Die 2300-Kilometer-Therapie - Bert Teklenborg - E-Book
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Die 2300-Kilometer-Therapie E-Book

Bert Teklenborg

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Beschreibung

Mit diesem Reisebericht schafft der Autor als gewissenhafter und verantwortungsvoller Routenplaner das Fundament dafür, dass der Jakobsweg selbst "zum Mittler der Freude" wird: ein Führer von Deutschland aus über Straßburg, Taizé/Cluny, Le-Puy-en-Velay, Roncesvalles nach Santiago de Compostela. Durch seine Wanderungen persönlich erfahren, schafft er die Grundlagen für siebenundsiebzig Karten, die schematisch den Wegeverlauf nachzeichnen; zahlreiche „Ausflüge“ in die Geschichte des Jakobswegs sowie viele Abbildungen ergänzen die ausführliche und exakte Beschreibung.

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Seitenzahl: 72

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Impressum

Bert Teklenborg

Die 2300-Kilometer-Therapie

Die Story des Jakobswegs der Freude

ISBN 978-3-95655-932-7 (E–Book)

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

2020 Salem Edition by EDITION digital

Pekrul & Sohn GbR

Godern – Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

E–Mail: [email protected]

http://www.edition-digital.de

http://www.salemedition.de

Danke sagen möchte ich allen, die mir bei der Überwindung meiner „Krankheit“ und der Realisierung dieses Buches geholfen haben.

Vorwort

Gedanken gehen blitzartig durch meinen Kopf: Suchscheinwerfer der Flak erfassen Bomber, Maschinengewehrfeuer setzt ein, Leuchtspuren am nächtlichen Himmel. Ein Mensch in Lumpen an der Tür. Eine kalte Welle rast durch meinen Körper, überzieht mich von Kopf bis Fuß mit einer Gänsehaut, macht mich starr. Plötzlich bedrohen mich scharfe, spitze Gegenstände. Hohe Gebäude muss ich fliehen. Dorian Gray, mit einem Messer sein Bildnis zerfetzend. – Ohnmächtig erfahre ich, wie ein grenzenloser Schmerz durch meinen Körper zieht … Und ich erkenne den Teufelskreis: Hätte die Angst gesiegt, wäre ich sofort wieder bei meinen Neurosen gelandet, die ich ja bestens kenne, weil sie mir seit Jahren, Jahrzehnten eine „Heimat“ bieten. Das macht das Abwerfen der alten Denke so schwer, dass man lieber ins „Vertraute“ zurück will, als den neuen Weg mutig weiterzugehen.

Alle Pläne sind in sich zusammengestürzt, wurden nichtig, sind überholt – ich benötige jetzt nur noch das, was ich im Heute mit gesundem Verstand bewältigen kann. Viel bleibt nicht übrig, aber was ist das schon, habe ich doch gerade erst angefangen, meine Freiheit zu leben. In der akuten Phase der „Krankheit“ war der Gedanke, einfach abzuhauen, ständig präsent; doch da hieß es: ausharren, dableiben, nicht weglaufen. Eine alte Weisheit sagt: „Bevor du kein neues Wasser hast, schütte das alte nicht weg. Hast du neues Wasser, weg mit dem alten. Und achte darauf, dass sich das neue nicht mit dem alten vermischt.“ Besonders das letztere galt es, zu beachten! Vielleicht könnte etwas geschehen, das ohne mein Zutun passiert. Und tatsächlich nahm ein Gedanke Formen an. Nicht, dass es klick machte und die Idee war geboren – nein! Es war selbstverständlich, wie das Entstehen von Wetter und Wolken.

Durch eine Nachbarin, eine alte Dame, die in ihrer Jugend ‘ne Menge erlebt hatte und wovon sie mir vorzugsweise am Telefon erzählte, erfuhr ich, dass in ihrer Schule (sie war dort Lehrerin gewesen) es üblich sei, Schüler mit einem kleinen Budget auf eine Reise zu schicken und darüber mussten diese in Tagebuchform berichten. Einen solchen Bericht wollte sie mir zeigen und brachte die Aufzeichnungen von einer Reise nach Santiago de Compostela mit, die zu einer Zeit stattgefunden hatte, als kaum jemand daran dachte, sich von Deutschland aus dorthin auf den Weg zu machen. Es waren abenteuerliche Dinge, die ich las: Da zog ein Abiturient alleine los, durchquerte ganz Frankreich und Nordspanien, mal zu Fuß, mal per Autostopp und hin und wieder mit dem Bus, wenn es gar nicht mehr weitergehen wollte, einzig ausgerüstet mit einer Landkarte, in der zwar Autostraßen, jedoch keine Wanderwege eingezeichnet waren. So berichtete er immer wieder von Wegstrecken entlang der Nationalstraßen mit zum Teil mörderischem Verkehr. Insgesamt legte er mehr als 2000 Kilometer zurück.

Ich hatte Santiago auf einer Reise nach Portugal besucht und wusste von der Bedeutung der Stadt als Ziel von Pilgerreisen. Da Landkarten zu meinem Beruf gehörten wie die Kelle beim Maurer, besorgte ich mir zuerst Übersichten und kurz darauf einen ganzen Satz großmaßstäblicher Karten mit teilweise eingezeichneten Wanderwegen, die in Frankreich Grande Randonnée heißen und das Land wie ein Netz überziehen. Ich benötigte sage und schreibe etwa 15 Blätter, um das infrage kommende Gebiet abzudecken, und wie bei einem Puzzle legte ich alle auf dem Fußboden aus. Schnell stellte ich fest, dass die Wege sich nicht immer ergänzten; da ging zum Beispiel der GR 7 Richtung Süden, wo ein direkter Anschluss nach Le Puy en Velay erforderlich war. Auch hörte die Wegführung an einigen Stellen der Karten plötzlich auf. Bezog sich das nun auf den Wanderweg, weil auf diesen Strecken die Markierung fehlte oder hatte der Kartenzeichner keine Informationen, wie es weiterging?

Plötzlich wurde mir bewusst, dass sich diese Jakobsweggeschichte zu einer Art Rehabilitations-Programm für mich entwickelte.

Ein halbes Jahr, nachdem mich die Frau (Siehe Gilbert Belo, Der Seele ungeheure Kluft; Salem Edition 2007) aus ihrer ärztlichen Betreuung entlassen hatte, entschloss ich mich zu einer Testwanderung, einer Dreitagesetappe in den Vogesen. Von Mulhouse fuhr ich mit dem Bus über Thann zur Haltestelle am Col de Bussang, wanderte von dort auf dem GR 531 nach Rouge Gazon und ab Tête des Perches auf dem GR 5 zum Ballon d'Alsace. Hatten bis dahin die weiß/roten Markierungen gestimmt, so zeigten sich im Verlauf des GR 7 nach Remiremont die unterschiedlichsten Wegzeichen; mal waren es rot/weiße Balken, dann gelbe, später ein rotes, dann gelbes Dreieck und im Ort fehlte jeglicher Hinweis. Fazit: Wollte man auf diese Art einen Wanderführer durch Frankreich erstellen, müsste zuerst der gesamte Streckenverlauf erwandert werden. Über die Auswertung der Aufzeichnungen machte ich mir da noch keine Gedanken, doch eigentlich stand mein Entschluss bereits fest: Ich werde mich auf den Weg machen.

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Es ist irgendwo in der Lorraine; der Regen prasselt nur so auf mich herab. Total durchnässt setze ich mich auf die Stufen unter dem Tympanon der Kirche. Nicht leicht, den richtigen Weg zu finden, denn Pilgerpfade wie im Mittelalter gibt es nicht mehr. Gleich werde ich feststellen, dass die Herberge seit einem Jahr geschlossen ist. Ein anderes Gasthaus hat’s nicht im Dorf, und deshalb erkundige ich mich bei vorbeilaufenden Kindern, ob sich vielleicht eine Möglichkeit zum Schlafen anbietet. Sie wollen ihre Eltern fragen und beeilen sich; der Erste, der zurück ist, überbringt die Einladung seiner Familie, zu ihnen zu kommen. Sie führen mich zu einem winzigen Bauernhaus, wo gerade geschlachtet wurde. Die Wannen mit Fleisch und Würsten stehen noch auf dem Boden der Küche, in die ich geführt werde; auf dem Tisch liegen blutige Schlachtutensilien, in der Ecke läuft ein Fernseher – ich sehe, es ist ein Horrorfilm aus den Pariser Katakomben. Jetzt fehlt nur noch, dass die Türe aufgeht, der Metzger reinkommt und das Messer wetzt, denke ich, da wird sie einen Spaltbreit geöffnet und eine Frau schaut neugierig herein – sie könnte Quasimodos Schwester sein. Ich will nicht behaupten, dass mich das alles völlig kalt lässt, doch ich vertraue darauf, dass Pilger unter einem besonderen Schutz des Himmels stehen.

Am Mittag erreiche ich in Viomenil die Saône-Quelle. Schon um 500 v. Chr. lebten Kelten am Menamont, die der Quelle und dem Fluss den Namen der Göttin Sagona gaben. Die Legende erzählt vom Fisch Klupea, der bis zur Quelle schwamm, dort einen Kieselstein holte und in das Rhônedelta transportierte, wo das Sumpffieber herrschte. Die Kranken, die den Stein berührten, waren auf der Stelle geheilt. Gallische Münzen, die in Solina, geprägt wurden, zeigen auf der Rückseite das Profil des Fisches Klupea. Ob ich einen solchen Stein noch brauche? Die Antwort lese ich in dem Straßennamen gegenüber: Rue Saint-Jacques! Das ist mein „Stein“, denke ich und lande auf einem Feldweg mit weiß-roter Markierung.

Kurz vor Vittel verläuft der GR 7 auf einem alten Römerweg; in meiner Fantasie sah ich die römischen Streitwagen, die hier vor fast 2000 Jahren in Richtung Bourbonne-les-Bains unterwegs waren. Doch weder Wagenspuren noch römische Meilensteine waren zu sehen und auch die Gedanken der marschierenden Legionäre wollten nicht so recht „rüberkommen“. Dafür spüre ich nun öfter, wie befreiend es ist, mit seinen Gefühlen von nichts abzuhängen. Allerdings gelingt mir das nicht immer, verlangt doch ein sehr schlecht markierter Weg über einen Bergrücken und der steile Abstieg auf der Westseite volle Konzentration. Waldarbeiter haben auf dem Wanderweg die Baumstämme runterrutschen lassen und der Regen hat ihm den Rest gegeben. Zu guter Letzt sorgt auch noch meine Landkarte für Irritation; den eingezeichneten Ort „Terre Natale“ gibt’s auf keinem Wegweiser, mein Wörterbuch übersetzt den Begriff mit Ureinwohner und Heimat – doch der richtige Name für mein Etappenziel lautet Varennes. So steht es auf dem Schild am Ortseingang.

Nun ist es nicht mehr weit bis Langres; die Stadt liegt auf einem Felsvorsprung über der Hochebene. Mächtig wirken die Wallanlagen, bestehend aus sechs Toren (das sehenswerteste ist das Mühlentor Porte des Moulins von 1647) und sieben Türmen, Meisterwerke militärischer Baukunst Ende des Mittelalters. Ein römisches Tor, heute in die Stadtmauer eingefügt, erinnert an die Zeit, als Langres die Hauptstadt eines bedeutenden Stammes der Gallier, der Lingons, war. Nach längerem Suchen finde ich die Wegmarkierung Richtung Auberive an der Mauer eines Wohnblocks, wo man sie nicht erwartet hätte. Der Wanderweg führt ins Burgund und es stand nie so richtig fest, ob die Gegend zwischen den Flüssen l'Aube, Tille und Vingeanne zu Burgund, Champagne oder Franche-Comte gehörte. Es ist eine wundervolle Region mit endlosen Wäldern, Schlössern und Burgen. Diesem von Wasser und Vegetation beherrschten Land ist man im Nu verfallen; seine Verführungskraft, so heißt es in einem Prospekt, „tat ihre Wirkung auf alle, die diese entlegenen Gebiete Burgunds bereisten, noch bevor die wohlhabenden Adligen des Aufklärungszeitalters sie für sich entdeckt hatten“.

Von hier will ich mit dem Zug zurück nach Deutschland fahren und zu Hause versuchen, mit den Aufzeichnungen etwas anzufangen. Dass ich diese Strecke geschafft habe, ist Wahnsinn. Die Wanderung war wichtig, mich von meinen psychologischen Problemen abzulenken: losgehen, ohne zu wissen, wo man abends schläft, Gespräche mit Händen und Füßen bei der Frage nach einer Unterkunft und die Hilfe und das Verständnis, das einem begegnet. Aber natürlich auch die vielen Herausforderungen: Regen und Schnee und Eiseskälte.

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