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Beschreibung

Der digitale Wandel macht vor keiner Branche halt: Medien, Handel, Logistik und Banken sind dabei, sich neu zu erfinden. Die Digitalisierung wird auch die Gesundheitswirtschaft in den nächsten Jahren deutlich verändern. Dies betrifft Kostenträger und Leistungserbringer, aber vor allem die Versicherten und Patienten, die durch digitale Lösungen eine aktive Rolle als souveräne Kunden einnehmen werden. Die etablierten Akteure im Gesundheitswesen halten sich krampfhaft an der Tradition fest, während eine neue Generation auf Dr. Google setzt. Doch wohin geht die Reise? Online-Apotheken greifen heute die stationären Apotheken an, das Krankenhaus 4.0 setzt auf digitale Patientenakten, Start-ups und Entrepreneure bauen an Apps und Lösungen für ein schnelles, hippes und innovatives Gesundheitssystem. Die Branche ist mitten in einem digitalen Transformationsprozess, der nicht mehr aufzuhalten ist. Das Buch beleuchtet aus verschiedenen Perspektiven praxisnah und fundiert die Entwicklung der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen. Akteure aus Politik, Krankenversicherung, Gesundheitseinrichtungen, Selbstverwaltung und Wirtschaft verorten ihre Institutionen in der digitalen Transformation. Experten zeigen Chancen, Herausforderungen und Grenzen auf und gehen der Frage nach, wie die Digitalisierung die Gesundheitsversorgung verändern wird. Außerdem kommen junge Entscheider und Start-ups zu Wort.

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Seitenzahl: 510

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David Matusiewicz | Christian Pittelkau | Arno Elmer (Hrsg.)

Die Digitale Transformation im Gesundheitswesen

Transformation, Innovation, Disruption

mit Beiträgen von

M. Addam | T. Althammer | J. Ansorg | M. Aschhoff | T. Ballast | F. Bartmann  | M. Beermann | B. Böckmann | A. Böger | B. Breil | T. Breisach | S. Burkhart | C. Buse B. Calmer | H. Cordes | G. Demmler | C. Dockweiler | J. Domnik | B. Eggert | A. Elmer S. Fahimi-Weber | K. Fenderich | B. Fischer | S. Fleßa | M. Franz | L.-O. Freiberg H. Gerhards | V. Gieseler | P. Gocke | C. Gondek | S. Grabmeier | M. Greschke L. Grundmann | J. Hertle | S. Höcherl | K. Hoyer | G. Illert | T. Jäschke | A. Jonietz K. Juffernbruch | E. Kade-Lamprecht | A. Kloepfer | C. Klose | F. Knieps | M. Knye B. Kordaß | S. Krolop | T. Lange | K. Leikert | H. Lohmann | H. Mania | B. March D. Matusiewicz | P.-M. Meier | M. Meierhofer | B. Meyer | I. Mleczeck S. Müller-Mielitz | J. Naumann | F. Neumann | V. Penter | K. Pfaffner | C. Pittelkau J. zu Putlitz | A. Rühle | E. Scherwitz | A. Schweitzer | M. Staemmler | A.G. Steidel K. Stenzel | F. Stratmann | K. Suwelack | C. Thielscher | K.-D. Thill | J. Thormählen U. Weigeldt | T. Widmann | B. Zeien | T. Zelt | T. Züwerink

Inhalt

Cover

Titel

Geleitwort

Vorwort

I Einführung

1 Electronic Health (E-Health) und Mobile Health (mHealth) – Ein DefinitionsversuchDavid Matusiewicz und Christian Thielscher

2 Zwischenruf: „Disruption ist disruptiv“ oder das „Undenkbare denken“!Heinz Lohmann

3 Von der digitalen Apathie zur digitalen Empathie – Wege in eine patientenzentrierte InformationskulturJoss Hertle

4 Sozialpsychologie und Digitale Gesundheit – TechnosapiensBertolt Meyer

5 Automotive Health – Was das Automobil mit Gesundheit zu tun hatDavid Matusiewicz und Manfred Knye

II Rahmenbedingungen

1 eHealth – Wie die digitale Vernetzung unser Gesundheitssystem zukunftssicher machtKatja Leikert

2 Evolution der medizinischen Fortbildung durch Blended Learning und Mobile LearningJörg Ansorg

3 Politische Perspektiven für die Zukunft der digitalen GesundheitMaik Beermann

4 Herausforderung Interoperabilität – Standards für die digitale GesundheitsversorgungMathias Aschhoff

5 Der lange Weg zur persönlichen eAkte: Digitalisieren, strukturieren, qualifizieren und dann elektronifizierenStefan Müller-Mielitz

6 Regionale Netzwerke als Katalysatoren für die digitale TransformationLeif Grundmann

7 Veränderung von Berufen im Gesundheitswesen durch E-HealthKlaus Juffernbruch

III Krankenkassen

1 Krankenkassen im Sog der DigitalisierungHelmut Gerhards

2 Digitalisierung – Gesundheitskasse neu denkenChristian Klose

3 Digitalisierung aus VersichertensichtGertrud Demmler, Eva Scherwitz und Anja Schweitzer

4 Vom Markt getrieben oder den Markt mitgestalten – Perspektiven für die KrankenkassenJohannes Thormählen

5 Medizin zwischen Arzt und Algorithmus – Digitale Revolution auch in der Versorgung?Thomas Ballast

6 Digitalisierung in der Gesetzlichen Krankenversicherung – Im Niemandsland zwischen Bürde und ChanceFranz Knieps

7 Der Uber-Moment in der KrankenversicherungEvelyn Kade-Lamprecht

IV Krankenhaus

1 Zurück in die Zukunft – Wie Deutschlands Krankenhäuser den Anschluss an die Digitalisierung zurückgewinnenBernhard Calmer

2 Von der Dekonstruktion von Geschäftsfeldern bis zur Disruption von GeschäftsmodellenPierre-Michael Meier

3 Warum die Digitalisierung keine disruptiven Sprünge in der Gesundheitsversorgung auslöst, wohl aber eine Revolution der Versorgungsstrukturen zur Folge hatMatthias Meierhofer

4 IT-Unterstützung im Zuweisermanagement – Was Geomarketing-Tools und Zuweiserportale leistenChristian Pittelkau

5 E-Health im Krankenhauswesen – Standortbestimmung und Ableitung strategischer Handlungsfelder durch ReifegradmodelleKonrad Fenderich, David Matusiewicz, Vanessa Gieseler und Steffen Fleßa

6 Gesundheitsbeziehungen – Neue Wege der KommunikationFrank Stratmann

7 Motor und Turbo – Was ist der richtige Ansatz für eine IT der zwei Geschwindigkeiten?Peter Gocke

V Ambulante Versorgung

1 Die digitale Arztpraxis – Vision oder Fiktion?Jens Naumann

2 Patientenversorgung 4.0 – Suprasektoral und individualisiertLutz-O. Freiberg

3 Elektronische Gesundheitskarte und Selbstverwaltung – Irrungen, Wirrungen und VerwirrtheitenFranz Bartmann

4 Digitalisierung in der HausarztpraxisUlrich Weigeldt

5 Warten auf den Innovationssprung – Warum („noch mehr“) Digitalisierung die ambulanten Leistungserbringer derzeit kaum begeistertAndreas Rühle

6 Digitalisierter Bürger, analoge Klinik – Wie schließen wir die Lücke?Michael Franz

7 Morgen noch kräftig zubeißen – Zahnmedizin 4.0Björn Eggert und Bernd Kordaß

VI Pharma und Apotheken

1 Digitale Transformation aus Sicht der PharmaindustrieKlaus Suwelack

2 Digital Health Standort Deutschland – Brauchen wir eine Moonshot-Strategie?Birgit Fischer, Kirsten Hoyer und Stefan Höcherl

3 Innovative ArzneimittelversorgungChristian Buse

VII Pflege

1 Marktplätze in der Pflege – Konsolidierung und Effizienzsteigerung durch DigitalisierungMaximilian Greschke

2 Pflege mit Plan – Digitalisierung entlastet AngehörigeFrank Neumann

3 Ein Plädoyer für ein Bewusstsein für die Qualität und Bedeutsamkeit der Sprache auch im Prozess der Digitalisierung in der PflegeBritta March

4 Lean Nursing – Effiziente Pflege auf digitalen WorkflowsHeiko Mania

VIII Dienstleistung und Medizintechnik

1 Crossing the paper chasm: Warum Digitalisierung den Point of Care erreichen muss – oder nicht stattfindetHolger Cordes

2 Vom Stethoskop zur Blockchain – Technologische Disruption im GesundheitswesenSebastian Krolop

3 Technik, bis der Arzt kommt? Was Smart-Health-Lösungen im Gesundheitsbereich leisten können – Und was nichtTim Lange

4 Health-IT Transformation im Kontext der Medizin und Public HealthMustapha Addam

5 Noch krank? Selber schuld! Gesundheit 2040Björn Zeien

6 Digitale Transformation durch eLearningBernhard Breil

7 Von der distanten Zwangskooperation zur integrierten Best-Practice-Patientenversorgung? Welchen Beitrag die Digitalisierung zur patientenorientierten Optimierung der Krankenhaus-Einweiser-Beziehung leisten kannKlaus-Dieter Thill

IX Entrepreneure und Start-ups

1 Patientenorientierte Gesundheitsinformationen – Von Null auf DigitalAnsgar Jonietz

2 Von der Bedeutungslosigkeit des PraxiswartezimmersChristian Gondek, Shabnam Fahimi-Weber und David Matusiewicz

3 Der Einfluss von Digital Leadership auf Organisationen im GesundheitswesenSteffi Burkhart und Stephan Grabmeier

4 Körperliche Aktivität stabilisiert die Erbinformation – Wie eine App dem Krebs den Kampf ansagtThomas Widmann

X Forschung und Beratung

1 Smart Culture in HealthcareArno Elmer

2 Digitalisierung für mehr analogen gesundheitlichen WohlstandAstrid Böger

3 Digitale Transformation: Keine Frage des OB, sondern des WIE – Ein KommentarGünther Illert

4 Digitale Versorgung für chronisch KrankeJasper zu Putlitz

5 Heutige IT-Systemarchitekturen und Digitalisierung: Ein Widerspruch?Martin Staemmler

6 Der große Wurf? – Ein analytischer Blick auf die erste Förderrunde im InnovationsfondsThilo Zelt

7 Medizinische Evidenz in der Praxis – Was können niedergelassene Ärzte von Digital Health erwarten?Tim Züwerink

8 Digitale Gesundheit – Fluch oder Segen?Volker Penter und Kevin Pfaffner

9 Daten – Führt der Weg über Blockchain zu Big Data?Alois G. Steidel

10 Die digitale Transformation – X-Health für den PatientenBritta Böckmann

11 Persönliche Beratung im Gesundheitswesen – Risiken und Nutzen in der Kommunikation durch die DigitalisierungKristina Stenzel

12 Nutzerorientierung als Leitgedanke von technologischen Innovationen im GesundheitswesenChristoph Dockweiler

13 Qualität ist, was der virtuelle Kunde will – Fehlende Kundenorientierung als hausgemachtes ProblemThomas Breisach

XI Datenschutz und Compliance

1 Datenschutz – Ein Luxus für Gesunde?Albrecht Kloepfer

2 Datenschutz – Beweggrund, Begleiter oder Bürde der digitalen Transformation?Ingo Mleczeck

3 IT-Compliance im digitalisierten GesundheitswesenThomas Althammer

4 Informationssicherheitsmanagement als Basis für eine erfolgreiche Digitalisierung im GesundheitswesenThomas Jäschke und Jan Domnik

XII FazitArno Elmer

Die Herausgeber

Impressum

Geleitwort

Die vernünftige, schnelle und zielgerichtete Digitalisierung ist die zentrale Anforderung an unser Gesundheitswesen in den kommenden Monaten und Jahren. Es gilt, Potenziale optimal und für alle Beteiligten zu erschließen, Risiken zu erkennen und auszuschließen und die Chancen, die sich hier auftun, nicht zu verspielen. Folglich müssen die Patientinnen und Patienten, die schließlich in der Hauptsache von der Vernetzung profitieren sollen, eingebunden werden und in Bezug auf ihre Daten stets das Heft des Handels in der Hand behalten.

Dieser Prozess kann jedoch nur dann erfolgreich vorangetrieben werden, wenn alle Akteure gut aufeinander abgestimmt arbeiten, sie die Digitalisierung gemeinsam nach vorn bringen wollen und dabei zugleich bereit sind, sich aufeinander einzulassen. Das ist zum einen im Falle des tradierten Gesundheitssystems, das Veränderungen eher langsam aufnimmt und zulässt, und zum anderen auf Seiten der sehr innovativen, schnelllebigen und manchmal auch sprunghaften Entwicklung im IT-Bereich nicht einfach.

Zudem ist die Politik gefragt, schnell und dennoch gut überlegt die richtigen gesetzlichen Weichen zu stellen und die richtigen Rahmenvorgaben festzulegen.

Dieses Praxisbuch, das zentrale Fragen der Digitalisierung aus vielen unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet, ist ein guter Wegweiser im Hinblick auf die komplexen Fragen und Aufgaben, die es zu bewältigen gilt.

Verschaffen Sie sich einen detaillierten Einblick in die Herausforderungen der Digitalisierung!

Dirk Heidenblut

Mitglied des Deutschen Bundestages

Berlin im August 2017

Vorwort

Über 90% aller heute im Internet verfügbaren Informationen sind in den letzten zwei Jahren hochgeladen worden. Die Digitalisierung schreitet exponenziell voran. Googelt man die Ziffern „4.0“ erhält man in unter einer halben Sekunde weit mehr als eine Milliarde Suchergebnisse – den ersten Treffer bildet die „Industrie 4.0“. Dieses Suffix steht maßgeblich für die digitale Revolution der Wirtschaft und polarisiert die Medien wie kaum ein anderes Thema. Alleine der Begriff „Health 4.0“ liefert ein Ergebnis von 177 Millionen Treffern und verdeutlicht die Präsenz dieses Themenkomplexes auch in der Gesundheitswirtschaft. Doch inwieweit ist die Digitalisierung tatsächlich schon im Gesundheitssystem angekommen? Können es sich in Zukunft nur noch Gesunde leisten, in diesem Zusammenhang über Datenschutz zu sprechen, wie wir es heute tun? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert Ihnen das vorliegende Werk, welches die Digitale Transformation im Gesundheitswesen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet.

Hierfür melden sich Praktiker aus verschiedenen Bereichen der Gesundheitsbranche zu Wort, welche eine Bestandsaufnahme für ihren Schwerpunkt liefern und den Stellenwert der Digitalisierung herausarbeiten. Des Weiteren gehen sie dabei auf den Transformationsprozess ein, skizzieren die damit einhergehenden Chancen und Risiken und erläutern zukünftige Trends und Entwicklungen. Die Autoren kommen dabei aus den Bereichen der Krankenkassen, der Krankenhausverwaltung, der Ärzteschaft, den Apotheken, der Pflege, der Medizintechnik, der Gründer, der Forschung, der Beratung sowie des Datenschutzes und gelten allesamt als Experten auf ihrem Gebiet. Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Blickwinkel ermöglichen einen breiten Überblick und tiefen Einblick in die Digitale Transformation des Gesundheitswesens und liefern mit über 60 Beiträgen ein Kompendium der besonderen Art.

Die Zielgruppe dieses Buches sind Gestalter und Entscheider des Gesundheitswesens sowie Interessenten aus Politik, der Lehre und angrenzenden Wirtschaftsbereichen. Wir danken allen Autoren für ihre wertvollen Beiträge zu diesem Werk, ohne welche die Entstehung eines solchen Buches gar nicht möglich gewesen wäre.

David Matusiewicz

Christian Pittelkau

Arno Elmer

Berlin und Essen im August 2017

I

Einführung

1 Electronic Health (E-Health) und Mobile Health (mHealth) – Ein Definitionsversuch

David Matusiewicz und Christian Thielscher

Der vorliegende Beitrag versucht, die beiden Begriffe Electronic Health (E-Health) und Mobile Health (mHealth) zu definieren. „E-Health“, „mHealth“ oder „M-Health“ lassen sich ebenso wie verwandte Begriffe – wie „Telemedizin“ oder „Gesundheitstelematik“ – nur schwer fassen, und zwar aus mehreren Gründen: Erstens handelt es sich nicht um physikalische Eigenschaften von etwas, sondern um Zuschreibungen, und zweitens verändert sich der Inhalt dieser Begriffe über die Zeit. So würden die meisten Autoren heute z.B. das einfache Telefongespräch zwischen einem Patienten und seinem Arzt auch dann nicht als „E-Health“ bezeichnen, wenn beide ein internetgestütztes Telefon verwenden. Der Begriff „E-Health“ impliziert daher immer auch, dass es sich um neue Technologien oder Anwendungen handelt; und diese Neuigkeit ist jeweils nur einige Zeit lang neu.

E-Health

Unter dem Begriff „Electronic Health“ (abgekürzt „E-Health“) werden elektronisch unterstützte Aktivitäten und Systeme im Gesundheitswesen zusammengefasst, die Patientendaten und andere medizinische Informationen über Entfernungen hinweg erheben, verfügbar machen und/oder auswerten und dabei Techniken einsetzen, die noch nicht als Standard empfunden werden. E-Health wird von vielen Autoren als ein Oberbegriff für die Gesamtheit aller solcher elektronischen Anwendungen zur medizinischen Versorgung verstanden. Eine definitorische Abgrenzung zur „Telemedizin“ ist schwierig; häufig werden die beiden Begriffe als Synonyme verwendet.

E-Health erfolgt auf Basis von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Diese IKT werden als Schlüsseltechnologien im Gesundheitswesen gesehen (siehe auch Thielscher 2007). So soll den Herausforderungen im Gesundheitssystem, die insbesondere durch den demografischen Wandel und die Versorgung in strukturschwachen und ländlichen Gebiete geprägt sind, u.a. mithilfe von flächendeckenden Anwendungen der Telematik und Telemedizin begegnet werden. Anwendungen von E-Health betreffen insbesondere Information, Kommunikation, Dokumentation und Vernetzung, z.B. in Form von Teleedukation/Teleausbildung, Telekonsultation, Telediagnostik, Telemonitoring und die Teletherapie.

Für die Entwicklung von E-Health spielen zahlreiche Disziplinen eine Rolle. Hierzu zählen u.a. die Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Kommunikations- und Medienwissenschaften, medizinische Informatik, Versorgungsforschung und – selbstverständlich – die Medizin. Heute gibt es zahlreiche Fachgesellschaften, die sowohl auf der nationalen als auch internationalen Ebene agieren und die Thematik rund um E-Health vorantreiben.

Aktuell wird versucht, in Deutschland die Vernetzung aller Institutionen und Personen im Gesundheitswesen auf Basis einer sicheren und verlässlichen Plattform, der Telematikinfrastruktur, zu ermöglichen.

Entwicklung des Begriffes

Der Begriff hat sich in den letzten Jahren auch durch die Zunahme der technischen Möglichkeiten und Anwendungsgebiete weiterentwickelt. In den 1960er-Jahren wurde u.a. von Teleradiologie gesprochen, in den 1970er-Jahren von Telemedizin, in den 1990er-Jahren von Telematik und in der aktuellen New Economy wird gern der Oberbegriff E-Health verwendet. Der Begriff wird oftmals synonym verwendet mit den Begriffen, die durch die Begriffsentwicklung entstanden sind, und auch dem Begriff Health 2.0.

Als Schlüssel zur Telematikinfrastruktur wird die elektronische Gesundheitskarte (eGK) gesehen, die die alte Krankenversicherungskarte (KVK) ersetzt hat. Ursprünglich war ihre Einführung zum 1. Januar 2006 vorgesehen; dieses Ziel wurde u.a. durch ungeschickte Vorgehensweise (z.B. Verpflichtung für alle Patienten, unklarer Datenzugang) um Jahre verfehlt. Seit dem 1. Januar 2015 gilt die eGK nunmehr als ausschließlicher Berechtigungsnachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Mit der eGK sollen auch die Qualität der medizinischen Versorgung verbessert und die Informationsmöglichkeiten der Patienten gestärkt werden.

In Deutschland gibt es nach wie vor Probleme hinsichtlich der Nutzung von E-Health-Systemen. Bereits vorhandene EDV-Systeme sind bislang häufig nicht vernetzt; vielfach handelt es sich um Insellösungen – also Teillösungen, die nicht miteinander kommunizieren und auch nur schwer interoperabel gemacht werden können. Auch sind die immer wieder auftretenden Datenlecks und andere, gravierende Sicherheitslücken gängiger Computer- bzw. Softwaresysteme (zuletzt z.B. vom Virus „wanna cry“ offen gelegt) in der Medizin schlicht inakzeptabel. Daher verlangen z.B. die kassenärztlichen Vereinigungen aus Datenschutzgründen sogenannte Stand-Alone-Rechner. Auch die daraus resultierenden Diskussionen um die Ausgestaltung (und Vergütung) telemedizinischer Leistungen und den Datenschutz tragen dazu bei, dass die Weiterentwicklung von E-Health in Deutschland nur schleppend vorangeht.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat ein „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz)“ erarbeitet, welches zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist. Das Gesetz enthält einen Fahrplan für die Einführung einer digitalen Infrastruktur mit hohen Sicherheitsstandards und die Einführung nutzbringender Anwendungen auf der elektronischen Gesundheitskarte. Ziel des Gesetzes ist es, die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung voranzutreiben und einen Rechtsrahmen für die digitale gesundheitsbezogene Kommunikation zu setzen. Die einzelnen Akteure der Selbstverwaltung erhalten hierbei klare Vorgaben und Fristen, die bei Nichteinhaltung zu Sanktionen führen werden. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Gesetzentwurfes sind u.a. die Einführung und Nutzung medizinischer Anwendungen (elektronischer Arzt- und Entlassbrief, einheitliche Medikationspläne, Notfalldaten), der Ausbau der Telematikinfrastruktur und die Förderung telemedizinischer Leistungen. Auch soll die Struktur der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik), die für die Einführung der eGK verantwortlich ist, verbessert werden. Insgesamt steht das Gesetz für eine telemedizinisch und mobil ausgerichtete Digitalisierung des Gesundheitswesens und sorgt derzeit für Diskussion unter Befürwortern und Kritikern. Mit derzeit mehr als sechs Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen bekommt das Thema E-Health insgesamt eine wachsende Bedeutung; durch die zunehmende Spezialisierung auch neue Berufsfelder entstehen werden.

mHealth

Als „Mobile Health“ (abgekürzt „mHealth“) wird eine Untergruppe von E-Health-Aktivitäten und -Systemen bezeichnet, die auf mobilen Geräten angeboten werden. Hierbei erfolgt der Einsatz von Mobilfunktechniken und mobilen und drahtlosen Technologien.

Merkmale von mHealth beziehen sich einerseits auf die technischen Voraussetzungen wie mobile Computer, Smartphones sowie andere Endgeräte, andererseits auf die damit verbundenen Kommunikationsmethoden.

Einsatzgebiete von mHealth umfassen alle Versorgungsbereiche, also Prävention, Diagnostik, Therapie, Nachsorge, Monitoring von Patienten und bei manchen Autoren auch Wellnessthemen. Außerdem werden mHealth-Lösungen auch im administrativen Bereich z.B. zur Unterstützung des Praxis- oder Klinikmanagements verwendet. Ziel von mHealth ist die Verbesserung der medizinischen Versorgung durch die Nutzung von mobilen Technologien. Dies gilt insbesondere für ländliche Regionen. Zusätzlich sollen die Anwendungen dazu beitragen, einen verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Gesundheit zu erreichen und durch die Bereitstellung von Gesundheitsinformationen die Gesundheitskompetenz der Patienten zu erhöhen.

Die Anwendung von mHealth berührt grundlegende Sicherheitsansprüche v.a. der Patienten; daher sind die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder ebenso wie die übrigen Akteure im Gesundheitswesen gefordert.

Die zunehmende Verbreitung des Internets und die zunehmende Nutzung von Smartphones und Tablets führen dazu, dass mHealth für Krankenkassen, Leistungserbringer und auch Patienten bzw. Versicherte wichtiger wird. Als treibende Kraft dieser Innovation gelten insbesondere Start-up-Unternehmen; die Kostenträger (Krankenkassen) und andere Körperschaften reagieren – auch aufgrund der bisher nicht geklärten Rechtslage – eher zurückhaltend. Das Marktpotenzial von mHealth in Deutschland ist noch schwerer zu beziffern als das von E-Health. Aufgrund der Tatsache, dass Gesundheits-„Apps“ überwiegend nicht von den privaten und gesetzlichen Krankenkassen vergütet werden, sind sie insbesondere für den sogenannten zweiten Gesundheitsmarkt interessant.

Eine wichtige aktuelle gesundheitspolitische Diskussion ist daher, inwieweit die Einbindung von mHealth in das Vergütungssystem der gesetzlichen und privaten Krankenkassen erfolgen kann, und inwiefern die medizinischen Leistungserbringer und Patienten diese Entwicklung weiter vorantreiben werden.

Literatur

Swart E, Ihle P, Gothe H, Matusiewicz D (2014) Routinedaten im Gesundheitswesen – Handbuch Sekundärdatenanalyse. Grundlagen, Methoden und Perspektiven, 2. Auflage, Bern

Thielscher C (2007) Zukunft der Telemedizin in Deutschland. In: Anycare (Hrsg.) Telemedizin – Innovationen für ein effizientes Gesundheitssystem. Thieme, Stuttgart

2 Zwischenruf: „Disruption ist disruptiv“ oder das „Undenkbare denken“!

Heinz Lohmann

Einführung

Kürzlich habe ich NAO kennengelernt. Mir war der kleine Roboter von Anfang an sympathisch und ich hatte schon nach zehn Minuten ein emotionales Verhältnis zu ihm. Dabei hatte er lediglich bei einem Fachgespräch zugehört, mal einen Schritt auf den jeweils Sprechenden zugemacht, mal den Kopf zur Seite geneigt oder auch mal mit den Augen gezwinkert. Dieses kurze Erlebnis hat mir im Handumdrehen noch einmal verdeutlicht, dass Technik nicht kalt und inhuman sein muss.

Kombiniert mit intelligenter Software, kann Robotik vielmehr die immer knapper werdenden Mitarbeiter in den Gesundheitsunternehmen entlasten und zudem auch noch die Qualität verbessern. Hat bisher die individuelle Erfahrung des jeweils behandelnden Arztes die medizinische Leistung ausgemacht, wird künftig durch Einsatz digitaler Technologien das kollektive Wissen nutzbar gemacht. Big Data ist keine Science-Fiction mehr. Die lernfähige Software hat schon die ersten Erfahrungsproben bestanden. Und elektronische Auswertungen von bildgebenden Verfahren lassen menschliche Diagnostiker bereits in der Präzision der Ergebnisse in vielen Fällen hinter sich.

Digitalisierung und Wissensvermittlung

Weit vorangeschritten ist die Digitalisierung in der Wissensvermittlung. Das gilt bei Experten und Laien gleichermaßen. Die Informationsasymmetrie der Vergangenheit hat sich schon leicht verschoben. Die Transparenz nimmt zu und damit bekommen Patienten die Chance, auch Konsumenten zu werden. Zumindest temporär können sie über die sie betreffenden Fragen ihrer Behandlung mit entscheiden. Einige von ihnen lassen sich schon heute nicht mehr alles bieten. Die bisherige Expertendominanz auf dem Gesundheitsmarkt wird langsam aber sicher aufgeweicht. Die Erfahrung aus anderen Branchen zeigt, dass auf Märkten, auf denen Konsumenten einflussreicher werden, die Produkte und Dienstleistungen mehr ins Zentrum des Interesses rücken. Dadurch wandeln sich solche Wirtschaftsbereiche von einer Institutionen- zu einer Prozessorientierung. Diese Entwicklung beginnt auf dem Gesundheitsmarkt jetzt auch Fahrt aufzunehmen. Souveräne Patienten nutzen konsequent die modernen Möglichkeiten, die die Digitalisierung ihnen bieten. Erste Anzeichen dafür lassen sich aus dem massenhaften Einsatz von Geräten zur Messung von Vitaldaten ableiten. Auch der direkte Zugriff auf Angebote der Internetmedizin verdeutlicht diesen Trend. In den kommenden Jahren wird sich die Waage noch weit mehr zugunsten der Stärkung der Position von Patienten neigen.

Wandel der Gesundheitsberufe

Kürzlich postulierte der Vorstandsvorsitzende eines norddeutschen Universitätsklinikums in einer Podiumsdiskussion apodiktisch, er halte nichts davon, wenn Computerprogramme Ärzten ihre Arbeit erklärten.

Mal abgesehen davon, dass es für manche Patienten nicht schlecht wäre, wenn die sie behandelnden Mediziner mit Hilfe intelligenter Software auf den neuesten Stand des Wissens gebracht würden, offenbart aber die zitierte Aussage ein grundlegendes Missverständnis. Wer sagt denn, dass in zehn Jahren die heute von Ärzten erledigten Arbeiten immer noch ihnen vorbehalten sein werden? Gleiches gilt für Krankenpfleger, Kaufleute, Techniker und viele andere. In der Industriellen Revolution haben elektrische Webstühle die erfahrenen Handwerker aus der Produktion fast vollständig verbannt. Viele weitere althergebrachte Berufe sind ebenfalls von der Bildfläche verschwunden oder haben sich neuen Inhalten zugewandt. Die soeben erst beginnende Digitalisierung wird unsere Gesellschaft noch viel radikaler umkrempeln und auch die Medizin „vom Kopf auf die Füße stellen“.

Fazit

Von einer disruptiven Entwicklung zu sprechen, fällt deshalb inzwischen vielen Menschen nicht mehr schwer. Die damit verbundenen Konsequenzen zu akzeptieren, aber doch. Das Undenkbare zu denken, ist eben nicht einfach. Aber es wird trotzdem eintreten und zudem enorme Chancen für die Zukunft eröffnen. Denn wenn uns der Arbeitsmarkt demnächst immer wenige Ärzte und Krankenpflegekräfte beschert, werden wir die neuen technischen Möglichkeiten dringend benötigen. Die wenigen Fachexperten können sich dann auf das Wesentliche konzentrieren und werden nicht weiter im „Improvisationstheater“ unseres tradierten Gesundheitssystems „verplempert“. Tatkräftig die Zukunft zu gestalten ist somit die Aufgabe der Führungskräfte.

Wer genug Mut und Fantasie hat, sollte sich umgehend auf den Weg machen. Die anderen werden den Webern folgen.

3 Von der digitalen Apathie zur digitalen Empathie – Wege in eine patientenzentrierte Informationskultur

Joss Hertle

Der Patient von früher – Eine aussterbende Art

Er ging bei Beschwerden zum Arzt, vertraute auf Diagnose und empfohlene Behandlung und nahm die verordneten Medikamente ein. Wenn er seine Gesundheit vorbeugend unterstützen wollte, suchte er dafür in der Regel den Apotheker seines Vertrauens auf und ließ sich dort beraten – der Patient von früher war leicht zu durchschauen und hat das Leben der Akteure in der Healthcare-Branche dadurch einfach gemacht. Aber er gehört einer aussterbenden Art an. Seinen Platz nimmt zunehmend eine neue Spezies von Patienten ein.

Heute wartet im Web – im Idealfall – entscheidungsrelevanter, hochwertiger Content darauf, den Suchenden auf seiner Reise weiterzuführen und wichtige Informationen zu vermitteln. Zahlreiche Apps unterstützen den Patienten zusätzlich – sowohl begleitend bei einer Erkrankung als auch als eigenständiges Instrument, um zu mehr Gesundheit zu finden. Mit den gesammelten Informationen setzt sich der mündige Patient kritisch auseinander, bildet sich eine Meinung. Anschließend geht er zum Arzt oder sucht eine Apotheke auf – im Internet oder auch stationär – um dort, in Zusammenarbeit mit den Behandlern, die optimale Lösung für seine Gesundheit zu finden. Die Gesundheitssuche ist dabei nicht linear, der Patient springt in seinen Entscheidungsphasen in puncto Bedürfnisanalyse, Evaluation bzw. Transaktion und Post-Transaktion hin und her. Das macht die Patient Journey für alle Wertschöpfungs-Beteiligten in der Gesundheitsindustrie umso komplexer.

Was bedeutet dieser Ist-Zustand für das Digitalverständnis von Ärzten, Apothekern oder der Pharmaindustrie?

Digitale Transformation – Digitale Empathie

Im Mittelpunkt der Digitalisierungsprozesse kann nur der Patient stehen. Er ist der Dreh- und Angelpunkt und hat das Sagen, was seine Gesundheit, sprich die Behandlung und Vorsorge angeht. Dieses eigenverantwortliche Handeln und Mitdenken des Patienten ist wünschenswert und auch gut so, denn viel zu oft liegt der Arzt mit seiner ersten Diagnose nicht richtig. Informationen, die dem Patienten im Zuge der Digitalisierung zugänglich werden, können ihn für seine Gesundheit und mögliche Symptome sensibilisieren – und so zu einer schnelleren und genaueren Diagnose beitragen. Ärzte stehen heute Patienten gegenüber, die sich bereits eine Meinung gebildet haben. In Anbetracht dieses Faktums in nostalgische Schwermut zu verfallen und diesen ,neunmalklugen, neumodernen Patienten‘ zu verteufeln, ist ein durchaus verständliches, aber nicht zielführendes Ressentiment. Abwehr- und Verweigerungshaltungen aufseiten der Gesundheitsbranche sind mitunter nicht unbegründet und durchaus nachvollziehbar, bergen jedoch zugleich die Gefahr, die Bewegung von produktzentrierter zu patientenzentrierter Gesundheitskultur zu unterschätzen. Gesundheits-Gatekeeper brauchen für die digitale Orientierung eine andere Einstellung, eine Art Digitale Empathie, um Ansichten und angelerntes Wissen ihrer Patienten zu verstehen und sie ernst zu nehmen, zum anderen aber auch, um selbst verständlich erklären zu können, warum sie im Einzelfall anderer Meinung sind.

Grundsätzlich ist es sinnvoll, das eigene private Digitalverhalten in die tägliche Praxis (im doppelten Wortsinn) zu übertragen. Um eine Verhaltensänderung herbeizuführen, sollten sich Ärzte, Apotheker und die Pharmaindustrie bewusst werden, dass wir uns im Beruflichen zu oft von der vorgezeichneten, bequemen Macht des Inkrementellen erfassen lassen – wir entwickeln Standpunkte, Erfahrungen und Glaubenssätze. Es werden Erfolge verbucht und diese erfolgreichen Verhaltensweisen werden abgespeichert. Für das Verständnis der Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung, durch die der Patient die Gesundheitsparteien vor sich her treibt, braucht es aber eine Vorstellung von den Möglichkeiten, die die Digitalisierung eröffnet, z.B. in der Kommunikation. Dafür muss die rote Linie der Glaubenssätze überschritten werden. Für das Verständnis der Digitalen Möglichkeiten ist das „Neu-Gierig-Sein“ (Sprenger 2015) eine unerlässliche Kerntugend. Es gilt, die gegebenen Tools, Geräte und Dialogmöglichkeiten zu nutzen, um sich ins Bewusstsein des Patienten zu bringen. Dafür müssen sich die Gesundheitsakteure von der Macht des Objektiven lösen und die Sicherheit des Analogen aufgeben.

Erfolgreiche digitale Transformation erfordert das Loslassen von bewährten analogen Glaubenssätzen. Es erfordert eine neue Geisteshaltung, die

Digitale Empathie

.

Die Zukunft gehört der Kommunikation zwischen den Gatekeepern und dem Patienten, gehört den neuen Dialogformen, z.B. dem relevanten Beratungs-Content, ob via Internet oder Apotheker und Ärzte. Informationen auf Webseiten sollen den User abholen und ihm bei der Entscheidungsfindung helfen. Für die Verantwortlichen bedeutet das, dass sie sich in den Nutzer hineinversetzen müssen. Was für Bedürfnisse hat er? Was für eine Werteorientierung besitzt er? Welcher Content bietet ihm eine wirkliche Hilfe? Und welche Motivation treibt ihn an? Dies alles gilt es, in der modernen Zeit besser zu verstehen. Denn: Dem Patienten allein gehört seine Gesundheit. Er will verstanden, aber auch beraten werden. Wer das einsieht, dem bietet die Digitalisierung eine riesige Chance.

Potenziale der Patientenzentrierung

Der digitale Wandel bietet den Akteuren die Chance, Teil der digitalen Wertschöpfung des Patienten zu werden, sich am Markt neu und besser zu positionieren und gleich zu Beginn der patient journey in das direkte Blickfeld des Patienten zu gelangen. Dafür ist jedoch ein wichtiger Schritt notwendig: Alle Gesundheitsakteure – Ärzte, Apotheker und vor allem Pharmafirmen – müssen eine neue Denkweise erlernen. Sie müssen immer wieder neu zupacken, schnell lernen und stets optimieren. Das „Fertige“, das einmal entworfene und dann gültige, gibt es nicht mehr. Und auch die klassischen Zielgruppen gibt es nicht mehr – sie können zusammen mit überholten Dialogformen und dem Kampagnen-Denken getrost in die Schublade gelegt werden. Das Alter als ehemals klassisches Kriterium zur Zielgruppendefinition im Pharma-Marketing z.B. verliert zunehmend an Bedeutung – vor allem was die Wahl der Werbemittel und Kanäle betrifft. Marketeers, die einen demografischen Trennstrich zwischen Print- bzw. TV- und Web-Werbung ziehen, verkennen die Tatsachen: Menschen jeden Alters nutzen das Internet für Ihre Bedürfnisevaluation und können dort gezielt „abgeholt“ werden. Gerade im Personenkreis der über 60-Jährigen sind bereits circa 50% aktiv mit Smartphone und Co. im Internet unterwegs – Tendenz steigend.

Analysen von Google-Suchanfragen zeigen hierbei, wie stark das Bedürfnis der Patienten ist, sich im Internet über Gesundheitsthemen zu informieren. Pro Tag liegt die Zahl der Anfragen zu Gesundheitsthemen bei ca. 20 Millionen. Digitale Medien bieten dabei sowohl Nutzern als auch Anbietern den bedeutenden Vorteil, dass sie jederzeit abrufbar und – vor allem im Vergleich zu Print-Medien – leicht auf aktuellem Stand zu halten sind.

Schon zu Beginn der patient journey können Firmen dafür sorgen, durch professionelle SEA- und SEO-Maßnahmen auf Seite eins der Suchergebnisse zu landen und den Patienten auf ihre Webseite zu lotsen. Nun muss der Content folgen, mit hohem Informationsgehalt, professionell erstellt, gleichzeitig verständlich für den Patienten und mit erforderlicher Informationstiefe. Unternehmen können hierbei verschiedene Tools nutzen, um den Patienten besser zu verstehen, seine Aktionen online nachzuverfolgen und so noch zielgerichteter auf ihn eingehen zu können.

Um den Wandel erfolgreich mit zu vollziehen, sollten die Akteure im Healthcare-Sektor damit anfangen, Digitale Empathie zu entwickeln. Nur durch Spezialisierung, Differenzierung und den Ausbau ihrer digitalen Kommunikationskanäle werden Apotheker, Ärzte und Pharmaunternehmen langfristig einen entscheidenden Sichtbarkeitsvorteil gegenüber der Konkurrenz haben.

Darauf kommt es an: Kompetenzen vereinen, flexibel reagieren und Fehler nicht krampfhaft vermeiden, sondern zur Weiterentwicklung nutzen.

Die Zukunftsmusik in der Healthcare-Branche

Schon heute bereichern zahlreiche Apps, Fitness-Tracker und andere Anwendungen das Angebot für die Patienten, ihre Gesundheit im Auge zu behalten und zu optimieren. Sie ermöglichen es, bei chronischen Erkrankungen den Verlauf unkompliziert und ohne großen Aufwand zu überwachen und so eine Veränderung bereits festzustellen, bevor sie sich in Symptomen bemerkbar macht. Parallel dazu helfen entsprechende technische Anwendungen dabei, viele Faktoren gleichzeitig im Blick zu behalten, die für die Erhaltung der Gesundheit und Fitness wesentlich sind: Schlafrhythmus, Bewegung und Ernährung sind nur eine Auswahl Gesundheitsdaten, die durch solche Anwendungen gesammelt und auch analysiert werden können.

Derzeit laufen bereits einige aussichtsreiche Testphasen von closed-loop-Systemen, die es Patienten ermöglichen, per Smartphone Medikamente zu dosieren und automatisch nachzubestellen. Hier entfernt sich die zentrale Weiche der Wertschöpfungskette von der Frage Wer verkauft die Medikamente? hinzu Wer entwickelt die Systeme? und vor allem Wer beliefert den Patienten? Dabei ist es gleichgültig, ob derjenige global player, der sich dieser lukrativen Aufgabe annimmt, ein antikes Geschlecht von Kriegerinnen im Namen trägt – der Markt wird sich bewegen und aus Perspektive der Aktanten im Gesundheitswesen wäre es fatal, sich auf bestehende rechtliche Regelungen oder den Gesetzgeber zu verlassen.

Insgesamt wird die Entwicklung im Healthcare-Bereich darauf zusteuern, dass der Patient immer mehr Einsicht in und auch Einfluss auf Vorsorge und Behandlung erlangt. Er gewinnt dadurch zunehmend an Wichtigkeit und behauptet – zu Recht – seinen Platz im Fokus des Pharma- und Healthcare-Marketings.

Literatur

Heckmann D (2015) Digitale Empathie“ – wie kommt mehr Gerechtigkeit ins Internet, br-alpha

Keese C (2016) Silicon Germany – wie wir die digitale Transformation schaffen, Knaus Verlag, München

Schäffler B (2016) Smart Healthcare. Die Zukunft beginnt heute. URL: http://www.trendone.com/fileadmin/Redaktion/PDF/HCM_9_2016.pdf (zugegriffen am 25. April 2017)

Sprenger RK (2015) Das Prinzip Selbstverantwortung, Campus Verlag, Frankfurt a.M.

4 Sozialpsychologie und Digitale Gesundheit – Technosapiens

Bertolt Meyer

Bestandsaufnahme und Stellenwert

Therapie von Beeinträchtigungen und Verbesserung des Körpers und seinen Fähigkeiten durch technische Hilfsmittel haben eine lange Geschichte. Bereits im 16. Jahrhundert gab es funktionale Armprothesen mit Feinmechanik und die Brille ist ebenfalls Jahrhunderte alt. Die Medizintechnik hat sich, insbesondere in den Bereichen Orthetik und Prothetik, in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt. Heute steht, auch durch die Konvergenz von Robotik, Informatik, Prothetik und Medizintechnik, eine Fülle von digitalisierten und vernetzten „Ersatzteilen“ zur Verfügung, die am oder im Körper getragen werden. Beispiele sind moderne Herzschrittmacher, implantierte Geräte zur Verhinderung von epileptischen Anfällen durch Hirnstimulation (DBS – Deep Brain Stimulation), aktive, durch Elektromotoren angetriebene Fuß- und Beinprothesen, automatische Insulinpumpen und vieles mehr. Aber auch durch den kommerziellen Erfolg von am Körper getragenen digitalen Alltagsgegenständen, sog. Wearable devices wie Smartwatches und Fitnesstrackern wird der Mensch der Gegenwart immer mehr zu einem Wesen, das Technik am und im Körper trägt, zu einem technischen Wesen, zum Technosapiens.

Beschreibung des Transformationsprozesses

In der Geschichte der Industriellen Revolution hat der Mensch vor allem seine Umwelt verändert, um die eigenen Beschränkungen zu vermindern. Um uns schneller fortbewegen zu können, entwickelten wir Züge und Autos und verlegten Schienen und Straßen. Die Menschheit scheint aber jetzt an einem Punkt angekommen zu sein, an dem der Körper selbst technisch verändert werden kann. Mit anderen Worten, technische Innovationen greifen nicht nur in die Umwelt des Menschen, sondern auch in seinen Körper ein. Dabei muss jedoch zwischen zwei Gründen für technische Erweiterungen des bzw. Eingriffe in den Körper unterschieden werden, die gerade im momentanen medialen Diskurs oft vermischt werden: Therapie und Enhancement. Therapeutische Technik wie bionische Prothesen dienen dazu, eine Beeinträchtigung auszugleichen: Ein Mensch, dessen Fähigkeiten unterhalb einer gesellschaftlichen statistischen Norm liegen, soll durch die Technik Fähigkeiten erhalten, die näher an der Norm liegen als vorher. Enhancement zielt auf die Erweiterung von Fähigkeiten bei Menschen ab, die keine Beeinträchtigung haben und innerhalb der statistischen Norm liegen; hier sollen Fähigkeiten oberhalb der Norm aufgebaut werden. Das Ziel von Enhancement sind also Fähigkeiten, die nach dem Eingriff weiter von der Norm entfernt sind als vorher. Beispiele hierfür sind unter die Haut implantierte Chips und Sensoren, die es ihren Trägern ermöglichen, Magnetfelder zu spüren oder besondere Türen ohne Schlüssel zu öffnen.

Chancen und Risiken

Die neuen technologischen Entwicklungen für Menschen mit Körperbehinderungen wie bionische Prothesen und Exoskelette können Stereotype – sozial geteilte Annahmen über Angehörige sozialer Gruppen, die Individualität außer Acht lassen – verändern. Stereotype transportieren Informationen auf zwei Dimensionen: Wärme (was haben Mitglieder dieser Gruppe für Absichten – von schlecht [kalt] bis gut [warm]) und Kompetenz (wie gut können Mitglieder dieser Gruppe ihre Absichten in die Tat umzusetzen – von schlecht [inkompetent] bis gut [kompetent]) (Fiske 2002). Vereinfacht ergeben sich so vier Arten von stereotypisierten Gruppen: Die „warmen“ Kompetenten (i.d.R. die eigene Gruppe und solche, die bewundert und verehrt werden), die inkompetenten mit den schlechten Absichten (Lehrbuchbeispiele sind Drogensüchtige und Obdachlose), die inkompetenten mit den guten Absichten (Lehrbuchbeispiele sind Rentner und Menschen mit Körperbehinderungen) und die kompetenten mit den schlechten Absichten (in fast allen Kulturen werden Reiche und Banker hier eingeordnet).

Nichts strahlt so viel Kompetenz aus wie moderne Hochtechnologie. Eine Verschiebung des Stereotyps gegenüber Menschen mit Behinderung, die Hochtechnologie am Körper tragen von inkompetent zu kompetent hat zwei positive Potenziale, aber auch ein Risiko. Das erste Potenzial liegt darin, dass die Betroffenen eine andere Beziehung zu ihrer Behinderung entwickeln: Durch die Erhöhung ihrer zugeschriebenen Kompetenz werden sie weniger mitleidig behandelt, wodurch sie weniger Scham empfinden. Dies ist der potenzielle psychologische Nutzen moderner Medizintechnik. Der zweite Nutzen liegt im potenziellen Abbau von Stereotypen auf gesellschaftlicher Ebene. Je mehr sich das Bild des „kompetenten“ Menschen mit Körperbehinderung verbreitet, desto weniger werden Angehörige dieser Gruppe ausgegrenzt. So haben technische Hilfsmittel das Potenzial, zu mehr Inklusion beizutragen, indem sie nicht nur die körperliche Beeinträchtigung ausgleichen, sondern gleichsam auch die psychologische „Beeinträchtigung“ der geringeren zugeschriebenen Kompetenz.

Das Risiko dieser Entwicklung liegt darin, dass Menschen mit technischen Hilfsmitteln als kompetent aber kalt wahrgenommen werden. So würde aus der Außengruppe der Menschen mit Körperbehinderungen (warm aber inkompetent) eine andere Außengruppe (kompetent aber kalt). Da der kompetenten aber kalten Gruppe der „Cyborgs“ nicht mit Mitleid, sondern mit Ablehnung begegnet wird, wäre dies für die Betroffenen eher eine Verschlimmerung als eine Verbesserung.

Wie ich bereits in einer Studie (Meyer 2017) für das Gottlieb-Duttweiler-Institut geschrieben habe: Stereotype haben unter anderem die psychologische Funktion der Aufwertung der eigenen Gruppe durch Abwertung der Außengruppe. Aus Sicht der Nichtbehinderten ist es deshalb eher wahrscheinlich, dass die Aufwertung von Menschen mit Behinderungen auf der Kompetenzdimension zu ihrer Abwertung auf der Wärmedimension führt, da nur so die Hierarchie der Wertigkeit von sozialen Gruppen gewahrt werden kann. Anzeichen für diesen Prozess kann man in der medialen Berichterstattung über paralympische SportlerInnen erkennen, die an Wettbewerben nicht-behinderter Athleten teilnehmen wollten. Sie sahen sich teilweise in der Presse mit dem Vorwurf konfrontiert, aufgrund ihrer Prothesen einen unfairen Vorteil zu haben (Blaschke 2012). Medienberichte über neue Prothesen stellen häufig deren Potenzial in den Vordergrund, „normale“ menschliche Fähigkeit in Zukunft zu übertreffen. Von möglichen Superkräften ist die Rede und es wird geraunt, dass die Wissenschaft evtl. „zu weit“ gehe. Sogar von „Prothesenneid“ (Mason 2016) ist die Rede. Dies sind sehr realitätsferne Diskurse, da heutzutage auch die modernsten bionischen Prothesen nicht ansatzweise an die Funktionalität von natürlichen Körperteilen heran reichen, geschweige denn, diese übertreffen.

Trends und Entwicklung

Die neue Hilfsmitteltechnologie ist Chance und Risiko zugleich. Die Chance besteht in einer verbesserten Teilhabe von Menschen mit Körperbehinderungen und in einem Abbau von paternalistischen Stereotypen ihnen gegenüber, hin zu einer besseren Inklusion. Das Risiko besteht in der medialen Überzeichnung der neuen Hilfsmitteltechnologie als bedrohlich und mit (potenziellen) Superkräften verknüpft, wodurch Menschen mit solchen Hilfsmitteln als bedrohliche „Cyborgs“ stereotypisiert werden, wodurch Ausgrenzung droht. Besonders in den Medien sollte deshalb auf eine weniger sensationsgetriebene und überzeichnete Darstellung geachtet werden.

Literatur

Blaschke R (2012) Techno-Doping debate levels the playing field. Stand: 30.08.2012. URL: http://www.dw.de/techno-doping-debate-levels-the-playing-field/a-16207304 (abgerufen am 21.07.2017)

Fiske S, Cuddy A, Glick P, Xu J (2002) A model of (often mixed) stereotype content: Competence and warmth respectively follow from perceived status and competition. Journal of Personality and Social Psychology, 82, 878–902. doi: 10.1037//0022-3514.82.6.878

Mason LR (2016) Prosthetic envy. URL: von http://www.virtualfutures.co.uk/event/vfsalon-prostheticenvy/ (abgerufen am 21.07.2017)

Meyer B (2017) Stereotype Content Model. In: Samovhowiec J, Schmidt A (Hrsg.) Robotik und Behinderungen: Wie Maschinen morgen Menschen helfen, S. 74-77. Zürich: GDI Gottlieb Duttweiler Institute. URL: http://gdi.ch/robotik2017 (abgerufen am 21.07.2017)

5 Automotive Health – Was das Automobil mit Gesundheit zu tun hat

David Matusiewicz und Manfred Knye

Automotive Health – Eine Einführung in mobile Health

Automotive Health beschreibt die Verschmelzung zweier klassischer Branchen: der Automobilindustrie und des Gesundheitswesens. Die Elektrifizierung des Autos ändert das Produkt grundsätzlich und nachhaltig, allerdings zunächst einmal nicht das Geschäftsmodell und die Position des Herstellers beim Kunden. Die Digitalisierung hingegen ändert das Produkt und das Geschäftsmodell. Dies schafft neue Konkurrenten, verringert den Entwicklungsvorsprung der etablierten Produzenten und braucht neue Kompetenzen, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Wenn das erste „iPhone auf Rädern“ zu kaufen sein wird, wird die Automobilindustrie dann nur noch Zulieferer der Mobilitätsanbieter werden?

Das digitalisierte/selbstfahrende Auto ist dann wahrscheinlich nicht mehr das Endprodukt, sondern vielmehr „nur“ Mittel zum Zweck. Die Mobilität als solches wird aus Kundensicht zum Endprodukt. Dies würde die Position des Automobilherstellers in Zukunft drastisch verändern. Die bisherigen Hersteller könnten dann entweder zum Mobilitätsanbieter avancieren oder sich in der Rolle des Zulieferers für Mobilitätsanbieter wiederfinden. Das Gesundheitswesen befindet sich ebenfalls mitten in der digitalen Transformation. Die etablierten Akteure transformieren ihre Geschäftsmodelle und neue Player bringen innovative und teilweise disruptive Lösungen in den Markt (s. Abb. 1).

Abb. 1 Neue Player (hier in der Wolke mit den Raketen dargestellt) werden den klassischen Markt aus Patienten, Ärzten, Krankenhäusern, Krankenkassen und weiteren Akteuren aufmischen.

Für alle großen Internetkonzerne scheint das Thema Gesundheit ein wichtiges Zukunftsthema zu sein: Google Health beschäftigt derzeit über 150 Mitarbeiter und versucht beispielsweise mit den Google Lenses Blutzucker über Kontaktlinsen zu messen. Bei Apple ist durchgedrungen, dass der Konzern mit einem Armband für die Apple Watch in Zukunft optisch Blutzucker messen möchte. Boston Dynamics versucht mit Robotern die Pflege der Zukunft sicherzustellen und IBM investiert rund 300 Mio. $ pro Jahr in Gesundheits-Datenmanagement. Der Supercomputer Watson (IBM) forscht in der Krebsforschung und SAP in der Sequenzierung der Genome von Patienten im Sinne der personalisierten bzw. stratifizierten Medizin. Für Microsoft Health ist der 2. Gesundheitsmarkt hinsichtlich Wearables, Apps und Gesundheitsplattformen interessant. Doch die Gesundheitsbranche gilt bisweilen nicht gerade als großer Innovator, wie das Beispiel der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gezeigt hat. Auch die Tatsache, dass die Gesundheitsbranche einen Innovationsfonds braucht, um innovativ zu sein, ist ein Bekenntnis zur Rückständigkeit. Somit könnte man ein Zwischenfazit ziehen, dass die Gesundheitsbranche sich derzeit zwischen tradiertem Stillstand und disruptiven Sprüngen befindet. Für viele der vorgestellten Internetkonzerne scheint aus der Perspektive des Gesundheitsmarktes die Automobilindustrie zunehmend von Interesse, da das Auto als „third place“ neben der Freizeit und dem Beruf gesehen wird und die Internetkonzerne über die Zeit des Menschen im Auto bislang nur wenig wissen. Und Gesundheit betrifft alle.

Was können Autos in puncto Gesundheit leisten?

Vergleicht man Medizin mit der Automobilproduktion, so kann potenziell ein höherer Grad der Digitalisierung erreicht werden. Letztendlich besteht die Arbeit des Arztes z.B. zu großen Teilen aus dem Sammeln und Verteilen von Informationen. Autos der Zukunft werden Vitaldaten messen und damit gerade in der Diagnostik eine wesentliche Rolle spielen. Auch ist denkbar, dass ein Arzt während der Autofahrt dazu geschaltet wird. Im Notfall kann das Auto bereits jetzt einen Notruf absetzen oder uns (in Zukunft) gleich in die nächste Notaufnahme fahren. Gerade in ländlichen Regionen, in denen es manchmal zu lange dauert, bis der nächste Rettungswagen eintrifft, kann dies Leben retten. Die Arztpraxis wird somit punktuell zu einem rollenden Wartezimmer. Depressionen können durch das Lenkverhalten erkannt und ein Herzinfarkt unmittelbar bei seiner Entstehung diagnostiziert werden. Auch ist in Zukunft denkbar, dass der Blutzuckerspiegel kontinuierlich durch Sensoren überwacht wird. Erste Geräte gibt es bereits. Das Auto der Zukunft erkennt, wann wir Stress haben und kann dann hilfreiche Tipps (beispielsweise Atemübungen) geben, um diesen zu reduzieren. Biofeedback nennt man das neudeutsch. Spannend wird der Zugewinn an Information, wenn man unterschiedliche Daten (Biodaten, Sozialdaten und Verhaltensdaten) miteinander verknüpft – Stichwort: Big Data. Die Aussagemöglichkeiten, die sich hieraus ergeben, können, dürften wir derzeit nicht einmal ansatzweise abschätzen können.

Welche Daten können wir heute schon im Auto erfassen?

EKG und Blutdruck/Puls

Hautschweiß und Hautleitwiderstand

Körpertemperatur und Temperatureinstellungen

Fahrerdaten vom Sitz (anthropometrische Daten wie Sitz-, Lenkrad und Spiegeleinstellungen, Gewicht, Bewegung)

Lenkverhalten (nicht nur zur Müdigkeitserkennung)

Augenbewegungen

Stimme

Geräusche (Atemgeräusche, Husten)

Geruch

Nano-Partikel

Kräfte (Lenkkräfte und Pedalkräfte)

Reaktionszeiten

Kommunikationsverhalten u.v.m.

Es ist erkennbar, dass sehr viele Hersteller sich hier auf den Weg gemacht haben. Hierzu zählen Audi, Volkswagen, Daimler, Hyundai, Opel und viele mehr.

Beispiel Audi

Audi setzt sich für das „emphatische Auto“ ein. Unter dem Motto „my Audi cares for me“ soll Audi FitDriver im Fitness- und Gesundheits-Monitoring eingesetzt werden (s. Abb. 2). Die Vision von Audi ist ein Fahrer, der am Ziel entspannter aus dem Auto steigt, als er eingestiegen ist. Dabei stellt das Projekt das Wohlbefinden und die Gesundheit des Fahrers in den Mittelpunkt, indem Vitaldaten erkannt werden und das Fahrzeug sich vitalisierend oder auch schützend auf den Fahrer einstellt. In Zukunft soll das Auto einen Nothalt durchführen und per eCall-System einen Notruf absetzen.

Abb. 2 Audi FitDriver – Funktionen (mit freundlicher Genehmigung der AUDI AG)

Für wen sind die Gesundheitsdaten interessant?

Interessenten für die Nutzerdaten dürfte es viele geben. Die Autohersteller/Mobilitätsanbieter selbst. Für die Kranken(-versicherungen) sind Risikoprofile interessant. Die Anbieter von Gesundheitsleistungen sehen gerade in der Diagnostik und Prävention Potenziale und später ggfs. auch in der Therapie: Ärzte können in Zukunft ggfs. das Arztgespräch im Auto führen. Für Rettungsdienste sind die Gesundheitsdaten ebenso interessant, und das Krankenhaus wird in Zukunft vielleicht durch selbstfahrende Autos einen neuen Zuweiser für sich entdecken. Dies führt allerdings dazu, dass die Kliniken ihre Notaufnahmen in Zukunft umbauen müssten, da eine Vielzahl von „privaten Rettungswagen“ logistisch abgefertigt werden müssten. Gesundheitsdaten sind ebenso eine Währung für Amazon, Google, AliBaba & Co, da Gesundheit das Konsumentenverhalten verändert und bislang ist den IT-Riesen nicht bekannt, was die Kunden während ihrer Autofahrt so tun. Auch die Politik hat Interesse an den Daten, um mehr über den Autofahrer und deren gesundheitlichen Fertigkeiten zum Autofahren zu erfahren. Dies gilt ebenso für die Forschung, die die Epidemiologie, Demografie und anthropometrischen Untersuchungen im Blickfeld hat.

Es stellt sich auch die Frage, ob die Autokunden das überhaupt wollen – ständiges Monitoring/Überwachung ohne direkte Veranlassung. Letztendlich wird sich auch hier die Frage nach dem Gegenwert für den Kunden stellen. Aber Google, Amazon und Facebook machen es ja vor: wenn der Nutzer einen – in seiner Sicht adäquaten – Gegenwert für seine Daten bekommt, dann ist er auch bereit, Daten gegen Dienstleistung zu tauschen. Oder führt die Überwachung dazu, dass man Angst hat in sein Auto zu steigen? Der Konsument wird mit den Füßen abstimmen, ob er diese Services haben möchte auf dem „Highway to Health“ oder die Gadgets dann doch eher der Theorie überlässt.

Ausblick

Die digitale Transformation wird sowohl die Automobilindustrie als auch das Gesundheitswesen deutlich verändern. Beide Branchen werden eine deutliche Schnittstelle aufweisen, die einen beidseitigen Nutzen hat. Schnittstellemanager in den Automobilkonzernen werden benötigt, die beide Sprachen sprechen. Die Automobilkonzerne werden den Kunden auch aufgrund neuer Konkurrenzen auf dem Markt einen Mehrwert bieten müssen. Das Gesundheitswesen wiederum wird davon profitieren, da die Mobilität für die Versicherten und Patienten in Zukunft eine noch größere Rolle einnehmen wird und dies ebenso einen interessanten Markt darstellen wird. Die Betriebskrankenkassen (insbesondere die Kassen der Automobilkonzerne: Audi BKK, Daimler BKK, BMW BKK) bilden heute schon eine wichtige Schnittstelle zwischen den Automobilkonzernen als Trägerunternehmen und dem Gesundheitsmarkt. Hier sind ebenso wichtige Impulse zu erwarten. Auch das Produkt der Gesundheitswirtschaft wird sich wandeln. Werden bisher die Bereiche kurative Medizin (hauptsächlich 1. Gesundheitsmarkt) und Prävention (oft 2. Gesundheitsmarkt) angeboten, so wird sich die Nachfrage nach „Optimierung“ als umfassendere Kategorie entwickeln. Und das auch während der Autofahrt. Die Potenziale von mobile Health sind in ihrer Entwicklungspotenz noch nicht ausgeschöpft. Derzeit befinden wir uns in einer Zeit- und Branchenschmelze.

Die Digitalisierung der Gesundheit wird (auch) für die Automobilindustrie auf mindestens drei Ebenen relevante Veränderungen ergeben:

1.Mitarbeiterebene:Eine veränderte Gesundheitslandschaft hat direkte Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung und das Gesundheitsverhalten der Mitarbeiter und darüber Auswirkungen für deren Produktivität.

2.Kundenebene:Geht es heute meist darum, das Produkt Auto möglichst wenig gesundheitsschädlich zu machen (siehe auch Feinstaubdebatte) so wird in Zukunft die Einstellung der Kunden zur Mobilität auch davon bestimmt werden, ob diese mit dem Aspekt der Gesundheit einher geht.

3.Geschäftsmodelle:Die Digitalisierung schafft neue Angebote im Health-Bereich und somit eine veränderte/wachsende Nachfrage für Gesundheitsdaten.

Der Beitrag enthält die persönlichen Meinungen der Autoren, nicht der Institutionen.

Literatur

Lummer S (2017) Automotive Health – Rolling Phones. In: BKK Magazin, 1/2017, S. 18–39

II

Rahmenbedingungen

1 eHealth – Wie die digitale Vernetzung unser Gesundheitssystem zukunftssicher macht

Katja Leikert

Eine immer größere Zahl von Menschen benutzt mobile Apps zur Analyse von Gesundheitsdaten. Es gibt Pilotprojekte mit Computersystemen, die Klinikärzte bei der Anordnung der richtigen Untersuchungen und Therapien unterstützen; Krankenhäuser stellen, teilweise komplett, auf papierfreies Arbeiten um. Gleichzeitig stellt der Gebrauch von Fax und Brief zur Übermittlung von Behandlungsdokumenten immer noch die Realität in vielen deutschen Arztpraxen und Krankenhäusern dar. Innerhalb dieses Spannungsfeldes vollzieht sich der digitale Wandel im Gesundheitsbereich und bringt viele Veränderungen mit sich. Dabei ist die Digitalisierung beides – Herausforderung und Chance zugleich. Sie bietet uns neue Möglichkeiten zur Gestaltung der Versorgung und zur Verbesserung der Kommunikation. Gleichermaßen sind alle Akteure im Gesundheitswesen gefordert, lang gewachsene Prozesse und Gewohnheiten umzustellen.

Das eHealth-Gesetz – Neuer Impuls für die digitale Vernetzung des Gesundheitswesens

Die digitale Vernetzung im Gesundheitswesen war lange Zeit durch starre Strukturen und Stillstand gekennzeichnet. Mehr als 70 Millionen gesetzlich Versicherte sind zwar inzwischen im Besitz einer elektronischen Gesundheitskarte, der Nutzen der Karte ist allerdings stark eingeschränkt. Mit dem Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen („eHealth-Gesetz“), das am 3. Dezember 2015 vom Bundestag verabschiedet wurde, ist es gelungen, der Digitalisierung im Gesundheitswesen neue Impulse zu verleihen. Ziel ist es, mithilfe der digitalen Vernetzung die Versorgung der Patienten zu verbessern sowie gleichermaßen die Teilhabe und Akzeptanz aller Akteure im Gesundheitswesen sicherzustellen.

Dazu legt das Gesetz einen konkreten Zeitplan für den bundesweiten Aufbau einer sicheren digitalen Infrastruktur des Gesundheitswesens sowie für die Einführung zahlreicher nutzbringender Anwendungen vor. Durch die Verknüpfung mit Sanktionen bestehen nun verbindliche Anreize für eine fristgerechte Umsetzung der Maßnahmen. Erste Meilensteine sind hierbei schon erreicht und haben Eingang in die Versorgung gefunden.

Mit dem eHealth-Gesetz hat der Gesetzgeber seinen Willen zur schnellen digitalen Vernetzung im Gesundheitswesen zum Ausdruck und die entsprechenden Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die an Fristen und Sanktionen geknüpfte Umsetzung obliegt nun den Partnern in der Selbstverwaltung.

Grundlage dieses nationalen eHealth-Projekts bildet dabei die digitale Vernetzung der 150.000 Arztpraxen, 2.000 Krankenhäuser, 20.000 Apotheken, 2.3 Millionen sonstigen Gesundheitsberufe und der gesetzlich Versicherten durch die Telematikinfrastruktur (TI). Auf Basis dieser Infrastruktur des deutschen Gesundheitswesens wird der Austausch von Daten in Zukunft nicht nur einfacher, sondern auch sicherer. Denn die derzeit überwiegende Praxis der Übermittlung von Daten per Fax oder Brief ist zum einen aufwändiger und aus datenschutzrechtlicher Perspektive zudem ungenügend.

Die erste Anwendung der TI steht bereits in den Startlöchern. Dabei handelt es sich um die automatische Aktualisierung der Versichertenstammdaten (u.a. die Adresse des Versicherten, Krankenkassenzugehörigkeit). Nach erfolgreichen Tests in der Testregion Nordwest wird der bundesweite Rollout der TI voraussichtlich im Herbst dieses Jahres beginnen. Um eine Teilnahme aller Ärzte am Online-Abgleich der Versichertenstammdaten zu gewährleisten, kommt es bei einem Ausbleiben der Teilnahme ab dem 1. Juli 2018 zu pauschalen Kürzungen der Vergütung.

Damit im Ernstfall möglicherweise lebenswichtige Informationen über bestehende Allergien oder Vorerkrankungen sofort verfügbar sind, ist ab 2018 ebenfalls die Speicherung der Notfalldaten auf der elektronischen Gesundheitskarte vorgesehen.

Mit Blick auf die Sicherstellung der Arzneimitteltherapiersicherheit (AMTS) spielt der Medikationsplan eine bedeutende Rolle. Lebensgefährliche Arzneimittelwechselwirkungen können mit seiner Hilfe verhindert werden. Noch immer sterben in Deutschland mehr Menschen aufgrund solcher Wechselwirkungen als im Straßenverkehr. Deshalb haben gesetzlich Versicherte, die gleichzeitig dauerhaft mehr als drei verordnete Arzneimittel anwenden, Anspruch auf die Erstellung eines Medikationsplans durch ihren Arzt. Dabei werden Apotheker, zu deren Kernaufgaben die Sicherstellung der AMTS gehört, von Anfang an einbezogen. Sie sind auf Wunsch des Versicherten zur Aktualisierung des Plans verpflichtet. Dadurch ist eine lückenlose Kontrolle gewährleistet. Darüber hinaus haben die Versicherten ab 2019 Anspruch auf die Aktualisierung ihres elektronischen Medikationsplans bei ihrem Arzt oder Apotheker.

Auch der Einstieg in die Telemedizin ist dank des eHealth-Gesetzes gelungen. Konkret sind im Gesetz zwei Anwendungen verankert. So wurden am 1. April 2017 sowohl die telekonsiliarische Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen als auch die Videosprechstunde eingeführt.

Die elektronische Patientenakte (ePA) bildet das Herzstück des eHealth-Gesetzes. Mit ihrer Hilfe können strukturierte Patientendaten digital zusammengeführt und verfügbar gemacht werden. Patienten können damit in Zukunft auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen und diese beispielsweise nach einem Umzug oder Arztwechsel ihrem Behandler unkompliziert zur Verfügung stellen. Damit werden nicht nur unnötige Doppelbefundungen vermieden, sondern es wird sichergestellt, dass die für die Versorgung eines Patienten wesentlichen Daten, wenn nötig, am richtigen Ort sind. Das bedeutet vor allem, dass die Daten in die Souveränität des Patienten zurückgehen. Denn die Daten gehören weder dem Krankenhaus, noch dem Arzt. Vielmehr gehören sie dem Patienten und er entscheidet, wer Zugriff darauf hat.

Mit der elektronischen Patientenakte ist es möglich, die strukturierten Patientendaten digital zusammenzuführen und verfügbar zu machen. Die Daten gehören dem Patienten. Er entscheidet darüber, wer Zugriff darauf hat.

Nach dem eHealth-Gesetz ist vor dem eHealth-Gesetz – Zukünftiger Handlungsbedarf und Chancen der digitalen Vernetzung

Nach dem jahrelangen Stillstand ist das klare politische Bekenntnis zur digitalen Vernetzung unseres Gesundheitswesens ein wichtiges Signal. Inzwischen wird das Thema eHealth von allen Seiten positiv aufgenommen und flankiert. Die Schnelligkeit, mit der beispielsweise einige Krankenkassen inzwischen an digitalen Angeboten für ihre Versicherten arbeiten, hat einen bemerkenswerten Wettbewerb im Markt ausgelöst, von dem letztlich die Versicherten profitieren.

Mit dem eHealth-Gesetz ist das Fundament für die digitale Infrastruktur gelegt. Die darin getroffenen Maßnahmen gilt es fristgerecht umzusetzen und das Projekt zügig zu realisieren. Darüber hinaus sind im Rahmen einer nationalen eHealth-Strategie für Deutschland unter anderem folgende Punkte voranzutreiben.

Stärkung des selbstbestimmten Patienten

Der digitale Wandel sollte auch weiterhin konsequent dafür genutzt werden, den selbstbestimmten Patienten zu stärken, insbesondere auch im Hinblick auf das Arzt-Patienten-Verhältnis. An erster Stelle sollte das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten stehen. Dafür muss gewährleistet sein, dass der Patient jederzeit über das Internet auf seine in der ePA gespeicherten Gesundheitsdaten zugreifen kann. Dazu gehört auch die Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz der Bürger durch die Vermittlung seriöser und wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse. Angesichts zahlreicher im Internet befindlicher Gesundheitsinformationen, die nicht wissenschaftlich belegt sind, bedarf es mehr Aufklärung und Transparenz. Dazu wollen wir ein nationales Gesundheitsportal schaffen, in dem Patienten verlässliche und qualitativ gesicherte Informationen über Krankheiten, Behandlungen sowie die Strukturen unseres Gesundheitssystems finden.

Die Vernetzung aller Akteure vorantreiben

Die Vernetzung aller Akteure im Gesundheitswesen muss langfristig auf den Weg gebracht werden. Denn um die Versorgungsstrukturen zukunftsfest zu machen, bedarf es neuer digitaler Lösungen, die sektorenübergreifend funktionieren. So sollte u.a. die Anbindung des Pflegebereichs sowie der Heil- und Hilfsmittelerbringer an die Telematikinfrastruktur schnell umgesetzt werden.

Ausbau der Telemedizin

Für eine moderne Versorgung sowohl in der Stadt als auch im ländlichen Raum ist die Telemedizin in die Fläche zu bringen. Denn mit ihrer Hilfe kann medizinische Versorgung zu den Menschen gebracht werden, für die diese anderweitig schwer zugänglich ist, weil sie auf dem Land leben oder relativ immobil sind.

Big Data effektiv für die Forschung nutzen

Die immer größeren Datenmengen, die im Rahmen der Digitalisierung des Gesundheitswesens anfallen, bergen großes Potenzial für die Gesundheitsversorgung und -forschung. Durch die Erhebung und Zusammenführung von Daten, die beispielsweise im Rahmen von Routineuntersuchungen anfallen, können in Zukunft Krankheiten und mögliche Risiken früher und präziser erkannt werden. Derzeit bleiben viele dieser Daten allerdings noch ungenutzt. Zudem ist ein ungehinderter Austausch von Daten zwischen verschiedenen Forschungsstandorten oftmals nicht möglich. Hier gilt es bei gleichzeitiger Wahrung des Datenschutzes, weiter daran zu arbeiten, mehr Daten für die Forschung zugänglich zu machen, um so die bestmögliche Versorgung der Menschen sicherzustellen.

Datenschutz und Datensicherheit

Gerade im Zeitalter von Big Data ist ein Höchstmaß an Datenschutz und -sicherheit unabdingbar für den Erfolg und die Akzeptanz der digitalen Vernetzung im Gesundheitswesen. Hierbei wird es für alle Beteiligten auch weiterhin wichtig sein, diese nicht als Digitalisierungshemmnisse zu verstehen.

Im Zeitalter von Big Data ist ein Höchstmaß an Datenschutz und -sicherheit Voraussetzung für den Erfolg und die Akzeptanz der digitalen Vernetzung im Gesundheitswesen. Die Sicherheit und der Schutz der Patientendaten müssen zum Gütesiegel der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens werden.

Fazit und Ausblick

Mit der Digitalisierung bieten sich vielfältige Chancen für unser Gesundheitswesen. Im Rahmen einer nationalen eHealth-Strategie sollten unsere langfristigen Ziele sowie zentrale Meilensteine formuliert werden. Das heißt vor allem ein höherer Grad an Selbstbestimmung durch den Patienten, die langfristige Vernetzung aller Akteure im Gesundheitsbereich sowie die Erschließung neuer Möglichkeiten für die Gesundheitsforschung. Dazu zählt idealerweise auch die administrative Entlastung von Ärzten und Pflegepersonal, sodass mehr Zeit für den Patienten gewonnen wird. Die Digitalisierung stellt keinen Selbstzweck dar, sondern soll zum Nutzen der Patienten und der Leistungserbringer gesteuert werden. Dabei sollte immer das Kernziel unserer Anstrengungen im Zentrum stehen: die kontinuierliche Verbesserung der Versorgung der Patienten.

2 Evolution der medizinischen Fortbildung durch Blended Learning und Mobile Learning

Jörg Ansorg

Status der medizinischen Weiter- und Fortbildung in Deutschland

Beide Phasen des postgraduierten kontinuierlichen Lernens in der Medizin sind durch Verordnungen der Bundesärztekammer reguliert (BÄK 2015a; BÄK 2013a). Während die Weiterbildung im ärztlichen Bereich die Phase zur Erlangung von Facharztqualifikationen beschreibt, ist die medizinische Fortbildung durch lebenslanges Lernen und kontinuierliche Aktualisierung von Wissen und Fertigkeiten geprägt.

Klassische Fortbildungsformate für Ärzte sind neben dem Studium von Fachliteratur und Fachzeitschriften der Besuch von Kongressen, Seminaren und Workshops. In den letzten beiden Jahrzehnten haben sich zusätzlich elektronische Fortbildungsformate entwickelt. Besonders beliebt sind dabei die CME-Beiträge in Fachzeitschriften, auch wenn es sich dabei in der Regel nicht um E-Learning, sondern um digitale Kopien von Printbeiträgen handelt.

Ein relativ neues Format stellen strukturierte curriculare Fortbildungen (BÄK 2015b) dar, die inhaltlich von der Bundesärztekammer in Kooperation mit Fachgremien definiert werden und mit einer besonderen Qualifikation abschließen. Das Curriculum gibt Inhalte, Lernziele und die aufzubringende Lernzeit exakt vor. Ziel dieser häufig interdisziplinären Fortbildungsangebote ist die Entwicklung spezifischer Fachkompetenzen.

Beispiele für strukturierte curriculare Fortbildungen

Krankenhaushygiene (200 Stunden)

Hygienebeauftragter Arzt (40 Stunden)

medizinische Begutachtung (64 Stunden)

osteopathische Verfahren (160 Stunden)

Ernährungsmedizin (100 Stunden)

Für viele strukturierte curriculare Fortbildungen sind kombinierte Lernangebote aus Präsenz- und E-Learning-Phasen (sogenanntes Blended Learning) möglich. Der maximal gestattete E-Learning-Anteil schwankt je nach Curriculum zwischen 25–50%.

Die Bundesärztekammer hat außerdem Qualitätskriterien für E-Learning-Fortbildungen aufgestellt (BÄK 2013b) und vergibt bei Einhaltung dieser Kriterien das Qualitätssiegel E-Learning sowie zusätzliche Fortbildungspunkte.

Individualisierte Fortbildung durch Blended Learning

Medizinische Fortbildungsangebote in Form von Blended-Learning zeichnen sich durch eine abgestimmte Kombination aus E-Learning und Präsenzphasen aus.

Der größte Vorteil dieser Lernmethode ist die Reduktion der Präsenzzeit. Mit Blended Learning wird außerdem das Kursniveau durch Harmonisierung des Vorwissens aller Teilnehmer angehoben. In der Präsenzphase bleibt dann mehr Zeit für Diskussionen und praktische Übungen sowie die aktive Einbindung der Kursteilnehmer.

Vorteile von Blended Learning in der medizinischen Fortbildung

Reduktion der Präsenzzeit

Effizienzmaximierung der Präsenzphase

Individualisierung der Lerntempos in der E-Learning-Phase

Steigerung von Motivation und Lernerfolg

Bei strukturierten curricularen Fortbildungsmaßnahmen erscheint die Entwicklung von Blended-Learning-Angeboten aufgrund des erheblichen Zeitaufwandes besonders lohnend.

Wesentlich für die Akzeptanz und den Erfolg neuer Lernmethoden ist der unmittelbar spürbare Nutzen für den Anwender sowie ein konsistentes didaktisches Konzept. Hierbei geht es nicht nur um den unmittelbaren Kosten- und Zeitvorteil einer reduzierten Präsenzphase, sondern auch um die Möglichkeit, das Lerntempo selbst zu bestimmen, Inhalte zu rekapitulieren und nach Abschluss des Kurses im Berufsalltag weiterhin auf die elektronischen Lerninhalte zuzugreifen.

Im Unterschied zu Lehrbüchern oder deren digitalen Kopien schaffen adaptive E-Learning- Systeme in Kombination mit einer interaktiven Präsenzphase eine hochgradig individualisierte Lernsituation, die in der Erwachsenenbildung entscheidend für Lernerfolg und nachhaltige Kompetenzentwicklung ist. En passant motiviert ein derart individualisiertes Fortbildungspaket die Teilnehmer, am Ball zu bleiben, den Kurs engagiert durchzuarbeiten, mit eigenen Fragen und Beiträgen zu bereichern und sich in der Präsenzphase aktiv einzubringen.

Praxisbeispiel – Blended-Learning-Fortbildung von Hygienebeauftragten Ärzten (HBA) und Pflegekräften (HBP)

Der Bedarf an Hygienebeauftragten im ärztlichen und pflegerischen Dienst hat durch gesetzliche Vorgaben in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Das aktualisierte Infektionsschutzgesetz (IfSG 2011: http://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/index.html) sowie die Länderhygieneverordnungen fordern Hygienebeauftragte Ärzte in nahezu jeder Krankenhausabteilung sowie in allen Praxen, die operative Eingriffe durchführen. In vielen Bundesländern besteht außerdem die Pflicht zum Vorhalten von Hygienebeauftragten Pflegekräften sowie Hygienebeauftragten Medizinischem Fachpersonal (MFA).

Der im ambulanten Sektor sprunghaft gestiegene Schulungsbedarf lässt sich seit 2014 durch die klassischen Fortbildungsangebote nicht mehr decken und ist aufgrund des erheblichen Zeitaufwandes (1 Woche Abwesenheit) für viele niedergelassene Ärzte nicht zumutbar.

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC e.V.) entwickelte deshalb auf Grundlage seiner langjährigen E-Learning-Erfahrung 2014 ein erstes Blended-Learning-Angebot zur curricularen Fortbildung zum Hygienebeauftragten Arzt (Kramer al. 2015; Kramer et al. 2016). Dieses wurde eng mit der Bundesärztekammer und einzelnen Landesärztekammern abgestimmt und der maximale E-Learning-Anteil im Curriculum auf 50% angehoben.

Blended-Learning-Fortbildung zum Hygienebeauftragten Arzt (HBA)

klassisches E-Learning (20 Stunden)

Abschlusskolloquium über 2 Tage inkl. Abschlusstest (20 Stunden)

Aktualisierungen und Schulungsmaterialien für Nachgeordnete

Seit Ende 2014 ist dieses Blended-Learning-Angebot des BDC auf dem Markt und wurde kontinuierlich evaluiert. Hierbei wurde neben dem Standardfragebogen für ärztliche Fortbildung ein gemeinsam mit der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Bundesärztekammer entwickelter Test eingesetzt, um Nutzerverhalten und Verbesserungspotenzial detailliert zu erfassen.

Das Fortbildungsangebot wurde von Beginn an intensiv nachgefragt und wird seit Anfang 2015 auch an andere Facharztverbände lizensiert. Heute wird es von nahezu allen fachärztlichen Berufsverbänden als Alternative zur 40-stündigen Präsenzfortbildung empfohlen und angeboten.

Abb. 1 Hygienegrundsätze in verschiedenen Funktions- und Risikobereichen, Meduplus®

Evolution der medizinischen Fortbildung mit der Meduplus Smart Learning® Methode

Trotz positiver Resonanz und hoher Nachfrage zeigte die Evaluation des E-Learning-Teils deutliches Verbesserungspotenzial auf. Von vielen Teilnehmern wurde unter anderem die mäßige Strukturierung und Nutzerfreundlichkeit des klassischen E-Learning-Ansatzes kritisiert. Relevante Inhalte konnten nur schlecht von Zusatzinformationen und vertiefenden Referenzen differenziert werden, die Wissensfragen am Ende jedes Moduls boten zu wenig Interaktion und Erfolgserlebnisse.

In einem Joint-Venture unter der Marke Meduplus® wurde die Entwicklung eines völlig neuen E-Learning-Konzepts für die medizinische Fortbildung mit neuem didaktischen Ansatz sowie einer an die Zielgruppe adaptierten Nutzerführung vorangetrieben und von einem Team aus medizinischen Experten gemeinsam mit Didaktikern, Grafikern, Userinterface- und Web-Designern umgesetzt (s. Abb. 1).

Meduplus Smart Learning® zum Hygienebeauftragten Arzt (HBA)

Wechsel zwischen Wissensvermittlung und -Assessment

Individualisierung durch ein adaptives Lernsystem mit

Belohnung von Vorwissen und Fokus auf Wissenslücken

Learning Community zum Austausch der kontinuierlichen Verbesserung

Reduktion der Präsenzphase von 5 auf 2 Tage bei gesteigerter Lerneffizienz

Abb. 2 Evaluation der E-Learning-Module mit „gut“ und „sehr gut“

Mit Meduplus Smart Learning® gelingt es erstmals in der medizinischen Fortbildung, Vorwissen zu belohnen und auf das Schließen individueller Wissenslücken zu fokussieren. Damit vermittelt das System Freude am Lernen und dem eigenen Lernfort-schritt. Die Mitgliedschaft in einer exklusiven Learning Community schafft Verbundenheit und ermöglicht es jedem Teilnehmer, am Wissen anderer Nutzer zu partizipieren oder das Experten- und Tutorenteam zu kontaktieren.

Das neue E-Learning-System wurde im 3. Quartal 2016 eingeführt und sofort vom Markt angenommen. Die Resonanz war sehr positiv und wurde nach denselben Maßstäben wie das vorangegangene System evaluiert. Die Ergebnisse zeigten eine erhebliche Verbesserung in allen Erhebungskriterien (s. Abb. 2). Die Nutzerzufriedenheit insgesamt konnte von 48% auf 78% gesteigert werden.

Technisch wurde das Gesamtsystem für die Nutzung mit mobilen Endgeräten (Smartphones und Tablets) optimiert. Dies gestattet nicht nur das bequeme Lernen an jedem Ort sondern qualifiziert das Lernpaket als interaktives und mobiles Referenzwerk für den Klinik- und Praxisalltag.

Fazit