Dich lieben - Melissa P. - E-Book

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Melissa P.

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Beschreibung

Melissa P. öffnet ihre Augen «Ein Ticket nach Rom, nur Hinfahrt», verlangt Melissa am Fahrkartenschalter in Catania. Sie ist auf der Flucht vor ihrer Heimat – und vor der Mutter, von der sie sich immer mehr entfremdet hat. In Rom erlebt sie die große Liebe mit ihrem Freund Thomas. Doch als sie Viola trifft, Thomas' Exfreundin, wird die Leidenschaft zur Obsession. Melissa verzehrt sich vor Eifersucht ...

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Melissa P.

Dich lieben

Aus dem Italienischen von Olaf Matthias Roth

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

MELISSA P. ÖFFNET IHRE AUGEN

 

«Ein Ticket nach Rom, nur Hinfahrt», verlangt Melissa am Fahrkartenschalter in Catania. Sie ist auf der Flucht vor ihrer Heimat – und vor der Mutter, von der sie sich immer mehr entfremdet hat.

In Rom erlebt sie die große Liebe mit ihrem Freund Thomas. Doch als sie Viola trifft, Thomas’ Exfreundin, wird die Leidenschaft zur Obsession. Melissa verzehrt sich vor Eifersucht ...

Über Melissa P.

Melissa Panarello ist in Catania aufgewachsen. Mit siebzehn veröffentlichte sie ihr erstes Buch «Mit geschlossenen Augen», das zu einem internationalen Erfolg wurde.

«Dich lieben» ist die Fortsetzung, eine Geschichte über eine obsessive Liebe und eine zerstörerische Leidenschaft.

Inhaltsübersicht

Für Thomas,Dann geh doch, ...Mit einer Biene ...Gestern, ging es ...Noch ist es ...Ich liebte ihn ...Ein Sofa, der ...Schweißgebadet wache ich ...Seine Augen waren ...Meine Haut ist ...Gestern Abend, als ...Sie haben den ...Ich esse gesalzene ...Mit keuchendem Atem ...Es war an ...Ich sitze nackt ...Schön, wirklich wunderschön, ...Manchmal denke ich ...Erst kam ich ...Der Zug begleitet ...Das Meer war ...Heute Nacht hatte ...Magst du was?», ...Es geschah ganz ...Du bist beinahe ...Ich hol mal ...Eine ist mager, ...Während wir eine ...Jetzt weiß ich, ...Seit jener Nacht ...Heute Morgen um ...In unserem Wohnzimmer ...Einmal gingen wir ...Warum schlägst du ...Im Flur bei ...Hast du eigentlich ...Ich liege bäuchlings ...Seit mir Flügel ...Ich höre seine ...Ich sitze im ...Und als ich ...Ich folge ihm ...Ich spüre, wie ...Kalter Fußboden. Verriegelte ...Danksagung

Für Thomas,

der weiß, wie er an meinem Rock schnuppern muss

 

meiner Urmutter

 

meiner Schwester Wirbelwind

 

meiner Großmutter Gotteskind

Dann geh doch, nimm den Zug und geh,

denn wenn du nicht gehst, haust du ja doch ab.

 

Virginiana Miller, Altrove

Mit einer Biene im Haar habe ich mich ins Getümmel gestürzt. Die Biene, die mir im Haar summte, schlug mit den Flügeln und brummte emsig. Ich fing sie nicht, sondern ließ zu, dass sie ihren Bienenstock in meinem Kopf baute, und wer mir begegnete, sagte: «Du hast honiggelbes Haar», ohne zu wissen, dass in meinem Kopf eine Biene wohnte, die mit ihrem schmalen zweifarbigen Körper in meinen Gedanken kreiste und spielte. Sie wurde mir zur Gefährtin, zur ständigen, wenn auch unzuverlässigen Begleiterin: Manchmal stach sie mich sanft in den Nacken, um mich zu verletzen. Aber meine Biene war zu klein, um mir wehzutun, sie lud ihren Honig in mir ab, doch niemals ihr Gift.

Eines Tages flüsterte die Biene mir etwas ins Ohr, aber das Raunen war zu schwach, als dass ich es hätte verstehen können. Ich fragte sie nie, was sie eigentlich hatte sagen wollen, und jetzt ist es zu spät, meine Biene ist plötzlich weggeflogen, und ein Passant hat sie getötet. Er hat sie zerdrückt. Auf dem weißen Marmor sehe ich einen glänzenden schwarzen Fleck, da liegt etwas: Ich nehme es mit einer kleinen Schippe auf und bringe es in ein Labor zur Analyse.

«Gift», sagt der Biologe.

«Gift …», wiederhole ich.

Meine Biene wurde vergiftet, nicht zerdrückt. Ein paar Stunden zuvor hatte sie mich gestochen.

Gestern, ging es dir da gut? Als du nach Hause kamst und dir in der Küche eine Zigarette angezündet hast, an der Herdflamme, als unsere Katze sich an deinem Hals rieb und dabei schnurrte, als du die Augen geschlossen und die Beine wie ein Fötus angezogen hast, woran dachtest du da? Ging es dir gut?

Meine Qual begann, als ich mich am Flughafen von dir verabschiedete, als ich auf dich zutrat und dir sagte: «Also, weißt du, wie’s läuft? Du checkst ein, fährst mit der Rolltreppe da hoch, gehst durch den Metalldetektor» – ich deutete mit dem Finger in die Richtung – «und danach musst du zu dem auf deiner Bordkarte bezeichneten Ausgang, und das wär’s. Ruf mich an, wenn du angekommen bist.»

Das also sagte ich, dann ging ich, machte aber noch einmal kehrt und erklärte es dir erneut Schritt für Schritt. Auch auf den Metalldetektor deutete ich noch einmal.

Zum Schluss umarmte ich dich flüchtig, ohne dass unsere Körper sich berührten. «Danke», flüsterte ich dir ins Ohr.

In einem weicheren Tonfall als dem meinen erwidertest du: «Danke, Schatz, danke dir.»

Am selben Abend habe ich mit Thomas geschlafen. «Lass uns so tun, als wäre es zum letzten Mal», sagte ich und sah ihm dabei in die Augen.

Er zögerte und fragte: «Was willst du damit sagen?»

«Sei nicht dumm … Ich mein’s ja nicht so endgültig. Es ist nur ein Übermaß an Liebe, das ist alles.»

«Weshalb?», fragte er verdutzt.

Ich zuckte mit den Achseln und erwiderte: «Weil ich es satt habe, mich immer stückchenweise herzugeben. Ich will mich ins Unendliche fallen lassen.»

«Aber das tust du doch immer.»

Ich zuckte erneut mit den Achseln und pfiff verächtlich durch die Zähne.

 

Nein, ich habe mich noch nie ins Unendliche fallen lassen. Das Unendliche kenne ich gar nicht. Ich kenne die Grenzen, die Blockaden, die Hindernisse. Nein, das Unendliche, das kenne ich wirklich nicht, glaube ich.

 

«Machen wir es so. Stell dir vor, einer von uns würde morgen sterben. Stell dir vor, einer von uns müsste auf eine lange Reise gehen, und wir würden uns erst nach Jahren wiedersehen … Oder vielleicht gar nicht mehr. Wie sehr würdest du mich da lieben?»

Er war wunderschön, ich war wunderschön. Das Licht der Nachttischlampe wärmte uns und warf bunte Streifen auf unsere Gesichter.

Als wir dann miteinander schliefen, war nicht mehr er allein da, sondern er und du. Und ich, aber nur als Statistin. Du und er, ihr habt mich geliebt, geküsst und zerfleischt. Ich sah deine Nase, seinen Mund, deine Ohren und seine Augen. Ich hörte zwei Herzen schlagen statt nur eins, und als mein Körper zuckte, schrie ich: «Ich liebe dich, ich liebe dich wahnsinnig!» Und das schrie ich auch dir zu.

Du und er, Wächter meiner Seele und meines Körpers. Hochmütig steht ihr auf der Terrasse meines Lebens, betrachtet es und beschützt es, worum ich euch nicht gebeten, was ich von euch nicht verlangt habe.

Sein Schweiß schmeckte nach deinem Hals, und sein Hals schmeckte nach dir. Und dann kam nichts mehr. Die Lider senkten sich wie der Vorhang nach dem Schauspiel, und die leichten, zufriedenen Atemzüge vermischten sich mit den Gerüchen im Zimmer. Du aber bist dageblieben.

Du hast dich nie um mein Leben und meine Freiheit gekümmert. Du bist ganz zerbrechlich, ich dagegen erdrücke alles. Ab jetzt werde ich meine sämtlichen Theorien über das Leben zum Schweigen bringen müssen, um dem Gefühl, das ich für dich empfinde, mehr Raum zu geben.

Vielleicht hast du das verdient.

 

«Eine Fahrkarte nach Rom bitte, nur Hinfahrt», sagte ich.

Der Mann im Reisebüro schaute mich an und lächelte. «Und wo soll’s diesmal hingehen?»

Ich musterte ihn eine Weile und prägte mir jeden einzelnen seiner Gesichtszüge ein.

«Nach Hause», antwortete ich.

Er senkte beinahe ehrfürchtig den Kopf, sah mich von unten her an und sagte: «Sofort.»

Während er auf der Computertastatur herumklapperte, betrachtete ich die Prospekte hinter mir. Vom Kongo bis nach Laos hätte ich überallhin fliegen können. Von Paris nach Hokkaido. Von Valparaiso nach Athen.

Meine Flucht hätte auch auf der Stelle beginnen können. Doch das wäre unverantwortlich gewesen, und davor hatte ich Angst, so war es schon immer.

«Also, bleibt’s bei Rom?», fragte der Mann.

Ich drehte mich zu ihm um und nickte mit einem Lächeln.

«Soll ich ein elektronisches Ticket ausstellen?»

«Nein, bitte nicht. Ich möchte es gern in der Hand halten.»

Es war, als würde ich auf einmal jenen Pfad einschlagen, den ich schon so oft am Horizont meines Lebenswegs gesehen hatte. Ich begehe ihn doch erst seit so kurzer Zeit, obwohl ich das Gefühl habe, schon hundert Jahre gelebt zu haben, die eine Hälfte ganz gut, die andere eher weniger gut, vorsichtig ausgedrückt.

Es schien mir stets so unmöglich, an jenen Punkt zu gelangen, an dem die beiden Straßen sich kreuzten, dass ich teilnahmslos die ganze Strecke hinter mich brachte, ohne mich zu fragen, wann ich ankommen und was ich tun würde, wenn ich endlich dort wäre.

Plötzlich stand ich an der Abzweigung der unbekannten Straße. Ein goldenes Schild verkündete mir: «Du kannst weiter geradeaus gehen oder links abbiegen.»

Da blickte ich mich um und verfolgte meine Spuren, die wie zwei Geraden zu einer perfekten Perspektive zusammenliefen; der Asphalt war zur Hälfte aufgebrochen, Hagel, Regen und Wind hatten ihn rissig werden lassen, durchlöchert und abgeschliffen. Ich sah ein paar Blutspuren, dort, wo ich mich beim Hinfallen verletzt hatte, hie und da lag auch noch ein nackter Leichnam, mit offenen Augen. Von dir keine Spur. Nur Geruch von Säugetieren, der über der leblosen Straße schwebte. Ich betrachtete das goldene Schild: Es kam mir vor wie der Eingang zum Paradies. Allerdings sagte mir jemand einmal, dass es kein schöneres Paradies als die eigene Hölle gebe (oder hat mein Unterbewusstsein das gesagt, um mir ein Alibi zu verschaffen?). Jedenfalls beschloss ich, mein Glück zu versuchen, und anstatt auf jener grauen Straße weiterzugehen, auf die ich gestoßen war, nachdem ich ein schwarzes Loch durchquert und immer wieder laut «Das Licht! Das Licht!» gerufen hatte, nahm ich nun die Witterung auf und bog nach links ein, die Hände in Brusthöhe über Kreuz gelegt.

Ich nahm das Flugticket und hielt es vorsichtig mit zwei Fingern: Das war meine Eintrittskarte.

Als ich aus dem Reisebüro kam, kräuselte meine Haut sich in einem kalten Windhauch. Ich schlang den Mantel um mich (den roten, aus Samt, der Ornella wie ein Morgenmantel vorkommt) und kletterte die Acchianata di San Giuliano empor. Ich beschloss, an der Piazza Crociferi vorbeizugehen, wo die schwülstigen, überschwänglichen barocken Verzierungen mit Untergang, Tod und Verfall just jener Häuser wetteifern, deren Ornamente nun zerbröseln, wie Steinblumen, die in ewigem Wechsel blühen und verwelken. Dort habe ich zum ersten Mal geküsst, dort habe ich mich mit einem Arschloch geprügelt, und weiter oben ist dann die Treppe, wo ich einmal abends ein Bier mit einem unbekannten Jungen getrunken habe, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.

Doch keine Erinnerung konnte besänftigende Gefühle wecken.

Also ging ich wieder nach unten, bis zur Piazza dell’Elefante, und das Einzige, was ich dort sah, waren die grauen Mäntel der Gemeindefunktionäre.

Ich ging weiter zum Fischmarkt, und alles, woran ich mich dort erinnerte, war, wie wir einmal vor vielen Jahren zum Fischkaufen hergekommen waren, ich, du und die Großmutter. Vor allem eins ist mir von damals in Erinnerung geblieben – der Seestern, der auf dem Rücken eines noch lebenden Schwertfischs klebte. Wenige, ganz wenige Erinnerungen, von denen die meisten nutzlos und verblasst sind.

Wenn mich jemand fragte, welche Stadt ich am meisten hasse, würde ich antworten: Catania. Und auf die Frage, welche ich am meisten liebe, würde ich dieselbe Antwort geben.

Du sagtest immer zu mir, es gäbe nichts Schlimmeres, als fern der Heimat zu sein. Du sagtest immer, sobald und falls ich wegginge, würde ich spüren, wie mich das Heimweh packt und mir Kummer und Leid beschert.

Ich erwiderte, für mich seien alle Orte gleich, doch Catania sei der Ort, den ich am meisten fürchtete, weil Catania einen verschlingt.

Düsternis, Asche, klumpige, erkaltete Lava. Obwohl ständig die Sonne auf die barocken Gesimse und die Spitzenvorhänge vor den Fenstern der alten Häuser im Zentrum scheint, wirkt die ganze Stadt, als würde sie in einem großen, unendlichen, tiefen Dunkel versinken. Catania ist finster. Als würde es geradewegs in einen riesigen dunklen Schlund gleiten, müde und willenlos. Catania ist auch dann so, wenn das Leben die engen Plätze und holperigen Straßen sprengt, wenn des Nachts junge Typen, Dealer, Huren, Junkies, Familien und Touristen sich gleichzeitig an ein und demselben Ort versammeln und in exotischen, wilden Orgien ausleben. Catania ist schön, weil es keine Hierarchien kennt, weil es keine Zeit hat, weil es sich seines Zaubers nicht bewusst ist. Es ist schön wie eine nackte Frau mit weißer Haut und schwarzen Haaren, die die Augen aufreißt, wenn ein gewalttätiger Mann ihr den Mund zuhält und sie anzischt: «Halt’s Maul, Hure!»

So ist Catania, eine Hure, die nicht spricht, weil jemand sie knebelt.

Ich bin ein zutiefst catanesisches Wesen. Ich habe das Leben und den Tod in mir, mich schreckt weder das eine noch das andere. Manchmal neigt sich mein Leben jedoch dem Tod zu.

 

Oft habe ich gehört, wer zu lange von zu Hause weg war, kehre nur deshalb zurück, weil er sich seiner eigenen Wurzeln bemächtigen, sie aus dem Boden reißen, zerpflücken und sich auf diese Weise einverleiben will. Wurzeln? Was denn für Wurzeln? Verdammt, wir sind doch keine Bäume, sondern Menschen! Menschen, die aus einem Samen entstanden sind und auf ewig Samen bleiben. Der einzige Ort, an dem wir vielleicht Wurzeln geschlagen haben, ist der Bauch unserer Mutter.