Die Achtsamkeit-Toolbox - Kevin Hawkins - E-Book

Die Achtsamkeit-Toolbox E-Book

Kevin Hawkins

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  • Herausgeber: Arbor
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Die Toolbox für mehr Achtsamkeit im Unterricht Möchten Sie dazu beitragen, mehr Achtsamkeit und Wohlbefinden in die Schule zu bringen? Möchten Sie Ihren Schüler*innen helfen, ihre sozialen und emotionalen Fähigkeiten zu entwickeln? Das neue Buch von Kevin Hawkins und Amy Burke bietet Ihnen konkrete Anleitungen für Achtsamkeitsübungen, die Sie in Ihrem Unterricht einsetzen können. Diese Übungen sind abgestimmt auf die Altersgruppen von 4 bis 18 Jahren. Sie können sie in Sprache und Inhalt so abändern, dass sie zu Ihrem Unterrichtsstil und zu Ihren Schülerinnen und Schülern passen. Die Mischung aus Fachwissen, Unterrichtstipps, Reflexionen, Übungen und praktischen Beispielen bietet Ihnen alles, was Sie brauchen, um Ihr eigenes achtsames Klassenzimmer zu gestalten und zum Wohlbefinden in Ihrer Schulgemeinschaft beizutragen.

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Seitenzahl: 389

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Kewin Hawkins & Amy Burke

Die Achtsamkeits-Toolbox

Gewahrsein-basiertes Wohlbefinden in der Schule

Aus dem Englischen übersetzt von Christine Bendner

Arbor VerlagFreiburg im Breisgau

Dieses Buch ist allen Lehrern und Lehrerinnen in aller Welt gewidmet.Ihr macht die Welt zu einem besseren Ort.

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel: The Mindful Teacher’s Toolkit. Awareness-based Wellbeing in Schools. Activities for 4–18 year olds bei CORWIN – SAGE Publications Ltd., London.

Deutsche Erstausgabe

1. Auflage 2023

Copyright der deutschen Ausgabe © 2023 Arbor Verlag GmbH, Freiburg

Copyright der Originalausgabe © 2021 by Kevin Hawkins und Amy Burke

Umschlaggestaltung und Satz: mediengenossen.de

Alle Rechte vorbehalten

arbor-verlag.de

ISBN E-Book: 978-3-86781-355-6

Inhaltsverzeichnis

Cover

Impressum

Vorwort

Wie man dieses Buch benutzt

Einleitung: Achtsamkeitsbasiertes Wohlbefinden in Schulen

Teil 1:Achtsames Gewahrsein unterrichten

1 Achtsames Gewahrsein im Kindergarten

2 Achtsames Gewahrsein in der Grundschule

3 Achtsames Gewahrsein in der Mittelstufe

4 Achtsames Gewahrsein in der Oberstufe

5 Top-Tipps für den Unterricht

Teil 2: Achtsames Gewahrsein „einbetten“

6 Achtsames Gewahrsein im Sport und in Leistungssituationen

7 Achtsames Gewahrsein in der Schule

8 Einen kohärenten Ansatz entwickeln: die Umsetzung

Schlusswort: Achtsamkeitsbasiertes Wohlbefinden mit gesellschaftlichem und ökologischem Wandel in Einklang bringen

Liste der Abbildungen

Über den Autor und die Autorin

Danksagung

Ressourcen und weiterführende Literatur

Orientierungspunkte

Cover

Vorwort

„Ich bin sehr interessiert, aber wo fange ich an?“ und „Wie fange ich an?“ Das sind Fragen, die ich von vielen Lehrkräften höre, wenn es darum geht, achtsames Gewahrsein und die soziale und emotionale Kompetenz ihrer Schüler*innen zu fördern. Kevin Hawkins und Amy Burke, Päda­gogen mit Vision, haben eine bedarfsgerechte „Toolbox“ entwickelt, praktische Unterstützung und Übungen, die Lehrer*innen von der Vorschule bis zur 12. Klasse direkt anwenden können. Viele Lehrkräfte sind etwas verwirrt, wenn es um die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen achtsamkeitsbasierten Praktiken und sozialem und emotionalem Lernen geht. Sollte ich den Schwerpunkt auf Gewahrsein legen? Sollte ich mich auf sozial-emotionales Lernen (SEL) konzentrieren? Mit ihrer langjährigen Erfahrung sowohl im Unterrichten als auch in der Weiterbildung von Lehrkräften ist es Kevin Hawkins und Amy Burke gelungen, Achtsamkeit und sozial-emotionales Lernen zu verbinden. Diese Integration ist der Schlüssel, denn die Entwicklung eines achtsamen Gewahrseins fördert und steigert ganz wesentlich unsere Fähigkeit, mit uns selbst und anderen fürsorglich umzugehen sowie motiviert und freudvoll zu lernen.

Eine große Stärke dieses Buches ist sein sorgfältig konzipierter entwicklungsorientierter Ansatz. Er beginnt mit einfachen Übungen für kleine Kinder, die ihnen helfen zur Ruhe zu kommen und aufmerksam zu sein, und reicht bis hin zu den entwicklungsgerechten Bedürfnissen von Teenagern, einschließlich Übungen, die Angstzustände verringern sowie die Jugendlichen bei ihrer Sinnsuche unterstützen. Die Kernkompetenzen des achtsamen Gewahrseins und der Aufmerksamkeit sind in jeder Entwicklungsphase (auch für Erwachsene!) wichtig, weshalb es von entscheidender Bedeutung ist, diese Fähigkeiten in jedem Alter geschickt zu fördern.

Natürlich hängt die wirkungsvolle Anwendung der verschiedenen, in diesem Buch vorgestellten Übungen davon ab, inwieweit die jeweilige Lehrkraft diese Werte, Haltungen und Verhaltensweisen selbst entwickelt hat und verkörpert. Hier und in Kevin Hawkins vorherigem Buch (Achtsame Lehrer – achtsame Schule) gibt es klare Anleitungen für Pädagog*innen, um ihre persönliche Achtsamkeitspraxis zu entwickeln sowie Ideen, wie sie diese Qualitäten in ihrem Unterricht verkörpern und integrieren können. Sinnvollerweise schließt das Buch mit einem wertvollen Kapitel darüber ab, wie die Transformation des gesamten Schulsystems unterstützt werden kann, bei der achtsames Gewahrsein von zentraler Bedeutung ist, um allen Lernenden – Erwachsenen und Kindern – „wahre Bildung“ zu bieten. Beim Lesen dieses Buches empfand ich Freude und Vorfreude: darauf, dass Lehrkräfte neue Wege finden, Gewahrsein zu kultivieren, in ihren Schülerinnen und Schülern und sich selbst, und darauf, eine fürsorglichere und mitfühlendere Welt für alle zu schaffen. Willkommen und viel Spaß!

Mark Greenberg PhDEmeritierter Professor, Human Development and Family Studies Penn State University Vorstandsvorsitzender von CREATE for Education

Achtsamkeit unterrichten

… ist das Thema dieses Buches. Lesen Sie weiter!

Einleitung

Achtsamkeitsbasiertes Wohlbefinden in Schulen

Unser erstes Buch Achtsame Lehrer, achtsame Schule war als Einführung für Lehrkräfte und Schulleitungen gedacht, die vielleicht neugierig sind und mehr über diese Arbeit erfahren möchten. In diesem Buch haben wir drei Schlüsselaspekte von Achtsamkeit in der Bildung beleuchtet:

Achtsam sein Achtsam unterrichten Achtsamkeit unterrichten

Wir wollten seinerzeit besonders den grundlegenden Aspekt von „Achtsam sein“ hervorheben, jenen entscheidenden ersten Schritt, den wir alle tun müssen, bevor wir lernen können, Achtsamkeit zu unterrichten. Es ist dieses Fundament, das uns hilft, achtsam zu unterrichten, denn es beeinflusst stark unsere Art zu sein und mit unseren Schülerinnen und Schülern in Kontakt zu treten.

Dieses zweite Buch konzentriert sich nun hauptsächlich auf den dritten Aspekt – Achtsamkeit unterrichten. Wir haben es für Lehrkräfte geschrieben, die bereits eine persönliche Achtsamkeitspraxis etabliert haben. Machen Sie sich keine Sorgen, falls Sie noch nicht praktiziert haben und neugierig sind: Wir zeigen Ihnen, wie Sie diesen entscheidenden ersten Schritt tun können.

Auf den letzten Seiten unseres ersten Buches haben wir auf die Herausforderung hingewiesen, die auftaucht, wenn wir auf die Transformation im Bildungswesen blicken, die notwendig ist, damit es dazu beitragen kann, eine weisere, mitfühlendere und nachhaltigere Gesellschaft zu schaffen. Wir möchten auf diese Herausforderung hier noch einmal hinweisen angesichts

der komplexen umweltbedingten, gesellschaftlichen und spirituellen Herausforderungen unserer Zeit;des Gefühls der Isolation und Getrenntheit, das viele Menschen, insbesondere junge Menschen, überall auf der Welt empfinden;des Mangels an überzeugenden Narrativen, die unsere Schulsysteme veranlassen könnten, auf die wahren Bedürfnisse von Schüler*innen und der Gesellschaft im 21. Jahrhundert einzugehen.

Angesichts all dessen ist es Zeit, über ein neues Narrativ für das Schulwesen im 21. Jahrhundert nachzudenken – eines, das klar artikuliert, „worauf es im Leben und beim Lernen wirklich ankommt“.

Wir brauchen ein Narrativ, das Lehrende, Eltern und Schüler*innen überall auf der Welt in einem Gefühl der Sinnhaftigkeit vereint, das uns jeden Tag bei allem trägt, was wir in der Schule tun. Eines, das das Potenzial hat, Schule für alle Lernenden zu einem bedeutsamen Ort zu machen.

Könnten wir uns für einen überschaubaren Zeitraum auf einen prägnanten, universalen, grundsätzlichen Sinn und Zweck von Bildung einigen, würde das vielleicht so aussehen:

Wir unterstützen unsere Schülerinnen und Schüler innerhalb unserer Schulgemeinschaft dabei, zu lernen, wie wir miteinander am besten auf diesem Planeten leben können.

In einer Welt, in der die Spezies Mensch unbestreitbar clever und technologisch mächtig ist, es ihr im Allgemeinen aber anscheinend an Weisheit mangelt, müssen wir unsere Bildungssysteme nutzen, um das gesunde Wachstum junger Menschen zu fördern. Indem wir ihnen Gelegenheiten bieten, Herz, Verstand und Körper mehr in Einklang zu bringen. Und ihnen helfen, junge Menschen zu werden, die sowohl clever als auch weise sind. Denn trotz unserer „Cleverness“ sind wir wohl nicht besonders klug, wenn es darum geht, diesen Planeten miteinander zu teilen. Und wir sind nicht sehr klug, wenn es darum geht, den Planeten mit anderen Spezies oder, um genau zu sein, mit allem Leben auf dieser Erde zu teilen. Aber wir können es sein. Wir wissen inzwischen genug darüber, wie Menschen wachsen und sich entwickeln, darüber, wie wir am besten lernen. Und wir wissen genug über unsere eigenen Bedürfnisse und die des Planeten.

Es ist an der Zeit, dass wir unsere Bildungssysteme bewusst so gestalten, dass sie neben der akademischen Leistung effektiv das Wohlbefinden fördern: in Lernumfeldern, die Kindern Erfahrungen von Sinnhaftigkeit vermitteln und sie mit jenen tieferen universellen Werten in Kontakt bringen, die wir uns für unsere Kinder wünschen:

sicher, gesund und glücklich zu sein,fähig zu sein, auf gute Art mit anderen in Beziehung zu treten und zusammenzuarbeiten,fähig zu sein, fürsorglich mit sich selbst, miteinander und mit unserem wunderbaren, aber bedrohten Planeten umzugehen.

21st Century Skills – Kompetenzen für das 21. Jahrhundert neu definieren

Zu Beginn des Jahrhunderts war 21st Century Skills eine bedeutende Bewegung, die zum Ziel hatte, Schüler und Schülerinnen auf ein post-industrielles Informationszeitalter vorzubereiten. Im Besonderen ging es (bzw. geht es bis heute) hauptsächlich darum, Schüler*innen zu helfen, die notwendigen Kompetenzen zu erwerben, um sich in einer Karriere-Landschaft bewegen zu können, die sich ständig verändert. Auch wenn das immer noch wichtig ist, gibt es bei 21st Century Skills noch eine andere, tiefere Ebene. Vieles, was wir an Unsicherheit in einer fernen Zukunft weit entfernt sahen, ist tatsächlich bereits da. Angesichts der Klimakrise, des Artensterbens, des systemischen Rassismus, der globalen Pandemien und anderer großer Probleme der Menschheit ist es dringend notwendig, unsere Kinder effektiver auf diese sich immer schneller verändernde Welt vorzubereiten. Wenn wir die Kompetenzen und Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert neu definieren, müssen wir auch Lernansätze einbeziehen, die dazu beitragen, in jungen Menschen Weisheit, Mitgefühl und Wohlbefinden zu fördern.

Um junge Menschen auszubilden, die alles mitbringen, um diese Qualitäten zu verkörpern, reicht es gewiss nicht allein, ihnen akademische Qualifikationen zu vermitteln, dies es ihnen ermöglichen, in Prüfungssituationen auswendiggelernte Informationen wiederzugeben. Nein, der Schlüssel ist die Entwicklung von Lernsystemen, die sich um die Frage drehen, was es bedeutet, zu diesem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte Mensch zu sein und in denen bewusst alle unsere Kompetenzen und Fähigkeiten kultiviert werden, die zum Ziel haben, die menschliche Weiterentwicklung zu fördern.

Die Welt ist das Curriculum

Umkehr bedeutet, das Innere nach außen und das Äußere nach innen zu bringen

„Von innen nach außen“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Lernende das Klassenzimmer verlassen und sich in den Hotspots gesellschaftlicher Innovation in ihrer Stadt, Region und ihrem Ökosystem engagieren, kurz: Die Stadt, die Region und das globale Ökosystem sind das Klassenzimmer.

„Von außen nach innen“ bedeutet, dass die Probleme, die globalen Herausforderungen zurück in die Schule gebracht werden, wo sie im Mittelpunkt des Lernens und Forschens stehen können.

Es ist tatsächlich nicht so schwer zu erkennen, wie schulisches Lernen neu gedacht werden könnte, damit jeder Schultag zu einem weiteren Schritt hin zu einem besseren Miteinander auf diesem Planeten wird. Die künstliche Kategorisierung und Aufteilung des Wissens in separate Schubladen spezialisierten Lernens (unsere traditionellen Schulfächer) muss aufgebrochen werden. Viele Schulen haben inzwischen begonnen, mit Ansätzen wie projektbasiertem Lernen und systemischem Denken zu experimentieren, bei denen Bildung und der Erwerb von Wissen, Kompetenzen und Fertigkeiten ganzheitlicher gesehen wird. Selbst im Rahmen traditioneller Fächer sehen wir beispielsweise, dass

Geografie und Geschichte zu Lernvehikeln werden können, die dazu beitragen, das Verstehen globaler Zusammenhänge, globaler Kooperation und globaler Beseitigung von Ungleichheit zu fördern.Technikunterricht, Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer sich darauf fokussieren können, ein Verständnis für die Funktionsweise von Ökosystemen zu wecken und Ansätze zu entwickeln, die den Lernenden helfen, auf eine mehr lebensnahe, ganzheitliche und integrative (im Gegensatz zur reduktionistischen) Weise zu denken.Kunst und Literatur wichtige Bereiche zur Erforschung des Selbstausdrucks und des kollektiven Ausdrucks sein können und relevante Gelegenheiten bieten können, ein tieferes Verständnis des Menschseins zu fördern.

Eine Expertin: „Die Stille ist Teil des Gesprächs“

Die australische Aborigine-Führerin, Professorin Colleen Hayward, gab während einer Online-Diskussion über den Umgang mit globalen Menschheitsproblemen einen bemerkenswerten Kommentar über „Stille“ ab. Sie sagte, sie habe bemerkt, dass junge Leute, die in modernen Gesellschaften leben, „Stille“ offenbar als unangenehm empfänden. „Aber“, so sagte sie, „Stille ist Teil des Gesprächs. Ein Teil des Vorgangs, dem Land und einander zuzuhören“ (GAIA, 2020).

Colleen Hayward erinnert uns daran, wie wichtig stille Reflexion und inneres Wissen sind und daran, dass traditionelle Gesellschaften reiche Quellen der Weisheit und des Wissens sind, wenn es darum geht, nachhaltig und in Einklang mit dem Planeten zu leben. Diese Weisheit ist eine wertvolle Ressource, die unseren jungen Leuten helfen kann, zu verstehen, wie man diese Erde am besten miteinander teilen kann.

Aber auch all das hinterlässt beim Lernen noch eine riesige Lücke, wenn wir wirklich wollen, dass Schulen das volle Spektrum der menschlichen Fähigkeiten fördern und ausschöpfen. Wir müssen anfangen, diese Lernbereiche auf eine Weise zu durchdringen, die bei den Lernenden tatsächlich inneres Wachstum und ein Verstehen von Geist, Gefühl und Körper sowie das Verstehen der äußeren Welt unterstützen. Indem wir die subjektiven, inneren Erfahrungen der Lernenden neben den objektiven äußeren Lernzielen als wertvolle Bereiche des Lernens und Forschens einbeziehen, können wir unseren Kindern helfen, mit einem ausgewogeneren Verständnis für sich selbst und die Welt aufzuwachsen. Nur wenn wir anfangen, uns als Lehrende, Lernende und menschliche Wesen selbst anzuschauen und an uns zu arbeiten, werden wir in Gänze die Perspektiven und Fähigkeiten zur Zusammenarbeit entwickeln, die nötig sind, um dauerhafte Veränderung zu bewirken.

Neben der Kultivierung dieses Gewahrseins des Selbst und der Anderen gibt es ein drittes Element des Gewahrseins, das gleichermaßen Bestandteil eines tiefgreifenden Wandels ist: Es geht darum, ein Bewusstsein für die Systeme und das Umfeld zu entwickeln, in welchen wir arbeiten und leben. Wie die Erfahrung gezeigt hat, ist es absolut möglich, eine Gruppe hochmotivierter Individuen in ein mangelhaftes System zu stecken und Ergebnisse zu produzieren, die diejenigen schädigen, denen es eigentlich dienen soll. Im letzten Kapitel des Buches gehen wir noch näher auf dieses Thema ein. An dieser Stelle möchten wir einfach darauf hinweisen, dass einige der wichtigsten aktuellen Ansätze zur Veränderung der Unternehmenswelt und anderer Systeme inzwischen emotionale Intelligenz, Selbstgewahrsein oder Achtsamkeit als wesentliche Elemente beinhalten, um einen systemischen Wandel anzustoßen.

Abbildung 1 EQ/IQ-Eisberg: Die Bedeutung der emotionalen Intelligenz wird zunehmend (an)erkannt.

Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, wie persönliche Probleme einer effektiven Zusammenarbeit im Weg stehen können. In der Welt der Wissenschaft, im Businessbereich und seit einiger Zeit auch im Bildungsbereich wird zunehmend erkannt und anerkannt, wie wichtig die sozialen und emotionalen Kompetenzen (EQ) sind, die allem, was wir tun, zugrunde liegen. Seit den 1990er-Jahren helfen uns die Neurowissenschaften, zu verstehen, dass diese sozio-emotionalen Kompetenzen dank der Neuroplastizität des Gehirns trainierbar sind und daher bestens geeignet, in kompetenzbasierte Lernsysteme in der Schule integriert zu werden.

Was wissen wir also bereits und was können wir den Schulen anbieten, um die Menschen in der Schule und in der Politik zu unterstützen, die unsere Schulsysteme verändern wollen, um mehr Ausgewogenheit und Wohlbefinden hinein zu bringen, indem sie den Schwerpunkt mehr auf soziales und emotionales Lernen setzen und integrieren?Welche evidenzbasierten Programme und Strukturen existieren bereits, die uns einen sicheren Rahmen bieten, um diesen Umbau unserer Lehrpläne und Ansätze zu unterstützen?

Glücklicherweise gibt es schon viele Beispiele alternativer Ansätze, die in Lernumfeldern ausprobiert und getestet wurden. Wir können aus der gesamten Geschichte progressiver Bildung schöpfen und wir können uns zahlreiche gegenwärtig existierende Organisationen und Herangehensweisen anschauen, die uns zeigen, wie man „das ganze Kind“ unterrichtet und diese essenziellen sozial-emotionalen Qualitäten fördert. Ein Modell, auf das wir in diesem Buch immer wieder zurückgreifen, stammt von der Collaborative for Academic and Social and Emotional Learning (CASEL) in den USA. Dieses Gemeinschaftsprojekt hat die prägnanteste und kohärenteste Einordnung sozialer und emotionaler Kompetenzen entwickelt, die uns bisher begegnet ist.

Abbildung 2: Das CASEL-SEL-Modell

Sozial-Emotionale Kernkompetenzen (Die fünf CASEL-Kompetenzen)

Selbstgewahrsein: Die Fähigkeit, die eigenen Emotionen, Gedanken und Werte zu verstehen, und zu erkennen, wie sie das Verhalten in verschiedenen Kontexten beeinflussen. Das schließt die Fähigkeit ein, auf dem Fundament eines fest verankerten Gefühls der Zuversicht und Sinnhaftigkeit die eigenen Stärken und Grenzen zu erkennen.

Selbstmanagement: Die Fähigkeit, die eigenen Emotionen, Gedanken und Verhaltensweisen in unterschiedlichen Situationen effektiv zu managen, Ziele zu erreichen und Visionen zu verwirklichen. Das schließt die Fähigkeiten ein, Belohnung aufzuschieben, mit Stress umzugehen und die Motivation und Handlungskompetenz aufrechtzuerhalten, um persönliche/kollektive Ziele zu erreichen.

Soziales Gewahrsein: Die Fähigkeit, die Sichtweisen anderer nachzuvollziehen und sich in andere einzufühlen, einschließlich der Menschen aus unterschiedlichen sozialen Umfeldern, Kulturen und Kontexten. Das schließt die Fähigkeiten ein, Mitgefühl mit anderen zu empfinden, traditionelle und soziale Verhaltensnormen in unterschiedlichen Settings in einem erweiterten Rahmen zu verstehen und Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten in der Familie, der Schule und der Gemeinde zu erkennen.

Beziehungskompetenzen: Die Fähigkeit, gesunde und unterstützende Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten und sich effektiv in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Individuen und Gruppen zu bewegen. Das schließt die Fähigkeiten ein, klar zu kommunizieren, aktiv zuzuhören, zu kooperieren, bei der Lösung von Problemen mit anderen zusammenzuarbeiten, Konflikte konstruktiv beizulegen, sich in Umfeldern mit unterschiedlichen sozialen und emotionalen Anforderungen und Gelegenheiten zurechtzufinden, zu führen und wenn nötig, Hilfe zu erbitten oder anzubieten.

Verantwortungsvolle Entscheidungen treffen: Die Fähigkeit, in unterschiedlichen Situationen im Hinblick auf das eigene Verhalten und soziale Interaktionen fürsorgliche und konstruktive Entscheidungen zu treffen. Das schließt die Fähigkeiten ein, auf ethische Normen und Sicherheitsaspekte Rücksicht zu nehmen und die Vorteile und Konsequenzen verschiedener Handlungen für das persönliche und kollektive Wohlbefinden abzuwägen.

Der Abdruck des CASEL-Rads und der CASEL-Kompetenzen erfolgte mit freundlicher Genehmigung von CASEL © 2020. Alle Rechte vorbehalten. www.casel.org

Viele Schulsysteme und Bildungseinrichtungen in aller Welt nutzen inzwischen die CASEL-Kompetenzen als wertvolles Werkzeug, um das Lernen in diesen Bereichen besser zu organisieren. Diese Kompetenzen können dazu beitragen, den Schulen einen konkreten Referenzpunkt zu geben, sozusagen einen sozial-emotionalen Leitstern, der sie auf ihrer Reise zu mehr Ausgewogenheit und Wohlbefinden leiten kann.

Die Förderung solcher Lernbereiche, allgemein als SEL (Sozial-emotionales Lernen) bezeichnet, wird von Verantwortlichen im Bildungswesen und Politiker*innen zunehmend als eine der zentralen Aufgaben der Bildung im 21. Jahrhundert betrachtet. Die Bedeutung positiver sozial-emotionaler Interventionen kann nicht oft genug betont werden. Dies wurde dem Präventionsforscher Mark Greenberg klar, als er und seine Kollegen Daten analysierten, die man von Schülern und Schülerinnen über einen Zeitraum von 19 Jahren vom Kindergarten bis zum frühen Erwachsenenalter erhoben hatte. Sie fanden eine starke Korrelation zwischen der frühen Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenzen und entsprechender Ergebnisse im Hinblick auf das Wohlbefinden in verschiedenen Bereichen im Erwachsenenalter – einschließlich Bildung und Beruf, mentaler Gesundheit, kriminellem Verhalten und Substanzmissbrauch (Jones et al., 2025).

Achtsames Gewahrsein oder sozial-emotionales Lernen?

Unsere eigenen Erfahrungen als Lehrende und unsere Arbeit mit Schulen in aller Welt haben uns gelehrt, dass es eigentlich keine Rolle spielt, ob man mit SEL oder Achtsamkeit anfängt. Sie können mit SEL-Skills beginnen und das später mit einem Achtsamkeitstraining verstärken oder Sie können mit Achtsamkeit starten und später Ihren Anwendungsbereich weiterentwickeln und sozial-emotionale Kompetenzen einbeziehen.

Achtsamkeitsbasiertes Wohlbefinden

Abbildung 3: Der Rahmen für achtsamkeitsbasiertes Wohlbefinden. Quelle: © MindWell

Viele Schulen nutzen heutzutage auch die Positive Psychologie als effektiven Ausgangspunkt, um sich dieser Arbeit zu nähern und integrieren dann manchmal ein Achtsamkeitstraining in ihre Programme. Womit Sie auch beginnen, worauf es ankommt ist, dass Sie das, was Sie in diesem Bereich lehren, zuerst selbst auf sinnvolle Art und Weise erforschen und praktizieren.

Hin und wieder über Ihre Ziele und Absichten zu reflektieren („Was wünsche ich mir wirklich für meine Schüler und Schülerinnen?“) sowie über Ihre eigene Praxis („Was sind meine Stärken und Herausforderungen in diesem Bereich?“), hilft Ihnen, mit der Realität des Lehrens und Lernens in diesem Bereich in Kontakt zu bleiben. In diesem Buch konzentrieren wir uns auf einen ganzheitlichen Ansatz des Achtsamkeitstrainings (AT), der soziale und emotionale Aspekte des Lernens einbezieht.

Die Kombination von AT und SEL ist das Fundament dessen, was wir als „Achtsamkeitsbasiertes Wohlbefinden“ in Schulen bezeichnen.

SEL und Achtsamkeit zusammenbringen

In ihrem Artikel „How SEL and mindfulness can work together“ zeigen Linda Lantieri und Vicki Zackrzewski (2015) auf, wie die Praxis des Achtsamkeitstrainings (AT) das sozial-emotionale Lernen (SEL) verstärkt und belebt, während SEL sich auf Bereiche fokussiert, die den Lernenden reale Gelegenheiten bieten, ihre zunehmenden Kompetenzen anzuwenden und auszuprobieren:

Selbstgewahrsein: Das Selbstgewahrsein von Schüler*innen vertieft sich, wenn es durch Achtsamkeitsübungen unterstützt wird, bei denen die Fokussierung der Aufmerksamkeit und Mitgefühl im Mittelpunkt stehen.

Selbstmanagement: Achtsamkeit fördert die Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulation, was wiederum die Fähigkeit von Schüler*innen verbessert, Konflikte kreativ zu lösen oder auf eine angemessene Weise auszudrücken, wie sie sich fühlen.

Soziales Gewahrsein: Achtsamkeit fördert die Empathiefähigkeit von Schüler*innen, indem sie ihnen hilft, ihre Emotionen zu regulieren, anstatt sich überfordert zu fühlen, wenn sie mit einer schwierigen Situation konfrontiert werden. Dadurch nimmt ihre Fähigkeit zu, das Leiden eines anderen wahrzunehmen und darauf zu antworten.

Beziehungskompetenzen: Achtsamkeit führt zu mehr Mitgefühl. Wenn Schüler*innen also SEL-Kompetenzen anwenden, indem sie beispielsweise eine Win-win-Lösung mit jemandem herbeiführen, der oder die sie herausfordert, tun sie das mit mehr mitfühlendem Verständnis.

Entscheidungsfindung: Achtsamkeit erhöht die kognitive Flexibilität und Kreativität, wodurch Schüler*innen mehr Spielraum in ihren Reaktionen auf herausfordernde Situationen haben. Indem man ihnen hilft, sich der Verbindung zwischen ihren Gefühlen, Gedanken und körperlichen Empfindungen bewusst zu werden und sie zum Ausdruck zu bringen, können sie ihre Gefühle besser regulieren, was wiederum ihr Verhalten, ihren Stresspegel, ihre Beziehungen und ihre Konzentrationsfähigkeit beeinflusst. Kurz: Achtsamkeitsübungen verbinden ihre inneren und äußeren Erfahrungen und helfen ihnen, die Zusammenhänge zwischen beiden zu erkennen.

Kursiv gedruckte Auszüge mit freundlicher Genehmigung des Online-Magazins des Greater Good Science Center der UC Berkeley. Mehr unter https://greatergood.berkeley.edu/

Ein Training in achtsamem Gewahrsein kann natürlich genutzt werden, um unsere Aufmerksamkeit zu verbessern, aber es ist im Grunde viel mehr als ein bloßes Aufmerksamkeitstraining. Wenn es von Lehrkräften vermittelt wird, die ihre eigene Fähigkeit, aufmerksamer und mehr präsent zu sein entwickeln, erkennen wir allmählich das größere Potenzial eines Trainings, das uns verstehen hilft, wie unser Geist, unser Körper und unsere Gefühlswelt funktionieren, und vor allem, wie wir unsere natürliche Neugier nutzen und unsere natürlichen Qualitäten der Güte und Fürsorglichkeit in uns wachrufen können. Durch dieses Kultivieren sozialer und emotionaler Kompetenzen finden wir allmählich Wege, diese profunden Erkenntnisse und Lehren in unterschiedlichen Bereichen in der Schule und darüber hinaus anzuwenden. Und wir müssen natürlich bei uns selbst anfangen, wenn wir dazu beitragen wollen, gesündere Lern-Ökosysteme zu schaffen, die unsere Schulgemeinschaften wirklich zu Orten machen, an denen Kinder und Erwachsene aufblühen und gedeihen.

Eine Expertin: Selbstfürsorge der Lehrenden

Vielen von uns entscheiden sich für den Lehrberuf, weil sie an die Wirksamkeit einer guten Bildung glauben. Wir lieben es, in unseren Schülern und Schülerinnen Begeisterung für lebenslanges Lernen zu wecken. Als Lehrende sind wir versiert darin, unsere Schüler*innen und ihre Eltern zu unterstützen, aber wir vergessen oft, gut für uns selbst zu sorgen.

Als Lehrkraft haben Sie vielleicht oft das Gefühl, mit Ihren Schüler*innen in ein Klassenzimmer eingezwängt worden zu sein, in dem Ihnen wenig Zeit und Raum zum Durchatmen bleibt. Ihr Tag ist vollgepackt mit all den Anforderungen in einem Raum voller junger Menschen, die nicht nur Ihre Zeit und Aufmerksamkeit beanspruchen, sondern auch erwarten, dass Sie flexibel und geduldig und in der Lage sind, mit jedem „Sturm“, der vielleicht durch Ihr Klassenzimmer tobt, fertigzuwerden. Zusätzlich wird der Lehrplan immer umfangreicher und Sie haben vielleicht das Gefühl, dass überhaupt keine Zeit mehr bleibt, um Beziehungen zu Ihren Schüler*innen zu entwickeln und die Art von fürsorglichem, unterstützendem Klassenraum zu schaffen, nach dem Sie sich sehnen. Das kann sehr kräftezehrend sein und wenn wir nicht lernen, für die Erfüllung unserer eigenen Bedürfnisse zu sorgen, kann das zu einem Gefühl der Unzulänglichkeit und zum Burnout führen. Als Lehrerin oder Lehrer sind Sie die wichtigste Person im Klassenzimmer. Wenn es Ihnen nicht gut geht, geht überhaupt nichts gut.Als Schulleitung haben Sie wahrscheinlich viele Anforderungen und Aufgaben „auf dem Schirm“ und fühlen sich oft von vielen Seiten unter Druck. Sie fühlen sich verantwortlich für das Wohlergehen Ihrer Schülerschaft, des Lehrerkollegiums und anderer Angestellter der Schule. Ihre wichtigste Aufgabe besteht darin, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle entfalten und wohlfühlen können – einschließlich der Lehrer und Lehrerinnen, der Angestellten, der Schüler und Schülerinnen sowie der Eltern. In den meisten Fällen verspüren Schulleitungen außerdem den Druck, der von Lehrplänen und Benotung ausgeht.

All diese Anforderungen können an Ihrer Gesundheit und Ihrem Wohlbefinden zehren. Deshalb ist Selbstfürsorge für Lehrkräfte kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Wenn wir ein Schulumfeld schaffen wollen, in dem sich alle wertgeschätzt und zu Hause fühlen, ein Umfeld, in dem unsere Schülerinnen und Schüler ein Gefühl der Zugehörigkeit haben und erfolgreich sein können, müssen wir auch die Gesundheit und das Wohlergehen all unserer Lehrenden im Blick haben.

Christa Turksma – Mitentwicklerin des CARE-Programms Ausbildungsleiterin, createforeducation.org

Christa Turksmas Botschaft führt uns wieder zum wesentlichen Punkt: zum grundlegenden Aspekt von Achtsamkeit.

Selbstfürsorge ist mehr als regelmäßige Schaumbäder (auch wenn das eine großartige Art ist, sich zu entspannen). Im Kontext dieses Buches geht es bei der Selbstfürsorge von Lehrkräften und Schulleitungen darum, die eigene mentale, emotionale und physische Gesundheit zu unterstützen, um Resilienz und Nachhaltigkeit in einem herausfordernden Beruf zu fördern. Obwohl der Schwerpunkt dieses Buches auf Methoden liegt, mit deren Hilfe Schüler*innen auf effektive Weise ein Training in achtsamem Gewahrsein vermittelt werden kann, kommen wir immer wieder auf die Bedeutung der Selbstfürsorge für uns selbst als Lehrende zurück.

Zu Beginn haben wir darauf hingewiesen, dass dieses Buch für Lehrkräfte gedacht ist, die bereits mit einer persönlichen Achtsamkeitspraxis begonnen haben. Aber wir möchten Ihnen auch versichern, dass Sie, falls Sie das noch nicht getan haben, jetzt mit kleinen Schritten beginnen können. Am Ende des Buchs führen wir verschiedene Optionen auf, die Ihnen den Start erleichtern können. Finden Sie einen Weg, der für Sie stimmt und genießen Sie die Reise! Sie werden es nicht bereuen.

Teil 1

Achtsames Gewahrsein unterrichten

Ein Training in achtsamem Gewahrsein ist ein einzigartiges Unterrichtsfach, das auch auf einzigartige Weise subjektiv ist. Viele Schülerinnen und Schüler sind diese Art des erfahrungsbasierten Lernens und Forschens in der Schule nicht gewöhnt. Deshalb und weil wir sie auffordern, zu untersuchen und zu beobachten, wie ihr Geist, ihr Körper und ihre Gefühlswelt funktionieren, kann ein Achtsamkeitstraining manchmal herausfordernd sein, und für manche Schüler*innen sogar hin und wieder unangenehm.

Kinder und junge Menschen anzuleiten, die Facetten des Menschseins zu erforschen, erfordert eine große Sensibilität und viel Verständnis. Es gibt hier keinen für alle passenden Ansatz und es ist wichtig, Aktivitäten und Übungen anzubieten, die dem Entwicklungsstand entsprechen und ansprechend sind.

1

Achtsames Gewahrsein im Kindergarten

(Frühe Kindheit: 3 – 6 Jahre)

In diesem Kapitel vermitteln wir Ihnen:

Gewahrsein fördernde Aktivitäten

Aktivitäten

Atem-Gewahrsein aufbauen

Den Atem sehen

Den Wind beobachten

Belebende Aktivitäten

Den Himmel kitzeln

Klatschen und sich verbinden

Beruhigende Aktivitäten

Die Kieselstein-Übung

Der Atem-Buddy

Reflexions-Übungen

Glitzer-Glas

Ergänzende Übungen

Springen oder Rennen

Zur Ruhe kommen

Muschel-Atmung

Mmmm, fein!

Ressourcen im Klassenzimmer

Stille Ecken

Konfliktlösung

Frieden beginnt mit mir

Übungen für Lehrkräfte

Absichten und Motive klären

Entspannen, loslassen, zurückkommen

Innehalten, reflektieren, planen

Mit dieser Altersgruppe arbeiten

„Frühe Kindheit“ wird in den verschiedenen Regionen der Welt unterschiedlich definiert. Hier benutzen wir den Begriff für die Altersgruppe der 3 bis 6-Jährigen

Die frühe Kindheit ist eine kostbare und eine frühreife Zeit, voller Wunder und Neugier. Oft sind Kinder in diesem Alter sehr präsent und stellen ständig Fragen über die sie umgebende Welt. Sie sind von Natur aus Suchende, lieben es, Dinge zu erforschen und sind besonders sensibel für die Atmosphäre im Gruppenraum. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Erzieher*innen bzw. pädagogische Fachkräfte praktizieren, was sie sagen, wenn sie 3 – 6-jährigen Achtsamkeit vermitteln. Der effektivste Weg dafür besteht darin, dass die Erwachsenen, mit denen es die Kinder zu tun haben, diese Qualität verkörpern. Indem Fachkräfte selbst Achtsamkeit praktizieren, legen sie das wesentliche Fundament, das kleineren Kindern hilft, ein Bewusstsein für Körper und Geist zu entwickeln, während sie jene Sprache lernen, mit deren Hilfe sie ihre oftmals starken und wechselhaften Gefühle in einer sicheren und unterstützenden Atmosphäre ausdrücken können. Ob ein Kind frustriert, wütend oder aufgeregt ist – Lehrer*innen können bereitstehen, um ihm zu helfen, durch achtsames Gewahrsein mit diesen intensiven emotionalen Erfahrungen umzugehen.

Diese Altersgruppe lernt entsprechend ihres Entwicklungsstandes am besten durch Spiele, Musik und den Kontakt zur Natur. „Learning by doing“ ist hier der Schlüssel. Die Kinder lieben es, Aktivitäten zu wiederholen und immer wieder dieselben Dinge zu hören. Will man einer Kindergartengruppe Achtsamkeit nahebringen, geht es letztendlich darum, in den Kindern Samen des Gewahrseins zu säen, während sie allmählich Fertigkeiten erwerben, die ihnen helfen, ihre Erfahrungen neugierig und freundlich zu untersuchen.

Gewahrsein fördernde Aktivitäten

In diesem Kapitel führen wir einige Aktivitäten ein, die Sie nutzen können, um den Kindern zu helfen, ihre Sinnesempfindungen zu identifizieren und zu integrieren. Im nächsten Kapitel untersuchen wir, wie man das gesamte Spektrum der Sinne als Hauptzugang nutzt, um achtsames Gewahrsein zu entwickeln. Hierbei geht es vor allem um erfahrungsbasierte Übungen, die responsiv, nützlich und praktikabel sind. Achtsam unterrichten bedeutet, die Atmosphäre aufzunehmen – die Stimmung im Klassenzimmer wahrzunehmen und das anzuwenden, was im jeweiligen Moment gebraucht wird. Vielleicht haben Sie das Gefühl, dass eine belebende, lustige Aktivität gerade am hilfreichsten wäre oder Sie greifen auf eher beruhigende Übungen zurück, je nachdem, welche Stimmung in der Gruppe vorherrscht. Diese Übungen können dazu beitragen, das mentale und emotionale Rüstzeug aufzubauen, das den Kindern verstehen hilft, dass Achtsamkeit sowohl in aufregenden, begeisternden Zeiten als auch in Momenten voller Trauer und Wut nützlich sein kann.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, beginnen wir mit dem Achtsamsein immer bei uns selbst. Schauen wir uns nun also für einen Moment unsere persönlichen Motive und Absichten an.

Reflexion Fachkraft: Absichten/Motive klären

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um sich zu erden.Vielleicht möchten Sie ein paarmal bewusst ein- und ausatmen, sich mit Ihrem Körper verbinden, die Empfindungen beim Sitzen, den Fluss des Atems im Körper oder die Geräusche in der Umgebung wahrnehmen.Was motiviert Sie, dies mit Ihren Schülerinnen und Schülern auszuprobieren?Was ist Ihre Absicht dabei?Bleiben Sie noch einen Moment länger neugierig und schauen Sie, ob noch etwas anderes, vielleicht ein tieferes, unterschwelliges Motiv auftaucht …Notieren Sie, was bei Ihnen hochgekommen ist.

„Warum mache ich das?“ ist eine wichtige Frage, die man während dieser ganzen Reise im Hinterkopf behalten sollte. Versuchen Sie, sich diese kurze Reflexion von Zeit zu Zeit ins Gedächtnis zu rufen und natürlich auch, bevor Sie eine Übung oder Aktivität anleiten.

Beginnen

Die folgenden Aktivitäten sollen helfen, ein Fundament für eine Kultur der Achtsamkeit zu legen. Sie können mit diesen Übungen auch „den Tag würzen“ und Momente der Stille und Verbundenheit einstreuen, wann immer das hilfreich ist. Nach der einleitenden achtsamen Atemübung folgen die Übungen „Beleben“, „Beruhigen“ oder „Nachdenken“ und Sie können sie nach Belieben miteinander kombinieren, um den Erfordernissen und im Moment gerecht zu werden.

Die Skripte in diesem Kapitel sind so aufgebaut, wie wir die Übungen 3 bis 6-Jährigen präsentieren würden, Sie können aber die Worte und den Tonfall an die Bedürfnisse Ihrer Gruppe anpassen. Wie immer sollten Sie diese Übungen zuerst selbst ausprobieren, bevor Sie sie Kindern vermitteln. Vor allem: Fahren Sie mit Ihrer persönlichen Praxis fort, halten Sie eine Vision des Wachstums aufrecht und genießen Sie es!

Atem-Gewahrsein entwickeln

Für ein kleines Kind sind Anweisungen wie „Atme einfach“ oder „Achte auf deinen Atem“ ziemlich nebulös! Je jünger das Kind, desto konkreter müssen die Anleitungen sein und von den Erwachsenen, in deren Obhut sie sich befinden, vorgelebt werden. So gesehen gibt es eine Reihe von Aktivitäten, die Kindern helfen können, ihren Atem zu erforschen.

Den Atem sehen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Kindern zu helfen, ihren Atem tatsächlich zu „sehen“ und zu spüren. Je nachdem, wo Sie leben, könnten Sie beispielsweise an einem richtig kalten Tag draußen auf die ausgeatmete Luft zeigen oder die Kinder drinnen auf eine kalte Fensterscheibe atmen lassen, auf der sich Kondenswasser bildet. Um mit den Kindern den Atem zu erforschen, können Sie auch Aktivitäten anregen, bei denen die Kinder Spaß haben, wie beispielsweise:

mit Seifenblasen spielen,durch die Atemluft eine Feder in Bewegung versetzen,die innere Papprolle aus einer Toilettenpapierrolle nur mit dem Atem über eine Tischplatte bewegen.

Sie könnten jede dieser Aktivitäten strukturieren, indem Sie die folgende Anleitung anpassen:

Den Wind beobachten

Für diese Aktivität braucht man Windrädchen. Sie können sie kaufen oder mit den Kindern basteln.

Laden Sie die Kinder ein, sich im Kreis hinzusetzen.

Heute wollen wir ein bisschen Spaß mit unserem Atem haben. Euer Atem ist immer für euch da wie ein guter Freund, um euch in euren Hochs und Tiefs zu unterstützen. Wir werden diese Windrädchen benutzen, um unseren Atem „in Aktion“ zu sehen.

Setzt euch jetzt bitte mit geradem Rücken ganz entspannt hin.

Machen Sie es den Kindern vor.

Jetzt blasen wir alle sanft in unser Windrädchen. Wir atmen dabei lang und tief ein und aus und schauen, was passiert.

Machen Sie es den Kindern vor, indem Sie gleichmäßig ein- und bewusst langsamer ausatmen. Lassen Sie die Kinder damit experimentieren.

Ist es leicht oder schwer, euer Windrädchen in Bewegung zu setzen? Wie fühlt es sich innerlich an?

Die Kinder können sich der Reihe nach über ihre Erfahrung austauschen.

Schauen wir nun, wie es ist, wenn wir unsere Atmung gar nicht verändern. Schauen wir, ob wir jetzt auf unsere gewohnte Art atmen können. Wir versuchen also, weder schneller noch langsamer zu atmen.

Das wird eine Herausforderung für diese Altersgruppe sein. Die Kinder wollen automatisch ihren Atemrhythmus verändern, weil sie damit experimentieren wollen. Lassen Sie das für eine Weile zu und führen Sie die Kinder dann sanft zur Anleitung zurück.

Was habt ihr also diesmal beim Atmen bemerkt? Wie hat sich das angefühlt? Was ist mit eurem Windrädchen passiert?

Wir können unsere Windrädchen dazu benutzen, mit unserem Atem zu experimentieren, und dann schauen, wie sich das in unserem Körper anfühlt. Wir wollen sie in unserer Stillen Ecke aufbewahren, sodass wir sie gleich wieder zur Hand haben, wenn wir einen Moment Ruhe brauchen oder einfach unseren Atem erforschen wollen.

Das habt ihr gut gemacht. Diese Übung hat uns gezeigt, dass uns unterschiedliche Arten zu atmen eine Menge darüber sagen können, wie wir uns fühlen.

Beispielübungen: Beleben, Beruhigen, Nachdenken

Beleben

Übung: Den Himmel kitzeln

Heute werden wir auf unser Hören achten, während wir lernen, uns nach oben zu strecken, um den Himmel zu kitzeln.

Was bedeutet es, zu hören? Was bedeutet es, zuzuhören?

Lassen Sie den Kindern etwas Zeit, um sich der Reihe nach mit den anderen auszutauschen.

Und jetzt werden sich sicher einige von euch fragen, wie man den Himmel kitzeln kann. Wie werden wir das anstellen?

Holen Sie das Klangspiel hervor (möglichst eines, das lange nachklingt).

Ich werde euch zeigen, was es bedeutet, „den Himmel zu kitzeln“. Aber zuerst muss ich meine eigene, persönliche Blase bilden.

Stellt euch jetzt so hin, dass ihr beide Arme ausstrecken und euch langsam drehen könnt und gebt acht, dass ihr nirgendwo anstoßt.

Schaut, wie ich mich langsam zu Boden sinken lasse.

Machen Sie den Kindern vor, wie Sie sich am Boden zu einem Ball zusammenrollen.

Dann werde ich das Klangspiel anschlagen, und wenn ich den Ton höre, werde ich meinen Körper bewegen, aufstehen und dann meine Hände nach oben strecken – strecken – strecken, auf die Fußspitzen gehen und strecken und mit den Fingern wackeln, um den Himmel zu kitzeln! Und dann einmal tief ein- und ausatmen.

Jetzt wollen wir das einmal gemeinsam versuchen!

Sucht euch einen Platz und bildet eure eigene Blase, indem ihr die Arme ausstreckt und euch langsam im Kreis dreht.

Machen Sie die Übung mit der ganzen Gruppe noch einmal.Es kann sehr belebend sein, die Übung dreimal hintereinander zu wiederholen, weil die Kinder ihre Aufmerksamkeit auf den Klang richten und mit ihrem Körper darauf reagieren.

Tipp für den Unterricht

Machen Sie mit! Die Kinder werden bei dieser Übung oft kichern, weil sie „den Himmel kitzeln“. Versuchen Sie, sich auf die Albernheit einzulassen, Spaß zu haben und fahren Sie einfach mit den Anweisungen fort, während Sie die Kinder durch die Übung führen.

Klatschen und sich verbinden

Bitten Sie die Kinder, im Sitzen oder Stehen einen Kreis zu bilden (je nachdem, wo die Gruppe in Bezug auf die Entwicklung des räumlichen Wahrnehmungsvermögens steht, funktioniert es vielleicht besser in einem Sitzkreis).

Also, meine Lieben, heute wollen wir eine Übung machen, bei der wir wirklich achtgeben und uns ganz auf unseren Sitznachbarn oder unsere Nachbarin konzentrieren müssen. Könnt ihr jetzt bitte nach links und rechts schauen und „Hallo“ sagen.

Lassen Sie den Kindern dafür eine Weile Zeit – es geht darum, dass sie wissen, wer gerade neben ihnen sitzt.

So, und jetzt spielen wir „Klatschen und sich verbinden“. Beobachtet, wie ich Laura einen Moment in die Augen schaue, bevor wir beide gleichzeitig in die Hände klatschen. Es ist in Ordnung, wenn ihr nicht genau ­gleichzeitig klatscht, wichtig ist, dass ihr euch zuerst in die Augen schaut und dann so gut ihr könnt zusammen in die Hände klatscht.

Machen Sie den Kindern vor, wie Sie zuerst Augenkontakt aufnehmen, bevor Sie in die Hände klatschen.

Nachdem Laura und ich gemeinsam in die Hände geklatscht haben, wird sie das Klatschen an das Kind weitergeben, das auf der anderen Seite neben ihr sitzt. Und dann werden wir das im ganzen Kreis herum machen, bis wir wieder bei mir angekommen sind. Lasst es uns jetzt versuchen und denkt daran, zuerst eurer Sitznachbarin in die Augen zu schauen, bevor ihr in die Hände klatscht!

Machen Sie das einmal im Kreis herum. Die Kinder werden dabei immer wieder lachen und sich miteinander verbinden. Einige werden es zu hastig machen, aber das ist in Ordnung – versuchen Sie das Ganze mit Humor und Ermutigungen zusammenzuhalten.

Hey, das war gar nicht so einfach, meiner Nachbarin in die Augen zu schauen und gleichzeitig mit ihr in die Hände zu klatschen. Ich musste wirklich achtgeben und mich konzentrieren! Wie war es für euch?

Hören Sie sich ein paar Erfahrungen an und versuchen Sie es dann noch einmal.

Ihr habt euch sehr gut konzentriert, meine Lieben! Ihr habt euch wirklich aufeinander eingestimmt und beim Klatschen miteinander verbunden! Jetzt wollen wir es noch einmal versuchen, aber diesmal in entgegengesetzter Richtung. Los geht’s!