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«Bitte erzähle mir eine Geschichte», bat mein Enkel Johnny. «Welche möchtest du denn hören?» «Die von Patrick Mäuschen», antwortete er. «Die habe ich dir aber schon viele Male erzählt», meinte ich. «Das macht nichts, ich will sie noch einmal hören», sagte er. Die Geschichte handelt von der Feldmaus Patrick, der eine Lebenspartnerin findet und mit ihrem gemeinsamen Nachwuchs Abenteuer erleben. Kinder hören gerne immer wieder dieselben Geschichten. Es wäre jedoch schade, wenn die einfachen erfundenen Geschichten ihrer Grossmutter im Nichts verschwinden würden, deshalb habe ich mich dazu entschieden ein paar davon aufzuschreiben, damit andere Kinder ebenfalls ihre Freude daran haben können.
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Seitenzahl: 36
Veröffentlichungsjahr: 2021
Für meine Enkel:
Johnny, Raphael und Patrick
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Grabsch, grabsch, grabsch....
Patrick Mäuschen war fleissig bei der Sache. Seit er von zuhause ausgezogen war, suchte er mit Eifer eine eigene Behausung. Leider verfolgte ihn das Pech. Es schien einfach keinen Platz für ihn zu geben auf der grossen Wiese, die hinter dem Bauernhof Müller lag.
„Hey, pass doch auf, du Trottel, meine Höhle stürzt ein! Das ist mein Zuhause! Verzieh dich!“, piepste es wieder einmal wütend aus einem der Mauslöcher.
So erging es Patrick jedes Mal, wenn er von Neuem zu graben anfing. Er war verzweifelt.
Doch dann hatte er eine Idee. Schnell schaute er nach rechts, dann links und zur Sicherheit noch rückwärts, ob der schwarze Kater Molli in Sicht sei. Kein Kater!
Patrick flitzte los, so schnell ihn seine kurzen Beine trugen. Durch das hohe Gras, vorbei an goldgelben Löwenzahnblüten und zartlila Wiesenschaumkraut. Grossstielige Margeriten wichen erschreckt zurück, und kleine schwarze Käferchen fielen vor Schreck auf den Rücken, als Patrick in Windeseile an ihnen vorbeisauste. Sein braunes Pelzchen glänzte in der warmen Frühlingssonne.
Schon war er am Rand der Wiese angelangt. Sein kleines Herz pochte so laut und wild, dass er fürchtete, Molli könnte es hören.
Angrenzend an die Wiese lag eine Kiesgrube. Ein gelber Pneulader stand dicht vor einer Baubaracke, wo ihn die Arbeiter am Abend zuvor hingestellt hatten. Die grosse Schaufel lag träge auf einem Haufen Kies.
Patrick fing an zu graben. Zuerst vorsichtig, weil er befürchtete, jeden Augenblick angeschrieen zu werden, aber nichts geschah. Schon bald hatte er ein enges Loch nach unten gegraben. Als Nächstes schaufelte er eine Schlafhöhle. Die Sache wurde schon mühsamer, weil er die Erde an die Oberfläche transportieren musste. Am Abend war seine Wohnung einzugsbereit. Er rollte sich in seiner gemütlichen Schlafhöhle zusammen, gähnte herzhaft und war schon eingeschlafen.
Patrick wurde jäh aus seinem Schlaf gerissen. “Ratata… waaas iiist looos?“, stotterte er zähneklappernd. Mühsam schaffte er den Aufstieg zum Ausgang der Höhle und streckte seinen schüttelnden, rüttelnden Kopf aus dem Loch, die schwarzen Äuglein weit aufgerissen vor Schreck.
Der gelbe Pneu Lader war in Aktion. Die Tür zur Baubaracke stand offen. Ein kräftiger, junger Mann, in schweren Arbeitsschuhen, eine Schaufel in der Hand, kam heraus und rief einem Arbeiter etwas zu. Patrick verstand nicht, was er sagte, weil der Pneulader ohrenbetäubenden Lärm machte. Immer und immer wieder füllte der Pneulader die Schaufel mit Kies und kippte ihn auf den riesigen, orangefarbigen Lastwagen. Der Lastwagenfahrer stand daneben, wickelte gemütlich sein Wurstbrot aus dem Papier, biss kräftig hinein und plauderte zwischen den Bissen mit einem Arbeiter. Sein dicker Bauch wölbte sich über die Arbeitshose, so dass man nicht einmal den Hosengurt sehen konnte. Auf dem Kopf trug er eine rote Mütze. Sie war ihm schief auf ein Ohr gerutscht, es schien ihn aber nicht zu stören. Seine schwarzen Kraushaare verrieten, dass er ein Südländer war. Patrick war das egal. Er fürchtete alle Menschen.
„Donnerwetter! Jetzt muss ich mir schon wieder eine neue Wohnung graben! Wie soll ich bloss von hier verschwinden, ohne dass mich jemand sieht?“ Er überlegte angestrengt, deshalb bemerkte er den jungen, blonden Bauarbeiter nicht, der ihn bereits entdeckt hatte. Urs, so hiess er, rannte zur Baracke und erschien wenig später mit einem Sieb. Es sah aus wie ein Teesieb, nur viel grösser. Langsam schlich er von hinten ans Mausloch heran.
Patrick hatte sich gerade entschlossen, auf der grossen Wiese noch einmal sein Glück zu versuchen. Mit einem Satz sprang er aus dem Loch und landete im Sieb. Urs trug ihn zur Baubaracke und stellte das Sieb samt Inhalt umgekehrt auf einen grob gezimmerten Tisch. „Na, mein Kleiner. Habe ich dich erwischt! Du brauchst keine Angst zu haben. Ich liebe Kinder und Tiere.“ So versuchte er das verängstigte Mäuschen zu beruhigen. Patrick glaubte ihm kein Wort. Seine Eltern hatten ihm eingeschärft, sich vor dem Fuchs, den Menschen, Katzen und Vögeln fern zu halten.
Urs zog eine abgenutzte, braune Ledertasche hervor, öffnete sie und entnahm ihr ein in Alufolie gewickeltes Doppelbrot. Mit zwei Finger klaubte er ein Stückchen Käse aus der Mitte des Sandwichs und schob es vorsichtig unter das Sieb.