Die Brücke der Vergeltung - G.F. Barner - E-Book

Die Brücke der Vergeltung E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. In der Hölle starb man nicht, das wusste Dick Malone genau. In der Hölle krepierte man. Man verreckte langsam und kostete jede Höllenqual bis zur Neige aus. Wir werden alle krepieren, dachte der ehemalige Sergeant Dick Malone vom dritten Kavallerieregiment der Tennessee Volunteers. Er stand in der Reihe und im Dreck von Camp Pigeon Creek Nummer 2. Sie standen alle im Dreck, neunzig Mann verteilt auf drei Züge, in Hufeisenformation angetreten, und blickten irgendwohin, nur nicht zum Doppeltor, durch das sie nun Sam Cooley hereinbrachten. Das arme Schwein, der hat es bald überstanden, dachte Malone und hörte, wie Ed Forges und Nick Steward hinter ihm schnauften. Das wird seine letzte Qual in der Hölle, wie wir Camp 2 nennen. Dann wird er ein Engel sein und weiße Flügel haben, himmlischen Nektar trinken. Als er an den himmlischen Nektar dachte, machte er die Augen auf und sah den hageren Yankee-Corporal Josef McLaren langbeinig vor dem Sechser-Kommando hergehen, das Sam Cooley in die Mitte genommen und die Bajonette auf die Gewehre gepflanzt hatte. Joe McLaren, der First Corporal, hatte die schmalen Lippen fest zusammengepresst und sah starr geradeaus. Er sah keinen der neunzig Gefangenen an, denn der Anblick dieser traurigen Gestalten war ihm zuwider. McLaren, den sie nur den »frommen Josef« nannten, war absolut bibelfest und hatte für jeden und alles immer den passenden Spruch bereit. So hatte er denn auch am frühen Morgen zu Sam Cooley gesagt, er würde bald den »himmlischen Nektar« trinken dürfen, seinen eigenen Schweiß. Nun hatte Sam Cooley ihn getrunken, man sah es ihm

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G.F. Barner – 108–

Die Brücke der Vergeltung

… von Gefangenen erbaut – und von ihnen gesprengt

G. F. Barner

In der Hölle starb man nicht, das wusste Dick Malone genau. In der Hölle krepierte man. Man verreckte langsam und kostete jede Höllenqual bis zur Neige aus.

Wir werden alle krepieren, dachte der ehemalige Sergeant Dick Malone vom dritten Kavallerieregiment der Tennessee Volunteers. Er stand in der Reihe und im Dreck von Camp Pigeon Creek Nummer 2.

Sie standen alle im Dreck, neunzig Mann verteilt auf drei Züge, in Hufeisenformation angetreten, und blickten irgendwohin, nur nicht zum Doppeltor, durch das sie nun Sam Cooley hereinbrachten.

Das arme Schwein, der hat es bald überstanden, dachte Malone und hörte, wie Ed Forges und Nick Steward hinter ihm schnauften. Das wird seine letzte Qual in der Hölle, wie wir Camp 2 nennen. Dann wird er ein Engel sein und weiße Flügel haben, himmlischen Nektar trinken.

Als er an den himmlischen Nektar dachte, machte er die Augen auf und sah den hageren Yankee-Corporal Josef McLaren langbeinig vor dem Sechser-Kommando hergehen, das Sam Cooley in die Mitte genommen und die Bajonette auf die Gewehre gepflanzt hatte.

Joe McLaren, der First Corporal, hatte die schmalen Lippen fest zusammengepresst und sah starr geradeaus. Er sah keinen der neunzig Gefangenen an, denn der Anblick dieser traurigen Gestalten war ihm zuwider.

McLaren, den sie nur den »frommen Josef« nannten, war absolut bibelfest und hatte für jeden und alles immer den passenden Spruch bereit. So hatte er denn auch am frühen Morgen zu Sam Cooley gesagt, er würde bald den »himmlischen Nektar« trinken dürfen, seinen eigenen Schweiß.

Nun hatte Sam Cooley ihn getrunken, man sah es ihm an, denn er wankte nur noch zwischen den beiden Yankees her, die ihn an den gebundenen Armen gepackt hielten, damit er nicht wieder umfiel.

Dick Malone hatte Sam Cooley an diesem Tag viermal umfallen sehen, aber Cooley war immer wieder aufgestanden. Wenn die kommende Höllenqual für Sam Cooley vorbei war, würde er nicht mehr aufstehen, das wusste Malone.

Niemand hielt vierzig Peitschenhiebe auf den nackten Rücken aus, der so weit fertig war wie Cooley. Er würde die vollen vierzig Schläge bekommen, dafür bürgte Sergeant John Reading, der hinter dem Sechserkommando herging und die Peitsche in der rechten Hand hielt – die Schnur zusammengefasst und bei jedem Schritt einmal gegen den Stiefelschaft klopfend.

Eines Tages, dachte Malone, werde ich Reading und den frommen Josef umbringen. Und wenn sie tot sind, werde ich lächeln. Sergeant Reading macht immer alles gründlich, und genauso gründlich werde ich ihn umbringen. Wenn ich gewusst hätte, was Gefangenschaft heißt, hätte ich mich nie ergeben und lieber so lange mit dem Säbel um mich gehauen, bis mich ein Yankee erschossen hätte. Mein lieber Mann, was wäre mir alles erspart geblieben.

Malone blickte nun zu dem Balken, den man aus der Ferne auch für ein Turnreck halten konnte, dessen Querstange sich zweieinhalb Yards über dem Boden befand und an beiden Enden von je zwei starken Vierkanthölzern abgestützt wurde.

Der Sergeant hatte am frühen Morgen das Abladen der beiden Brotwagen beaufsichtigt. Heute war der Brottag gewesen.

Sam Cooley war zum Abladekommando eingeteilt worden und hatte sich ein kleines Brot unter den Hosenbund geschoben, die Luft angehalten, den Bauch eingezogen und geglaubt, dass Sergeant Reading nichts von dem Brot sehen würde.

Seit zwölf Stunden wusste der ehemalige Südstaatencorporal Sam Cooley, dass Sergeant Reading alles sah. Er hatte keine Schläge bekommen, nur einen Schlag mit einem Vierkantholz ins Kreuz. Danach war er umgefallen und das Brot aus dem Hosenbund in den Dreck neben der Küchenbaracke gerutscht.

Zuerst hatten sie geglaubt, dass Sergeant Reading Cooley zwingen würde, das verdreckte Brot mit je einem Löffel Schlamm pro Bissen als Zugabe aufzuessen, aber sie hatten sich wieder einmal geirrt.

Sergeant Reading hatte Cooley einen Spaten holen lassen. Danach hatte Cooley ein Loch graben müssen, in dem man glatt einen Mann hätte beerdigen können. Als das Loch fertig gewesen war, hatte Cooley das Brot hineinwerfen und das Loch wieder zuschaufeln müssen.

Es war also eine Brotbeerdigung geworden. Das war um elf Uhr gewesen. Um zwei Uhr nachmittags hatte Cooley das Brot wieder ausgraben müssen, und war dabei umgekippt. Um vier Uhr nachmittags musste er es wieder eingraben und gegen neun Uhr erneut ausgraben, und Cooley war dreimal umgefallen.

Dick Malone blinzelte zum rechten Wachtturm, sah drei Yankees hinter der Turmbrüstung mit angeschlagenen Gewehren stehen und blickte an ihnen vorbei zum Ohio River, der hier, östlich von Evansville in Indiana, 600 Yards breit war und sein gelblich schmutziges Wasser nach Westen wälzte.

Der ehemalige Sergeant Malone sah die Holzpfeiler der Brücke von Owensboro, die neunzig Gefangene und etwa vierzig Yankees bauten, er betrachtete das Gitterwerk der Holzträgerkonstruktion und die tiefhängenden Regenwolken im Osten.

»Abteilung – halt!«

Vierzig Schläge, dachte Malone, werden ihn umbringen, den armen Hund, wenn Sergeant Reading zuschlägt.

John Reading hasste alle Südstaatler, weil er lieber zu Hause in Cleveland bei seiner Frau und seinen beiden Kindern wäre. Er hasst uns, weil er ein Jahr lang Schmerzen in seinem vereiterten linken Bein gehabt hat, in das ihn eine Rebellenkugel traf.

Ich wollte, die Kugel wäre vergiftet gewesen, dann lebte der Lump schon lange nicht mehr. Nun ja, wer im Zivilleben nichts weiter getan hat, als Tag für Tag Schweine abzustechen, dem macht es nicht viel aus, wenn jemand verreckt, glaube ich. Für ihn sind Rebellen wie ich nur Schweine – und genauso behandelt er uns auch.

»Achtung!«

Malone dachte nicht daran, die Hacken zusammenzuschlagen. Er richtete sich nur etwas auf, hob die vom Balkenschleppen schmerzenden Schultern und spürte, wie sich Logan Chandlers Ellbogen an ihm rieb.

»Stillgestanden!«

Sie standen still, aber sie hatten keine Haltung eingenommen. Man konnte das nur als gerades Stehen bezeichnen, gerade das, was ihre Wächter ihnen noch durchgehen ließen. Hätten sie weiter herumgelümmelt, wären ihnen morgen zwei Rationen gestrichen worden. Das wussten sie alle nur zu gut.

Seitdem sie beim geringsten Widerstand mit Essensentzug bestraft wurden, muckten sie offen nicht mehr auf. Dafür gab es mehr versteckte »Antworten«, keine offene Rebellion mehr, doch ab und zu fiel einem Yankee ein Brett oder ein Balken auf den Fuß, fiel einer, den angeblich niemand gestoßen hatte, in den Ohio oder brach eine Laufplanke durch.

Dick Malone sah nun, dass Lieutenant Harry Mosley, der noch hinter Sergeant Reading gegangen war, vor das Sechserkommando trat.

Mosley, im Zivilleben Schulmeister in Nordkentucky, war groß, hager und hielt sich immer kerzengerade. Seine Uniform zeigte niemals einen Fleck. Er hatte so buschige Brauen, dass sie, wenn er sie finster zusammenzog, seine tief liegenden dunklen Augen beinahe verdeckten.

Sein finsterer Blick traf die Gefangenen, während er in die rechte Außentasche seines blauen Uniformrockes griff. Er war ein derartiger Pedant, dass er den Knopf der Tasche wieder schloss, nachdem er das Schreiben herausgenommen hatte.

»Befehl des Kommandanten, Captain Hanforda«, schnarrte er dann scharf. »Der Gefangene Cooley wird wegen Diebstahls und Beschmutzung von Verpflegung der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika zu vierzig Peitschenhieben verurteilt.«

Malone blickte zu Cooley. Das schmale bleiche Gesicht Sam Cooleys verriet nichts. Es schien, als hätte Cooley gar nicht zugehört. Der einundzwanzigjährige Sam Cooley stand schwankend zwischen seinen Bewachern und blickte nach Süden. Dort hinten im Süden, mehr als zweihundert Meilen entfernt, kämpften sie: Nordstaatler gegen Südstaatler, irgendwo nördlich des Tennessee Rivers, an dem Cooley zu Hause war.

In diesem Augenblick riss man Cooley die Arme auseinander und legte ihm die Schlingen um die Handgelenke, um sie durch die Haken straff nach oben zu zerren, sodass Cooley gerade noch auf den Zehenspitzen stehen konnte.

Im gleichen Moment ließ ein Stöhnen Malone den Kopf nach links wenden. Der zweitletzte Mann im vorderen Glied, Jacob Rosefield, schwankte, fiel und klatschte mit dem Gesicht in den Schlamm von Camp Pigeon Nummer 2.

So blieb es ihm erspart zu hören, wie der ehemalige Schulmeister Harry Mosley knarrend sagte: »Sergeant, beginnen Sie!«

Sergeant Reading trat hinter den Gefangenen, dem man das Hemd schon vorher ausgezogen hatte, und nahm den Arm zurück. Die Peitschenschnur lag nun im Dreck. Als sie loszischte und der Sergeant Maß nahm, machte Dick Malone die Augen zu. Er wusste, er würde John Reading eines Tages töten.

*

Blut, dachte Malone und hob den Kopf des Jungen an, in diesem Land fließt überall Blut, zu viel Blut. Er sah Joe McLaren an, der hager, das Gesicht in bekümmerte Falten gelegt, auf den Spitzen seiner Stiefel wippend und die Hand am Revolverkolben, vor ihm und den anderen stand. Der fromme Josef wirkte wie ein Sektenprediger, er war auch einer gewesen.

»Warum, du Unglückseliger«, sagte der fromme Josef und schüttelte den Pferdeschädel, »stiehlst du Manna? O du Sünder, dir ist recht geschehen, denn sehet, die Strafe folget auf dem Fuß. Heißt es nicht, du sollst nicht stehlen, Malone?«

»So steht es geschrieben«, erwiderte Malone finster. »Es steht aber auch geschrieben, Corporal: Ich will erquicken, die da hungern und dürsten – oder?«

»Oh, du unheiliger Pharisäer und Schriftgelehrter«, zischte der fromme Josef, als er sich geschlagen sah. »Fällt dir wieder ein Spruch ein? Eines Tages wird dir geschehen, wie es geschrieben steht, denn wehe den Lästerern … Steh auf, du Bursche, wenn ich dich für würdig befinde, das Wort an dich Verlorenen zu richten! Du sollst aufstehen, Malone!«

»Sicher«, antwortete Malone träge. »Sicher, McLaren. Na, nun stehe ich, und was willst du jetzt?«

Ed Forges und Nick Steward, die Cooley gerade losgebunden hatten und aufheben wollten, blieben neben dem besinnungslos geschlagenen Jungen hocken und sahen, wie in McLarens Augen die grimmige Wut aufleuchtete.

»Was hast du gerade gesagt, Malone?«, fragte McLaren grimmig. »Wie redest du einen Corporal der US-Army an, du Rebellenseele, du verlorene? Habe ich mich verhört, oder hast du mich wie deinesgleichen angesprochen?«

»Du hast dich nicht verhört, McLaren, du Yankeeseele, du verlorene. Da du die Heilige Schrift so gut zu kennen vorgibst, McLaren, erzähle mir doch einmal, wo etwas davon steht, dass du mehr als der liebe Gott bist.«

Lieutenant Harry Mosley wandte sich langsam um. Er hatte das Abrückkommando geben wollen, zögerte jedoch und blickte von Malone zu McLaren. Man konnte von Mosley sagen, was immer man wollte – er war sicher grob bis zur Grausamkeit, strafte unmenschlich hart, wenn jemand gegen die Campdisziplin verstieß oder sich auflehnte, aber er war kein Heuchler wie der fromme Josef, der anderen Leuten mit salbungsvollen Worten einen Tritt in die Rippen gab. Mosley konnte McLaren nicht leiden, das wusste man.

Da Malone den ersten Satz sehr leise gesprochen hatte, hatte keiner der Bewacher etwas von »Yankeeseele, verlorene« gehört. Mosley hörte nur die letzten Worte und wurde neugierig.

Er hielt Malone für einen der wenigen zuverlässigen Männer beim Bau der Brücke über den Ohio River. Malone führte seine Listen sorgsam, kennzeichnete jeden Balken genau – und perfekte Arbeit war etwas, was Mosley schon von seinen Schülern verlangt hatte. Er liebte Perfektion und Ordnung über alles.

McLaren lief rot an, schnappte nach Luft und durchbohrte Malone, der mit einem kühlen Lächeln vor ihm stand, mit Blicken.

»Willst du vielleicht auch noch Gott lästern, du elendiger, gottverdammter Bursche?«, knirschte McLaren dann. »Wo steht denn etwas von mir in der Bibel?«

»Es müsste drinstehen«, sagte Malone kühl. Er beobachtete Mosley aus den Augenwinkeln und fragte sich, was der Lieutenant tun würde.

»Wenn du verlangst, dass ich dich mit Sie anrede, dann bist du mehr als der liebe Gott, denn es heißt doch immer in der Heiligen Schrift: Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen und so weiter, oder? Auch Gott wird mit ›du‹ angesprochen. Wenn du also mit Sie angeredet werden willst, bist du mehr als Gott. So dumm bin ich nicht, dass ich das nicht weiß, McLaren. Willst du aber mit Sie angeredet werden, dann bin ich nicht Malone für dich, die verlorene Rebellenseele, dann bin ich Quartermaster-Sergeant Malone, verstehen Sie das, Corporal McLaren? Ich habe ein Anrecht, so genannt zu werden. Quartermaster-Sergeant Richard Malone, Corporal, ist das klar? Das besagt sogar die Armeevorschrift über die Behandlung von Gefangenen. Artikel sieben, Absatz vier, Corporal.«

»Du verfluchter Rebellenhund, dir werde ich …«

»Corporal!«

Als Mosleys schnarrende Stimme losfegte, zuckte McLaren heftig zusammen und fuhr herum.

»Sir?«

»Corporal, reden Sie den Quarter­master-Sergeant Malone so an, wie es sich gehört«, sagte Mosley barsch. »Geben Sie es endlich auf, Malone auf seine Bibelfestigkeit prüfen zu wollen. Und Sie, Malone, führen Sie in Zukunft keine widersetzlichen Reden, verstanden?«

»Verstanden, Sir«, sagte Malone. Er fing den drohenden Blick Sergeant Readings ein und wusste, dass Reading und McLaren immer zusammenhalten würden.

»Abrücken!«, befahl Mosley kalt. »Malone, schaffen Sie Cooley fort, aber vergessen Sie nicht, nach zehn Uhr ist jede Bewegung im Camp untersagt.«

Malone nickte, während McLarens Zähneknirschen eine Viertelmeile weit zu hören sein musste.

»Morgen«, zischte McLaren, indem er den Kopf senkte, »ist auch noch ein Tag, du Rebellenschwein. Wir sprechen uns noch.«

»Versuche es, aber du musst mich schon gleich umbringen, denn kann ich noch schreien, hast du Mosley auf dem Hals, du Heuchler«, zischte Malone zurück, während er sich bückte. »Hau ab, Mann.«

Er kümmerte sich nicht weiter um McLaren. Sam Cooley hatte sich nach den ersten Peitschenhieben auf die Lippen gebissen, irgendwann später vor Schmerz schreien wollen, den Mund aufgetan, aber dann doch wieder im sengenden Schmerz des nächsten Peitschenhiebes geschlossen und sich in die Zunge gebissen. Das Blut lief ihm aus dem von Forges mit Gewalt aufgezwängten Mundwinkel.

»Dick, das hättest du besser nicht gemacht«, flüsterte Steward. »Das vergisst dir McLaren niemals, wirst sehen.«

»Ich wollte nicht ersticken«, erwiderte Malone bissig. »Hebt den armen Kerl auf und tragt ihn in seine Hütte, aber vorsichtig, legt ihn nur nicht auf den Rücken.«

Forges – er war der einzige Sanitäter im Arbeitscamp – schüttelte düster den Kopf.

»Dick, der arme Hund wird drei Wochen krank sein. Ich wette, sie lassen ihn mit voller Absicht eine Woche in dieser Hölle liegen, ehe sie ihn zum Camp am Pigeon Creek zurückschicken.«

Gegen das Arbeitslager war das Hauptcamp für einen kranken Mann die nackte Hölle. Am sumpfigen Ufer des Pigeon Creeks lauerte eine Billiarde Mücken auf jede Wunde.

»Wir werden sehen«, antwortete Malone finster. »Tragt ihn jetzt, wir haben keine zwanzig Minuten mehr, dann muss er verbunden sein.«

Eines Tages, dachte Malone, während er neben dem Besinnungslosen herging, und sich einige Männer anschlossen, werde ich ein Buch über dieses Camp schreiben, wenn ich dann noch lebe. Warum muss ich hier die Aufsicht haben, ausgerechnet ich? Mir sind die Hände gebunden, ich kann nichts für die Männer tun.

»Dick, manchmal bist du nicht klug«, sagte in diesem Augenblick der ehemalige Sergeant Craigh neben ihm. Craigh war ein großer, breitschultriger Mann mit listigen Augen. Er trug einen genauso buschigen Knebelbart wie der verhasste Sergeant Reading. Er hauste mit John Gavin, einem gerissenen und mit tausend Wassern gewaschenen ehemaligen Mississippischiffer, in einer der Laubhütten.

»Stimmt«, sagte Gavin trocken. »Dabei ist er doch sonst so schlau, unser Freund Dick. Dick, ist es sicher, dass unsere Wächter zum Teil abgelöst werden?«

»Ja«, gab Malone zurück. »Die frontfähig geschriebenen Yankees, ungefähr fünfundzwanzig Mann, werden morgen abgelöst. Warum fragst du, Gavin?«

Gavin fluchte. »Dann wird Aston dabei sein, was? Kein Tabak mehr für uns, was, Sterling?«

»Wir finden schon wieder einen, der uns unsere Schnitzereien abnimmt«, tröstete ihn Sterling Craigh. »Kann natürlich etwas dauern, aber wir werden schon etwas zu rauchen bekommen. He, Dick, sieh dich vor. McLaren dreht dir ein Ding, wenn er kann.«

»Ja, pass auf, dass der fromme Josef dir nicht in den Rücken kommt, wenn du zu nahe am Fluss stehst oder oben auf der Brücke bist«, warnte Gavin. »Wäre schade um dich, Dick.«

Sie gingen davon, helfen konnten sie doch nicht. Malone blickte ihnen nach, und er fragte sich wieder einmal, was die beiden Männer ausbrüten mochten. Gavin war ein Blumennarr, der jeden Tag einen Strauß der schnell welkenden blauen Uferveilchen mit ins Camp nahm. Sterling Craigh hatte beim Einrammen der Brückenpfähle einen alten henkellosen Kochtopf aus dem Ohio gefischt. Angeblich kochten sie sich ab und zu, weil das gesund sein sollte, Veilchentee.

Als Craigh und John Gavin davongingen, sah Gavin den großen breitschultrigen Craigh an.

»Ob er etwas ahnt?«

»Ja, sehr wahrscheinlich …«, erwiderte Craigh leise. »Dick macht sich auf alles seinen Reim. Er hat neulich gesehen, dass ich Yankeesergeant Colby das Halsband geklaut habe. Gesagt hat er nichts, aber ich wette, er hat sich seinen Teil gedacht. Zudem weiß er, dass ich Schneider gewesen bin.«

»Dick hält das Maul«, zischte Gavin. »Dennoch ist einer unter uns, der den Yankees zu viel erzählt. Ich möchte wissen, wer der Schweinehund ist, dann würde ich ihm mein Messer …«

Gavin schloss einen Moment die Augen und dachte an die vier Mann, die in Camp Pigeon einen Tunnel unter dem Zaun her gegraben hatten. Man hatte sie erwischt, als sie schon draußen waren.

Zwei waren gleich erschossen worden, einer hatte noch drei Stunden gelebt, der andere zwei Tage, nachdem er achtzig Peitschenhiebe erhalten hatte. Und dann hatte er sich umgebracht, an der Zeltstange erhängt.

*