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Fortsetzung der Fantasy-Reihe: Die Artefakte der Götter. Zweites Buch, Teil 2, Shimabara - Götterland Mit Hilfe des Psychologen Maik Barthels kehrt Reneé auf die Ebene Niihama zurück. Nach vielen Kämpfen, die sie mit ihren Gefährten besteht, schafft sie es, die freien Völker der Ebene zu versöhnen. Selbst die Jahrtausende alte Fehde mit dem Alten Volk versucht sie zu beenden. Erst nach diesen Abenteuern kann sie endlich die Suche nach ihrem Vater fortsetzen. Ihr Vater soll von seinem alten Widersacher Kraagen im Refugium des Gottkollegen Robarth festgehalten werden. Zusammen mit den Gefährten wechselt Reneé durch das Gargoyl-Tor nach Shimabara, in eine urzeitliche Welt. Dort begegnen sie Affenmenschen und allerlei gefährlichen Kreaturen. Schafft sie es, trotz aller Gefahren, ihren Vater zu finden und aus den Klauen Kraagens zu befreien?
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Seitenzahl: 410
Veröffentlichungsjahr: 2015
Shimabara - Götterland
Dank für all die Hilfe, die es mir ermöglichte, meine Geschichte auf Papier zu bringen.
Michael Bartsch
Die Artefakte der Götter
„Shimabara - Götterland“
Zweites Buch – Teil 2
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2015
2. Auflage
Autor: Michael Bartsch
Verlag: tredition GmbH www.tredition.de
ISBN: 978-3-7323-4358-4 (Paperback)
ISBN: 978-3-7323-4359-1 (Hardcover)
ISBN: 978-3-7323-4360-7 (e-Book)
Lektor:
Karl-Heinz Hemmersbach Covergestaltung:
Annelie Mundt
http://www.kunstnet.de/corvi-noctis
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Prolog
I. Auf nach Shimabara
II. Befreiung, Katzen und ein Fest
III. Aufbruch zum Dunklen Ozean
IV. Schlangenmonster und Vogelbestien
V. Gorillas im Urwald
VI. Zwischenfall
VII. Verlust und Rückkehr
VIII. Äon
IX. Verträge und eine Abrechnung
X. Gefühle und Aufbruch
Shimabara – Götterland
Einleitung
Reneé Förster wird als Findelkind von Rosie und Harald Förster liebevoll aufgezogen. Nach dem Tode ihrer Zieheltern wohnt sie in Garmisch-Partenkirchen. Sie arbeitet freiberuflich für das Deutsche Museum. Seit ihrer frühesten Jugend ist sie von den fernöstlichen Kampfsportarten fasziniert und hat unter anderem die Schwertkampftechnik mit zwei Schwertern im klassischen Niten ichi ryu-Stil erlernt.
Im Testament ihres leiblichen Vaters David Copeland ist sie als Erbin eingesetzt worden. In dieser Angelegenheit reist sie nach Neuseeland. In Auckland freundet sie sich mit der Versicherungs-Detektivin Lucy Rowland an, die auf der Suche nach gestohlenen Antiquitäten ist.
Unter anderem fahndet sie nach zwei kostbaren Langschwertern, dem Aku Ryou Taisan und dem Ryouko maru. Reneés Vater und sein langjähriger Vertrauter Marc Dacasyi, der ebenfalls im Testament bedacht wurde, sollen in diese Diebstähle verwickelt sein. Reneé erfährt auch, dass ihr Vater im Besitz eines antiken Artefaktes, einem Gargoyl, sein soll. Nach der Testamentseröffnung lernt sie Marc Dacasyi näher kennen und vertraut ihm.
Mit ihrer neuen Freundin Lucy Rowland wird Reneé im Antiquitäten-Lager von Karl Urbansky und seiner Bande überfallen. Sie geraten in höchste Gefahr von den Gangstern überwältigt zu werden. Da öffnet Marc mit Hilfe des Artefaktes ein Tor zur Ebene Niihama und sie können dorthin entfliehen.
Er erklärt ihnen, dass sie sich auf einer künstlich erschaffenen Welt befinden, die Niihama heißt. Reneés Vater wird von den Bewohnern ‚Gott Svanson’ genannt und hat diese Ebene geschaffen. Marcs richtiger Name ist Yagyu Kissaki Kenshi. Er wurde im Jahre 1638 im Alter von 25 Jahren von Gott Svanson, zusammen mit anderen Menschen aus der Gegend von Shimosuwa am Suwa-See, auf die Ebene Niihama gebracht. Marc war ein Schüler von Miamoto Mushashi, einem berühmten Schwertkämpfer.
In der Ankunftsstelle auf Niihama finden die Flüchtlinge die dortigen Wächter tot auf und stellt fest, dass sich Akatsuki auf der Ebene befinden. Das sind die Todfeinde der Götter und aller freien Menschen. Zusammen mit Marc begeben sie sich die beiden Frauen von der Ankunftsstation auf dem Berg Zaltana zu Gott Svansons Heimstätte, die sich auf dem Berg Chochokpi befindet; denn nur von dort aus können Reneé und Lucy wieder zurück auf die Erde.
Marc erzählt Reneé, dass ihre leibliche Mutter Alexandra beim Indianerstamm der Choctaw lebt. Dort wird sie als die „Frau des Gottes“ verehrt. Göttin Annas’, Svansons Schwester, leistet ihr dort Gesellschaft. Und sie erfährt, dass ihr Vater lebt und sich vielleicht in der Heimstätte vor seinen Feinden sich versteckt. Auf dem Weg zur Heimstätte erfahren die drei Weggefährten, dass Reneés Mutter und ihre Tante, zusammen mit der Häuptlingstochter Nadowessiu, vom Cherokee-Häuptling Towo’di verschleppt wurden.
Unterwegs zum Dorf der Choctaw geraten sie in einen Kampf mit der Harpyien-Königin Antiope, den Sie aber unbeschadet überstehen. Vom Choctawdorf aus folgen sie den Spuren der Entführer. Auf dem weiteren Weg werden sie von einer Zentaurenhorde überfallen. Nur mit viel Glück überleben sie und zwei der sie begleitenden Choctawkrieger den Angriff.
Gerade als sie das Dorf des Cherokee-Häuptling Towo’di erreichen, müssen sie mit ansehen, wie die Akatsuki aus einem Flugboot heraus mit einer Strahlenkanone das Indianerdorf vernichten. Lucy kann mit ihrem Langbogen das Amphibienflugzeug abschießen. Bevor Annas und Alexandra und die Häuptlingstochter Nadowessiu in den Flammen umkommen, können sie in letzter Sekunde von ihnen gerettet werden.
Reneé lernt endlich ihre Mutter kennen. Leider wird diese auf dem Weg zur Heimstätte Swansons bei einem erneuten Kampf mit den Harpyien getötet und sie selbst schwer verletzt. Nachdem sie wieder genesen ist, reiten die Freunde weiter und kommen dabei an der Burg von Ordensritter Albrecht von Brandenburg vorbei. Reneé verliebt sich unsterblich in den Hausherren, der sich als Gott Svansons Vertrauter zu erkennen gibt.
Bei einem Turnier lernt sie Kristanna, genannt Göndül die Wölfin, kennen. Diese ist die Tochter des Gottes Lookken und ebenfalls eine Vertraute von Reneés Vater. Im Burghof muss Reneé einen Tjost auf Leben und Tod ausfechten, den sie entgegen den Erwartungen aller Turnierzuschauer überlegen gewinnt.
Nach drei Wochen verlassen sie Albrechts Burg, um auf dem Weg zur Heimstätte Marcs Tante und Onkel am Suwa-See zu treffen. Sie rasten auf einer Anhöhe, die Reneé ein bisschen an das Ehrfurcht gebietende Stonehenge erinnert. Dort begegnen sie einem Tohopka, dessen Feindseligkeiten sie sich stellen müssen. Wie die Akatsuki, ist sein Volk ebenfalls ein Todfeind aller Götter und Menschen. In einem harten Kampf können sie den Angehörigen der „Alten“ Rasse töten.
An dem riesigen Keltenkreuz, einer heiligen Gebetsstelle der Schotten-Clans, treffen sie auf Gritha. Das ist einer der vier Raben, die von ihrem Vater beauftragt wurden, die Ebene zu beobachten.
Als sie am Sgian Dubh ankommen, werden sie von einer Gruppe Landsknechte unter der Führung Rittmeister von Ahrens angehalten. Im Lager der Söldner erfährt Reneé, dass Captain Grothusen ihren Geliebten Albrecht von Brandenburg töten will. Deshalb warnt sie diesen, als er zu einem Treffen mit Grothusen im Lager der Landser eintrifft. Albrecht kann entkommen. Doch Reneé wird gefangen genommen und von Capitain Grothusen gefoltert. Rittmeister von Ahrens befreit Reneé aus der Gefangenschaft, im Kampfgetümmel tötet Reneé ihren sadistischen Folterer.
Von Ahrens reitet mit den Gefährten bis zum Suwa-See und begleitet sie anschließend weiter. Auf der grünen Insel Hitokana treffen sie Marcs Tante und Onkel. Unter deren Obhut werden dort ihre körperlichen und seelischen Wunden versorgt.
Karen Mokyue, eine Ninja, stößt am Suwa-See zu Ihnen. Sie wird von den Einheimischen Angeni genannt. Karen verliebt sich in Reneé und schließt sich den Gefährten auf deren Weiterreise an. Bei einem Besuch in der Stadt Kumamoto, erfährt Marc von ihr, dass der Stadtkommandant Hatamoto Kami Kiminobu mit den Akatsukis gemeinsame Sache macht. Die Freunde überstehen zwei Mordversuche von gedungenen Mördern. Kiminobu, der Auftraggeber dieser Überfälle, wird von Karen getötet.
Auf dem Weg zum Shin Shū-Gebirge wird Marc bei einem Kampf mit zwei Spezies der Alten Rasse schwer verletzt. Im letzten Augenblick können sie mit der Hilfe von Nadowessiu und Rittmeister von Ahrens entkommen. Sie retten sich in eine Höhle. Dort erfährt Reneé von der Ermordung Albrecht von Brandenburg.
Bei der Weiterreise treffen sie erneut auf die Harpyienkönigin Antiope. Reneé kann sie überreden, die andauernden Kämpfe einzustellen und zukünftig mit den freien Völkern der Ebene friedlich zusammen zu leben.
Nach sechzehn ereignisreichen Monaten erreichen sie das Shin Shū-Gebirge, das Land der Götter. Auf den Weg hinauf zum Berg Chochokpi müssen sie den von Gott Svanson erschaffenen „übernatürlichen“ Schutz überwinden. Dazu gehören die zwei Steinkrieger Bīngshì und Bīngjiā. Beim Aufstieg überstehen sie Begegnungen mit dem Faun, der Chimära und dem Mantichora.
Am Refugium von Reneés Vater angekommen, können sie eine Gruppe Akatsuki vernichten. Dies war nur möglich mit Hilfe der beiden Cyborgwächter; menschenähnliche Maschinen aus synthetischer Biomasse mit Stahlskeletten. Auch Hugin, Munin, Frigga und Gritha, die Beobachter in Rabengestalt, unterstützen sie dabei. Leider finden sie in der Heimstätte keine Spur von Reneés Vater.
Am darauf folgenden Tag, als sie sich von dem Kampf ausruhen, werden sie von Gott Kraagen überfallen, ein Spross aus einem verfeindeten Göttergeschlecht. Er stiehlt das Artefakt von Niihama. Während des Kampfes wird Reneé schwer verwundet und wacht in einem Krankenhaus auf der Erde wieder auf. Sie hat ihr Gedächtnis verloren.
Der Psychologe Maik Barthels befreit sie aus den Klauen von Kraagens Gangstern, die sie in einem Sanatorium unter Drogen gesetzt haben. Nach etlichen Kämpfen mit Kraagens Leuten erreicht Reneé, dank Maiks Mithilfe, Neuseeland.
In Auckland entführen die Beiden Gott Judro, alias Notar Urbansky. Der verrät ihnen unter Reneés intensiver Befragung den Aufenthaltsort von Gott Kraagen. Beim anschließenden Kampf in dessen Villa erbeutet Reneé unter anderem das Artefakt von Niihama zurück. Endlich kann Reneé zurückkehren zu ihren Gefährten, die am Suwa-See auf sie warten. Maik, der sich in Reneé verliebt hat, begleitet sie.
Nach dem Wiedersehen mit den Gefährten am Suwa-See befreien sie Nadowessiu und Karen aus der Gefangenschaft der Landsknechte. In einer großen Schlacht zwischen den Söldnern und den freien Völkern, denen sich die Harpyienkönigin Antiope mit ihren Adlern angeschlossen hat, werden die Landsknechte besiegt.
Anschließend brechen die Gefährten zur Ebene Shimabara auf um Reneés Vater zu suchen, der sich dort versteckt halten soll.
Das ist eine kurze Zusammenfassung der Inhalte von:
„Die Artefakte der Götter“, Erstes Buch, Teil 1: „Das Tor nach Niihama“, Teil 2: „Niihama - Land der Götter“ und Zweites Buch, Teil 1: Die Rückkehr nach Niihama.
***
Dem Furchtbaren furchtlos begegnet, so schwindet es von selbst.
***
Prolog
Der Mann auf der Liege versuchte seine Schmerzen zu unterdrücken. Aber immer wieder brachen sie in neuen Wellen über ihm zusammen. Seine Eingeweide brannten wie Feuer und sein Kopf schien zu explodieren.
Als der Schub vorbei war, liefen ihm aus Erleichterung Tränen über sein ausgezehrtes Gesicht, das einmal von Männlichkeit und Willensstärke geprägt gewesen war. Er schämte sich seiner Tränen nicht.
Er war sich zu sicher gewesen, er hatte IHN einfach unterschätzt. Er, der tausende von Jahren überlebte, alle Anschläge und alle Kriege überstanden hatte; aus allen Kämpfen als Sieger hervorgegangen war. Wütend ballte er seine Fäuste. Wie ein blutiger ‚sho ho‘ war er in die Falle gegangen; obwohl er wusste wie durchtrieben sein Gegner war.
Es war allein nur die Liebe zu seiner Tochter gewesen, die ihn hatte unvorsichtig werden lassen. In der Vorfreude, sie endlich in die Arme schließen zu können, war er ohne Überprüfung durch das Tor zur Erde gesprungen; schmerzhaft war er in dieser Zelle aufgewacht. Im Tor war eine Umleitung installiert, anstatt Reneé zu treffen, war er in sein jetziges Gefängnis geschleudert worden.
Er wusste nicht auf welcher Ebene und wo er sich befand. Sein Trost war, dass seine Tochter anscheinend noch nicht in SEINE Gefangenschaft geraten war und ER etwas von ihm erfahren wollte. Wahrscheinlich würde sein Körper sonst schon in Form von Abermillionen Atomen im Universum umherschwirren.
Mühsam stand er auf und lief unter Qualen ein paar Schritte durch das Zimmer. Dabei vermied er es, sich dem rötlich schimmernden Schutzschirm zu nähern. Wie er leidvoll schon erfahren musste, wäre die sofortige Folge einer Berührung ein schmerzhafter Stoß. In der rötlichen Dunkelheit flohen seine Gedanken vor der Tatsache, dass er von seinem Gegner zu einem qualvollen Sterben verurteilt worden war, denn dieser hatte ihn mit dem tödlichen Yūdoku-Saft der Götter vergiftet.
Der Saft verhinderte, dass er nach seinem Tod in die Sphäre übertreten konnte, wo er sich mit den Vorausgegangenen seiner Art vereinte. Es gab seines Wissens kein Gegenmittel, sein Odem, seine Matrix würde einfachmit ihm sterben. Krude Gedankenfetzen irrten in seinem Kopf umher. Wie im Zeitraffer zog sein ausgefülltes Leben an ihm vorbei. Seine Erinnerung schweifte zu seiner geliebten Frau Alexandra. Trotz aller Bemühungen hatte er sie vor seinen vielen Gegnern nicht schützen können.
Seine erste Geliebte war Antiope; er hatte sie fürchterlich bestraft, aber letztendlich nur aus Arroganz. Nun bereute er zutiefst seinen selbstherrlichen Umgang mit Menschen und Tieren. Wie er sich eingestand, hatte er viel zu spät versucht seine Untaten wieder in Ordnung zu bringen.
Sein Körper krümmte sich erneut unter der nächste Welle von Höllenqualen. Stöhnend ließ er sich zurück auf die Liege fallen. Im Geiste sah er zwei Frauen vor sich stehen. Liebevoll lächelnd beugten sie sich über ihn. Ihre langen blonden Harre streichelten sein Gesicht. Die Hände hatten sie auf ihre schwangeren Bäuche gelegt. „Freyja! Alexandra!“, murmelte er, aber als er nach ihnen greifen wollte, verschwanden beide. Seine geliebte Tochter Reneé erschien ihm, die ihn vorwurfsvoll fragte: „Warum warst du nicht für uns da?“ Auch dieses Traumbild zerstob, als er es berühren wollte. War das schon der Anfang des Deliriums, ausgelöst durch das Gift? „Verzeiht mir bitte!“, schluchzte er und ein Tränenstrom benetzte sein Kissen. Dann fiel er langsam in eine tiefe Agonie.
Das Licht in seinem Verlies flammte auf und sein Gegenspieler betrat das Zimmer. Mühsam kämpfte sich sein Bewusstsein wieder an die Oberfläche. Er wusste, dass sein Feind sich an seinen Schmerzen und seiner Hilflosigkeit weiden wollte. Aber diese Genugtuung würde er ihm nicht geben. Er hatte nur noch einen kleinen Trost, und nur der hielt ihn aufrecht. Sein Wissen würde er, trotz aller Schmerzen, nicht mit dieser Ausgeburt der Hölle teilen.
„Na, mein lieber göttlicher Kollege! Hast du gut geschlafen? Was machen die Schmerzen?“ Jovial grinsend positionierte sich sein Peiniger jenseits des wabernden Schutzschildes.
„Willst du dich nicht endlich von deinen Schmerzen erlösen lassen? Es macht mich betroffen, wenn ich dich so leiden sehe. Ich trage dir auch gar nicht mehr nach, dass du mir Antiope weggenommen hast. Und Freyja, die du vor mir versteckt hast, dieses undankbare Weib war doch eigentlich nur eine Laune für mich.“
Seine Stimme troff nur so von Hohn und geheucheltem Mitleid, während seine Augen hasserfüllt funkelten. Er starrte den Gefangeneneinen Augenblick forschend an, um eine mögliche Reaktion auf seine Worte zu erkennen. Schon seit langem zermarterte er sich seinen Kopf mit Fragen, die jetzt frustriert aus seinem Munde hervorquollen: „Sag mir doch einfach nur, wo befindet sich das Refugium für die Qīndián* und wer verbirgt sich dahinter? Es ist deine vermaledeite Schwester Annas, dieses arrogante Miststück; gib es endlich zu!“
Plötzlich zog er seine Stirn kraus und starrte nachdenklich in die Zelle. „Oder ist es etwa doch deine Tochter? Dieser Menschenbalg wird doch niemals von den Alten akzeptiert!“ Bauernschlau fügte er an: „Das Refugium befindet sich doch bestimmt auf Kyūshū!“ Als keine Antwort kam und der kranke Mann ihn nur verächtlich ansah, trotz seiner offensichtlichen Schmerzen, rannte er wütend vor dem Schutzschirm hin und her.
„Und meine Mutter ist bestimmt die Shū shin*, nicht wahr?“ Wutschäumend schrie er die Worte in den Raum. Kurzzeitig hatte er jede Kontrolle über sich verloren, aber schließlich beruhigte er sich doch wieder etwas. Stumm beobachtete er eine Weile, wie sein Gefangener von unmenschlichen Schmerzen traktiert wurde.
Mit freundlich verstellter Stimme hob er erneut an: „Ich verspreche dir, wenn du mir deine Geheimnisse verrätst, lasse ich deine Tochter am Leben. Außerdem darfst du dann in die Sphäre übertreten!“
Er warf ihm einen hinterhältigen Blick zu. Aber als er in die Augen seines Gefangenen sah, wurde ihm augenblicklich klar, dass der genau über den Yūdoku-Saft Bescheid wusste. Und dass er seinen vorgetäuschten Versprechungen keinen Glauben schenkte.
Seine Gesichtszüge verzerrten sich wieder zur wütenden Maske und er keifte: „Ich werde deine Tochter und ihre Gefährten leiden lassen, genauso wie dich. Bestimmt fällt mir dazu noch etwas ‚Nettes’ für deinen Bastard ein!“ Seine Pupillen hatten sich zu einem stechenden Blick zusammengezogen und ein irrer Ausdruck stand ihm im Gesicht. Hasserfüllt stierte er auf seinen Gefangenen.
In dessen Augen hingegen zeigte sich ein letztes Mal etwas seiner früheren Stärke. Obwohl er gegen die aufkommende Übelkeit ankämpfen musste, hatte seine Stimme einen festen Klang, weil die Endgültigkeit seiner Aussage darin mitschwang: „Du kannst nicht gewinnen! Und du wirst deiner gerechten Strafe nicht entgehen können. Der Zutritt zurSphäre wird dir verweigert werden, denn Sie wissen schon längst was du getan hast, Ruzai!“
Der nächste Anfall schüttelte seinen Körper, mit einem qualvollen Seufzer schloss der Mann seine Augen.
Der Folterknecht schäumte vor Wut: „Dann eben nicht! Ich werde es auch ohne deine Hilfe schaffen. Mit Genuss werde ich dir beim Sterben zuschauen!“ Seine hysterische Stimme überschlug sich, als er voller Hass verkündete: Ich werde sie ALLE vernichten. ALLE werden meinen Triumph zu spüren bekommen!“
Der Wahnsinn flackerte in seinen Augen, während er bösartig die Lippen hochzog, so wie ein tollwütiger Hund seine geifernden Lefzen.
Sein Gefangener auf der Liege war inzwischen in tiefe Bewusstlosigkeit gesunken. Er hatte die Tiraden seines Kerkermeisters nicht mehr mitbekommen, was diesen erneut zu einem Wutausbruch verleitete. Er belegte sein Opfer mit einem Schwall gemeiner Flüche und verließ tobend das Zimmer.
Die Beleuchtung erlosch wieder. Nur der Schutzschirm waberte im blassen Rot und ließ mit seinem Schimmer die Zelle wie ein Vorhof zur Hölle erscheinen.
(*Qīndián: Auserwählte; Shū shin: Letzte Instanz
***
Das Tor, das uns zu fremden Himmeln bringt,
erfüllt es meine Träume?
Es ist mein Ziel, das einzig Hoffnung macht,
mein Elixier, das mich berauscht, mir den Mut gibt,
durchzuhalten bis zur Nacht.
Ich wandere suchend zu entrücktem Ziel,
nicht der Götter Ruhm, des Vaters Hand ist mein Begehr.
Ist solcher Traum vermessen?
***
I. Auf nach Shimabara
Nach dem Mittagessen versammelten wir uns in der Kommandozentrale, um den Übertritt nach Shimabara vorzubereiten. Nach zwei Tagen Diskussion und
Müßiggang wollten wir nun endlich aufbrechen.
Reneé scharrte ständig mit den Füssen; es war mir klar: ihre Zappeligkeit rührte daher, dass sie ihren Vater finden und endlich in die Arme schließen wollte.
„Senri no michi mo ippo kara: Selbst ein Weg von tausend Meilen beginnt mit einem ersten Schritt“, meinte Karen. Mit diesen Worten versuchte sie Reneés Ungeduld ein wenig zu bremsen.
Ärgerlich war, dass wir nicht so einfach in Gott Robarths Refugium wechseln konnten. Reneé hätte am liebsten den direkten Weg genommen, was verständlich war. Aber Annas und Marc vermuteten, dass dort Fallen installiert waren. Vielleicht wartete ihr Vater dort in der Heimstätte, weil der Gargoyl von Shimabara nicht mehr richtig funktionierte. Oder er konnte aus anderen Gründen die Ebene nicht verlassen. Aber da wir nicht wussten, ob Kraagen uns möglicherweise zuvorgekommen war und im Refugium auf uns lauerte, war uns der direkte Weg verbaut.
Marc beendete unsere Diskussion und fasste noch einmal kurz zusammen: „Aus diesen Gründen werden wir zur Vorsicht den Weg über die Ankunftsstelle in Shimabara nehmen. Dort kann er keine Sprengfallen aufstellen. Denn wenn der Ankunftsort zerstört ist, funktioniert auch die Gegenstelle nicht mehr.“ Und er fügte noch hinzu: „Yudan taiteki: Nachlässigkeit ist ein großer Feind!“
Ich beobachtete meine Gefährten, während sie sich fertig machten für unseren Gang durch das Artefakt. Versuchten sie wie ich, ihre Nervosität zu unterdrücken? Welche für sie typischen Waffen legten sie an und welche nahmen sie zusätzlich mit? Reneé, die neben mir stand, bemerkte meinen Blick.
Um die allgemeine Anspannung vor dem Übertritt auf die andere Welt ein wenig zu lockern, erzählte sie mir etwas über die verschiedenen Waffen, die unsere Mitstreiter für ihren Übertritt bereitmachten. „Das Katana Ryouko maru von Marc kennst du ja. Dazu hat er ein Kurzschwert, ein Wakizashi mit dem Namen hikeshi yaku.“
„Friedensstifter“, murmelte ich und musste innerlich grinsen. Das war ja wie im Wilden Westen mit dem Peacemaker! Welch friedvoller Namen für diese tödlichen Waffen, dachte ich bei mir und lauschte dabei weiter auf Reneés Erklärungen.
Mit einer ausholenden Handbewegung deutete Reneé auf Karen. Die warf uns nur kurz einen undefinierbaren Blick zu, während sie sich ihre Weste mit einem Dutzend Messerchen über die Uwagi, eine Jacke mit versteckten Innentaschen, zog.
„Und hier unsere geliebte Ninja-Braut. Sie benutzt wie unsere Walküre Kristanna einen japanischen Kurzbogen, den Hankyū. Dazu kommt der von Karen so geliebte Kampffächer, der Tessen und ihre lieblichen kleinen Wurfmesser, die Tantō gata shuriken.“
Mit achtungsvoll gesenkter Stimme beschrieb sie mir die Schriftzeichen auf dem Tessen. „Auf der Vorderseite steht Haguro, die Stadt aus der Karen stammt. Auf der Rückseite steht ‚shini megami’, Göttin des Todes.“
Mit ironischem Unterton fügte Reneé hinzu: „Auf dem Stiel des Tessen ist saibankan eingraviert, das heißt der Richter. Sie führt also damit ein Urteil sofort und auf direktem Wege aus. Als Besonderheit hat sich unser ‚Schwarzer Engel’ noch mit einem Jitte bewaffnet. Das ist ein etwa 45 cm langer Messingstab. Kurz über dem Griff ist der Stab mit einer aufwärts gerichteten Gabelzinke versehen, mit der eine Schwertklinge gestoppt werden kann. Am Griff des runden Stabes befindet sich eine Quastkordel in schwarz, während die Quaste selbst rot ist. Eine Fusahimo“, fügte Reneé noch erklärend hinzu. Dann deutete sie auf Lucy.
„Lucys japanischen Langbogen, mit ihren speziellen japanischen Pfeilen, kennst du ebenfalls. Damit hat sie schon des Öfteren unsere und auch deinen Hintern gerettet. Ich denke, obwohl sie vorgeblich Messer hasst, wirst du sicherlich trotzdem bei ihr ein paar dieser kleinen Wurfmesser finden können.“ Sie machte eine kleine Pause und befestigte ihre Saigabeln an den Hüften. Danach steckte sie ihr Katana in das auf den Rücken geschnallte Halfter. „Ob ich den im Urwald gebrauchen kann?“, und stellte Ihren Bo-Stab unschlüssig in die Ecke.
Ich nahm den Faden wieder auf und meinte: „Über deine Saigabeln habe ich irgendeinmal gelesen, dass diese Waffen eigentlich nur zur Verteidigung gedacht waren?“
Reneé nickte. „Das stimmt. Benutzt werden sie vor allem dann, wenn man mit einem Schwert angegriffen wird. Damit klemmt man das Schwert ein. Die Sai stammt aus Okinawa, etwa um das Jahr 1800. Sie wird als Waffe unter anderem im Kobudo und Karate verwendet. Sie werden ähnlich wie Karens Jitte benutzt.“
Sie zog eines dieser Kampfwerkzeuge aus dem Halfter. „Die Saigabel kann in zwei Positionen geführt werden. Als Honte, die Klinge zeigt dann nach außen und als Gyakute, dann zeigt die Klinge zum Körper.“ Während sie mir die Begriffe erklärte, führte sie zur Anschauung beide Techniken vor. Dann steckte sie die etwa 52 cm lange Saigabel wieder ein.
Ich ließ Reneé gewähren, denn einiges kannte ich schon, aber so wurde die Zeit bis zum Übertritt überbrückt. Tatsächlich verringerte sich während ihrer Erklärungen meine Anspannung.
„Weiter im Text. Unser Rittmeister trägt seine geliebte Armbrust und das Schwert der Landsknechts-Offiziere, die so genannte Bauernwehr.“ Sie blickte auf Ahrens, der abwartend am Tisch stand. Er war Reneés Erklärungen still gefolgt. Und als er ihre Bemerkung über seine Armbrust hörte, platzte er fast vor Stolz, als er erwiderte: „Sie ist eine Weiterentwicklung der normalen Armbrust, die ich in wochenlanger Arbeit selbst ausgetüftelt habe. Mit einer zusätzlich angebrachten Bogensehne und dieser Lasche hier, kann ich Bleikugeln bis zu dreihundert Meter weit verschießen.“
Mit geschwellter Brust zeigte er uns dabei seine Waffe. Sie war ziemlich schwer, als ich sie in die Hand nahm. Der Holzschaft bestand aus glatt geschnitztem Eibenholz und lag sehr gut in der Hand. Der Bogen war aus Stahl, die Sehnen waren, wie Ahrens erklärte, aus den Fußsehnen eines Büffels gefertigt worden.
„Mit der ersten Sehne verschieße ich die Pfeile, sie werden Harnaschpfeile genannt und sind auf eine Entfernung von etwa einhundertzwanzig Schritten sehr überzeugend. Die Spitze ist viereckig und der Pfeil wird dann hier auf der Sehne eingehakt. Um die zweite Sehne zu spannen benutze ich diesen Spannhebel.“ Selbstbewusst zeigte er uns die ganze Apparatur.
Ich nickte anerkennend. Lobend meinte ich: „Eine sehr schöne Waffe. Sie wird uns bestimmt gute Dienste leisten.“ Lächelnd entspannte er die Armbrust wieder und gesellte sich zu Marc an den Tisch.
„Ein lieber Kerl“, meinte Reneé zu mir. „Er hat mir mal das Leben gerettet.“ Für einen kurzen Augenblick verdüsterte sich ihr Antlitz, als sie an die schlimme Angelegenheit damals dachte. Sie seufzte tief. Einen Augenblick später überzog wieder das Strahlen ihr Gesicht, welches ich an ihr so sehr liebte. Es kam tief aus ihrem Inneren. Mit blitzenden Augen wies sie danach auf Nadowessiu, die in ein Gespräch mit Lucy vertieft war.
„Unsere liebe Häuptlingstochter benutzt zum Schädelspalten gerne ihre beiden Tomahawks, aber im Nahkampf benutzt sie lieber ihr berühmtes Kampfmesser mit den zwei Klingen. Dieses weist eine normale lange schlanke Klinge und zusätzlich, knapp über dem Griff, noch eine kurze Schneide auf. Es ist ein Nachbau des Kampfmessers der Tlingit, welches übrigens auch ein bedeutendes Indianervolk war.“
Als Nadowessiu ihren Namen hörte, drehte sie sich zu uns um. Sie machte ein übertrieben grimmiges Gesicht und funkelte uns mit ihren dunklen Augen an. Dann nickte sie und wandte sich wieder an Lucy, die das ganze amüsiert verfolgt hatte. Schmunzelnd wandten wir uns Annas und Kristannas Vorbereitungen zu.
„Jetzt kommen wir zu unseren Göttinnen“, meinte Reneé süffisant. „Kristanna hat ihre Monsterklinge dabei, das Schwert ‚shinbatsu o kōmuru’, die göttliche Strafe erleiden. Es ist dem beidhändigen chinesischen Jiàn ähnlich. Dagegen führt Annas ihr Kurzschwert ‚shin nyo’ mit sich, was wörtlich ‚Göttin‘ bedeutet; was ja auch stimmt“, fügte sie ironisch an.
„Die Bedeutung der Klingen passt ja gut mit Karens Kampffächer zusammen“, fügte ich feixend an.
„Da hast du aber fein aufgepasst“, neckte sie mich. „Sicherlich verbirgt Kristanna außerdem noch ein oder zwei der klitzekleinen Wurfmesserchen in ihrer Kleidung.“ Schnell fügte sie hinzu: „Annas nimmt nun doch ‚kami no seibai’ mit, das Katana ‚Gottesurteil‘ meines Vaters.“
Mit nachdenklich gekrauster Stirn überlegte sie kurz. Dann fasste sie mich bei der Hand und zog mich zu den Beiden hin mit den Worten: „Ich wollte sie schon immer mal fragen, woher diese einmaligen Klingen kommen.“
Sie standen zusammen an der Stirnseite des Zimmers und unterhielten sich angeregt. Als wir näher kamen, unterbrachen sie ihr Gespräch. „Ich wollte schon immer wissen, woher eure Schwerter stammen“, kam Reneé sofort zur Sache. „Liebe Annas erklär es mir bitte, schon in Kumamoto habe ich deine Klinge bewundert: nur bist du seinerzeit meiner Frage ausgewichen.“
Kristanna warf Annas einen Blick zu, der einem Pokerspieler zur Ehre gereicht hätte. Annas schaute uns ihrerseits an, ohne eine Miene in ihrem aristokratischen Gesicht zu verziehen. Nach einem kurzen Moment meinte sie dann zu Reneé: „Da du ja doch keine Ruhe gibst, werden wir dich Unwissende jetzt aufklären.“
Ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen. Ich meinte, dabei in ihren Worten einen leicht belustigten Unterton herauszuhören. Als ich die drei Grazien vereint in Augenschein nahm, fiel es mir zum ersten Mal auf. Irgendwie hatte sich Reneés Ausstrahlung den Auren der beiden Göttinnen angeglichen. Jetzt wo sie eng bei beieinander standen, sah es so aus, als würden sie gemeinsam von einem golden flimmernden Schirm umgeben.
Ich blinzelte mehrmals, dann verschwand dieses Gefühl wieder. Dieses Trio war nun wirklich eine Augenweide; diese Kurven entzückten jeden Betrachter. Kristanna, eine große blonde Frau, mit langem seidigen Haar, eher ein skandinavischer Typ mit sportlich weiblichem Aussehen, hielt sich meist vornehm zurück. Über ihren lächelnden, an den Seiten leicht nach oben gezogenen Lippen sah ich himmelblaue Augen und eine gerade Nase. Mit einer Körpergröße von etwa 185 Zentimetern überragte sie die neben ihr stehende Annas, die nun ebenfalls eine aufregend frauliche Erscheinung war. Knapp 180 Zentimeter groß, war sie mit ihren gelockten bläulichschwarzen Haaren aber eher südländisch geprägt. Lebhafte dunkelbraune Augen und eine kleine Nase schmückten ihr Gesicht mit sinnlich vollen Lippen.
Für mich war natürlich die Krönung in der Runde dieser Grazien aber Reneé. Das weizenblonde kurze Haar gab ihrer Ausstrahlung eine freche, spitzbübische Note und die sensationelle Figur war in meinen Augen jederzeit gut für einen Schönheitspreis. Ihre fein gezeichneten Gesichtszüge wurden geziert mit grünen Augen wie ein klarer Bergsee und einer leicht angedeuteten Stupsnase.
Wenn sie ihr bezauberndes Lächeln zeigte, sah ich zwei süße Grübchen auf ihren Wangen. Etwa einen halben Kopf kleiner als Annas, war es aber erst ihr sauberer Charakter, ihr wacher Geist und nicht zuletzt ihr offenes Wesen, die zusammen mit ihren äußerlichen Attributen tiefe Empfindungen in mir geweckt haben; und ich hatte mich unsterblich in sie verliebt. Ich kam langsam wieder in zurück in die Gegenwart. Innerlich belustigt über meinen gedanklichen Exkurs schüttelte ich den Kopf und folgte weiter Annas Ausführungen.
„Bei diesen besonderen Schwertern geht es immer um die Seele der Klinge und vor allem darum, wer sie geschmiedet hat. Unsere beiden Klingen sind für die Begriffe eines Samurais ‚Mei to’, also bedeutende Schwerter. Von der Göttin Amaterasu o no kami wurden sie vor Jahrtausenden aus Sternenstahl geschmiedet. Neben unseren Klingen schuf sie auch für die japanischen Samurai und deren Kultur das bedeutendste Schwert Kusanagi, genannt Grasmäher.
In den Legenden kommen immer wieder außergewöhnliche Schwerter vor, die von hervorragenden menschlichen Schwertschmiedemeistern, die selber auch große Schwertkämpfer waren, geschaffen wurden. Aber die Göttin Amaterasu hat als erste dafür gesorgt, dass diesen Klingen eine Seele eingehaucht wurde. Die Namen dieser Schwerter enden mit der Silbe maru, was so viel bedeutet wie -absolut rein- im Sinne einer reinen Seele.“ Annas beendete ihren Vortrag. Beide Göttinnen schauten uns mit ausdruckslosen Mienen an, was sie meisterlich beherrschten.
Reneé nickte verstehend, da sie selbst eine Abhandlung über die Samurai und deren Schwerter geschrieben hatte. Während Sie, die ja quasi vom Fach war, die Erklärungen akzeptierte, versuchte ich hinter den Pokerfaces der Göttinnen zu erkennen, wie viel davon den Legenden zuzuordnen war. Besonders der Unterton in Annas Stimme beschäftigte meine Gedanken.
Nach einer kurzen Pause, in der wir um uns herum nur die Geräusche unserer übrigen Gefährten bei ihren Vorbereitungen hörten, meinte ich dann nur: „Eine schöne Geschichte.“ Zu Reneé gewandt fragte ich: „Na, bist du nun zufrieden? Dann können wir ja jetzt aufbrechen.“
Ich zog sie am Arm hinüber zu Marc und der restlichen Mannschaft. Ich schaute über die Schulter nach hinten und sah, wie die feixenden Blicke der beiden Göttinnen uns folgten. Zu Reneé gewandt murmelte ich leise: „Ich glaube denen kein Wort.“
Sie schaute mich belustigt an; kopfschüttelnd ließ ich ihren Arm los. In der Zeit zwischen Reneés ungeduldigem Antreiben und den letzten Vorbereitungen für unsere Mission rumorte ein Gedanke in meinem Kopf herum. Beim Einpacken unserer Tauschwaren und Geschenke, bestehend aus Stoffen, Stahlwaren und einem kleinen mit erlesenem Cognac gefüllten Holzfässchen, fiel mir auf, dass bisher kein einziges aufklärendes Wort über die Ebene Shimabara gefallen war. Weder wie es dort aussah, noch welche Bewohner, wilden Tiere und gefährlichen Pflanzen uns erwarteten.
Wie gerufen, blieb Annas gleich neben mir stehen. Ich benutzte die Gelegenheit um laut die Frage zu stellen: „Hallo Leute, weiß eigentlich jemand wie es aussieht auf dieser Ebene, die wir gleich betreten werden? Welche Bedingungen herrschen denn dort?“
Alle unterbrachen ihre jeweiligen Beschäftigungen und schauten mich an. Nadowessiu und Ahrens nickten beifällig. Reneé runzelte die Stirn. Ich konnte ihr direkt ansehen, dass sie dazu etwas anmerken wollte. Schnell kam ich ihr zuvor und fügte hinzu: „Es würde zu unserer Sicherheit beitragen, wenn wir uns schon ein wenig auf die Gegebenheiten dort einstellen könnten.“
Natürlich kam von Lucy einer ihrer typischen Kommentare: „Wäre ja nicht das erste Mal, dass irgendeines der üblichen Monster oder Ungeheuer versuchte, uns am Hintern zu packen.“ Ihr Mienen- und Gestenspiel, für das sie überall berühmt und berüchtigt war, begleitete diese Worte.
Nachdem sich die allgemeine Heiterkeit gelegt hatte, ergriff Annas das Wort: „Also, wir kommen auf eine Welt, die von Gott Robarth nicht erschaffen wurde, sondern er hat sie nur etwas umgestaltet. Shimabara ist eine von vielen erdähnlichen Planeten, die es in unserem Universum gibt. Soweit ich weiß, soll sich Shimabara in dem Sternbild befinden, das von euch als Pegasus bezeichnet wird. Ich war nur einmal dort auf Shimabara, und zwar in Robarths Begleitung.“
Sie machte eine kurze Pause und fuhr sich mit der Hand über die leicht gerunzelte Stirn. Dann erläuterte sie weiter: „Lange Zeit konnte dort die Entwicklung ihrer Bewohner und die der Fauna und Flora ohne äußere Einmischungen ablaufen. Die Schwerkraft ist in etwa so wie die auf der Erde, auch die Länge der Tage und Nächte ist identisch. Die Luftfeuchtigkeit beträgt etwa 80 Prozent und die Temperatur schwankt fast immer so um die 30 Grad; und es gibt des Öfteren mal heftige, monsunartige Regenschauer.“
Aufmerksam und interessiert verfolgten wir Annas weitere Ausführungen. „Das bedeutet, ein großer Teil von Shimabara ist mit dichtem Urwald bedeckt, den wir ebenso wie eine kleinere Steinund Kakteenwüste durchqueren müssen. In der Gegend, dort wo sich Robarths Festung befindet, gibt es einen aktiven Vulkan. Um unser Ziel, seine Heimstätte, zu erreichen, müssen wir zwei Ozeane überqueren.
Die Landmassen Hyōgen und Hyōga an den Polen, die von Eismassen bedeckt sind, können wir dagegen ignorieren. Außer mit Katzenmenschen und Affenmenschen hatten wir damals keinen Kontakt mit irgendwelchen Einheimischen. Die Sprache der beiden Volksgruppen ist der chinesischen und japanischen Sprache ähnlich, aber ihr habt ja alle einen Translator bekommen, damit ist zumindest die sprachliche Verständigung kein Problem.“
Mit nachdenklichem Gesicht marschierte sie einmal um den Tisch herum, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Dann blieb sie stehen und schaute uns nacheinander mit ihren dunkelbraunen, jetzt etwas leicht grünlich schimmernden Augen belustigt an.
„Zu den Affenmenschen gebe ich euch später, wenn wir zu ihnen stoßen, noch eine genauere Beschreibung. „Zuerst einmal werden wir bei unserer Expedition auf eine Ansiedlung von Katzenwesen treffen. Von dort aus schlagen wir uns zum Ufer des ersten Meeres durch. Ich hoffe, dass wir dazu einige Katzenmenschen als Führer anheuern können. Am Ufer des Dunklen Ozeans werden wir uns dann Boote für die Überquerung des zweiten Meeres mieten. Bei meinem ersten Kontakt mit den Katzen habe ich erfahren, dass es an den Ufern der Meere Siedlungen gibt, wo wir Boote gegen unsere mitgeführten Waren mieten können. Es gibt im Urwald, weit verstreut, mehrere Dörfer und Siedlungen dieser Katzenmenschen. Ja, was kann ich denn zu diesen Spezies sagen?“
Annas schlenderte langsam vor uns auf und ab. Sie nickte kurz mit dem Kopf, als ob sie sich zu ihrem guten Gedächtnis gratulieren wollte und begann zu erzählen: „Die Katzenmenschen nennen sich selbst dai shizen, was grob übersetzt ‚Mutter der Natur‘ bedeutet. Sie sind etwa Einmetersechzig groß, haben ein sehr dichtes, dunkelbraun bis rotbraun gestreiftes Fell und einen langen Schwanz mit einer Quaste am Ende. Sie gehen aufrecht auf zwei Beinen und nur auf der Flucht oder wenn sie sonst in Gefahr sind, benutzen sie beim Laufen noch ihre Hände mit. Durch ihren leichten Knochenbau und ihre starken Beinmuskeln, können sie weit springen. Sie sind sehr gute Kletterer, dabei benutzen sie ihren Schwanz oft als dritte Hand. Die Katzenmenschen sind Allesesser.“
Sie unterbrach ihre Wanderschaft, hob ihre Arme und beschrieb weiter: „An den Händen haben sie fünf krallenbewehrte Finger. Die gebogenen scharfen Krallen werden je nach Bedarf eingezogen oder ausgefahren. Einer der Finger ist in der Funktion unserem Daumen vergleichbar, das heißt, sie haben handwerkliches Geschick und benutzen Werkzeuge - aber auch Waffen! An den Füßen haben sie sechs Zehen mit sehr spitzen Zehennägeln. Sie verfügen, dank ihrer feinen Nase mit Schnurrhaaren und den fast runden Ohren, über ausgezeichnete Wahrnehmungsfähigkeiten und können, anders als wir, auch bei Dunkelheit noch sehr gut sehen. Sie leben im Urwald in Hütten, die sie aus Baumstämmen errichten; die Dächer sind mit Blättern gedeckt.“
Sie machte eine Pause, schaute uns an und sprach dann weiter: „Kurze, etwa ein Meter lange Blasrohre gebrauchen sie als Waffen, mit denen sie spitze Dornen verschießen. Diese Projektile stammen von einem besonderen Busch. Sie werden in einen Sud getaucht, dessen Gift den Gegner lähmt. Zur Jagd benutzen sie zusätzlich etwas, das so ähnlich wie eine Bola aussieht.“
Unterstützt von Gesten ihrer Arme erläuterte sie: „Das ist ein Strick, der aus Pflanzenstängeln zusammengedreht ist. An der Spitze teilt sich das Seil in vier Stränge auf, die an den Enden jeweils mit einem durchbohrten runden Stein verbunden sind.“ Dann grinste sie in Lucys Richtung und meinte spöttisch: „Zu deinen Bedenken von wegen Monstern und Ungeheuern kann ich nichts sagen. Aber ich hörte Katzenmenschen Geschichten von fliegenden Ungeheuern, schwimmenden Bestien und fleischfressenden Bäumen erzählen.“
Wir standen mittlerweile alle um den Tisch herum und lauschten gebannt Annas Informationen.
„Auf unserer Expedition werden wir auch noch zu den Schimpansen-Menschen stoßen. Ich weiß, dass deren Dörfer und Siedlungen verstreut an den Küsten der Gewässer liegen. Dort werden wir uns dann, wie schon erwähnt, die Boote zur Überquerung der Meere mieten.“
Als Annas Bericht endete, fragte Marc nach kurzer Pause in die Runde: „Seid ihr bereit oder hat dazu noch jemand eine Frage?“
Zwar schüttelten alle mit ernster Miene die Köpfe, aber ich hatte das sichere Gefühl, dass meine Gefährten über Annas Erzählungen noch länger nachdachten. Eigentlich waren wir mit unseren Waffen für mögliche Kämpfe ziemlich gut ausgerüstet. Egal welcher Gegner uns entgegentreten sollte, vor allem die Kampferfahrung jedes Einzelnen und das starke Team sprachen zu unseren Gunsten.
Um die ernste Stimmung ein wenig zu lockern, rief ich großspurig: „So lasset uns beginnen! Ihr braucht nur ‚Dirty Harry’ zu folgen, dann kann nichts mehr schief gehen.“ Dabei klopfte ich auf das Bowie-Messer an meiner Seite, befühlte meine beiden entsicherten Glocks in den Schulterhalftern und streckte stolz die Brust heraus.
Reneé verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse, klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter und sagte: „Ja, ja, unser Dirty Harry macht das schon. Aber lass jetzt mal die Luft raus, sonst bekommst du noch einen Buckel.“
Mit einem blasierten Ausdruck sah ich um mich und setzte ein imaginäres Monokel aufs rechte Auge. Dann meinte ich näselnd: „Meine Damen, meine Herren, wir können gehen.“ Es hatte vorher bereits eine große Diskussion gegeben, wer als Erster durch das Tor des Gargoyl gehen sollte. Marc meinte, es sei anzunehmen, dass Kraagen in der Ankunftsstation einige seiner Leute mit Schusswaffen postiert hat.“
Somit war ich mit meinen Glocks ein Kandidat der ersten Wahl. Die zweite Person war dann schnell gefunden, obwohl alle außer Ahrens und Annas sich nach vorne drängten und mit mir als Erste kommen wollten. Die Wahl fiel auf Karen, da sie im Nahkampf allen überlegen war und somit dafür prädestiniert, mit mir zuerst durchs Tor zu gehen. Dann sollten Marc mit Kristanna und Reneé folgen und zum Schluss Lucy mit Nadowessiu, Annas und Ahrens. Nach einigem Hin und Her war es dann beschlossene Sache, unser Abenteuer konnte endlich beginnen.
Annas nahm den Gargoyl von Niihama, legte die feinen Drähte auf dem silbernen Torwächter zu verschlungenen Mustern, die sie aus dem Buch ablas, in dem die Frequenzen notiert waren. Sofort begann der ovale Wächter leicht zu vibrieren und ein elektrisches Knistern erfüllte den Raum.
Ich bemerkte, dass selbst die Raben Hugin, Frigga und Gritha auf ihrem Wohnplatz unter dem Kuppeldach, ebenso beeindruckt und gespannt zusahen wie alle anderen Gefährten. Sie aber mussten zurückbleiben und weiter die Ebene beobachten. Es war faszinierend, als das Tor zu einer anderen Welt sich langsam öffnete und die Konturen eines kleinen Raumes sich abzeichneten.
An ihren Gesichtern sah ich Nadowessiu und Ahrens an, dass sie dem Übertritt mit gemischten Gefühlen gegenüber standen. Genau wie ich, trotz aller gemeinsamen Erfahrungen, die wir bei unseren ungewöhnlichen Abenteuern schon gemacht hatten.
Marc nickte mir auffordernd zu und ich zog meine Pistolen. Karen trat mit dem Jitte in der Hand kampfbereit neben mich. Ihre Hände waren mit dem Tebukuro, dem Handschutz bedeckt. Sie lächelte mir aufmunternd zu, während sie ihren linken Daumen hochstreckte: „Ich bin bereit.“ Karen hatte meine Anspannung bemerkt. Bei dieser auch aufmunternd gemeinten Geste sah ich in ihrem Gesicht eine konzentriert entschlossene Miene.
Meine Gefährten machten sich ebenfalls mit blanken Waffen kampfbereit. Als sich das Portal fertig manifestiert hatte, sprang Karen sofort in das dahinter liegende menschenleere Zimmer. Mit einem leisen Fluch, weil ich etwas gezögert hatte, folgte ich ihr.
An einer Seite des etwa viermal vier Meter großen Raumes stand eine Tür halb offen. Wir konnten laute Männerstimmen vernehmen, die sich auf Englisch unterhielten und sich ziemlich betrunken anhörten. Also war Kraagens Bande schon hier! Vorsichtig drückten wir die Tür auf. In der Mitte eines großen Saales saßen drei Männer an einem langen Tisch; sie wandten uns den Rücken zu. An der Wand leuchtete ein rotes Licht auf, was aber zu unserem Glück von ihnen nicht beachtet wurde. Vorsichtig schoben wir uns in den Raum hinein.
Die Kerle waren so mit dem Alkohol beschäftigt, dass wir uns ihnen unbemerkt nähern konnten. Als wir bis auf zwei Schritte heran waren, blickt einer der Männer auf. Er stierte mich mit verquollenen Augen irritiert an. Bevor sein benebelter Verstand registrierte, dass ungebetener Besuch gekommen war, sprang Karen ihn an. Sie musste ihm in ihrer schwarzen Kluft sprichwörtlich wie ein Geist erscheinen. Mit dem Messingstab traf sie den völlig konsternierten Typen seitlich am Hals. Während er mitsamt seinem Stuhl nach hinten kippte und mit dem Kopf auf die Steinfliesen knallte, was ihm den Rest gab, war Karen schon über seinen Saufkumpanen hergefallen. Mit einem trockenen Rückhandschlag traf sie mit dem Jitte seine Schläfe und schickte ihn ins Land der Träume.
Der Dritte griff fluchend nach dem Revolver, dabei wurde er fast von seinen zusammenbrechenden Kumpanen umgerissen. Als er dann endlich an seine Waffe kam, schlug ich ihn mit meiner Glock nieder.
Einen Augenblick später stürmte ein vierter Mann in den Saal. Dieser aber war nicht betrunken und erfasste die Situation sofort. Er riss seine Pistole aus dem Gürtel, während er verbittert fluchte: „Diese besoffenen Idioten.“
Karen reagierte wieder schneller als ich. Mit einem Ukemi in Richtung des Pistolenmannes brachte sie sich auf die richtige Distanz für ihre Wurfmesser. Die Hechtrolle vorwärts beenden, eine blitzschnelle Drehung machen und den Shuriken mit der linken Hand werfen, war wie eine einzige Bewegung. Karens Kiai schwebte noch in der Luft, als das Messer schon den Adamsapfel im Hals des Angreifers zerfetzte.
Mit ungläubigem Gesichtsausdruck ließ der Mann seine Automatik fallen. Beidhändig versuchte er den Blutstrom aus der Wunde einzudämmen. Röchelnd fiel er auf die Knie. Mit einem letzten lauten qualvollen Seufzer kippte er zur Seite und hauchte sein Leben auf den Steinfliesen aus.
Mittlerweile hatten alle unserer Gefährten durch die Kammer den Saal betreten. Das Gepäck abstellen, sich blitzschnell verteilen und die Türen bewachen; das war wie von einer Spezialtruppe eingeübt. Schnell durchsuchten wir die Kleidung der Gangster. Plötzlich quäkte das Funkgerät am Gürtel des Toten.
„Toni! Melde dich! Gibt’s was Neues?“
Geistesgegenwärtig nahm ich das Funkgerät und plärrte hinein:
„Was soll das! Wenn was anliegt, melden wir uns schon! Und lasst uns jetzt in Ruhe! Over and Out!“
Nach einem: „Sauft nicht so viel! Wenn ihr Scheiße baut, zieht euch Kraagen die Haut bei lebendigem Leibe ab!“, blieb das Gerät stumm.
Ich atmete tief ein und ließ die Luft erleichtert entweichen. Es war geschafft. Gott sei Dank schien es so, als hätten wir die Ebene Shimabara ohne große Komplikationen betreten. Die erste Schlacht war gewonnen. Leider konnte der Tod des Wachmannes nicht vermieden werden. Als die Situation soweit geklärt war, machten sich Marc und Reneé mit dem Rest der Gefährten auf, um die Ankunftsstätte Burg Guówáng nach weiteren Schergen Gott Kraagens zu durchsuchen.
Annas und Kristanna schauten sich nach der siegreichen Übernahme auf dem Hochplateau vor der Burg um. Sie erkundeten ob es möglicherweise Jemanden gelungen war unbemerkt zu entkommen. Wir hofften, dass den Gegnern unsere Ankunft noch nicht aufgefallen war.
Ich blieb als Schutz bei Karen und half ihr bei der Verschnürung der Wächter. In einer Kommode hatten wir unter anderem Seile gefunden, mit denen wir unsere Gefangenen fesseln konnten. Die bewusstlosen Wachen waren mit blauen Overalls und Springerstiefeln bekleidet. Karen ging bei der Fesselung mit den von uns überwältigten Kerlen nicht gerade sanft um. Grimmig zog sie die Stricke sehr stramm an.
„Also hatte Marc Recht mit seiner Annahme! Kraagen ist uns mit seinem Überfall auf die Ebene leider zuvor gekommen“, meinte ich verstimmt zu Karen, die dazu nur kurz bejahend schnaubte.
„Jetzt können wir nur hoffen, dass er ihren Vater noch nicht gefunden hat! Das wäre nicht gut für Reneés Seelenheil.“ Während Karen noch den letzten betrunkenen Ganoven verschnürte, sah ich mich im Raum um. Ich trat an den massiven ovalen Holztisch, um die goldenen Schriftzeichen zu betrachteten, die als Intarsien in die Oberfläche der Platte eingearbeitet waren. Ich rief Karen herbei und bat sie um ihre Deutung.
Als sie die Zeichen musterte erklärte sie mir: „Die ersten Zeichen bedeuten Tàiyáng shén, die letzten sind Robarths Initialen.“ „Sonnengott“, dachte ich bei mir, dass passt zu diesem Typen. Nachdenklich fragte ich Karen, während sie nochmals die Fesseln überprüfte: „Was machen wir jetzt mit diesen Verbrechern?“
Sie sah mich forschend an. Dann machte sie mit grimmiger Miene das Zeichen des Halsabschneidens. Bestürzt schaute ich sie mit runden Augen an. Sie musste über meinen anscheinend nicht gerade intelligenten Gesichtsausdruck so herzhaft lachen, dass sie fast keine Luft mehr bekam. „Das war ein Scherz“, schnaufte sie, immer noch außer Atem.
In diesem Moment kamen Annas und Kristanna zurück. Sie schauten uns fragend an, was Karen zum Anlass nahm, feixend auf mich zu deuten. Als dann auch noch der Rest unserer Gefährten von der Durchsuchung der Burg zurückkam und Reneé mit hochgezogenen Augenbrauen fragte: „Haben wir etwas verpasst?“, da war es um unsere Beherrschung geschehen.
Lachend versuchten wir unseren Zustand zu erklären, was zwar etwas länger dauerte, aber dann zur allgemeinen Erheiterung beitrug. Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich Karen so aufgekratzt und zu Scherzen aufgelegt sah. Als wir danach langsam wieder ernster wurden, erzählte Reneé, dass sie in einem größeren Zimmer der Burg mehrere riesige Skelette gefunden hatten. Die saßen noch in ihren Stühlen an einem runden Tisch, vor sich die Reste von benutztem Tafelgeschirr.
Kristanna meinte nachdenklich: „Mein Vater hat mir erzählt, dass Robarth Experimente mit Affen durchführte. Diese sehr aggressiven Affenmenschen waren mindestens drei Meter groß. Die hat er dann als Wächter für seine Festungen eingestellt; unter anderem als Schutz vor den Akatsukis.“
Annas entgegnete: „Robarth tat immer so, als wenn die Wächter die Burg noch beschützen würden. Wir sind damals mit einem Flugboot zu seiner Heimstatt geflogen. Jetzt erinnere ich mich, dass ich dort niemals wirklich welche gesehen habe. Erst viel später hörte ich Gerüchte, dass seine Wächter, bis auf einige wenige, an den Auswirkungen seiner Experimente gestorben waren. Die Überlebenden haben dann die Wächterfunktion aufgegeben und sein Refugium verlassen.“ Lucy murmelte etwas, was sich so anhörte wie „Typisch für diese Götter“ und machte eine abfällige Handbewegung.
Annas schaute Lucy verstimmt an, offensichtlich fühlte sie sich betroffen. Sie erwiderte aber dann ironisch: „Du hast ja so Recht!“, wobei ihre dunklen Augen blitzten. „Aber schau dir doch bitte mal eure so genannten „Herrgötter“ an. Die waren oder sind bis heute auch nicht besser! Was wurde und wird im Namen des Fortschrittes noch immer für Unrecht an Menschen und Tieren begangen?“
Lucy machte ein betretenes Gesicht. Als sie darauf etwas erwidern wollte, unterband Annas dies mit einer Handbewegung. „Aber ich kann dich beruhigen, es gibt in der Gegend von Robarths Königspalast auch heute noch Nachkommen von Opfern dieser Experimente.“
Nach einer kurzen Überlegung fügte sie an: „Sie nennen sich selber Rénmín, das Volk. Um zum Palast zu kommen, müssen wir durch ihr Gebiet. Wir haben leider kein Flugboot in der Burg gefunden. Somit sind wir etwas länger zu Fuß unterwegs.“
Marc unterband weitere Diskussionen, auch hinsichtlich der Götter, indem er Reneé mit einer Geste seiner Hand am Sprechen hinderte. „Leider ist uns Kraagen zuvor gekommen“, meinte er ärgerlich. „Das bedeutet, wir müssen sehr vorsichtig die Lage peilen. Erst dann können wir mit den Einheimischen in Ver-bindung treten.“
Damit brachte er unsere Gedanken wieder zurück zu unserer Mission. Mit dem mitgebrachten Proviant stärkten wir uns während der aufkommenden Diskussion über unser weiteres Vorgehen. Einige probierten etwas von dem Gebräu, das die Verbrecher übrig gelassen hatten. Es schmeckte mir ganz gut, hatte aber einen sehr hohen Alkoholanteil. Deshalb beließ ich es lieber bei einem Becher.
„Ich habe unterhalb des Plateaus so etwas wie eine Festung gesehen. Vielleicht leben dort Einheimische, von denen wir ein paar Informationen erhalten“, warf Kristanna in die Runde.
Das ist die Burg Bōrō, Robarths erster Ausguck, ein Wachturm für die Ankunftsstätte“, erklärte Annas.
Lucy meinte zwischen zwei Bissen ihres Energieriegels: „Ich glaube aber nicht, dass die Verbrecher jemanden am Leben lassen, so nahe am Ankunftstor des Gargoyls. Ich denke eher, dass dort die nächste Ganoven-Clique Wache schiebt, siehe Funkgerät.“
Ich unterband aber ein eventuelles Streitgespräch, indem ich die Frage stellte: „Was machen wir mit denen?“ Ich deutete mit vielsagendem Blick auf unsere Gefangenen, die mittlerweile aufgewacht waren. Aber wenn man zu ihnen hinsah, stellten sie sich bewusstlos. Ich hatte aber in einem Spiegel an der Wand gesehen, wie sie sich gegenseitig Blicke zuwarfen, während sie unser Gespräch aufmerksam belauschten.
Karen wollte etwas antworten, als Lucy uns kurz mit ihren Augen und einer verdeckten Handbewegung signalisierte, dass sie einen ihrer Späße vorhatte. Sie stand mit einem Ruck auf, so dass ihr Stuhl krachend nach hinten umfiel. In ihrer schnoddrigen Art rief sie: „Die Ganoven machen wir jetzt fertig! Wir schicken sie scheibchenweise zu ihrem Boss zurück.“
Feixend jonglierte sie mit zwei Wurfmessern vor unseren Nasen herum. Sie drehte sich zu den Gefangenen um und zog ein grimmiges Gesicht. Als sie auf die Gangster zuging, ließ sie ihre Wurmesser dicht vor den Augen der Dreien herumwirbeln.
Deren Gesichter wurden grau vor Angst. Ihre Vortäuschung einer Ohnmacht war damit aufgeflogen. Mit weit aufgerissenen Augen schauten sie auf Lucys Darbietung. Als dann auch noch Nadowessiu mit ihrem unnachahmlich grimmigen Gesichtsausdruck sich dazugesellte und mit dem Daumen theatralisch die Schneide ihres Tomahawks prüfte, da fielen die Drei fast wirklich in Ohnmacht.
Ich machte dann den Vorschlag, sie auf die Erde zurück zu schicken. „Wir verfrachten sie zusammen mit ihrem toten Kumpan nach Auckland ins Antiquitätenlager. Danach informieren wir die Polizei und hinterlassen einen Hinweis, dass diese Schwerverbrecher etwas mit dem Verschwinden von Marc, Lucy und Reneé vor sieben Jahren zu tun haben.“ Lucy und Reneé waren sofort von dieser Idee begeistert. Natürlich setzte Lucy noch einen drauf. Grinsend fabulierte sie: „Auf den Zettel für die Polizei schreiben wir: Unterzeichnet von NoHara, der Rächer von Niihama! Damit sie etwas zum Nachdenken haben!“ Sie fand ihren Gag richtig lustig. Als sie unsere feixenden Mienen sah, bekam sie fast einen Lachkrampf.