Die Braut des Henkers - Brida Baardwijk - E-Book

Die Braut des Henkers E-Book

Brida Baardwijk

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Beschreibung

England, Mitte des 17. Jahrhunderts. Elizabeth Montgomery, von ihren Freundinnen nur Sally genannt, wurde von ihrem wohlhabenden Vater gehegt und gepflegt. Obwohl Elizabeth bereits zwanzig Jahre zählte, war sie immer noch nicht verheiratet. Bisher konnte sie alle Bemühungen ihrer Eltern, sie unter die Haube zu bringen, abwehren. Lilith, Sallys Stiefmutter, gefiel dies gar nicht. Sie setzte ihrem Gatten und der Stieftochter die Pistole auf die Brust. Sollte Elizabeth nicht innerhalb eines Jahres verheiratet oder wenigstens eine Vermählung in Aussicht sein, würde sie in ein Kloster geschickt werden. Adrian gelang es nicht, sich gegen seine Gattin durchzusetzen, die vor nichts zurückschreckte. Auch nicht vor Intrigen, Entführungen und Mord. Allen Widrigkeiten zum Trotz, ging Sally ihren eigenen Weg, wenn auch einen recht ungewöhnlichen und nicht standesgemäßen.

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Brida Baardwijk

Die Braut des Henkers

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Die Braut des Henkers

 

 

Brida Baardwijk

 

Die Braut des Henkers

 

Historischer Roman

 

Das Buch

England, Mitte des 17. Jahrhunderts. Elizabeth Montgomery, von ihren Freundinnen nur Sally genannt, wurde von ihrem wohlhabenden Vater gehegt und gepflegt. Obwohl Elizabeth bereits zwanzig Jahre zählte, war sie immer noch nicht verheiratet. Bisher konnte sie alle Bemühungen ihrer Eltern, sie unter die Haube zu bringen, abwehren. Lilith, Sallys Stiefmutter gefiel dies gar nicht. Sie setzte ihrem Gatten und der Stieftochter die Pistole auf die Brust. Sollte Elizabeth nicht innerhalb eines Jahres verheiratet, oder wenigstens eine Vermählung in Aussicht sein, würde sie in ein Kloster geschickt werden. Adrian gelang es nicht, sich gegen seine Gattin durchzusetzen, die vor nichts zurückschreckte. Auch nicht vor Intrigen, Entführungen und Mord. Allen Widrigkeiten zum Trotz, ging Sally ihren eigenen Weg, wenn auch einen recht ungewöhnlichen und nicht standesgemäßen.

 

***

Die Geschichte um Sally und ihre Freunde ist eine rein fiktive Geschichte, die besonders bei den Gepflogenheiten der damaligen Zeit vollkommen abweichend gestaltet ist. So wäre es nie möglich gewesen, dass eine Frau höheren Standes einen Henker heiraten konnte, ohne in große Schwierigkeiten zu kommen oder von der gehobenen Gesellschaft verstoßen zu werden. Die Reaktion des Freundes ihres Vaters wäre eher realistisch als die ihrer Freundin Genefa. Doch es wäre zu langweilig geworden, einen eingefahrenen Weg zu beschreiben und eine Geschichte daraus zu machen. Welcher Leser will schon eine langweilige Geschichte lesen?

Widmung

Für meine Kinder, Eltern und die Familie

und alle meine treuen Leser im ELP-Forum.

 

Ich danke all meinen Lesern im ELP-Forum für ihr großes Interesse an meinem Roman. Ihr habt mich so manches Mal mit Euren Ideen zur Verzweiflung gebracht. Aber habt Ihr Euch auch auf die Suche nach Fehlern gemacht, die ich übersehen habe. Vielen Dank auch dafür.

 

Auch meinem Beta-Leser habe ich garantiert in so manch schlaflose Nacht getrieben. Dank Deiner intensiven Hilfe bei meinem Roman, kann ich jetzt sagen: Es ist ein gelungenes Stück Arbeit, auf das wir stolz sein können.

  

 

 

 

 

 

Die Personen

 

Die Hauptpersonen:

Elizabeth Susan Montgomery – von der Familie und ihren Freundinnen nur Sally genannt

Adrian Montgomery – Sallys Vater

Lilith Montgomery – Sallys Stiefmutter

Susan Fitzgerald – Sallys verstorbene Mutter

Genefa Longbird – Sallys beste Freundin

Rynard Longbird – Genefas Ehemann

Sir Selwyn Wellington – Adrians Jugendfreund

Lady Ophelia Kimberley -Liliths Freundin

Lord Cedric Kimberley – Ophelias Gatte und Adrians Freund

Adelaide Harris – Sallys Zofe

Amalia Walsh – Liliths Zofe

Franklin Wood und Henry Simmons – Liliths Handlanger und angeheuerte Gauner

Aelfric Cooper – Hurenwirt in Exmouth

Rodney Hall – Aelfrics Handlanger und Leibwächter, später Aelfrics Nachfolger

Edwina Mitchell – Puffmutter

Osbert Cook – Knecht im Hurenhaus

Lani Turner und Sabrin Adams – zwei Dirnen im Hurenhaus

Blake Young – Sallys erster Freier

Garrick Moore – Kundschafter im Auftrag Lord Kimberleys

Raimon Evans – der Henker von Exmouth

Delmore Evans – Raimons Bruder in Dover

Jamie – Sally als Bursche verkleidet

Edward Windham – Garrick Moore inkognito

Warren Watson, alias Raimon, der Henker

Travis Evans – Delmores ältester Sohn

Barnet Evans – Delmores zweitältester Sohn

Faylynn Evans – Delmores Tochter

Henri Richardson, Richter in Trowbridge

 

Die Nebenakteure

Walter Clarke, Adrian Montgomerys Butler

Mutter Oberin Christdore – Äbtissin im Kloster Canterbury

Schwester Magdalena – Nonne im Kloster in Canterbury

Archibald Francis – Hafenmeister in Dover

Thomas Watson – Stadtrichter von Dover

Adra Evans – Delmores Frau

Mutter Rosemary – Oberin im Waisenhaus

Schwester Wina – Pflegerin im Waisenhaus

Elizabeth, Kaitelynn und Jocelyn, Genefas und Rynards Töchter

Gideon, Genefas und Rynards Sohn

Milo Ward, der neue Pferdeknecht bei den Montgomerys

Percy Scott, Richter Richardsons Lakai

Larry Smith und Vinnie Lewis, Büttel in Trowbridge

Dr. Godric Armstrong – Arzt aus Bradford-on-Avon

 

Teil 1

Sally in Gefahr

Kapitel 01

„Elizabeth, sitz gerade wie eine Dame! Du hockst am Tisch wie ein tumbes Bauernmädchen!“

Die schrille Stimme ihrer Mutter riss Sally aus ihren Gedanken und ließ sie zusammenzucken. Genervt schaute sie über den Tisch hinweg genau in die eiskalten blauen Augen der ihr gegenübersitzenden Frau. Liliths Blicke schienen sie zu durchstoßen wie ein Dolch.

„Ja, Mutter“, erwiderte sie gehorsam, streckte den Rücken und setzte sich so zurecht, als hätte sie einen Stock im Kreuz. Wie sie es hasste, sich von ihrer Mutter gängeln zu lassen als wäre sie noch ein windeltragendes Gör. Immerhin war sie mit ihren zwanzig Jahren alt genug, um zu wissen, was gut für sie war und was nicht.

„So wirst du nie einen Ehemann finden, wenn du dich weiterhin so undamenhaft benimmst“, keifte Lilith weiter.

„Nun lass doch endlich das Kind in Ruhe“, mischte sich nun auch noch Sallys Vater Adrian Montgomery ein.

„Dass du dich schon wieder für Sally einsetzt, war ja klar. Sie ist längst kein Kind mehr, sondern eine erwachsene Frau“, erwiderte Adrians Gattin trotzig. „Sie sollte wirklich daran denken, sich endlich zu vermählen. Wie lange will sie uns noch auf der Tasche liegen? Ein Ehemann wird ihr schon einer Lady ziemliches Verhalten beibringen.“

„Mutter!“ Sally sprang gar nicht damenhaft von ihrem Stuhl auf, so dass er nach hinten kippte und mit einem lauten Knall auf dem Boden landete. „Sagt mir, was soll ich mit einem Ehemann? Mich von ihm gängeln lassen, wie Ihr es ständig tut? Niemals!“ Trotzig streckte sie das Kinn vor und funkelte ihre Mutter böse an.

Empört über so viel Ungehorsam stieß Lilith die Luft aus ihren Lungen. „Kind, so geht das mit dir nicht weiter“, mokierte sie sich über das Verhalten ihrer Tochter. „Wenn du in einem Jahr nicht verheiratet bist oder wenigstens eine Vermählung in Aussicht ist, werden wir dich ins Kloster schicken.“ Lilith war sich sicher, wie so viele Male vorher, auch hier ihren Willen durchzusetzen.

„Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, versuchte Adrian seine Frau zu beruhigen. Er erinnerte sich daran, wie es ihm erging, als Lilith ihm vor vielen Jahren sozusagen vor die Nase gesetzt wurde und sie sich genötigt sahen, eine Ehe einzugehen. Dabei kannten sie sich bisher nur vom Sehen, denn Lilith war eine Freundin Susans, seiner großen Liebe. Wenn er damals gewusst hätte, welch Xanthippe Lilith ist, hätte er sich geweigert, sie zur Frau zu nehmen. Sehnsüchtig dachte er an die junge, zärtliche Susan aus der Nachbarschaft, bei der er sein Herz und nicht nur das, verloren hatte. Nur waren sie nicht füreinander bestimmt. Susans Eltern hatten anderes mit ihr vor.

Die Verbindung mit Lilith bescherte seiner Familie noch mehr Reichtum und Einfluss als sie bereits hatten. Er hatte seinem Vater, der kurz nach der Hochzeit verstarb, nur einen Gefallen getan, damals Lilith zu ehelichen.

„Dass du unsere aufmüpfige Tochter immer verteidigen musst!“, keifte die Frau weiter. Ihr Gesicht hatte bereits eine heftige Röte angenommen und hektische Flecken verbreiteten sich auf ihrem Dekolleté. Sie schnappte nach Luft und fächelte sich aufgeregt frische Luft zu. „Für mich ist das letzte Wort gesprochen! Entweder du heiratest, oder du gehst ins Kloster! Mit dieser Schmach, dich unverheiratet zu lassen, kann und will ich nicht leben. Du wirst noch eine alte, vertrocknete Jungfer werden, die von allen belächelt wird.“

Sally wollte sich weiter verteidigen, ihrer Mutter ihren ganzen Frust entgegen schleudern, doch Lilith unterbrach sie mit einer schroffen Handbewegung. „Geh auf dein Zimmer, sofort!“, schrie sie die junge Frau an.

„Wie Ihr wünscht, Mutter“, erwiderte Sally ungewohnt ruhig und gefasst. Mit hoch erhobenem Kopf schritt sie zur Tür. Ihrer Mutter nicht doch noch Hassworte entgegen zu schleudern, kostete sie sehr viel mehr Überwindung, als sie zugeben würde. Lieber biss sie sich auf die Zunge, als sich solch eine Blöße zu geben. „Wie kann sie nur?“, fragte sich Sally, als sie die Tür des Esszimmers hinter sich zugeworfen hatte. Mit wehenden Röcken lief sie schneller als es sich für eine junge Dame ihres Standes geziemte, den langen Flur entlang zur Treppe, die ins Obergeschoss führte. Der Diener, der ihr eben mit einem Tablett entgegenkam, schaute ihr kopfschüttelnd nach.

„Hast du nichts anderes zu tun, als mich mit großen Augen anzuglotzen wie ein Frosch“, fuhr Sally ihn erbost an.

„Verzeihen Sie, Miss“, katzbuckelte er vor ihr und verschwand so schnell es ging aus ihrer Sichtweite.

Sally lief die Treppe hinauf und in ihr Zimmer. Vom zu schnellen Rennen und der ungewollten Aufregung erhitzt, schloss sie die Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Am liebsten wäre sie sofort wieder nach unten zu ihrer Mutter ins Esszimmer gegangen, um dieser ihren Frust ins Gesicht zu schreien. Lilith war in ihren Augen eine Tyrannin, die über Leichen ging, wenn sie Widerworte bekam. Sallys Vater dagegen war ein gutmütiger Mann, der seine Tochter, sein einziges Kind, über alles liebte. Er war wie Wachs in ihren Händen und nicht nur einmal hatte Sally die Gutmütigkeit ihres Vaters schamlos ausgenutzt. Sie schämte sich dafür. Ihr Vater hatte diese unmögliche Behandlung nicht verdient.

Doch wenn sie an ihre kaltherzige Mutter dachte, rieselten eisige Schauer über ihren Rücken. Sally wollte es sich nicht nehmen lassen, ihre Mutter spüren zu lassen, was sie von ihrem Vorhaben hielt. Eigentlich war sie eine wohlerzogene junge Frau. Doch es gab Dinge, da wollte sie sich nicht dreinreden lassen. Dazu gehörte auch die Wahl eines Ehemannes. Dass eine Ehe noch nicht in Aussicht war, störte sie nicht. Ein Mann passte noch nicht in ihr Leben. Auch wenn dies bedeutete, von ihrer Mutter in ein Kloster geschickt zu werden. Sally wollte es erst gar nicht so weit kommen lassen. Sie wusste nur noch nicht, wie.

 

Auch Stunden später fand Sally keine Ruhe. Nachdem die Mutter ihre Zofe Amalia geschickt hatte, um ihr auszurichten, sie wünsche ihre Anwesenheit beim Dinner nicht, hatte Sally ihr Zimmer nicht mehr verlassen. Nachdenklich stand die junge Frau am offenen Fenster und blickte in den Sonnenuntergang, der eigenartigerweise an diesem Tag besonders schön war. Die Wolken leuchteten in einem strahlenden Rot. Soweit das Auge blicken konnte, strahlte der Himmel wie die Glut eines Kaminfeuers. Den See, der an das Anwesen der Montgomerys angrenzte, konnte man nur erahnen.

„Miss, möchtet Ihr heute nicht zu Abend essen?“, hörte sie plötzlich die Stimme ihrer Zofe Adelaide hinter sich.

Erschrocken drehte sie sich um und erblickte das Kammermädchen an der Tür stehend mit einem schweren Tablett in den Händen, von dem es verführerisch duftete.

„Mein Gott, Adelaide, musst du mich so erschrecken!“, fuhr sie das Mädchen ungewollt schroff an, das sogleich ängstlich den Kopf einzog.

„Entschuldigt, das wollte ich nicht. Nachdem Ihr auf mein Klopfen nicht geantwortet habt, habe ich einfach Euer Zimmer betreten. Ich nahm an, Ihr schlaft oder seid nicht da“, erwiderte Adelaide und trat unaufgefordert näher. Sie stellte das Tablett auf dem kleinen Tisch ab, um den ein paar zierliche Sitzgelegenheiten drapiert waren. „Ich bemerkte, dass Ihr heute nicht beim Dinner anwesend wart und dachte mir, Ihr seid bestimmt hungrig“, plapperte das sonst so stille Mädchen ohne Punkt und Komma. „Ich hörte auch vom Streit mit Eurer Mutter und wie sie Euch auf Euer Zimmer schickte.“

„Adelaide, du plapperst wie ein Wasserfall“, unterbrach Sally den Redefluss der Zofe.

„Aber…“, Adelaides Wangen färbten sich so rot wie der Himmel, den Sally eben bestaunt hatte.

„Nun sei still und zeige mir, was du Köstliches mitgebracht hast“, wehrte Sally ab, der plötzlich der Magen knurrte.

Schnell räumte Adelaide die Speisen auf den Tisch, damit Sally essen konnte. Die ließ es sich schmecken. Erst jetzt bemerkte sie, wie hungrig sie war.

Während Sally sich gütlich tat, machte sich Adelaide im Badezimmer nützlich, um ihre Herrin nicht beim Essen zu stören.

„Adelaide, komm her und leiste mir Gesellschaft“, rief Sally ihre Zofe zu sich. „Setz dich und greif zu. Es ist genügend für uns beide da“, forderte sie das Mädchen auf.

Wieder errötete Adelaide, griff dann aber nach nochmaliger Aufforderung beherzt zu.

„Meine Mutter will mich unbedingt verheiraten“, begann Sally nach einer Weile ihr Herz auszuschütten.

Adelaide war nicht nur ihre Zofe, sondern auch ihre eng verbundene Freundin. Das Mädchen war nur zwei Jahre jünger als sie und hatte sich schon oft als gute und liebe vertraute Freundin für sie eingesetzt. Sie war froh, dass ihre Eltern ihr erlaubt hatten, sich auf die Stelle als Zofe bei den Montgomerys zu bewerben. So war sie nicht darauf angewiesen, einen Mann zu ehelichen, den sie womöglich gar nicht mochte und nicht liebte. Im Grunde genommen, hatte sie es besser als ihre Herrin. Sie hatte ein Auskommen und war von niemanden abhängig.

Adelaide blickte sie mitfühlend an. „Es war nicht zu überhören“, erwiderte sie. „Eure Mutter hat laut genug gesprochen, dass es die ganze Dienerschaft hören konnte.“

„Hast du gelauscht?“, tat Sally empört, blinzelte dem Mädchen aber verschmitzt zu. Sie wusste, Adelaide war immer in ihrer Nähe. Nichts entging ihr. Jederzeit war sie sofort zur Stelle, sobald Sally etwas benötigte oder auch nur Gesellschaft brauchte. So auch heute.

„Ich will aber nicht heiraten“, sagte Sally nach einer Weile. „Was soll ich mit einem Mann? So wie ich meine Mutter kenne, wird es einer sein, der ihr zu Kreuze kriecht oder genau ein derartiges Ekel ist wie sie selbst.“

„Euer Vater wird es bestimmt zu verhindern wissen“, lenkte Adelaide ein.

„Ach, mein Vater“, meinte Sally seufzend, „er ist ein herzensguter und liebenswürdiger Mann, aber gegen meine Mutter kann er sich nicht behaupten. Ich verstehe nicht, warum er sich von ihr so viel gefallen lässt.“

„Da habt Ihr recht“, sagte Adelaide. „Die Hauptsache ist jedoch, dass er Euch liebt. Das zu wissen, beruhigt ungemein. Glaubt fest daran, dass alles gut wird.“ Beruhigend sprach sie auf Sally ein.

„Adelaide, du versuchst immer, mich mit deinen Worten nicht einlullen. Ich weiß, du meinst es gut mit mir. Aber glaube mir, ich muss einen Ausweg finden, um nicht im Kloster zu landen und dort bis ans Ende meiner Tage zu verdorren. Da kann ich mich gleich lebendig einmauern lassen.“

Seufzend gab sich das Mädchen geschlagen. Sie kannte Sally gut genug, um zu wissen, gute Worte drangen in ihrer derzeitigen Verfassung nicht zu ihr durch. Ihre Herrin war eine praktisch denkende Person, die auch recht spontan auf Dinge reagierte und sich damit nicht nur einmal in eine prekäre Lage katapultierte. Sie musste von einer Sache überzeugt sein, um sie zu tun. Sich zu vermählen und einem Mann zu unterwerfen gehörte definitiv nicht dazu.

Nachdem die beiden jungen Frauen ausgiebig gespeist hatten, räumte Adelaide das Geschirr zusammen, um es zurück in die Küche zu bringen.

„Ich danke dir für deine aufmunternden Worte. Du bist eine gute Freundin“, hielt Sally die Zofe zurück, als diese das Zimmer verlassen wollte. „Du kannst dich dann zurückziehen. Ich brauche dich heute nicht mehr.“

„Das tue ich doch gern für Euch“, erwiderte das Mädchen und schlüpfte nach einem „Gute Nacht, Miss Sally“ flugs nach draußen, ehe ihre Herrin sehen konnte, dass sie schon wieder errötete.

 

Als Sally wieder allein war, erfasste sie erneut die Unruhe, die sie vor Adelaides willkommener Ablenkung überrollt hatte. „Ich muss unbedingt etwas tun, ehe meine Mutter ihre Drohung wahr macht“, redete sie mit sich selbst. Dabei lief sie unruhig auf und ab. Inzwischen brach die Dämmerung herein. Sally nahm einen Holzspan und hielt ihn ins Feuer. Als der Splitter brannte, zündete sie damit die Kerzen auf dem Leuchter an. Dann nahm sie das Buch, das auf ihrem Nachttisch lag und setzte sich damit in ihren Sessel. Sie schlug die Seite auf, die sie zuletzt gelesen hatte. Doch die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen.

Jetzt, wo sie wieder allein war, traten ihr die Worte ihrer Mutter wieder in Erinnerung. Schniefend versuchte sie, die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Doch es gelang ihr nicht. Der ganze Frust, der sich in ihr aufgestaut hatte, drängte nun hinaus. Sie legte ihr Buch beiseite und warf sich bäuchlings auf das Bett. Sally presste ihr Gesicht fest in ihr Kissen und dämpfte so die Schreie, die sie ausstieß. Am liebsten hätte sie ihren Kopf so lange in das Kissen gedrückt, bis sie keine Luft mehr bekäme und erstickte. Das wäre die Lösung ihres Problems, dessen Ursprung eindeutig ihre Mutter war und das ihr Vater nicht lösen konnte oder wollte.

Keuchend schoss Sally hoch. Japsend rang sie nach Atem. „Vater“, stieß sie heulend hervor, „hilf mir doch, bitte hilf mir!“ Wie ein Stück jammerndes Elend rollte sie sich zusammen wie ein Embryo, ihr Kopfkissen dabei fest umklammernd.

 

Unruhig wälzte sich Sally im Schlaf auf ihrem Bett von einer auf die andere Seite. Sie musste eingeschlafen sein, während sie sich ihrem Elend hingab und über Gott und die Welt klagte. Nicht einmal ihr Nachtgewand hatte sie angezogen. Ein Alptraum quälte sie. Ihr Vater führte sie zum Altar, vor dem bereits ihre Mutter wartete und sie hämisch angrinste. „Siehst du, nur noch ein winzig kleiner Schritt und das Kloster bleibt dir erspart. Braves Mädchen“, sagte sie zu ihr, dabei funkelten ihre Augen vor Stolz, Sallys Willen gebrochen zu haben.

Neben ihrer Mutter stand der hässlichste Mann, den sie je gesehen hatte. Breit grinsend blickte er ihr entgegen und entblößte dabei eine Reihe schwarzer Zahnstummel. Eklig stinkender Atem schlug ihr entgegen, als er sich über ihre Hand beugte, um sie zu küssen. Dabei tropfte ihm Speichel aus dem Mundwinkel. Angewidert wollte sich Sally abwenden. Doch ihre Mutter hielt sie fest und zwang sie, den Unbekannten auf den Mund zu küssen. Würgend erbrach Sally ihr Frühstück. Der Mann stand nur daneben und grinste sie gierig an. Sein Blick glitt über ihren bebenden Körper, der sich vor Schmerzen gepeinigt krümmte. Ihr Magen rebellierte immer schlimmer, doch je mehr sie sich wehrte, desto zudringlicher wurde der Fremde.

„Bald bist du mein und hast mir zu gehorchen“, flüsterte er ihr ins Ohr. Dabei schlängelte sich seine schleimige Zunge an ihrer Halsbeuge entlang und hinterließ seine stinkende Spucke, die an ihr herunterlief und das weiße Seidenkleid verunreinigte.

„Nein, nein“, schrie Sally immer wieder und versuchte, zu entkommen. Die anwesenden in der Kirche aber bildeten einen immer enger werdenden Ring um sie. Klatschend lachten sie dem Brautpaar entgegen und verlangten noch mehr Küsse.

„Nein, Vater, hilf!“, schrie Sally panisch. Sie riss sich los und rannte gegen die Wand aus Menschen. Hart prallte sie ab und fiel…

 

Schreiend schoss Sally hoch. Ihr Haar klebte wirr und nass an ihrem Kopf. Sie strampelte mit den Beinen, die sich in den Unterröcken ihres Kleides verheddert hatten. Als jemand versuchte, se festzuhalten und beruhigend auf sie einredete, schlug sie wild um sich.

„Pst, ruhig. Es ist alles gut“, hörte sie eine Stimme. Fest wurde sie von Armen umfasst und festgehalten.

„Nein, lass mich los“, schrie Sally immer wieder und schlug weiter um sich. „Du bekommst mich nicht! Niemals!“

„Sally! Wach auf!“, sprach die Stimme beruhigend auf sie ein. „Es ist alles gut.“

Die Stimme kam ihr irgendwie bekannt vor und als sie erneut sanft gewiegt wurde, konnte sie das vertraute Gemisch von Tabakrauch und Aftershave ihres Vaters riechen. Er war so nah, als wäre er Wirklichkeit.

Sally riss die Augen auf und blickte direkt in das verängstigt aussehende Gesicht ihres Vaters, der auf ihrem Bett saß und sie immer noch festhielt.

„Es ist alles gut. Du hattest nur einen bösen Traum“, sagte er erneut und strich ihr zärtlich die verschwitzten Haarsträhnen aus dem Gesicht.

„Vater, was tut Ihr hier?“, fragte Sally verwirrt. Sie verstand nicht, was ihr Vater in ihrem Zimmer tat und sie auch noch im Arm hielt. Er liebte sie abgöttisch, doch seit aus dem Mädchen Elizabeth eine hübsche junge Frau geworden war, hielten sich seine Liebesbezeugungen in Grenzen, geschweige denn, dass er sie berührt hatte.

„Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe. Aber ich hörte deine Schreie, als ich auf dem Weg ins Bett war“, versuchte sich Adrian zu erklären. „Ich nahm an, du wärst in Gefahr. Aber als ich sah, dass du schläfst, vermutete ich, du hast einen bösen Traum.“ Lächelnd strich er ihr über die erhitzte Wange. „Doch nun ist alles wieder gut, mein Liebling.“

Beruhigt ließ sich Sally zurück in ihre Kissen sinken. Adrian sah sie sehnsüchtig an. Sein Herz tat ihm weh, wenn er daran dachte, seine Tochter einem Mann geben zu müssen, den sie nicht wollte. Als er Sally genauer betrachtete, fiel ihm zum wiederholten Male eine unheimliche Ähnlichkeit mit ihrer Mutter auf. Schon als kleines Mädchen ähnelte sie ihr. Doch jetzt, als junge Frau, glich sie ihr wie ein Ei dem anderen.

„Du hast die gleichen Augen wie deine Mutter und den gleichen Mund“, sagte Adrian auf einmal, ohne dass er es wollte. Er erschrak, aber dann dachte er sich, es wäre an der Zeit, seiner Tochter die Wahrheit zu sagen. Auch wenn er nicht wusste, wie sie darauf reagiert, irgendwann müsste sie es erfahren. Warum also nicht jetzt.

Erbost blickend fuhr Sally hoch. „Was sagt Ihr da?“, fragte sie verwirrt. Sie verstand seine Worte nicht. „Mutter hat doch blaue Augen und Lippen wie Striche. Das kann nicht sein, dass ich ihr ähnele.“

„Doch mein Kind, du bist wie sie. Du hast sogar die Farbe ihrer Haare und ihr Temperament.“ Adrian erkannte, dass nun wirklich der Zeitpunkt der Wahrheit gekommen war. Sally musste wissen, wer ihre wirkliche Mutter war. Er setzte an, weiter zu sprechen.

Sally sprang empört auf. Mit Lililth verglichen zu werden, gefiel ihr ganz und gar nicht.

„Ich will nichts von dieser impertinenten Person, die meine Mutter ist, hören. Ich hasse sie!“, fiel sie Adrian ins Wort.

„Bitte, Sally, hör mir zu. Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen“, versuchte Adrian seine Tochter auf das Kommende vorzubereiten. „Es geht um deine Mutter, die dich sehr geliebt hat.“ Sehnsüchtig dachte er bereits zum zweiten Mal an diesem Tag an Susan, seine große Liebe.

„Meine Mutter soll mich geliebt haben? Das kann nicht sein“, wehrte Sally ab. „Diese Frau“, sie zeigte mit dem Finger in die Richtung, in der Liliths Zimmer lag, „diese Frau liebt mich nicht! Sie hasst mich und will mich lieber heute als morgen im Kloster wissen!“

„Sally! Hör mir endlich zu!“, wurde Adrian ein wenig ungeduldig. Er ging zu seiner Tochter und sah ihr in die Augen, die genauso rehbraun waren wie die ihrer Mutter. „Bitte“, flüsterte er kaum hörbar. Der Schmerz, den er die vielen Jahre über den Verlust seiner geliebten Susan in sich begraben hatte, brach nun mit immenser Macht über ihm zusammen. Tränen der Trauer liefen dem sonst so beherrschten Mann über die Wangen.

„Bitte, du musst es endlich wissen“, flüsterte Adrian erneut. Er ergriff Sallys Hand und führte die Tochter zur Sitzgruppe. Er ließ sie sich setzen und nahm neben ihr Platz.

Fragend blickte Sally ihn an. „Nun erzählt“, forderte sie ihren Vater auf, als sie bemerkte, er wartet nur auf ein Zeichen von ihr.

 

Adrian holte tief Luft und nahm seinen ganzen Mut zusammen. Einerseits freute er sich, dass Sally ihm zuhören wollte, andererseits hatte er Angst, wie sie auf die Wahrheit reagiert, die er ihr die ganzen Jahre verschwiegen hatte.

 

„Sally, meine Tochter“, begann er schließlich, nachdem er nochmals seinen ganzen Mut zusammengenommen hatte. „Egal, was du am Ende meiner Erzählung über mich denken wirst, ich bin dein Vater und werde dich, was auch immer geschehen mag, bis ans Ende meiner Tage lieben. Du wirst jetzt erfahren, warum Lilith so streng zu dir ist und wieso ich meist nicht gegen sie ankomme. Bitte höre mir erst bis zum Ende zu, ehe du deine aufkommenden Fragen stellst. Es fällt mir sehr schwer, über die Vergangenheit zu sprechen, in der deine Mutter einmal eine sehr große Rolle spielte.“

Sally nickte daraufhin nur und biss aufgeregt auf ihrer Unterlippe herum.

Adrian deutete dies als Zustimmung und begann mit seiner Geschichte.

 

Es war lange vor deiner Geburt, als ich deine Mutter kennenlernte. Wir waren jung, unbedarft und bis über beide Ohren ineinander verliebt. Heimlich trafen wir uns, denn niemand durfte etwas über unsere Verbindung wissen. Oft gab ich an, auszureiten, nur um deine Mutter sehen zu können. Sie hatte es nicht leicht, ohne Begleitung das Haus zu verlassen, geschweige denn in der weitläufigen Parkanlage, die zu ihrem Elternhaus gehörte, spazieren gehen zu können, ohne beobachtet zu werden. Daher benutzte sie eine List. Ihre beste Freundin hatte ebenfalls eine Liebschaft, die sie nur schwer sehen konnte, ohne dass es auffiel. So wurden die beiden Mädchen Verschworene. Gemeinsam im Park zu flanieren wurde ihnen erlaubt, denn die eine könne auf die andere aufpassen und umgedreht. Der Anstand war somit gewahrt. Doch kaum waren sie außer Sichtweite des Herrenhauses, trennten sich ihre Wege. Lilith ging in die eine Richtung, Susan in die andere. Dass dies meiner Herzensdame und mir irgendwann einmal zum Verhängnis werden sollte, ahnten wir damals noch nicht.

 

Als Sally den Namen Lilith hörte, wollte sie schon nachfragen. Doch Adrian hielt sie davon ab. „Später kannst du fragen“, sagte er nur. Sally gehorchte.

 

Susan, meine Herzensdame, hatte wundervolle rehbraune Augen, in die ich mich sofort verliebte, als ich sie zum ersten Mal sah. Ihre Freundin Lilith bemerkte mein Schmachten und wurde eifersüchtig. Sie versuchte, mein Herz zu erobern. Doch es war vergebene Liebesmüh. Ich hatte nur Augen für Susan. Lilith beachtete ich gar nicht. Als sie erkannte, dass ich mich nicht umgarnen ließ, wandte sie sich einem anderen Mann zu. So hatten Susan und ich endlich Ruhe vor ihr. Wir genossen die wenige gemeinsame Zeit, die wir miteinander hatten. Anfangs hielten wir nur Händchen oder küssten uns züchtig auf die Wange. Im Laufe der Zeit wurde mehr daraus und wir neugieriger. Eines Tages überfiel uns eine ungemeine Wollust und wir taten das, was vor Gott nur Verheiratete zur Zeugung von Kindern zugestanden wurde. Wir erlebten den Himmel auf Erden. Verliebt wie wir waren, gedachten wir nicht der Folgen unseres Tuns. Wir lebten nur im Hier und Jetzt und dachten nicht an die Zukunft.

 

Sally errötete bei der Erzählung ihres Vaters. Obwohl sie selbst noch unberührt war, wusste sie, was Mann und Frau miteinander taten, wenn sie allein und verheiratet waren. Dass ihr Vater ihr nun seine intimsten Geheimnisse verriet, war unglaublich.

Adrian übersah die hektische Röte, die sich auf den Wangen seiner Tochter gebildet hatte und erzählte einfach weiter.

 

Eines Tages kam Susan völlig aufgelöst zu unserem heimlichen Treffen. Schluchzend warf sie sich mir an den Hals und stammelte unzusammenhängende Sätze. Ich hatte Mühe, sie zu beruhigen.

„Liebste, was ist denn geschehen?“, wollte ich den Grund ihres Zustandes wissen. Es irritierte mich, sie so zu sehen und wusste nicht, was ich tun sollte.

„Adrian, wir waren unvorsichtig und nun ist etwas ganz Schlimmes geschehen“, offenbarte sie sich schniefend.

Ich schaute sie an. Mit keiner Silbe verstand ich, was sie mir mitteilen wollte. „Nun sag schon, was ist so schlimm an dem, was wir taten?“, drängte ich sie, deutlicher zu werden.

Sie nahm wohl ihren ganzen Mut zusammen, um mir ihre Ängste zu gestehen. „Adrian, ich trage ein Kind unter dem Herzen, dein Kind“, sagte sie endlich offen heraus. Zitternd stand sie vor mir und erwartete meine Reaktion.

Ich wurde bleich, mein Herz schlug vor Aufregung Purzelbäume. Ich sollte Vater werden? Susan war schwanger von mir?

„Ist das wahr?“, fragte ich nochmals nach.

„Ja, das ist es. Ich bin mir ganz sicher“, stieß Susan verunsichert hervor.

Ich spürte ihr Zittern, ihre Angst, ihren bebenden Körper. Dann nahm ich sie in meine Arme und küsste sie voller Freude, wie ich sie noch nie geküsst hatte.

„Susan, liebste Susan“, keuchte ich aufgeregt. „Es ist so herrlich! Wir werden Eltern!“ Vor Glück hätte ich am liebsten die ganze Welt umarmt. „Nun müssen deine Eltern mir deine Hand geben, wenn sie einen Skandal verhindern wollen.“

„Du meinst, du willst...?“

„Aber ja doch! Bitte werde meine Frau. Susan, ich liebe dich und das kleine Wesen, das in dir heranwächst.“

 

Mit klopfendem Herzen hörte Sally ihrem Vater zu. Langsam ahnte sie, was er ihr weiter eröffnen wollte. Könnte es sein, dass Lilith mit den eiskalten blauen Augen in Wirklichkeit nur ihre Stiefmutter war? Sally dachte lieber nicht weiter darüber nach, sondern hörte der weiteren Erzählung ihres Vaters zu.

 

Susan und ich besprachen unser weiteres Vorgehen. Ich beschwor sie, sich nichts anmerken zu lassen und versprach ihr, am nächsten Abend bei ihrem Vater vorzusprechen und um ihre Hand anzuhalten. Jetzt, wo Susan von mir schwanger war, was ihre Eltern auch an diesem besagten Abend erfahren sollten, mussten sie ihre Zustimmung zu einer Vermählung geben. Mit meinen Eltern wollte ich noch am selben Tag sprechen, wenn wir das gemeinsame Abendessen einnahmen. Ich wusste zwar, meine Eltern würden mein Tun nicht gutheißen, doch würden sie mir die Zustimmung zu einer Liebesheirat nicht verweigern. Sie selbst hatten durchgesetzt, sich in Liebe zu vereinen und keinen ungeliebten Partner zu ehelichen. Das alles erklärte ich Susan, die daraufhin ein wenig beruhigter dem nächsten Tag entgegensah.

Dem bevorstehenden Gespräch mit meinen Eltern sah ich bang entgegen. Doch sie reagierten zum Glück so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Natürlich waren sie anfangs erbost, dass ich eine Tochter aus angesehenem Hause geschwängert hatte. Aber als sie hörten, dass ich Verantwortung übernehmen wollte, stimmten sie einer Vermählung mit Susan zu.

Wie vereinbart traf ich am folgenden Abend auf dem Anwesen von Susans Vater ein. Doch leider wurde ich nicht vorgelassen, sondern kurzerhand ohne Kommentar abgewiesen. Man drohte mir sogar, sollte ich nochmals auf dem Anwesen der Fitzgeralds auftauchen, mich von ihrer Meute Jagdhunde zerfleischen zu lassen. Geknickt und zu Tode betrübt wurde ich von einer Eskorte zum Tor begleitet und hinausgeworfen. Was war nur geschehen? Ging es Susan gut? Ich verstand die Welt nicht mehr.

Als ich nach Hause kam, saßen meine Eltern noch mit einem Glas Wein vor dem Kamin. Als sie hörten, dass ich bereits zurück war, wollten sie natürlich wissen, wie es ausgegangen war. Schockiert hörten sie meinen Bericht an. Genau wie ich verstanden sie die Welt nicht mehr. Sie versprachen mir, persönlich bei Susans Eltern vorzusprechen und in meinem Namen um ihre Hand anzuhalten. Dazu sollte es aber nicht mehr kommen.

Am nächsten Tag meldete unser Portier völlig unverhofft die Ankunft von Susans Zofe an. Das Mädchen war gänzlich durcheinander und in Tränen aufgelöst.

„Sir, ich muss Ihnen etwas ganz Schlimmes überbringen“, begann das Mädchen, kaum dass es vorgelassen wurde. „Miss Susan ist verschwunden“, brach es aus ihr heraus.

Aufgeregt lief ich in der Bibliothek hin und her. Auch mein Vater war sehr besorgt über das plötzliche Verschwinden einer angehenden Schwiegertochter.

„Niemand weiß, wo Susan ist“, berichtete die Kleine. „Es wurde bereits überall gesucht, doch sie ist unauffindbar.“

„Wie kann das nur sein? Ein Mensch verschwindet doch nicht einfach, ohne eine Spur zu hinterlassen!“, fragte ich gänzlich außer mir vor Sorge.

„Das können wir uns auch nicht erklären“, entgegnete das Mädchen. „Da geht etwas nicht mit rechten Dingen zu. Gerade ich müsste doch bemerkt haben, wenn etwas mit meiner Herrin nicht in Ordnung ist. Mein Zimmer liegt gleich neben dem ihrigen und ich habe einen sehr leichten Schlaf. Meistens jedenfalls…“, sie stockte und blickte nachdenklich zu Fenster hinaus. „Da fällt mir ein, ich wurde gestern Abend plötzlich so unheimlich müde, dass ich beinahe im Stehen eingeschlafen wäre.“

„Das eine hat vielleicht mit dem anderen etwas zu tun. Du solltest nicht bemerken, dass da etwas im Argen ist“, erkannte ich den Zusammenhang.

„Kannst du uns über den Verlauf der Suche unterrichten?“, wollte mein Vater wissen, was die Zofe bejahte. „Wir werden von den Fitzgeralds unbemerkt eigene Erkundigungen starten. Falls wir Susan vor den Fitzgeralds finden sollten, nehmen wir sie zu uns. Adrian steht zu ihr und übernimmt die Verantwortung für das Kind, das Susan von ihm unter dem Herzen trägt. Natürlich wirst dann auch du in unserem Hause willkommen sein.“

„Miss Susan ist schwanger?“, fragte das Mädchen erstaunt. „Das erklärt das eigenartige Verhalten der Herrschaften.“ Dann erzählte sie von den Vorkommnissen im Hause Fitzgerald am letzten Nachmittag und dass ihr am Abend befohlen wurde, die Nacht im Hause ihrer Eltern im Dorf zu verbringen und sie, nachdem sie den freien Abend und die Nacht ablehnte, nach dem Abendessen plötzlich ungewöhnlich schläfrig wurde.

Die Suche nach Susan lief ins Leere. Jedem noch so kleinsten Hinweis gingen wir nach. Doch nichts führte zu einem Erfolg. Im Laufe der Zeit wurde der Schmerz über Susans Verlust geringer, die Sehnsucht nach ihr und die Liebe zu ihr aber blieb. Mein Vater, der Susan zwar schon als kleines Mädchen kannte, ihr aber seid sie in einer strengen Mädchenschule erzogen worden war, nicht wieder begegnet war, wurde etwa ein Jahr später schwer krank. Die Ärzte sagten, das neue Jahr würde er nicht erleben. Er ahnte dies ebenfalls und hatte einen letzten Wunsch an mich. Er wünschte sich eine Schwiegertochter und Enkelkinder.

„Halte um Liliths Hand an“, bat er mich eines Tages. „Ich weiß, du liebst und vermisst Susan immer noch. Aber sieh es doch mal so. Sie kommt nicht wieder. Das Leben aber geht trotzdem weiter. Lilith kann ihr zwar bei weitem nicht das Wasser reichen, aber sie wird eine gute Mutter für deine Kinder und meine Enkelkinder sein.“

Schweren Herzens versprach ich meinem Vater, seinen letzten Wunsch zu erfüllen. Sechs Wochen später stand ich mit Lilith vor dem Traualtar und weitere zwei Wochen später schloss mein Vater für uns vollkommen unverhofft seine Augen für immer.

 

Sally hatte immer noch wie gebannt zugehört. Inzwischen konnte sie sich denken, dass Lilith nicht ihre leibliche Mutter ist, sondern die verschwundene Susan, die große Liebe ihres Vaters. Gespannt schaute sie ihn an und wartete darauf, dass er weitererzählte.

 

Die Zeit verging und ich gewöhnte mich daran, anstatt mit Susan nun mit Lilith verheiratet zu sein. Ich liebte Lilith nicht, ich hasste sie aber auch nicht. Sie war mir einfach nur einerlei. Wäre sie ohne ein Wort verschwunden, wäre mir das nicht einmal aufgefallen. Sie gab sich zwar größte Mühe, mir eine gute Ehefrau zu sein, doch im Laufe der Zeit kam ihr wahrer Charakter immer mehr ans Tageslicht. Sie war ein intrigantes, vergnügungssüchtiges und herrschsüchtiges Biest. Sie betrog mich, wo und wann sie es nur konnte. Die Männer wechselte sie wie manche das Hemd. Mich interessierte das nicht, so lange ich Ruhe vor ihr hatte und sie mich aus ihren Intrigen heraushielt. Die Leute lachten schon über mich, doch das war mir egal.

Eines Tages aber, knapp zwei Jahre nach Susans mysteriösem Verschwinden, geschah etwas völlig Unerwartetes. Vor unserer Tür stand eine junge Frau mit einem etwa einjährigen Mädchen und begehrte, mich zu sprechen. Ich ließ sie ein und bat sie, mir in die Bibliothek zu folgen. Dann fragte ich an ihrem Anliegen.

Anfangs stockend, aber dann immer flüssiger berichtete sie von einer jungen Frau namens Susan, die von ihren Eltern wegen ihrer jungfräulichen Schwangerschaft in ein Kloster verbannt wurde. Die barmherzigen Schwestern hatten Mitleid mit der jungen Frau und ließen sie bei sich im Kloster. Normalerweise hätten sie die Schwangere abweisen müssen, ihr seelischer Zustand beängstigte sie aber. Sie ängstigten sich sehr, dass die junge Frau einen schweren Fehler begehen würde. Je weiter die Schwangerschaft voranschritt, desto mehr blühte Susan auf. Sie begann sogar von einem Adrian Montgomery zu erzählen, dessen Kind sie unter dem Herzen trug und für die Konsequenzen für ihr schamloses Tun einstehen wollte. Sie jedoch sei von ihren Eltern herzlos seinen Armen entrissen und hierher verschleppt worden. Vier Monate später kam sie mit einem Mädchen nieder, das sie auf den Namen Elizabeth Susan Montgomery taufen ließ. Die nannte die Kleine aber immer nur Sally.

 

Sally wurde bleich, als sie ihren Namen aus dem Mund ihres Vaters hörte. Elizabeth war der Vorname ihrer Großmutter väterlicherseits, doch woher der Name Susan stammte, wollte ihr nie jemand erklären. Auch Lilith, die ihr darauf hätte eine Antwort geben können, schwieg sich aus.

 

„Vater…“, stammelte Sally, „soll das heißen?“

„Kind, lass mich weitererzählen“, unterbrach Adrian sie.

 

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, so schockiert war ich. Als ich jedoch endlich Worte fand, hielt mich die Fremde davon ab, sie auszusprechen.

„Lasst mich die Geschichte weiterführen“, sagte sie zu mir und hob an.

 

Susan und der kleinen Sally ging es prächtig. Sally wuchs und gedieh. Susan liebte das Muttersein und das kleine Mädchen. Ein Hauch von Traurigkeit war trotzdem in ihren Augen, wenn sie ihr Kind ansah. Ich sprach sie darauf an, bekam aber keine Antwort. Susan meinte, das ginge mich nichts an und sie würde nicht darüber sprechen wollen. Ich respektierte ihren Wunsch.

Die Zeit verging und eines Tages brach eine ansteckende Krankheit unter den Schwestern des Klosters aus. Susan, die sich wie jede Nonne an der Pflege der Erkrankten beteiligte, als wäre es das natürlichste auf der Welt, steckte sich an. Die Krankheit wütete bei ihr so schlimm, dass sie an dieser verstarb. Als wir ihre Zelle ausräumten und säuberten, fanden wir in einer Ritze ihres Bettes dieses Schreiben.

Die junge Frau reichte es mir, damit ich es lesen konnte. Darin stand, dass du meine Tochter bist und Susan mich bis zum Schluss vermisst und geliebt hat. Die Schwestern sollten ihr Kind nie ihren Eltern übergeben, um es vor ihnen zu schützen. Sie sollten sagen, es wäre an der gleichen Krankheit, die Susan dahingerafft hatte, verstorben. Sie schrieb, sie sollten dich mir übergeben, damit ich dich aufziehen kann. Sie wisse, ich wäre dir ein guter Vater und in diesem Wissen würde sie in Frieden von dieser Welt scheiden. So erfuhr ich auch, mit welcher Intrige ihre Eltern über die Schwangerschaft erfuhren und dass Lilith einen großen Anteil daran hatte, dass sie gegen ihren Willen in dieses Kloster verschleppt wurde.

Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, Lilith, diese intrigante Schlange, war daran schuld, dass ich meine große Liebe verloren hatte. Sie wollte schon immer mich als Gatten haben, wandte sich aber nur des Scheins halber von mir ab, als ich sie abwies. Doch nun gabst mir einen Teil meiner geliebten Susan zurück. Dein Lachen, deine Augen, dein Mund, dein Gang, ja sogar dein sanftmütiges und liebevolles Wesen hast du von deiner Mutter geerbt. Du hast nur wenig von mir, aber das ist nicht wichtig für mich. Du bist Susans und meine Tochter, nur das zählt.

 

Sally konnte es nicht fassen. Sollte Lilith wahrhaftig nicht ihre leibliche Mutter sein? War das auch der Grund dafür, dass sie stets so garstig zu ihr war.

„Darf ich Euch etwas fragen?“, wollte Sally von ihrem Vater wissen, worauf er nur nickte. Er konnte es sich schon denken, welche Frage nun folgte. „Wie reagierte Lilith, als sie erfuhr, wer ich bin und dass ich von nun ab hier leben sollte? Soll ich sie immer noch Mutter nennen? Mir dreht sich der Magen um, wenn ich sie so ansprechen muss.“

Adrian schaute sie an. Traurigkeit sprach aus seinem Blick. „Zuerst zu deiner letzten Frage: Wie du Lilith nun nennst, Mutter oder nicht, entscheidest nur du. Egal wie du dich entscheiden wirst, ich werde es akzeptieren.“

Erfreut aufatmend harrte Sally nun auf die Beantwortung ihrer ersten Frage.

 

Es war nicht einfach, Lilith meine Entscheidung, dich bei mir zu lassen, klar zu machen. Sie sah Susan immer als ihre Konkurrentin, die sie erfolgreich aus dem Weg geräumt hatte und nun kamst du und machtest ihr meine Liebe streitig. Für mich war vom ersten Moment klar, als ich erfuhr, wer du bist, wo du aufwächst. Immerhin warst du mein Kind, das Zeugnis meiner Liebe zu Susan. Dass ich sie nun für immer verloren hatte, tat mir unheimlich weh. Dich in meiner Nähe zu wissen, linderte meinen großen Schmerz ein wenig. Ab jetzt warst du Liliths Konkurrentin. Sie sträubte sich dagegen, dich als ihr Kind anzuerkennen. Das hast du erst heute wieder bemerkt. Sie wollte dir das Gleiche antun, was Susans Eltern ihrem einzigen Kind einst antaten, dich ins Kloster stecken, wenn du ihr nicht zu Willen bist. Das werde ich zu verhindern wissen, auch wenn dies heißen sollte, Lilith als meine Gattin zu verstoßen. Immerhin hat sie sich mir in den ganzen Jahren verweigert, nur um kein Kind von mir zu empfangen. Ob sie noch unberührt ist, kann ich nicht sagen. Ich glaube aber nicht, bei den vielen Liebschaften, die sie in unserer Ehe hatte. Wie sie dabei kein Kind empfangen konnte, ist mir heute noch ein Rätsel. Wenn sie doch noch unberührt sein sollte, ist es ein Leichtes, sie nach so langer Zeit zu ihren Eltern zurück zu schicken. Du bist mir wichtiger als sie. Sie hat mein Leben zur Hölle gemacht, genau wie deines.“

 

Die Worte ihres Vaters beruhigten Sally immens. Endlich fühlte sie sich angekommen, geliebt und hatte einen Vater, der ihr zur Seite stand. Instinktiv wusste sie, ihr Leben würde sich ab sofort ändern.

Still und in sich gekehrt saßen die beiden Menschen nebeneinander. Jeder hing seinen Gedanken nach, doch keiner sagte ein Wort. Sally hatte noch so viele Fragen, die nur ihr Vater ihr beantworten konnte. Als sie ihn ansah, bemerkte sie zum ersten Mal die Falten, die sich in sein Gesicht gegraben hatten und die ersten grauen Strähnen in seinem Haar. Er war alt geworden in der letzten Zeit und sah erschöpft aus.

„Du siehst müde aus“, sagte Sally zu ihm und strich ihm über die stoppelig gewordene Wange. „Geh zu Bett und ruh dich aus.“

„Was ist mit dir?“, wollte Adrian wissen.

„Ich komme schon zurecht“, erwiderte seine Tochter. Sie beugte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Gutenachtkuss, den ersten seit vielen Jahren.

Adrian gab sich geschlagen. „Schlaf gut, Liebes“, sagte er noch, ehe er das Zimmer seiner Tochter verließ.

 

Im Flur begegnete ihm Lilith, die ebenfalls auf dem Weg in ihr Schlafzimmer war. Ihre Wangen waren gerötet, ihr Blick glasig, als hätte sie zu viel von dem Wein getrunken, den es zum Dinner gab.

 

„Wo kommst du her? Ich habe dich gesucht“, keifte Lilith mit ihrer schrillen Stimme.

„Wo soll ich schon gewesen sein? Bei Sally natürlich. Ein paar klärende Worte waren vonnöten. Sie weiß nun Bescheid, über alles!“ Von oben herab sah Adrian seine Gattin an. Endlich fühlte er sich stark genug, ihr gegenüber zu treten und sie in ihre Schranken zu weisen.

„Du hast was?“ Liliths Stimme überschlug sich beinahe.

„Ich habe ihr alles erzählt, über dich, über mich, über Susan, ihre Mutter.“ Adrian fühlte sich gut.

Lilith wurde bleich. „Das wirst du bereuen, und Sally auch! Meine Meinung bleibt. Ist sie innerhalb eines Jahres nicht verheiratet oder steht keine Vermählung an, geht sie ins Kloster!“

„Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen! Sally ist meine Tochter, nicht deine. Ich bestimme über sie, ich bin ihr Vormund!“

„Aber ich habe sie großgezogen, als wäre sie mein eigenes Kind“, konterte Lilith. „Ich tröstete sie, wenn sie krank war, saß an ihrem Bett. Ich liebe sie wie mein eigenes Kind.“

„Eigenes Kind. Ein guter Übergang“, Adrian grinste über das ganze Gesicht. „Wo sind denn die Kinder, die wir gemeinsam haben? Bestehen die nur in deiner Fantasie? Ich sehe hier keine fröhliche, herumtobende Kinderschar! Du hast dich mir die ganzen Jahre verweigert. Wie sollten da Kinder entstehen? Es sei denn, du hast dich von einem anderen Mann schwängern lassen.“ Siegessicher wollte Adrian davon gehen. Doch Lilith hielt ihn zurück.

„Ich bin nicht mehr unberührt“, offenbarte sie ihm. „Wer von uns ist da besser dran? Du oder ich?“ Nun war es Lilith, die siegessicher griente.

„Das werden wir noch sehen“, konterte Adrian. „Ich bin Sallys Vater. Susan hat es mir schriftlich bestätigt.“

„Ach, das kann doch jeder sagen, nur um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wer weiß, mit wem deine allzu göttlich geliebte Susan noch alles herumgehurt und wer ihr das Balg aufgehalst hat. Aber wenigstens ist sie nun keine Konkurrenz mehr für mich. Sie ist längst in ihrem finsteren Grab verwest und von den Maden zerfressen. Geschieht ihr recht, dieser Hure.“ Bösartig glänzten Liliths Augen.

Adrian griff nach ihren Schultern. Sein Gesicht kam dem ihrigen gefährlich nahe. „Wage es nie wieder, so über Susan zu sprechen. Sonst wirst du dies dein restliches Leben lang bereuen“, drohte ihr Adrian.

Lilith riss sich los. „Das werden wir noch sehen, wer hier was bereut“, entgegnete sie schnippisch und wandte sich ab, um sich endlich zur Nachtruhe zu begeben.

Adrian schaute ihr kopfschüttelnd nach. Wie konnte er sich nur von solch einer Xanthippe die ganzen Jahre so tyrannisieren lassen. Er verstand es nicht mehr. Er hatte sein und das Leben seines Kindes zunichte gemacht. Doch noch war nichts zu spät.

Kapitel 02

Die Zeit verstrich. Sally und ihr Vater Adrian verstanden sich besser denn je. Lilith fühlte sich von der Zweisamkeit zwischen Vater und Tochter ausgeschlossen und beobachtete die beiden argwöhnisch. Der Neid fraß sich in ihr Herz. Nicht nur einmal dachte sie daran, ihre Intrigen erneut aufblühen zu lassen, um denen, die sie eigentlich lieben sollte, Schaden zuzufügen. Aber dann wurde ihr bewusst, dass der Verdacht sofort auf sie fallen würde. Der unüberhörbare Disput zwischen ihr und Adrian vor einigen Wochen auf dem nächtlichen Flur hatte garantiert nicht nur Sally mitbekommen, sondern auch die gesamte Dienerschaft, bei der sie nicht sonderlich beliebt war. Jeder würde sofort sie verdächtigen.

Adrian hatte seiner Tochter noch viele Fragen zu beantworten, was er gerne tat, sofern er es konnte. Sie wollte auch mehr über die Eltern ihrer Mutter erfahren. Doch Adrian wusste von ihnen nur, dass sie inzwischen verstorben waren. Susan hatte nie viel über ihre Eltern erzählt, die ebenfalls sehr streng mit ihr waren.

 

Das Jahr, das Lilith Sally als Schonfrist gegeben hatte, war beinahe vergangen. Bisher hatte sie Sally nie wieder auf eine anstehende Vermählung angesprochen, doch vergessen hatte sie es noch längst nicht. Eher im Gegenteil, beinahe jeden Tag dachte sie daran, wie es wäre, wenn Sally endlich hinter Klostermauern säße und sie endlich Adrians alleinige Aufmerksamkeit genießen konnte.

Auch bei Adrian schien das Thema in Vergessenheit geraten zu sein. Eines Abends aber platzte Lilith der Kragen.

„Wie ich sehen muss, werde ich in diesem Haushalt nicht ernst genommen“, keifte sie Adrian an, der über ein Schriftstück gebeugt an seinem Schreibtisch in der Bibliothek saß.

„Ach, das merkst du erst jetzt“, erwiderte er schnippisch und senkte seinen Blick erneut auf das vor ihm liegende Papier.

„Das ist doch wohl die Höhe!“, schrie seine Frau ihn an. „Es genügt dir wohl nicht, dass die Dienerschaft mich ignoriert und meinen Anweisungen nicht nachgeht! Garantiert steckt ihr dahinter, du und deine ach so heiß geliebte Tochter! Nein, du musst mich jetzt auch noch beleidigen.“ Lilith schnaufte. Ihr Gesicht lief vor Wut rot an.

„Dich beleidigen? Wie könnte ich?“ Adrian blieb immer noch ruhig.

„Dann denke doch mal daran, deine Tochter endlich unter die Haube zu bringen. Ich bin es leid, sie Tag für Tag zu sehen und mit ihr Susan“, platzte Lilith heraus. „Ich gab ihr ein Jahr, das nun fast rum ist. Noch ein Monat, dann kommt sie ins Kloster!“

„Du wirst doch wohl nicht annehmen, dass ich Sally gegen ihren Willen verheirate oder gar ins Kloster stecke, nur weil du es so wünschst. Niemals! Du bist doch nur eifersüchtig!“ Adrian brauste auf und schlug mit der Faust auf die Tischplatte, dass das offen dastehende Tintenglas beinahe umfiel.

„Du bist genauso ein Sturkopf wie Susan“, schrie Lilith ihn an. „Wenn sie nicht gewesen wäre, dann wäre ich jetzt Sallys richtige Mutter. Aber nein, du konntest nicht die Finger von ihr lassen und musstest sie auch noch schwängern.“

„Du bist immer noch eifersüchtig auf Susan“, stellte Adrian fest. „Susan ist tot! Tot! Verstehst du? Nie wieder werde ich ihr Lachen hören können, und Sally wird ihre Mutter nie kennenlernen können! Du bist daran ebenso schuld wie ihre Eltern. Nur Sally ist mir von ihr geblieben.“ Verständnislos schüttelte Adrian seinen Kopf.

„Es ist besser, du gehst jetzt, ehe ich mich gänzlich vergesse. Ich will mir nicht nachsagen lassen, ich schlage meine Gattin. Obwohl du es verdient hättest.“ Adrian ging zur Tür und öffnete diese. „Geh jetzt“, sagte er nochmal zu Lilith, worauf sie ohne ein weiteres Wort die Bibliothek verließ. Doch in ihrem Inneren brodelte es.

 

Kaum saß Adrian wieder an seinem Schreibtisch, klopfte es erneut. Wutentbrannt lief er zur Tür und riss sie auf. „Kannst du immer noch keine Ruhe geben!“, stieß er aus. Aber dann erkannte er seine Tochter, die vor der Tür stand und ihn mit großen Augen ansah. Der Schreck stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Verzeiht, Vater. Da gehe ich lieber mal wieder“, stieß Sally stotternd aus. Sie drehte sich auf dem Absatz und wollte sich wieder entfernen.

„Bleib“, rief Adrian aus und hielt seine Tochter am Ärmel ihres Kleides fest. „Das galt nicht dir, sondern Lilith.“

„Wieder einmal die alte Leier“, erkannte Sally richtig. „Was ist denn diesmal der Grund Eures Streites? Sagt nichts! Ich weiß es auch so.“ Sally verdrehte genervt die Augen.

„Komm doch erst einmal rein“, sagte Adrian und ließ seiner Tochter den Vortritt in seine Bibliothek. Als er die Tür hinter sich schloss, bemerkte er nicht, dass seine Frau, in einer Nische versteckt, gehorcht hatte. Fies grinsend beschloss sie, sich nicht in die Enge treiben zu lassen und nun endlich Nägel mit Köpfen zu machen.

„Lilith denkt immer noch, sie kann hier tun und lassen, was sie will. Vater, Ihr seid hier der Hausherr. Sprecht doch endlich einmal ein Machtwort. So kann das nicht weitergehen, dass alle unter Liliths ständiger schlechter Laune leiden müssen. Die Dienstboten beschweren sich ständig über sie.“

„Liebes, das ist gar nicht so einfach“, erwiderte Adrian.

„Was kann daran so schwer sein?“, mokierte sich Sally. Sie verstand es nicht, warum sich ihr Vater so viel von seiner Frau gefallen ließ.

„Du hast ja recht“, versuchte Adrian seine Tochter zu beruhigen. „Aber du weißt nicht, zu was Lilith alles fähig ist, nur um ihren Willen zu bekommen.“

„Also Vater! Ihr werdet Euch doch wohl nicht ins Bockshorn jagen lassen! Seid ein Mann und gebt ihr Saures. Wollt Ihr Euch das ewig gefallen lassen?“ Sally lief unruhig hin und her. Plötzlich blieb sie stehen und schaute ihren Vater fragend an. „Um was ging es denn diesmal wieder?“, wollte sie wissen.

„Um was schon. Um dich und die nicht anstehende Vermählung. Lilith bleibt auf ihrem Standpunkt bestehen, dich ins Kloster zu schicken.“ Nun verdrehte Adrian die Augen. „Hast du nicht vielleicht doch einen Liebsten, der dich ehelichen würde?“, fragte Adrian.

„Vater! Was denkt Ihr von mir? Natürlich nicht! Ich bin doch keine Dirne, die sich heimlich mit Männern vergnügt!“ Kaum hatte Sally diese Worte ausgesprochen, schlug sie sich erschrocken auf den Mund. Ihr wurde klar, wie ungebührlich sie sich ihrem Vater gegenüber verhalten hatte. „Verzeiht, Vater. Das wollte ich nicht“, sagte sie bebend. Tränen bahnten sich ihren Weg und rollten über ihre Wangen.

„Ist schon gut, Liebes. Du musstest meine Worte missverstehen“, entschuldigte sich auch Adrian. Liebevoll wischte er Sally die Tränen weg und küsste sie auf die Wange. „Frieden?“, fragte er, worauf Sally nur nickte und ihn schüchtern anlächelte.

Aufatmend nahm er sie in seine Arme und drückte sie an sich.

„Wir sollten uns aber trotzdem etwas einfallen lassen, um Lilith zu beruhigen“, sagte Sally nach einiger Zeit auf einmal.

„Ach was, vergiss es einfach“, erwiderte Adrian. „Ich bin dein Vormund. Sie kann dir gar nichts tun.“

„Wie Ihr meint“, sagte Sally darauf, trotzdem froh, dass das leidliche Thema erst einmal fallen gelassen wurde.

Aber auch Adrian hatte noch etwas mit seiner Tochter zu besprechen, was er sogleich in Angriff nahm. „Dein einundzwanzigster Geburtstag ist in drei Wochen“, begann er. „Was gedenkst du an diesem Tag zu tun?“

„Ich weiß noch nicht“, antwortete Sally. „Eigentlich habe ich gar keine große Lust zum Feiern.“

„Liebes, man wird nur einmal einundzwanzig“, erwiderte Adrian. „Das sollte man groß feiern. Was hältst du davon, am Vormittag zu einer Treibjagd aufzubrechen und abends geben wir ein rauschendes Fest dir zu Ehren.“

Sally dachte nach. „Treibjagd und Picknick, wenn das Wetter mitmacht. Damit könnte ich leben. Aber bitte kein Fest, an dem ich mich vor Einladungen zum Tanz nicht erwehren kann. Ich hasse es, tanzen zu müssen.“

Adrian wusste von Sallys Abneigung zum Tanz. Diesbezüglich ähnelten sie sich wie ein Ei dem anderem. „Gut, dann Treibjagd und Picknick“, gab Adrian klein bei.

Am Abend teilte Adrian seiner Gattin die Pläne zu Sallys Geburtstag mit. Lilith zuckte nur mit den Schultern und meinte, er solle doch tun, was er will. Sie ginge das nichts an, Sally wäre seine und nicht ihre Tochter.

Wenig später lag Lilith in ihrem Schlafzimmer auf dem Bett und starrte nachdenklich an die Decke. Dass Adrian zu Sallys Geburtstag solch einen Trubel veranstalten wollte, missfiel ihr. Eifersucht flammte in ihr auf und damit zum wiederholten Male der Gedanke, sich den ungeliebten Ehemann, oder dessen Tochter, am besten gleich beide, vom Hals zu schaffen. Dann wäre für sie der Weg frei für ein zügelloses Leben in Reichtum. Über diesen Gedanken schlief Lilith ein.

 

Unruhig wälzte sich Lilith von einer auf die andere Seite. Der Alptraum, der sie heimsuchte, hatte sie zutiefst erschreckt. Erst als sie mit einem lauten Schrei schweißgebadet hochfuhr und dabei fast aus dem Bett fiel, wurde ihr bewusst, die Bilder, die sie sah, waren keine Realität.

Lilith versuchte, sich zu erinnern. Sie sah einen toten Pferdeleib, darunter begraben, Adrian, ihr Gatte. Auch er war nicht mehr am Leben. Die Last des Pferdes, das auf ihn fiel, nahm ihm dieses. Die Menschen, die sich abmühten, das Pferd von Adrian zu ziehen, konnten ihm nicht mehr helfen. Als sie ihn endlich befreien konnten, war er bereits tot.

„Das ist es!“, rief Lilith aus. Bösartig grinsend stieg sie aus ihrem Bett und lief in ihrem Schlafzimmer hin und her. Die restliche Glut aus dem Kamin erhellte es nur spärlich, doch für Lilith war das nicht wichtig. Gedankenverloren stellte sie sich an das Fenster und schaute in den Garten hinunter, der vollkommen im Dunkeln lag. Nur ganz am hinteren Ende konnte man über den Wipfeln der Bäume die langsam aufziehende Dämmerung erspähen.

Fröstelnd rieb sich Lilith über die Arme. Doch auch die aufkommende Kälte trieb sie nicht in ihr Bett zurück.

„Was wäre, wenn Adrian einen Reitunfall hätte und dabei zu Tode stürzen würde?“, sinnierte sie, dabei an den Traum denkend, der sie aus dem Schlaf gerissen hatte. „Ja, natürlich, genau das ist es“, rief sie erfreut über ihren bösartigen Gedanken. „Ich bekäme dann zwar auch einen Vormund, doch den werde ich mir schon biegen, wie ich ihn brauche. Ich könnte Sally trotzdem ins Kloster schicken und sie könnte nicht einmal etwas dagegen tun. Sie würde rein gar nichts erben und ich alles.“

Lilith lachte laut auf. „Das Familienerbe würde ihr erst zufallen, wenn ich gestorben bin und sie zu diesem Zeitpunkt auch verheiratet ist. Das könnte sie aber nicht, da sie ja als Braut Gottes im Kloster leben und dort versauern würde.“ Der Gedanke, ihren Traum in die Tat umzusetzen, reifte in Lilith heran. Sie blieb noch einige Zeit am Fenster stehen, das sie inzwischen geöffnet hatte.

Die kalte Morgenluft strömte ins Zimmer. Lilith fröstelte noch mehr und beschloss, die Zeit bis zum Frühstück lieber schlafend im Bett zu verbringen, als frierend am offenen Fenster. Sie schloss es und schlüpfte zurück unter die noch warme Daunendecke. Seufzend schloss sie ihre Augen und versuchte wieder einzuschlafen.

 

Leise Geräusche im Hintergrund drangen an Liliths Ohren. Sie wollte noch nicht aufwachen, sondern drehte sich auf die Seite und zog die Decke über ihren Kopf. Doch die Geräusche ließen sich nicht vertreiben. Gähnend streckte sie sich unter ihrer Decke. Nur mühsam zwang sie sich, die Augen zu öffnen. Als ihr das endlich gelang, war das Fenster, das sie letzte Nacht geschlossen hatte, wieder geöffnet. Sie Sonne schien bereits und die Vögel zwitscherten um die Wette. Durch das Fenster drang der intensive, schwere Geruch der Rosen, die in langen Rabatten im Garten standen.

„Oh, verzeiht, habe ich Euch geweckt?“, hörte sie Amalia, ihre Zofe, sagen. Mit angsterfüllten Augen blickte das Mädchen von ihrer Arbeit auf, die sie eben verrichtet hatte. Obwohl es noch nicht lange im Haus weilte, wusste es bereits von der oft üblen Laune ihrer Herrin und hatte nicht nur einmal deren Schläge erdulden müssen.

„Ist schon gut“, erwiderte Lilith lächelnd und streckte sich noch einmal genüsslich im Bett aus. „Doch lauf lieber, hole Glut aus der Küche, damit du das Kaminfeuer hier entfachen kannst. Es ist arg kalt hier drinnen.“

Als Amalia aufatmend das Zimmer verlassen wollte, rief Lilith sie zurück. „Schließe doch vorher das Fenster“, befahl sie ihr, was Amalia sofort tat. Dann begab sich die junge Frau in die Küche, um die ihr befohlene Arbeit auszuführen.

Lilith währenddessen zog die Bettdecke nochmals hoch bis zum Kinn. Ihre Gedanken schweiften erneut zu ihrem erlebten Traum zurück. Die Idee, sich das Erbe ihres Gatten unter den Nagel zu reißen, ließ sie nicht mehr los. Erst als im Kamin ein prasselndes Feuer brannte und ihr Schlafzimmer in wohlige Wärme tauchte, begann sie ihren Tag.

 

Die Tage zogen ins Land und Sallys Geburtstag rückte immer näher. Lilith hatte ihre alten Beziehungen aufleben lassen, um ihrer Intrige Hand und Fuß zu geben. Die dunklen und zwielichtigen Gestalten, die sie angeheuert hatte, warteten nur auf ihr Zeichen, um tätig zu werden. Billig war das Ganze nicht, doch das, was sie am Ende ihr Eigentum nennen konnte, übertraf die für sie läppische Summe, die die Ganoven von ihr verlangten, um Vieles. Adrian überließ ihr den geforderten Betrag ohne nachzufragen, wofür sie ihn benötigte. Er nahm wohl an, sie wolle sich neue Garderobe schneidern lassen. Dass er damit seinen eigenen Tod bezahlte, ahnte er nicht.

 

Die Vorbereitungen für die Treibjagd liefen auf Hochtouren. Die Strecke der Jagd stand fest, das Picknick war bereit. Dann war es endlich soweit, Sally feierte ihren einundzwanzigsten Geburtstag. Von Adrian, Sally und den Gästen unbemerkt, lauerten in einem sicheren Versteck auf einem Baum die Gauner auf ihren Einsatz.

Lautes Bellen der Hundemeute klang von den Ställen herüber zum Wohnhaus. Sally mühte sich ab, ihr Reitkleid anzuziehen. Viel lieber wäre es ihr, sich in Hosen zu kleiden. Doch in Gesellschaft geziemte es sich nicht, sich so undamenhaft zu benehmen.

„Warum müssen wir Frauen uns immer so quälen“, maulte Sally unwillig, während Adelaide die Schnüre an Sallys Oberteil in die Ösen fädelte. Die Zofe lächelte dazu nur und tat weiter ihre Arbeit, ohne auf Sallys Gemaule zu hören.

„Fertig“, verkündete sie nach einiger Zeit und reichte Sally den federgeschmückten Hut, den sie heute tragen wollte. Sie drehte sich vor dem großen Spiegel hin und her und betrachtete ihre Erscheinung. „Fürchterlich“, maulte sie wieder, was von Adelaide nur belächelt wurde. Sie kannte ihre Herrin zwar schon einige Jahre, verstand es aber immer noch nicht, warum sie sich lieber in Männerkleidung sah als in schönen Roben, die ihre natürliche Schönheit noch unterstrichen.

„Ach nein, Ihr seht bezaubernd aus“, widersprach Adelaide nun doch und zupfte an einer Locke, die sich aus Sallys Frisur gelöst hatte.

Ehe Sally protestieren konnte, klopfte es an ihre Tür. Gleich darauf steckte Genefa, Sallys Busenfreundin ihren Kopf herein. „Bist du endlich fertig, Prinzessin“, fragte sie. „Die Gäste werden bereits ungeduldig. Die Hundemeute auch, wie du hörst.“

„Ja, ja, gleich“, antwortete Sally und griff nach ihrer Reitgerte, die auf dem Tisch bereit lag. „Gehen wir“, sagte sie zu Genefa und zog die Freundin mit sich.

Als Sally die lange Treppe in die Halle hinunterschritt, blickten ihr die anwesenden Gäste gespannt entgegen. Happy Birthday wurde ihr von allen Seiten zugerufen. Sie musste zahllose Hände schütteln und Küsschen empfangen.

„Du siehst entzückend aus und wirst heute wohl so manches Männerherz brechen“, flüsterte ihr Vater ihr ins Ohr, worauf Sally nur glockenhell lachte und den Kopf schüttelte.

„Oh nein, Vater, letzteres heute garantiert nicht“, erwiderte sie lachend und knuffte Adrian neckend in die Seiten. „Gehen wir lieber, es ist bestimmt alles zur Jagd bereit.“ Sie ließ sich von Adrian nach draußen führen und sich auf ihr Lieblingspferd heben, das fertig gezäumt und gesattelt von einem Reitknecht herangeführt wurde.

Oben am Portal stand Lilith und blickte zu den Gästen hinunter, die sich alle zu ihren Pferden begaben und sie bestiegen. Durch das Tor des Anwesens ritt bereits einer der Hundeführer, gefolgt von seinen laut bellenden und aufgeregten Beagles.