Partner auf Leben und Tod - G.F. Barner - E-Book

Partner auf Leben und Tod E-Book

G. F. Barner

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Griffith Augk macht zwei hastige Schritte auf das Tor zu. Er sieht den Mann, der den Hauch der Wüste verbreitet, seine beiden Pferde zurückhalten und die Hände auf das Sattelhorn stützen. Griffith ist fast sechzig Jahre alt und schon lange bei Howard Dunn beschäftigt. Er kann sich nicht erinnern, jemals für einen anderen Mann gearbeitet zu haben. Vor vierzehn Jahren, denkt Griffith, sind wir in Arizona gewesen. Howard, die Sprudis-Brüder und ich. Vermessen haben wir damals. Und den Burschen hier gefunden. Seltsam, daß er sich nicht verändert hat, seltsam in der Tat, daß aus einem Jungen ein Mann werden kann und er doch dasselbe Gesicht behält, so ein Gesicht, in dem man die Weite lesen kann, die Weite eines Landes, in dem er immer gelebt hat. Klapperschlangen-Jim! Sein Haar ist hell wie der Sand am Pyramiden-See, seine Augen hell wie klares Wasser. Und das Gesicht braun, fast das Gesicht eines Indianers. Dabei ist er hager, dieser Mann, den sie Klapperschlangen-Jim nennen. Jim wird immer mager sein, ein Wüstenwolf, einer, der umherstreift, der mal hier ist und wieder dort auftaucht, der aber auf eine rätselhafte, unheimliche Art immer da auftaucht, wo es für den alten Howard Dunn und seine Männer Ärger gibt. Er hält nun und sieht auf den Alten hinab, auf dessen grauweißen Bart und die blinzelnden Augen, die sich hinter schweren Lidern zu verstecken scheinen. Dies ist auch ein Blick, den alle Männer haben, die viel in der glühenden Sonne Nevadas, Utahs oder Arizonas reiten, sie kneifen ihre Lider fast zu. So entsteht für den, der die Männer nicht kennt, der Eindruck, daß sie dauernd in einer Art Halbschlaf unterwegs sind. Aber in Wirklichkeit sind diese Männer hellwach. Von Klapperschlangen-Jim sagen sie, daß er eigentlich immer wach ist und niemals schläft. Er hält, ein Mann, dessen Leibriemen aus der Haut einer Klapperschlange geflochten ist, dessen Hutband auch breit und seltsam gezackt aus der Haut einer anderen Klapperschlange ist.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 146

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die großen Western – 355 –

Partner auf Leben und Tod

G.F. Barner

Griffith Augk macht zwei hastige Schritte auf das Tor zu.

Er sieht den Mann, der den Hauch der Wüste verbreitet, seine beiden Pferde zurückhalten und die Hände auf das Sattelhorn stützen.

Griffith ist fast sechzig Jahre alt und schon lange bei Howard Dunn beschäftigt. Er kann sich nicht erinnern, jemals für einen anderen Mann gearbeitet zu haben.

Vor vierzehn Jahren, denkt Griffith, sind wir in Arizona gewesen. Howard, die Sprudis-Brüder und ich. Vermessen haben wir damals. Und den Burschen hier gefunden.

Seltsam, daß er sich nicht verändert hat, seltsam in der Tat, daß aus einem Jungen ein Mann werden kann und er doch dasselbe Gesicht behält, so ein Gesicht, in dem man die Weite lesen kann, die Weite eines Landes, in dem er immer gelebt hat.

Klapperschlangen-Jim!

Sein Haar ist hell wie der Sand am Pyramiden-See, seine Augen hell wie klares Wasser. Und das Gesicht braun, fast das Gesicht eines Indianers. Dabei ist er hager, dieser Mann, den sie Klapperschlangen-Jim nennen.

Jim wird immer mager sein, ein Wüstenwolf, einer, der umherstreift, der mal hier ist und wieder dort auftaucht, der aber auf eine rätselhafte, unheimliche Art immer da auftaucht, wo es für den alten Howard Dunn und seine Männer Ärger gibt.

Er hält nun und sieht auf den Alten hinab, auf dessen grauweißen Bart und die blinzelnden Augen, die sich hinter schweren Lidern zu verstecken scheinen.

Dies ist auch ein Blick, den alle Männer haben, die viel in der glühenden Sonne Nevadas, Utahs oder Arizonas reiten, sie kneifen ihre Lider fast zu. So entsteht für den, der die Männer nicht kennt, der Eindruck, daß sie dauernd in einer Art Halbschlaf unterwegs sind.

Aber in Wirklichkeit sind diese Männer hellwach.

Von Klapperschlangen-Jim sagen sie, daß er eigentlich immer wach ist und niemals schläft.

Er hält, ein Mann, dessen Leibriemen aus der Haut einer Klapperschlange geflochten ist, dessen Hutband auch breit und seltsam gezackt aus der Haut einer anderen Klapperschlange ist. Ja, selbst sein Geldbeutel ist aus Klapperschlangenhaut.

Und einige sagen gar, er wäre so leise wie eine Klapperschlange, die den Schwanz verloren hat.

Jim blickt den Alten an und stößt den ausgestreckten Daumen unter die Krempe seines altes Hutes, genau wie damals, als sie ihn fanden und er von vielen toten Klapperschlangen umgeben war.

»Hast du die Nachricht bekommen?« fragt der alte Mann heiser. »Howard wartet auf dich. Du ahnst nicht, wie sehr er schon wartet!«

»Ich habe sie bekommen«, sagt Jim und sieht über den Alten hinweg auf den Hof, in dem nur noch drei Wagen und etwa ein Dutzend Maultiere stehen. »Alle unterwegs?«

»Ja, oben in der Humboldt-Kette. Nur Merriwater Higgs ist noch da – und ich.«

»Du wirst immer dasein, Griff.«

»Ein alter Mann findet keinen anderen Boß, er will auch gar nicht weggehen. Wo bist du gewesen?«

»Bei Tilda.«

»Ah, der alte Schraubendampfer? Wie geht es ihr?«

»Sie ist neunundsiebzig geworden. Man soll Geburtstage nie vergessen.«

»Ach, darum bist du weggewesen? Hat sie dich wieder zu bereden versucht?«

»Das wird sie immer tun. Sie wird aber noch allein fertig«, sagt Jim. Und dann kommt sein Lächeln, das alle Männer Howard Dunns nur an den Falten um seine fast geschlossenen Lider erkennen können. »Zwei wilde Cowboys haben vorgestern zuviel getrunken. Sie hat sie beide hinausgeworfen.«

»Mit neunundsiebzig?«

»Ja«, sagt Klapperschlangen-Jim und grinst, »sie hat jeden am Kragen gepackt und sie mit den Köpfen zusammendonnern lassen. Der eine ist gleich müde geworden, während der andere noch geschimpft hat. Als er mit dem Kopf voran in der Regentonne gesteckt hat, da war er ganz still!«

»Allmächtiger. Wollte sie dich nicht halten?«

Jim sieht ihn an und lächelt nicht mehr. Da sind viele Erinnerungen. Tilda hat es oft versucht, zuerst, als er zwölf Jahre alt war. Immer hat sie ihn halten wollen. Und immer ist er fortgegangen.

»Wohin willst du, Junge?« hat sie gefragt und die Arme in die Seiten gestemmt.

»Nach Hause.«

»Nach Hause? Du bist hier bei mir zu Hause, Jim.«

»Dort ist mein Zuhause«, hat der kleine Jim gesagt, und die Hand hat einen großen Kreis beschrieben, der die Unendlichkeit der Horizonte eingeschlossen hat. »Dort.«

Dort ist er auch heute noch zu Hause, in der Wüste, in den Bergen, in der Einsamkeit.

Und alle fürchten, daß er niemals seßhaft werden wird, daß Vaters Grab in der Wüste sein Wallfahrtsort bleiben wird, bis er selbst irgendwo in den Bergen, in der Wüste oder all jener freiwilligen Einsamkeit bleibt.

Immer, wenn er nach Wochen oder Monaten nach Reno kam, hatte er Berge von Häuten, aus denen Malcolm Lewis, der Kunsthändler und in ganz Nevada bekannte Sattler, die Zigarrentaschen oder Geldbeutel macht. Echte Klapperschlangenhaut, eine begehrte Sache für jedermann.

Jedes Jahr ist er fortgegangen, kurz bevor neue Klapperschlangenjunge die Gegenden unsicher machen. Und jedes Jahr bringt er sie auch heute noch zu der alten Tilda Jones, die manchmal das Frösteln bekommt, wenn sie die Berge Häute sieht.

Jim Reynolds blickt den alten Griff an und nickt.

»Was sollte sie sonst tun?«

»Du bist ein Narr, Jim, du weißt es auch, denke ich. Sie hat das feinste Hotel, den prächtigsten Saloon, die hübschesten Mädchen und die dickste Brieftasche. Und all das kannst du sofort haben. Du bist ihr Erbe. Warum gehst du nicht hin und bleibst bei ihr?«

»Ich kann nicht stillsitzen.«

»Sie will dich aber bei sich haben.«

»Sitzen«, sagt der seltsame Mann, den sie Klapperschlangen-Jim vom Sacramento bis zum Salz-See nennen. »Essen und von der Arbeit einer alten Frau leben, das ist nicht gut, mein Freund.«

»Du würdest für deine Kinder auch arbeiten.«

»Ich bin nicht ihr Sohn.«

»Ach, für sie bist du das, jeder weiß es. Könntest in einer prächtigen Kutsche fahren, was vom Leben haben. So verrückt wie du müßte ich mal sein. Du bist blöde!«

»Aber gesund!«

»Mich kann man nicht ärgern, was? Das denkst du. Geh zu Howard, da hast du mehr Ärger, als du vertragen kannst!«

»So?« fragt Jim und macht die Augen etwas weiter auf. »Wer macht Ärger?«

»Einige Leute an der HumboldtKette. Es gefällt ihnen nicht, daß wir den Wald abschlagen und Telegrafenmasten setzen, daß wir Bäume fällen und schneiden, um Grubenholz zu machen. Bill hat es erwischt.«

»Dollin? Ist er tot?«

»Nein, nur ziemlich fertig. Er hat eine Kugel in der Schulter, Jim. Unterwegs haben ihn drei Männer angehalten, Leute von einem Rancher.«

»Hat er zuerst gezogen?«

»Er sagt nein, sie sagen ja. Drei gegen einen. Weißt du, wie das aussieht?«

»Schlecht. Drei Männer sagen immer die Wahrheit. Und Howard?«

»Geh zu ihm, ich habe schon genug geredet. Zwei Rancher sind bei ihm. Davis auch.«

»So?« fragt Jim nur, dann reitet er an. Er kommt mitten auf den Hof der Lovelock-Niederlassung von Dunn and Tilghmans Transport-Linie.

Rechts kauert der Feuerbart Merriwater Higgs auf der Bank und stichelt mit der Schweinsborste und einem Pechdraht im Sielenzeug.

»Hoh, Jim!«

»Hoh, Merriwater. Gerissen?«

»Zwanzig Bäume auf einem Wagen. Soll es wohl, was? Bist du in Reno gewesen?«

»Ja, die alte Eule besucht.«

»Laß sie das nicht hören, vielleicht enterbt sie dich.«

»Sie sagt, die alte Eule sei endlich das richtige Wort für sie. Immerhin ist die Nacht ihr wirkliches Leben, und das seit vierzig Jahren.«

»Fährst du heute noch mit Griff?«

»In zwei Stunden. Wenn du mitkommen willst? Aber du wirst es eiliger haben, fürchte ich. Howard ist drin.«

Er legt seine Arbeit hin, kümmert sich um Jims Pferde und sieht Jim langbeinig und federnd auf das Haus zugehen. Rechter Hand ist der Anbau, vor dessen Balken vier Pferde stehen. Als Reiter sieht Jim Reynolds sofort, daß es ausgesucht gute Pferde sind. Das eine Tier, ein hochbeiniger, breitbrüstiger Rappe mit dem typischen schlanken Hals eines Schnelläufers, steht ganz links.

Jim Reynolds bleibt stehen. Er erinnert sich, diesen Tausend-Dollar-Sattel und das Pferd schon einmal gesehen zu haben, kommt aber nicht gleich auf den Mann, der dieses Pferd geritten hat.

Er steht vielleicht eine Minute still, hört die tiefe Stimme eines Mannes undeutlich und gleich darauf einen anderen Mann mit einer knarrenden Stimme sagen: »Dunn, ich warne Sie nur einmal! Danach gibt es keine Warnung mehr!«

Genau diese Worte sind es, die Jim Reynolds die Erinnerung an den Mann zurückrufen, dem das Pferd und der Sattel hier gehören.

Der Mann heißt Lee Hull und hat mit fast den gleichen Worten beim großen Rodeo in Reno jemanden gewarnt, der ihm beim Rennen quer vor das Pferd geritten ist.

Langsam setzt sich Jim Reynolds wieder in Bewegung, macht die letzten Schritte bis zur Tür des Hauses und öffnet sie geräuschlos.

Sein erster Blick geht in den Raum, trifft Mark Smith, den Schreiber von Howard Dunn, und bleibt auf Mark liegen. Die Tür zum Sprechzimmer, dem eigentlichen Büro von Dunn, hat eine Mattglasscheibe. Man kann undeutlich den Hinterkopf eines Mannes erkennen, der vor der Tür stehen muß.

»Gott sei Dank«, sagt Smith, ein kleiner nervöser Mann, der eine zänkische Frau zu Hause und wenig Freude am Leben hat, erleichtert. »Jim, sie reden wie die wilden Longhorns mit Howard. Dabei haben wir einen Regierungsauftrag, der…«

»Schon gut, immer ruhig«, sagt Jim leise und geht auf die Tür zu. »Mark, du solltest nicht so nervös sein!«

Jim legt die Hand auf den Drücker, und seine staubige graurot aussehende Lederkleidung verliert einen Teil des Staubes im Luftzug, als er die Tür öffnet und Luftzug durch das offene Fenster entsteht.

Durch den Luftzug wird vom Schreibtisch, hinter dem Howard Dunn aufrecht steht, ein Stück Papier hochgeweht.

Und es landet, wie von Geisterhänden getragen, genau auf Lee Hulls Brust.

Lee Hull, ein großer, knochiger, schwerer und düsterer Mann mit einer anrüchigen Vergangenheit, greift blitzschnell zu. Schon hat er das Papier und sagt grollend: »Diesen Fetzen werde ich behalten und den Narren, der ihn dir ausgestellt hat, zwingen, ihn aufzufressen. So wahr ich Lee Hull heiße. Ich…«

Er sieht sich bei seinen Worten um und blickt mitten in Jim Reynolds helle Augen.

Rechts hinter dem Schreibtisch steht wie immer Howard Dunns Schatten, der Kolonnenaufseher Art Davis, ein breitschultriger, die graue Kleidung der Meßingenieure bevorzugender Mann.

»Hull, leg das Papier hin«, sagt Davis grimmig. »Du kannst dich hier nicht benehmen wie ein Ochse im…«

Dann erkennt er Jim und schweigt. Jim Reynolds hat nun die Tür ganz offen und schließt sie mit einer behutsamen Bewegung.

Er sieht nur Hull an, an den er sich wegen der Schießerei nach dem Rodeo erinnert, die einen Mann das Leben gekostet hat.

Was immer damals der Grund gewesen ist, für Jim gibt es so schnell keinen Grund, einen Mann zu töten, mit dem er Streit bekommt. Darin liegt seine Abneigung gegen Lee Hull begründet, dessen übler Ruf in ganz Nevada bekannt ist.

»Oh, Jim«, sagt da auch schon Howard Dunn heiser. »Jim, du kommst gerade richtig, finde ich. Mr. Hull hat da meine Genehmigung, in der Humboldt Range Holz zu schlagen, und er möchte sie zu gern behalten. Was sagst du dazu?«

»Was dieser Schlangenfresser«, fährt Hull jetzt auf ihn los, »dazu sagen will, das soll mich wenig kümmern. Ich reite nach Carson City. Und ich will den Burschen besuchen, der euch diesen Wisch hier gegeben hat. Bilde dir nicht ein, Dunn, daß ich vor deinem Schlangenfresser Angst habe!«

Die drei anderen Männer, ein älterer Mann, zu dem ein jüngerer Bursche gehören muß, der eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm besitzt, und der dritte, ein untersetzter Enddreißiger, blicken verstört von Hull zu Jim Reynolds.

Dann sagt der Enddreißiger auch schon: »Du bist der Mann, den sie…«, er macht eine kleine Pause, fährt dann aber fort: »… Klapperschlangen-Jim nennen?«

»Man nennt mich manchmal so«, erwidert Jim ruhig und blickt dabei nur Lee Hull an. »Lee, ich würde das Papier sehr schnell auf den Schreibtisch legen. Du hast kein Recht, ein Schriftstück zu nehmen, das dir nicht gehört, mein Freund. Nun?«

Er hat sich damals nach der Schießerei über Lee Hull erkundigt. Hull ist ein großspuriger Mann, der sich viel auf seinen Revolver einbildet und immer die besten Anzüge trägt. Man nennt Hull manchmal den »Wild Bill« Nevadas, denn genauso protzig ist Hulls Auftreten immer. Zudem beherrscht er die Kunst, einen Revolver schnell zu ziehen und abzufeuern, bestimmt nicht weniger geschickt als der richtige wild Bill.

Alle jene Dinge, die Jim von Hull erfahren hat, lassen Jim augenblicklich vorsichtig werden. Hull ist zuzutrauen, daß er aus einem nichtigen Grund eine Schießerei beginnt.

»Schlangenfresser«, sagt Hull höhnisch. »Soll das eine Drohung sein? Dann komm mit mir vor die Tür. Ich habe gehört, daß du Dunns bester Mann sein sollst. Du könntest es gleich gewesen sein.«

Howard Dunns Gesicht hinter dem Schreibtisch wird blaß. Art Davis nagt an seiner Unterlippe und hebt leicht die Hand. Der Enddreißiger, dessen Namen Jim nicht kennt, räuspert sich und sagt beschwörend: »Lee, so kommen wir nicht weiter. Gib ihm das Papier!«

»Gib her«, sagt Jim ganz ruhig und stellt den linken Fuß vor, während er mit dem rechten Knie leicht einknickt und Hulls kurzes Zucken der Augen als Warnung erkennt. »Es gehört dir nicht, Lee. Diese Sache kann beredet werden, aber nicht, wenn du hier den wilden Mann spielst. Gib schon her!«

Er streckt die Hand aus, sieht das unmerkliche Zurückziehen von Hills linker Schulter genau und betrachtet doch anscheinend nur Hulls rechte Hand, die das Papier hält.

»Du bist ziemlich mutig, Schlangenfresser, wie?« fragt Hull spöttisch, streckt aber die rechte Hand mit dem Papier aus. »Ich werde noch mit dir zu tun bekommen, das fürchte ich. Hier hast du…«

Er hebt die rechte Hand hoch, so daß das Papier Jim vor die Augen kommen soll. Und in dieser einen Sekunde ist Jim Reynolds sicher, daß ein Trick kommt.

Hull macht einen schnellen Schritt nach vorn und holt auch schon mit der linken Faust aus.

Jim Reynolds hat sich nicht verrechnet und den Mann richtig eingeschätzt.

In dieser Sekunde, als Hulls Linke mit Gewalt hochschießt, duckt sich Jim Reynolds unter der ausgestreckten rechten Hand von Lee Hull hinweg.

Jim macht einen knappen, schnellen Satz, streckt die Linke aus und reißt mit einem Ruck, ehe Hull überhaupt zur Besinnung kommen kann, dessen schweren Armee-Revolver aus dem Halfter. Dann wirbelt er herum und schleudert die Waffe weg.

Hull stößt einen Fluch aus, aber er kommt nicht mehr herum. Jim Reynolds unterläuft ihn von der Seite, schickt seine linke Hand unter der rechten Achselhöhle von Hull durch, legt dann die Hand von hinten um Hulls Nacken und packt Hull mit der anderen Hand am Hosenboden.

Es ist nur ein kurzer Ruck, mit dem Jim diesem Hull den Hosenboden so stramm zieht, daß seine Beine vom Boden hochgehoben werden. Dann macht Jim eine halbe Drehung, hört Hull wild brüllen und schleudert ihn gegen die geschlossene Tür zum Vorraum.

Hull versucht, nach der Tür zu greifen, als sie von draußen der kleine Mark Smith aufreißt. Es ist weiter nichts als ein dummer Zufall, daß die Tür von Smith, der Hull brüllen hört, geöffnet wird. Hull greift ins Leere, stolpert, fällt und saust mit dem Kopf genau gegen den Türbalken.

Das Holzhaus dröhnt. Dann rutscht Hull vor dem entsetzt zurückweichenden Smith zu Boden und bleibt liegen.

»Alle Wetter«, sagt Jim Reyolds kopfschüttelnd. »Smith, das hast du nicht besser tun können, obwohl du es sicher nicht absichtlich getan hast. Howard, er ist plötzlich verteufelt still und friedlich geworden, wie?«

»Gerechter, er wollte dich niederschlagen«, sagt Howard Dunn verstört. »Wie kommt dieser Bursche dazu, hier in meinem Haus Streit zu beginnen? Mr. Lacombe, jetzt ist das Maß voll!«

Der nicht sehr große, aber dafür energische Mann kommt hinter dem Schreibtisch hervor, bückt sich nach dem Papier und hebt es rasch auf.

Lacombe dreht sich wütend um, mustert Jim mit einem eisigen Blick und sagt fauchend: »Mister, hören Sie gut zu! Dies hier wird Ihnen Hull niemals vergessen. Sie wissen nicht, was das heißt, aber Sie werden es erfahren. Dunn, unsere Unterredung ist beendet. Ich wollte verhandeln, aber das ist jetzt vorbei.«

»Hören Sie, Lacombe…«

»Genug, Dunn«, sagt Lacombe zornig. »Dies ist keine Art, mit jemandem zu verhandeln! Gehen Sie zum Teufel! Sie werden sehen, was Ihre Leute erwartet. Ich lasse mir nicht den Wald abholzen. Lewis, wir gehen!«

In der Tür dreht sich der jüngere Mann noch einmal um, sieht Jim Reynolds unsicher an und zuckt die Achseln.

»Reynolds, das wird dich eine Menge kosten«, sagt er düster. »Du hättest Hull nicht so rauh behandeln dürfen.«

»Wer in einem fremden Haus Krach beginnt, der muß sich nicht wundern, wenn er hinausgeworfen wird«, erwidert Jim. »Tragt ihn nur auf sein prächtiges Pferd, aber vergeßt seinen Revolver nicht!«

Der junge Lewis macht kehrt, bückt sich, um die Waffe aufzuheben, und sagt zwischen den Zähnen: »Ach, zum Teufel! Was soll daraus werden?«

Dann geht er seinem Vater und Lacombe nach, die den besinnungslosen Lee Hull zwischen sich tragen und ihn draußen mühsam auf dessen Pferd heben.

»Jim«, sagt Dunn beklommen hinter Reynolds. »Jim, was wird, wenn er aufwacht?«

»Nicht viel«, antwortet Jim kühl, geht hinaus und winkt Griffith, der das nächste Gewehr, eben Jims, aus dem Scabbard gezogen hat und eilig herankommt.

»Gib her, Griff!«

Jim Reynolds nimmt das Gewehr unter den Arm, lädt durch und sieht bei dem scharfen Klicken die beiden Rancher zusammenzucken, während der junge Lewis den Kopf wendet und erschrocken auf die Waffe blickt.

Hull, in dessen Halfter wieder der Revolver steckt, wendet den Kopf, schüttelt die Hand von Lacombe ab und stemmt sich mühsam hoch.