mich die Geste tief. Als wir meine Tür erreichten, war ich noch nicht bereit, mich von ihm zu verabschieden. Meine Mitbewohnerin war über das Wochenende weggefahren, und Daniel zitterte.

»Willst du mit reinkommen? Ich kann dir einen heißen Tee machen.«

»Gerne.« Seine schnelle Antwort verriet, dass auch er noch nicht gehen wollte. Zwei Tassen Tee später zitterte er immer noch. Voller Bedauern gab ich ihm seine Socken zurück, bereits auf der Suche nach einer Ausrede, um ihn noch länger in meiner Wohnung behalten zu können. Als mir klar wurde, dass ich um vier Uhr morgens kaum eine glaubhafte Ausrede finden würde, fragte ich einfach: »Willst du hier schlafen? Die Couch lässt sich ausziehen. Deine Wohnung liegt ein gutes Stück entfernt, und um diese Zeit bekommt man kaum noch ein Taxi.«

Ich sprach sehr schnell und spielte währenddessen nervös mit der leeren Teetasse in meinen Händen. Wir saßen nebeneinander auf der Couch.

»Wenn du willst, dass ich bleibe, dann bleibe ich.«

»Nur, wenn du auch bleiben willst.«

Ich klang wie ein Feigling. Daniels Mundwinkel zuckten.

»Ich bleibe.«

»Okay. Ich suche mal nach einer Decke.«

Als ich mit einer bezogenen Decke zurückkehrte, tigerte Daniel im kleinen Wohnzimmer auf und ab. Er wirkte immer noch vollkommen durchgefroren. Ich musste irgendetwas tun, damit ihm warm wurde. Schließlich war ich der Grund dafür, dass ihm die Kälte in die Knochen gekrochen war, indem ich seine Jacke und seine Socken mit Beschlag belegt hatte. Ich hatte ihm eine Decke gebracht, aber würde das reichen? Meine Fantasie schlug sofort eine effizientere Lösung vor. Mit direktem Hautkontakt würde ihm sicher schnell warm. Ich könnte das als Ausrede nutzen, mich auf der Couch unter der Decke an ihn kuscheln …

Ich schüttelte den Kopf, weil ich mich albern fühlte, doch bei dem Gedanken, seinen Körper zu berühren, seine durchtrainierten Muskeln zu fühlen, schlug mein Herz schneller. Als ich ihn dabei ertappte, wie er mich musterte, fingen meine Wangen an zu glühen. Ich wandte schnell den Blick ab, voller Angst, dass er meine Gedanken lesen könnte, doch gleichzeitig fiel mir auf, dass sein Blick leicht verschleiert war.

»Macht es dir etwas aus, wenn ich nackt schlafe?«

Die Hitze in meinen Wangen wurde noch stärker. Mein Hirn dagegen versorgte mich mit Bildern eines nackten Daniel in meinem Wohnzimmer und machte Anstalten, den Dienst zu quittieren. »Nein, wie du dich eben wohlfühlst. Aber du könntest frieren.«

Ich atmete tief durch, wagte aber nicht, ihn anzusehen. Doch ich konnte fühlen, dass er mich beobachtete. Die Luft um uns herum schien vor Spannung zu knistern.

Einfach, um etwas zu sagen, fragte ich: »Willst du ein heißes Bad nehmen? Dann würde dir sicher wieder warm.«

»Stimmt, du hast eine Badewanne. Ich kann es immer noch nicht glauben.«

Ich grinste. »Einer der Gründe, warum ich hier eingezogen bin. Kleine Wohnung, aber mit Badewanne. Ich liebe sie und bade mindestens einmal die Woche. Soll ich Wasser für dich einlassen?«

»Nur, wenn du dich mir anschließt.«

Wenn ich geglaubt hatte, die Luft hätte vorhin vor Anspannung geknistert, wurde das Knistern jetzt so intensiv, dass es mir fast den Atem verschlug. Er versuchte nicht, die Aussage als Witz zu verpacken, wie wir es bisher so oft getan hatten, wenn wir halb im Spaß miteinander geflirtet hatten. Tatsächlich sagte er sonst gar nichts mehr, sondern kam einfach auf mich zu und drängte mich gegen die Badezimmertür. Er sah auf mich herunter und legte eine Hand an mein Kinn, um dann meine Wange bis zu meinem Ohr zu streicheln. Seine andere Hand lag auf meiner Schulter, sein Daumen auf meinem Schlüsselbein.

»Komm mit.« Es war quasi ein Befehl, und mein Körper reagierte so heftig, dass ich die Beine zusammenpressen musste. »Du willst es. Mich. Uns. Du willst es genauso sehr wie ich.«

»Ja.«

Er lächelte. »Ja was?«

»Alles. Ich will all das. Die Badewanne, dich. Besonders dich.«

Es wurde ein unvergessliches Wochenende. Wir liebten uns in der Badewanne, auf der Couch, in meinem Schlafzimmer, in der Küche. Viele weitere, ähnliche Wochenenden folgten. Wir wurden unzertrennlich. Ich hatte erwartet, dass es nur um Spaß gehen würde, doch daraus entwickelte sich so viel mehr. Zwischen Daniel und mir funkte es einfach. Wir verstanden uns in jeder Hinsicht. Ich schenkte ihm ohne jede Zurückhaltung mein Herz. Wir passten so gut zusammen.

Bis es plötzlich nicht mehr so war.

Alles begann zu zerfallen, als es Zeit wurde, uns für einen Masterstudiengang zu entscheiden. Ich hatte ein volles Stipendium bei der Universität meiner Wahl in Aussicht, der University of Washington. Es war ein zweijähriges Programm, und das erste Jahr konnte ich in Dublin absolvieren. Ich wollte Zeit mit meinem Bruder verbringen, der vor fünf Jahren nach Irland gezogen war, und die Stadt besser kennenlernen, in der ich geboren worden war. Dazu kam, dass das Programm erstklassig war.

Daniel wollte nach Stanford auf die Business School. Je näher der Termin für die Bestätigung unserer Studienplätze rückte, desto unsicherer wurde ich. Ich wollte nicht so weit von Daniel entfernt sein. Stanford hatte mir nur ein Teilstipendium angeboten, aber wenn ich nebenbei als Kellnerin arbeitete, konnte ich auch damit klarkommen. Daniel gefiel diese Idee gar nicht.

»Aber Washington ist dein Traum. Genau das, was du willst«, hielt er jedes Mal dagegen. »Gib dich nicht mit weniger zufrieden als dem Besten.«

Bei jedem dieser Gespräche konnte ich förmlich fühlen, wie er sich von mir zurückzog. Als er schließlich irgendwann am Ende meiner Schicht in der Bar auftauchte, in der ich arbeitete, wusste ich schon, was kommen würde.

»Caroline, ich habe viel darüber nachgedacht … und es wird nicht funktionieren. Fernbeziehungen sind so kompliziert, und du wirst eine Menge verpassen, wenn du die Hälfte deiner Zeit in einem Flieger verbringst. Dasselbe gilt für mich. Der beste Ort für dich ist die University of Washington, mit dem Auslandsjahr. Gib dich nicht mit Stanford zufrieden.«

Wir beendeten die Beziehung freundschaftlich. Unsere Trennung lief sehr erwachsen ab. Kein Streit, kein Geschrei. Überwiegend redete Daniel. Ich nickte einfach nur und hielt jedes Mal den Atem an, wenn ich das Gefühl hatte, gleich losweinen zu müssen. Letztendlich hielt ich so oft den Atem an, dass ich schon fürchtete, in Ohnmacht zu fallen. Rein theoretisch ergab das alles Sinn; es war die richtige Entscheidung für uns beide. Doch ein Teil von mir wusste, dass wir es hätten hinbekommen können. Schließlich wollte ich nur ein Jahr in Dublin verbringen und wäre im nächsten Jahr in Washington – ich hatte ja nicht vor, eine Kolonie auf dem Mars zu gründen.

4 Caroline

»Hast du heute ein heißes Date?«, fragt Karla, als wir uns vom Schreibtisch erheben. Die Schule ist bis auf uns beide bereits leer, aber wir bleiben am Montag immer länger, um noch Verwaltungskram zu besprechen.

»Nein, ich treffe mich nur mit einem guten Freund.«

Sie zwinkert mir zu. »Eine Menge Aufwand für einen Freund.«

Ich mustere mein Outfit: dunkelblaues, tailliertes Kleid, das einen Hauch von Dekolleté zeigt, und ein rotes Jackett, das besagtes Dekolleté geschickt verbirgt.

»Hin und wieder mache ich mich gerne schick.«

Ich könnte behaupten, dass ich mich grundsätzlich so anziehe, wenn ich mit einem guten Freund ausgehe, doch die Wahrheit ist: Wann immer ich mich mit Daniel treffe, versuche ich, möglichst viel herzumachen. Vielleicht ist es ganz normal, dass man vor einer alten Flamme gut aussehen will. Doch eigentlich kann ich das nicht verallgemeinern, denn mir ist vollkommen egal, was meine anderen Ex-Freunde über mich denken. Aber wenn ich mich mit Daniel treffe? Oooooh yeah, Baby. Da werfe ich mich jedes Mal richtig in Schale.

Zusammen mit Karla verlasse ich die Schule, dann verabschiede ich mich von ihr und gehe zum Parkplatz hinter dem Gebäude. Sobald ich im Auto sitze, streife ich die Schuhe ab und gönne meinen armen Zehen ein wenig Bewegung. Barfuß fahren wird nicht gerne gesehen, aber sollte mich ein Polizist anhalten, werde ich ihn einfach auffordern, mal mit zehn Zentimeter hohen Absätzen zu fahren. Das wird sicher toll!