Die Beste Father Brown-Kriminalfälle - G. K. Chesterton - E-Book

Die Beste Father Brown-Kriminalfälle E-Book

G.K. Chesterton

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Beschreibung

Father Brown ist ein Geistlicher, der mit psychologischem Einfühlungsvermögen und durch logische Schlüsse auch die scheinbar mysteriösesten Kriminalfälle löst. Im Gegensatz zu anderen bekannten Romanhelden wie Sherlock Holmes und Agatha Christies Hercule Poirot steht bei Brown nicht so sehr die äußere Logik des Tatherganges, sondern die innere Logik und Motivation des Täters im Vordergrund. Brown ist ein englischer katholischer Pfarrer, der als Hobby Kriminalfälle löst. Dies gelingt ihm, indem er sich in den Täter hineinversetzt, dabei das Verbrechen selbst begeht, wie er sagt. Dabei ist er aber weniger daran interessiert, Verbrecher der irdischen Gerechtigkeit auszuliefern, sondern er will sie zu Gott führen; eine freiwillige Beichte des Täters genügt ihm. Dabei spielt es für ihn keine Rolle, welches Amt diese Person bekleidet.

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G. K. Chesterton

Die Beste Father Brown-Kriminalfälle

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1997-1

Inhaltsverzeichnis

Das blaue Kreuz
Der geheime Garten
Israel Gows Ehre
Der Unsichtbare
Mißgestaltet
Die verdächtigen Tritte
Die Sternschnuppen
Die Sünden des Prinzen Saradin
Der Hammer Gottes
Das Zeichen des zerbrochenen Schwertes
Die drei Todeswerkzeuge

Das blaue Kreuz

Inhaltsverzeichnis

Zwischen dem Silberbande des Morgens und dem grünen, glitzernden Bande der See legte das Dampfboot in Harwich an und ließ einen Schwarm Volkes entweichen, aus dem der Mann, dem wir folgen müssen, keineswegs hervorstach – noch es zu tun wünschte. Außer einem leichten Gegensatze zwischen der feiertäglichen Lebhaftigkeit seiner Kleidung und dem offiziellen Ernste seines Gesichtes war nichts Bemerkenswertes an ihm. Zu seiner Kleidung gehörte eine leichte, hellgraue Jacke, eine weiße Weste und ein Silberstrohhut mit blaugrauem Bande. Sein mageres Gesicht, das der Gegensatz dunkel erscheinen ließ, endete in einen kurzen, schwarzen Spitzbart, der spanisch aussah und eine Halskrause, wie man sie unter Elisabeth trug, zu verlangen schien. Mit dem Ernste eines Müßiggängers rauchte er eine Zigarette. Nichts an ihm deutete an, daß die graue Jacke einen geladenen Revolver, die weiße Weste einen Polizeipaß oder der Strohhut einen der scharfsinnigsten Köpfe Europas bedeckte. Denn es war Valentin selbst, das Haupt der Pariser Polizei und die berühmteste Spürnase der Welt, und er befand sich auf dem Wege von Brüssel nach London, um die bedeutendste Verhaftung des Jahrhunderts vorzunehmen.

Flambeau war in England. Die Polizei dreier Länder hatte endlich die Spuren des großen Verbrechers von Gent nach Brüssel und von Brüssel nach dem Hoek van Holland verfolgt; man mutmaßte, er würde die günstige Gelegenheit des Durcheinanders und des Fremdenandranges beim Eucharistischen Kongresse, der damals in London tagte, ausnützen. Wahrscheinlich würde er als irgendwelcher niedere Geistliche oder als eine Art von Kongreßsekretär reisen, aber gewiß konnte das natürlich Valentin nicht wissen; bei Flambeau war niemand sicher.

Der geheime Garten

Inhaltsverzeichnis

Aristide Valentin, Chef der Pariser Polizei, hatte sich zu seinem Diner etwas verspätet und einige seiner Gäste begannen vor ihm einzutreffen. Sie wurden jedoch von seinem getreuen Diener Iwan beruhigt, dem Alten mit der Narbe und einem Gesichte, das beinahe ebenso grau war wie sein Schnurrbart, und der immer an seinem Tische in der Vorhalle saß, einer mit Waffen behängten Vorhalle. Valentins Haus war vielleicht ebenso eigenartig und berühmt wie dessen Besitzer. Es war ein altes Haus mit hohen Mauern und mächtigen Pappeln, welche beinahe die Seine überhingen; aber das Seltsame seiner Bauart – und vielleicht sein Polizeiwert– bestand darin, daß es gar keinen anderen Ausgang ins Freie besaß, als den durch die Eingangstüre, die von Iwan und der Waffensammlung bewacht wurde. Der Garten war groß und gut gepflegt und es gab verschiedene Zugänge aus dem Hause in den Garten; aber es gab keinen Ausgang aus dem Garten in die Außenwelt. Ringsherum lief eine hohe, glatte unersteigbare Mauer mit eigentümlichen Stacheln auf dem Rücken, wohl kein übler Garten für einen solchen Mann, wenn man bedenkt, daß einige Hundert Verbrecher geschworen hatten, ihn aus der Welt zu schaffen.

Wie Iwan den Gästen erklärte, hatte ihr Gastgeber telephoniert, er sei noch auf zehn Minuten zurückgehalten. In Wirklichkeit war er dabei, noch einige letzte Anordnungen für Hinrichtungen und ähnliche garstige Dinge zu treffen, und obwohl ihm diese Pflichten von Grund aus widerwärtig waren, vollzog er sie doch stets mit aller Pünktlichkeit. Unbarmherzig in der Verfolgung von Verbrechern, war er sehr nachsichtig bezüglich ihrer Bestrafung. Seit er an der Spitze des französischen und im allgemeinen auch europäischen Polizeiwesens stand, verwandte er seinen großen Einfluß ehrlich zugunsten einer Milderung der Verurteilungen und einer Säuberung der Gefängnisse. Er war einer jener menschenfreundlichen Freidenker, welche das einzige Schlimme an sich haben, daß sie das Erbarmen sogar noch kälter als die Gerechtigkeit machen.

Als Valentin eintraf, steckte er bereits in schwarzer Kleidung mit der roten Rosette – eine elegante Gestalt mit dunklem, jedoch bereits ergrauendem Barte. Er begab sich geradeaus durch sein Haus in sein Studierzimmer, welches auf den dahinter liegenden Grundbesitz hinausging. Die Gartentüre war offen, und nachdem er seine Handtasche an ihren dafür bestimmten Platz versperrt hatte, stand er zwei Sekunden am offenen Fenster und blickte in den Garten hinaus.

Die scharfe Mondsichel kämpfte mit den fliegenden Fetzen und Trümmern eines Sturmes und Valentin betrachtete ihn mit einer für eine wissenschaftliche Natur, wie es die seinige war, ungewöhnlichen Nachdenklichkeit. Vielleicht besitzen solche wissenschaftliche Naturen irgendeinen seelischen Weitblick auf die schrecklichsten Probleme ihre Lebens. Wenigstens beeilte er sich, eine solche Stimmung von sich abzuschütteln, denn er wußte, er war spät daran und seine Gäste hatten schon begonnen einzutreffen. Ein Blick in den Salon genügte ihm bei seinem Eintreten, ihn zu vergewissern, daß sein hauptsächlichster Gast jedenfalls noch fehlte. Er sah all die anderen Stützen der kleinen Gesellschaft: er sah Lord Galloway, den englischen Gesandten, einen cholerischen alten Herrn mit einem rotbraunen Gesichte wie ein Apfel, und dem blauen Bändchen des Hosenbandordens. Er sah Lady Galloway, schmächtig und dünn wie ein Faden, mit silbernem Haar und einem empfindsamen und überlegenen Gesicht. Er sah deren Tochter, Lady Margaret Graham, ein bleiches und hübsches Mädchen mit einem Elfengesicht und kupferfarbenem Haar. Er sah die Herzogin von Mont St. Michel, schwarzäugig und üppig, und mit ihr ihre zwei Töchter, ebenfalls schwarzäugig und üppig. Er sah Dr. Simon, den typischen französischen Gelehrten mit Brille, braunem Spitzbart und einer von jenen parallelen Runzeln durchfurchten Stirne, welche die Strafe des Hochmutes sind, da sie durch fortwährendes Hochziehen der Brauen entstehen. Er sah Father Brown aus Cobhole in Essex, den er vor kurzem in England kennen gelernt hatte. Er sah – vielleicht mit mehr Interesse als irgend jemand von all diesen – einen großen Mann in Uniform, der sich zu den Galloways herabbeugte, ohne jedoch ein besonders herzliches Entgegenkommen zu finden, und nun herantrat, dem Gastgeber seine Aufwartung zu machen. Das war Hauptmann O’Brien von der französischen Fremdenlegion. Er war eine geschmeidige und doch etwas großtuerische Gestalt, glattrasiert, dunkelhaarig, blauäugig und, wie es bei einem Offizier jenes berühmten Regimentes siegreicher Mißerfolge und erfolgreicher Selbstmorde natürlich schien, mit einem Ausdrucke von Ungestüm sowohl wie von Schwermut. Er war von Geburt Irländer und hatte in jungen Jahren die Galloways gekannt – besonders Margaret Galloway. Von Gläubigern bedrängt, hatte er seine Heimat verlassen und brachte jetzt seine vollständige Verachtung für britische Etikette dadurch zum Ausdruck, daß er in Uniform und mit Säbel und Sporen umherschlenderte. Als er sich Zur Familie des Gesandten herniederbeugte, verneigten sich Lord und Lady Galloway steif und Lady Margaret blickte zur Seite.

Doch aus welchen alten Gründen auch immer solche Leute aneinander interessiert sein mochten, ihr ausgezeichneter Gastgeber nahm kein besonderes Interesse an ihnen. Keines von ihnen war wenigstens in seinen Augen der Gast des Abends. Valentin erwartete aus besonderen Gründen einen Mann von weltumfassendem Rufe, dessen Freundschaft er sich auf einigen seiner großen Detektivreisen in den Vereinigten Staaten erworben hatte. Er erwartete Julius A. Brayne, jenen Multimillionär, dessen riesige und selbst erdrückende Schenkungen zugunsten kleiner Religionsgemeinschaften den amerikanischen Blättern Anlaß zu manchem leichten Scherz und zu manchem leichten Ernst gaben. Niemand konnte genau angeben, ob Mr. Brayne Atheist war oder Mormone oder Gesundbeter; aber er war stets bereit, Geld in jedes geistige Gefäß zu schütten, solange dieses keins war, das sich überlebt hatte. Eines seiner Steckenpferde bestand darin, auf den amerikanischen Shakespeare zu warten – ein Steckenpferd, das mehr Geduld erforderte als Angeln. Er bewunderte Walt Whitman, hielt aber Lukas P. Tanner aus Paris, Pa., für »fortschrittlicher« als Whitman. Er hatte eine Vorliebe für alles, was er für fortschrittlich hielt. Auch Valentin hielt er für fortschrittlich, tat ihm damit aber ein großes Unrecht an.

Das Erscheinen Julius K. Braynes im Zimmer wirkte so entscheidend wie die Tischglocke. Er besaß jene große Eigenschaft, welcher sehr wenige von uns sich rühmen können, nämlich daß seine Gegenwart so fühlbar wirkte wie seine Abwesenheit. Er war von mächtiger Gestalt, ebenso fett wie stark, steckte in tadelloser Abendtoilette, ohne ihr auch nur durch so viel wie eine Uhrkette oder einen Ring nachzuhelfen. Sein Haar war weiß und wie bei einem Deutschen glatt nach rückwärts gekämmt, das Gesicht rot, leidenschaftlich und unschuldig, mit einem dunklen Knebelbarte an der Unterlippe, was diesem sonst kindlichen Gesichte etwas Theatralisches, ja selbst Mephistophelisches verlieh. Nicht lange jedoch beschränkte sich dieser Salon darauf, den berühmten Amerikaner anzustarren, sein verspätetes Kommen war schon ein häusliches Problem geworden und mit aller Beschleunigung wurde er mit Lady Galloway am Arme in das Speisezimmer geschickt.

Einen Punkt ausgenommen, waren die Galloways ganz heiter und unbefangen. Solange Lady Margaret nicht den Arm jenes Abenteurers O’Brien nahm, war ihr Vater ganz zufrieden, und sie hatte es nicht getan, sie war, wie es sich geziemte, mit Dr. Simon eingetreten. Nichtsdestoweniger war der alte Lord Galloway unruhig und beinahe grob. Während des Diners benahm er sich noch halbwegs als Diplomat, als aber bei den Zigarren drei von den jüngeren Herren – Simon, der Doktor, Brown, der Priester, und der störende O’Brien, der Verbannte in fremder Uniform – sich verzogen, um sich unter die Damen zu mischen oder im Gewächshause zu rauchen, wurde der englische Diplomat in der Tat sehr undiplomatisch. Alle sechzig Sekunden stachelte ihn der Gedanke auf, der Taugenichts von einem O’Brien könnte irgendwie Lady Margaret Zeichen machen; auf welche Weise, bemühte er sich erst gar nicht sich vorzustellen. Er war mit Brayne, dem weißhaarigen Yankee, der an alle Religionen glaubte, und Valentin, dem ergrauenden Franzosen, der an gar keine glaubte, seinem Kaffee überlassen. Miteinander streiten, das konnten sie, aber keiner von ihnen war imstande, ihn ins Gespräch zu ziehen. Nach einiger Zeit hatte die fortschreitende Wortklauberei den Gipfelpunkt der Langweile erreicht und Lord Galloway erhob sich und suchte den Salon auf. Sechs bis acht Minuten verlor er in den langen Gängen seinen Weg, bis er die hochgestimmte, dozierende Stimme des Doktors und dann die langsame des Priesters gefolgt von allgemeinem Gelächter hörte. Aber im Augenblicke, da er die Salontüre öffnete, sah er nur eines – er sah was nicht dort war. Er sah, daß Hauptmann O’Brien fehlte und daß auch Lady Margaret nicht da war.

Israel Gows Ehre

Inhaltsverzeichnis

Ein stürmischer Abend von Oliv und Silber neigte sich, als Father Brown in einen grauen schottischen Plaid gehüllt dem Ende eines grauen schottischen Tales zuschritt und das wunderliche Schloß Glengyle gewahrte. Gleich einer Sackgasse schloss es die Talenge ab und sah aus, als sei hier die Welt zu Ende. Mit seinen steilen Dächern und Spitztürmen von seegrünem Schiefer in der Art der alten französich-schottischen Schlösser erweckte es einem Engländer die Erinnerung an die unheimlichen Spitzhüte der Zauberinnen in den Märchenbüchern; und die Tannenwälder, welche die grünen Türme umwogten, sahen in ihrem Schwarz gewissermaßen aus wie Rabenscharen. Diese Note von etwas Träumerischem, fast Schläfrigem und Teuflischem war nicht reine Laune der Landschaft. Denn es lagerte über dem Platze eine jener Wolken von Stolz, Wahnsinn und geheimnisvollem Leid, die schwerer über den Edelsitzen Schottlands lasten, als über denen anderer Menschenkinder. Denn Schottland besitzt ein doppeltes Maß von jenem Gifte, das man Erbteil nennt: das Bewußtsein des Blutes im Edelmann und das des Verhängnisses im Kalvinisten.

Der Priester hatte sich auf einen Tag von seiner Arbeit in Glasgow frei gemacht, um mit seinem Freunde Flambeau, dem Liebhabergeheimpolizisten, zusammenzutreffen, der sich mit einem anderen mehr amtlichen Kollegen in Schloß Glengyle befand, um die Untersuchung über das Leben und den Tod des verstorbenen Grafen von Glengyle durchzuführen. Diese geheimnisvolle Person war der letzte Vertreter eines Geschlechtes, dessen Tapferkeit, Verschrobenheit und gewalttätige Verschlagenheit es sogar bei unheimlichen, vornehmen Kreisen seiner Nation gefürchtet machte. Niemand hatte so tiefen Anteil an jenem Labyrinth von Ehrgeiz, jenem Lügengewebe, das um Maria Stuart, Schottlands Königin, gewoben worden war. Das in der Landbevölkerung erhaltene Sprichwort verriet klar genug Beweggrund und Zweck jener Machenschaften:

»Was der grüne Saft den Bäumen, Ist den Ogilvies das rote Gold.«

Viele hundert Jahre lang hatte es keinen ehrenwerten Herrn auf Schloß Glengyle gegeben und mit dem Zeitalter Viktorias hatte man meinen mögen, hätten sich all ihre Übergeschnapptheiten erschöpft. Der letzte Glengyle jedoch genügte seiner Stammesüberlieferung, indem er das einzige tat, was noch zu tun übrig blieb: er verschwand. Ich meine damit nicht, daß er ins Ausland ging. Allem Gerede nach war er, wenn irgendwo, noch im Schlosse. Doch obwohl sein Name im Kirchenbuche und dem dicken, roten Hofalmanach stand, bekam den Träger doch niemand zu sehen.

Wenn überhaupt jemand ihn zu Gesicht bekam, war es ein einsamer Knecht, ein Mittelding zwischen Diener und Gärtner. Er war so taub, daß das gewöhnliche Volk ihn für stumm hielt, während die Scharfsinnigeren ihn als Idioten bezeichneten. Ein hagerer, rothaariger Arbeiter mit verbissenem Unterkiefer, aber ganz ausdruckslosen blauen Äugen, hörte er auf den Namen Israel Gow und war der einzige und schweigsame Diener auf diesem verlassenen Besitztum. Doch die Ausdauer, mit welcher er Kartoffeln grub, und die Regelmäßigkeit, mit der er in der Küche verschwand hinterließen im Volke den Eindruck, er bereite die Mahlzeiten für seinen Herrn zu und als sei der merkwürdige Graf noch im Schlosse verborgen. Wenn man noch irgendeines weiteren Beweises bedurfte, so war es der, daß sein Diener ständig versicherte, der Herr sei nicht zu Hause. Eines Morgens wurden der Bürgermeister und der Prediger (denn die Gengyles waren Presbyterianer) auf das Schloß entboten. Dort fanden sie, daß der Gärtner, Diener und Koch seinen vielen Berufen noch den eines Leichenbestatters hinzugefügt und seinen edlen Herrn in einen Sarg vernagelt hatte, wieviel oder wie wenig diese sonderbare Tatsache untersucht worden war, lag noch nicht sehr klar zutage, denn in der Sache hatte niemals eine amtliche Untersuchung stattgefunden, bis Flambeau vor einigen Tagen nach dem Norden abgereist war. Bis dahin hatte der Leichnam Lord Glengyles (wenn dieser es war) seit einiger Zeit in dem kleinen Friedhofe auf dem Hügel gelegen.

Als Father Brown durch den düsteren Garten schritt und in den Schatten des Schlosses trat, hing dichtes Gewölk hernieder und die Tust war gewitterschwül und feucht. Im letzten Schimmer des grünlich-goldenen Sonnenunterganges sah er einen schwarzen menschlichen Umriß, einen Mann in einem altmodischen Zylinder, auf der Schulter einen großen Spaten tragend. Die Zusammenstellung gemahnte merkwürdig an einen Totengräber, doch als Brown des tauben, Kartoffel grabenden Dieners gedachte, schien sie ihm ganz natürlich. Er wußte einiges von den schottischen Bauern, er kannte ihre Ehrerbietung, die es ganz gut notwendig erscheinen lassen konnte, bei einer amtlichen Untersuchung in »Schwarz« zu erscheinen. Er kannte auch ihre Sparsamkeit, die darob nicht eine Stunde Kartoffelgrabens verlieren würde. Selbst des Mannes Aufschrecken und argwöhnischer Blick, als der Priester vorüberging, standen hinreichend im Einklang mit der Wachsamkeit und Eifersucht eines solchen Typs.

Die große Pforte ward von Flambeau selbst aufgetan, er hatte einen hageren, eisengrauhaarigen Mann bei sich, der in der Hand Papiere hielt: Inspektor Graven vom Polizeiamt Scotland Yard. Die Vorhalle war zum größten Teile nackt und leer, nur die bleichen, höhnischen Gelichter von ein paar jener gottlosen Ogilvies blickten unter ihren schwarzen Perücken aus gedunkelter Leinwand herab.

Als Father Brown in ein inneres Zimmer folgte, bemerkte er, daß die beiden Berufsgenossen an einem langen, eichenen Tische gesessen hatten, dessen Ende mit beschriebenen Papieren, Whisky und Zigarren belegt war. Seine ganze übrige Länge nahmen einzelne Gegenstände ein, die in Abständen voneinander aufgestellt waren, Gegenstände, so unerklärlich, wie sie nur sein konnten. Man sah da etwas wie ein Häufchen glitzernden zerbrochenen Glases. Dann gab es etwas wie einen höheren Haufen braunen Staubes. Ein drittes sah aus wie ein einfacher Stock aus Holz.

»Sie scheinen eine Art geologischen Museums hier zu haben,« sagte er, als er sich niedersetzte und mit einem kurzen Kopfnicken nach dem braunen Staube und den Glassplittern wies.

»Kein geologisches Museum,« erwiderte Flambeau, »sagen wir, ein psychologisches Museum.«

»O, um’s Himmels willen.« rief der Polizeibeamte lachend, »fangen wir doch nicht mit so langen Worten an.«

»Wissen Sie nicht, was Psychologie bedeutet?« fragte Flambeau freundlich erstaunt. »Psychologie bedeutet übergeschnappt sein.«

»Ich verstehe noch nicht recht,« gab der Beamte zurück.

»Nun,« sagte Flambeau mit Bestimmtheit, »ich meine, daß wir bezüglich Lord Glengyles nur eine Tatsache herausgefunden haben. Er war irrsinnig.«

Gows schwarzer Schattenriß mit seinem Zylinderhut und Spaten zog vor dem Fenster vorüber und hob sich gegen den dunkelnden Abendhimmel ab. Father Brown starrte ihn gleichgültig an und begann:

»Ich kann es begreifen, irgend etwas muß bei dem Manne nicht ganz richtig gewesen sein, sonst hätte er sich nicht lebendig begraben, noch auch solche Eile gehabt, sich tot begraben zu lassen. Über was veranlaßte Sie, anzunehmen, daß es Irrsinn gewesen sei?«

»Nun,« sagte Flambeau, »hören Sie nur einmal das Verzeichnis von Dingen, die Mr. Craven im Hause vorgefunden hat.«

»Wir müssen eine Kerze haben,« bemerkte Craven plötzlich, »es zieht ein Gewitter herauf und es wird zu finster zum Lesen.«

»Haben Sie unter Ihren Merkwürdigkeiten Kerzen gefunden?« fragte Brown lächelnd.

Flambeau blickte ernst auf und heftete seine dunklen Augen auf seinen Freund.

»Das ist auch sonderbar,« sagte er.

»Fünfundzwanzig Kerzen und keine Spur von einem Kerzenleuchter.«

Immer rascher verdunkelte sich das Zimmer und immer rascher heulte der Sturm als Brown den Tisch entlang schritt bis dorthin, wo ein Bündel Wachskerzen inmitten anderen wertlosen Krams lag. Dabei bückte er sich zufällig über den Haufen rotbraunen Staubes und ein scharfes Niesen unterbrach die Stille.

»Hallo!« rief er. »Schnupftabak.«

Er nahm eine der Kerzen, zündete sie vorsichtig an, kam zurück und steckte sie in den Hals der Whiskyflasche. Die ruhelose Nachtluft pfiff durch das rissige Fenster und ließ die lange Flamme gleich einem Banner wehen. Und rings um das Schloß konnte man das meilenweite Rauschen schwarzer Tannenwälder vernehmen, die wie ein schwarzes Meer gegen einen Felsen brandeten.

»Ich werde daß Inventar verlesen,« begann Craven ernst und nahm eines der Papiere zur Hand, »die Liste dessen, was wir lose und unaufgeklärt im Schlosse vorfanden. Ich muß vorausschicken, daß der Ort für gewöhnlich aufgeräumt und vernachlässigt war, ein paar Zimmer jedoch waren sichtlich in einfachem, keineswegs dürftigem Stile von irgend jemand bewohnt gewesen, von jemand, der nicht mit dem Diener Gow identisch war. Das Verzeichnis lautet wie folgt:

»Erstens: Eine beträchtliche Menge von Edelsteinen, fast alles Diamanten, sämtlich lose, ohne irgendwelche Fassung. Es ist natürlich begreiflich, daß die Ogilvies Familienjuwelen besaßen, aber das sind gerade jene, die fast immer zu bestimmten Ornamenten vereint sind. Man möchte meinen, die Ogilvies hätten die ihrigen wie Kupfergelb lose in der Tasche herumgetragen.

Zweitens: Haufen und Haufen von losem Schnupftabak, weder in Horn noch in Beutel verwahrt, sondern in Haufen auf den Kaminen, dem Anrichtetisch, dem Klavier, kurz überall herumliegend. Es sieht aus, als habe der alte Herr sich nicht die Mühe machen wollen, in eine Tasche, zu langen oder einen Deckel aufzumachen. Drittens: Da und dort im Hause sonderbare Haufen kleiner, winziger Metallstücke, einige wie Stahlsprungfedern, andere in Form mikroskopischer Räder, als habe man irgendein mechanisches Spielwerk ausgeweidet.

Viertens: Die Wachskerzen, welche in Flaschenhälsen gesteckt haben müssen, weil es sonst nichts gibt, um sie hineinzustecken. Nun möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, wieviel sonderbarer all dieses ist als alle unsere früheren Entdeckungen. Für den Kern des Rätsels sind wir vorbereitet; wir haben alle auf einen Blick erkannt, daß etwas mit dem letzten Grafen nicht in Ordnung war. Wir kamen hierher, um herauszufinden, ob er wirklich hier gelebt hat, wirklich hier gestorben ist, ob die rothaarige Vogelscheuche, die ihn begrub, mit seinem Tode etwas zu tun hatte. Aber einmal von all dem das Schlimmste angenommen, die dunkelste oder melodramatischste Lösung die Sie wollen. Nehmen wir an, der Diener ermordete wirklich den Herrn, oder nehmen wir an, der Herr ist wirklich nicht tot, oder nehmen wir an, der Herr ist als Diener verkleidet oder der Diener wurde anstatt des Herrn begraben; denken Sie sich was immer für eine Schaudergeschichte aus, so haben Sie für eine Kerze ohne Leuchter noch immer keine Erklärung, noch weshalb ein ältlicher Herr aus guter Familie die Gewohnheit haben sollte, auf dem Klavier seinen Schnupftabak zu lagern. Den Kern der Geschichte konnten wir uns vorstellen; der Rahmen, die Fransen, das ist das Geheimnisvolle daran. Selbst bei lebhaftester Einbildungskraft kann der menschliche verstand Schnupftabak und Diamanten und Uhrwerk und Wachs nicht in Zusammenhang bringen.«

»Mir scheint, ich verstehe den Zusammenhang,« warf der Priester ein. »Dieser Glengyle war ein verbitterter Gegner der französischen Revolution. Er war begeisterter Anhänger des ›ancien régime‹ und bemüht, das Familienleben der letzten Bourbonen buchstäblich wieder ins Leben zu rufen. Er gebrauchte Schnupftabak, weil es der Luxusartikel des achtzehnten Jahrhunderts war; Wachskerzen, weil sie die Beleuchtung des achtzehnten Jahrhunderts waren, die eisernen Mechanikteilchen geben die Schmiedeliebhaberei Ludwigs XVI. wieder, und die Diamanten sind für das Diamantenhalsband Marie Antoinettes.«

Aber die beiden anderen starrten ihn mit großen Augen an.

»Was für eine ganz sonderbare Idee!« rief Flambeau. »Glauben Sie wirklich, das ist die Wahrheit?«

»Ich bin vollkommen sicher, sie ist es nicht,« erwiderte Father Brown, »nur sagten Sie, niemand könne Schnupftabak mit Diamanten und Uhrwerk mit Wachskerzen in Zusammenhang bringen. Ich gebe Ihnen diesen Zusammenhang aus dem Stegreif, aber ich bin ganz sicher, die eigentliche Wahrheit liegt tiefer.«

Er hielt einen Augenblick inne und lauschte dem Klagen des Windes in den Türmen, dann sagte er: »Der verstorbene Graf Glengyle war ein Dieb. Er lebte ein zweites und noch dunkleres Leben als verwegener Einbrecher. Er besaß keine Leuchter, denn er gebrauchte diese Kerzen nur kurz geschnitten in der kleinen Laterne, die er bei sich trug. Den Schnupftabak verwendete er wie die ärgsten französischen Verbrecher den Pfeffer, um ihn plötzlich in dichter Masse einem Verfolger oder Häscher ins Gesicht zu schleudern. Aber der ausschlaggebende Beweis liegt in dem sonderbaren Zusammentreffen der Diamanten und kleinen Stahlräder. Das macht Ihnen doch sicher alles klar? Diamanten und kleine Stahlräder sind die einzigen Werkzeuge, mit denen man eine Glasscheibe ausschneiden kann.«

Der Ast einer verwitterten Tanne schlug im Winde heftig gegen das Fenster hinter ihnen wie in einer Einbruchsparodie, aber sie wandten sich nicht danach um. Ihre Blicke waren auf Father Brown geheftet.

»Diamanten und Rädchen,« murmelte Craven mehrmals. »Ist das alles, was Sie dies als die wahre Erklärung ansehen läßt?«

»Ich halte es nicht für die wahre Erklärung,« erwiderte der Priester gemächlich, »aber Sie sagten, niemand kann die vier Dinge miteinander in Verbindung bringen. Der wahre Sachverhalt ist natürlich ein viel eintönigerer. Glengyle hatte auf seinem Besitztume Edelsteine gefunden oder glaubte sie gefunden zu haben. Irgend jemand hatte ihn mit diesen losen Brillanten beschwindelt und ihm gesagt, sie seien in den Höhlen des Schloßbesitzes gefunden worden. Die Rädchen haben etwas mir der Diamantenschleiferei zu tun. Er verstand die Sache nur sehr oberflächlich und betrieb sie in kleinem Maßstabe mit Hilfe von Hirten und unerfahrenen Leuten. Schnupftabak ist der einzige große Luxusartikel solcher schottischer Hirten, es ist das einzige Mittel, womit man sie gefügig machen kann. Sie hatten keinen Leuchter, weil sie keinen brauchten, sie trugen die Kerzen in der Hand, wenn sie die Höhlen durchforschten.«

»Ist das alles?« fragte Flambeau nach einigem Sinnen. »Sind wir endlich der albernen Wahrheit auf den Grund gekommen?«

»O nein,« sagte Father Brown.

Wahrend der Wind in den fernen Tannenforsten mit langgezogenem, geradezu höhnischem Heulen erstarb, fuhr Father Brown mit vollkommen teilnahmsloser Miene fort:

»Ich wies nur darauf hin, weil Sie sagten, man könne nicht in annehmbarer Weise Schnupftabak mit Uhrwerk, Kerzen und funkelndem Gestein in Verbindung bringen. Zehnerlei falsche Philosophien lassen sich auf das Weltall anwenden und zehnerlei falsche Theorien werden für Schloß ??Glengnle passen, Wir wollen jedoch die richtige Erklärung von Schloß und Weltall. Aber gibt es keine anderen?«

Craven lachte, während Flambeau sich lächelnd erhob und bedächtig den Tisch entlang schritt. »Fünftens, sechstens, siebtens usw.« sagte er, »alles gewiß mehr abwechslungsreich, als belehrend. Da ist eine sonderbare Sammlung nicht von Bleistiften, sondern von Blei aus Bleistiften. Ein nichtssagender Stock aus Bambus, oben ziemlich zersplittert. Es könnte möglicherweise das Werkzeug sein, womit das Verbrechen begangen wurde. Nur daß kein Verbrechen vorhanden ist. Die einzigen anderen Gegenstände sind ein paar alte Missale und kleine Heiligenbilder, welche die Ogilvies, glaube ich, noch aus dem Mittelalter her aufbewahrten; ihr Familienstolz war eben doch stärker als ihr Puritanismus. Wir fügten sie nur dem Museum bei, weil sie in merkwürdiger Weise zerschnitten und entstellt scheinen.«

Der draußen rasende Sturm trieb gerade schreckhafte Wolkenungetüme über Glengyle hin und hüllte den Raum in Finsternis, als Father Brown die kleinen, handgemalten Blätter zur Hand nahm, sie zu prüfen. Er äußerte sich noch, ehe die Finsternis gewichen war: doch es schien die Stimme eines ganz anderen Menschen.

»Mr. Craven.« sagte er im Tone eines um zehn Jahre Jüngeren, »Sie haben eine gesetzliche Vollmacht, nicht wahr, hinauf zu gehen und das Grab zu untersuchen? Je eher wir das tun und dieser entsetzlichen Geschichte auf den Grund kommen, um so besser. Ich an Ihrer Stelle würde mich sofort aufmachen.«

»Sofort,« wiederholte der erstaunte Detektiv, »und weshalb sofort?« »Weil das hier hochernst ist,« antwortete Brown; »das ist nicht ausgeschütteter Schnupftabak oder lose Kiesel, das hier kann eine hundertfache Bewandtnis haben. Meines Wissens gilt es nur einen Grund, weshalb dies hier geschehen sein kann, und dieser Grund reicht hinauf bis Zu den Anfängen der Welt. Diese Heiligenbilder sind nicht nur eben abgegriffen oder zerfetzt oder bekritzelt, wie es aus Unbedacht oder Fanatismus Kinder oder Protestanten getan haben könnten. Mit diesen hier hat man sehr sorgfältig und sehr eigentümlich verfahren. An jeder Stelle, wo der reichvergoldete Name Gottes in der alten Handmalerei vorkommt, ist er vorsätzlich ausgeschnitten. Das einzige was sonst noch entfernt wurde, ist der Heiligenschein um den Kopf des Jesukindes. Deshalb sage ich, machen wir von unserer Vollmacht, unserem Spaten und unserer Hacke Gebrauch und gehen wir hinauf, den Sarg zu öffnen.«

»Aber weshalb denn meinen Sie das?« fragte der Londoner Beamte.

»Ich meine,« antwortete der kleine Priester und seine Stimme schien im Heulen des Windes anzuschwellen, »ich meine, daß der böse Geist von Anbeginn in diesem Augenblick in hundertfacher Elefantengröße auf der Turmspitze dieses Schlosses sitzt, brüllend wie in der Apokalypse. Der ganzen Geschichte steckt irgendeine Zauberei zugrunde.

»Zauberei,« wiederholte Flambeau leise, denn er war ein zu aufgeklärter Mann, um sich nicht in diesen Dingen auszukennen; »aber was können diese anderen Sachen bedeuten?«

»O, etwas Fluchwürdiges, vermute ich,« erwiderte Brown ungeduldig, »Was weiß ich? Wie kann ich all ihre Irrgange dort unten erraten? Vielleicht kann man aus Schnupftabak und einem Bambusrohr ein Folterwerkzeug herstellen, vielleicht haben Umnachtete ihre Freude an Wachs und Stahlspänen. Vielleicht stellt man aus Bleistiften Zaubertränke her! Unser kürzester Weg das Geheimnis aufzuklären, führt hinauf zum Grabe.«

Seine Gefährten merkten es kaum, daß sie ihm gehorchten und folgten, bis ein Nachtwindstoß sie im Garten fast zu Boden warf. Nichtsdestoweniger hatten sie ihm wie Automaten gehorcht; denn Craven fand sich mit einer Hacke in der Hand und der Vollmacht in der Tasche, Flambeau schleppte den schweren Spaten des absonderlichen Gärtners mit sich, und Father Brown trug das kleine goldbemalte Buch, aus dem der Name Gottes ausgeschnitten war.

Der Pfad den Hügel hinauf zum Friedhof war gewunden, aber kurz: nur in diesem heulenden Sturme schien er mühsam und lang. Soweit das Auge reichte und je höher hinauf sie stiegen, desto weiter und weiter erstreckte sich das Meer von Tannen, jetzt alle unter dem Winde nach derselben Seite gebeugt. Und dieses ganze umfassende Gewoge schien ebenso zwecklos wie endlos, so zwecklos, als pfiffe jener Wind um irgendeinen zwecklosen, unbewohnten Planeten. Durch all das unermeßliche Wachstum graublauer Forste sang schrill und hoch das alte Klagen, das im Tiefinnern alles Heidnischen wohnt. Man hätte meinen mögen, die Stimmen aus dem undurchdringlichen Blättermeere seien die Schreie der verlorenen und unstäten heidnischen Götter, Götter, die in diesen grundlosen Forsten umherstreiften, um nie wieder ihren Weg zum Himmel zurückfinden zu können.

Sie waren auf dem grasbedeckten Scheitel des Hügels angelangt, einem der wenigen freien Plätze, der sich deutlich vom ächzenden und stöhnenden Tannenwald abhob. Eine ärmliche Einfriedung halb aus Holz und halb aus Draht, rüttelte im Sturmwinde, um ihnen die Umgrenzung des Friedhofes kenntlich zu machen.

Doch eben als Inspektor Craven am Rande des Grabens angekommen war und Flambeau seinen Spaten zu Boden gesenkt hatte, um sich darauf zu stützen, machte etwas sie beide ebenso erbeben wie das wankende Holz und der klingende Draht. Am Fußende des Grabes wuchsen große, hohe Disteln, grau und silbern verblüht. Ein paarmal, als ein Knollen Distelwolle vom Winde losgelöst vorüberflog, sprang Craven leicht zur Seite, als wäre es ein Pfeil.