Die drei !!!, 93, Abenteuer-Küsse (drei Ausrufezeichen) - Kari Erlhoff - E-Book

Die drei !!!, 93, Abenteuer-Küsse (drei Ausrufezeichen) E-Book

Kari Erlhoff

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Beschreibung

Kim, Franzi und Marie sind "Die drei !!!". Mutig und clever ermitteln die drei Detektivinnen und sind jedem Fall gewachsen. Liegt wirklich ein Fluch auf dem alten Bergwerk? Während ihrer Ferien auf einem Ponyhof in Wilderode ermitteln Kim, Franzi und Marie in einem unheimlichen Stollen unter Tage ... und Franzi muss um ihre Beziehung mit Blake bangen. Auf der Suche nach einem Saboteur und den Wurzeln einer alten Legende geraten die beiden in große Gefahr ...

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Abenteuer-Küsse

Kari Erlhoff

KOSMOS

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Sabine Reddig

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© 2022, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-50455-0

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Ein magischer Moment

Franzi Winkler erkannte den Fehler zu spät. Jetzt hatte sie den Salat – oder besser gesagt: den Mist. Sie starrte auf die verkrusteten Reitstiefel, die gnadenlose Spuren auf T-Shirts, Socken und Unterwäsche hinterlassen hatten. Man durfte beim Packen eben nicht träumen.

Gerade war Franzi in Gedanken bei der Eule Matilda gewesen. Sie hatte im Sommer geholfen, das verletzte Tier gesund zu pflegen. Dabei war es ihr ans Herz gewachsen. Seit Matilda wieder in Freiheit lebte, hatte sie sich immer seltener blicken lassen. Der letzte Besuch war schon so lange her, dass sich Franzi Sorgen machte.

Seufzend nahm sie die Stiefel wieder aus der Reisetasche und griff nach einem Jutebeutel. Darin waren ihre Reitsachen definitiv besser aufgehoben. Ab jetzt würde sie sich besser konzentrieren. Zum Glück konnte man den trockenen Dreck einfach abschütteln. Franzi nahm sich die Packliste vor. Hatte sie jetzt alles für die Woche auf dem Ponyhof? Ihre Mutter hatte unter die Notizen noch warmer Pullover und lange Unterhose gekritzelt. Dabei herrschten sonnige Temperaturen um die achtzehn Grad. Vielleicht befürchtete Frau Winkler, dass es im Mittelgebirge nachts kalt werden könnte.

Franzi zuckte zusammen, als ihr Handy wieherte – eine Originalaufnahme ihres Ponys Tinka. Es war Paul, der Praktikant aus der Tierarztpraxis der Winklers.

»Hi, Franzi«, sagte er gut gelaunt. »Wir werden die Ferien gemeinsam verbringen!«

»Echt?«, fragte Franzi verdattert.

»Ja, dein Vater hat vorhin zugesagt: Ich kann bei euch jobben. Klasse, oder?«

»Äh, ja …«, begann Franzi zögerlich. »Also …«

»Lass mich raten. Blake ist eifersüchtig?«

»Das ist es nicht«, erklärte Franzi. »Er weiß doch, dass wir einfach nur Freunde sind. Aber ich fahre nach Wilderode, auf einen Ponyhof.«

»Was willst du denn da?«, fragte Paul. »Du hast schließlich ein eigenes Pony.«

»Schon, aber ich habe eine Reise für zwei Personen gewonnen«, erklärte Franzi stolz. »Es war der Hauptpreis in einer Pferdezeitschrift. Urlaub mit Reitunterricht, Ausflügen und Ferienprogramm. Das lasse ich mir nicht entgehen.«

»Eine Reise für zwei? Das wird schwierig bei einem Trio; und soweit ich mich richtig erinnere, sind Marie und Kim nicht gerade wild auf Pferde.«

Franzi lachte. »Das hat sich leider nicht geändert. Aber wie heißt es in dem alten Sprichwort so schön: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Die Aussicht auf einen kostenlosen Urlaub hat Kim dann doch überzeugt. Marie darf natürlich nicht fehlen. Ihr Vater hat ihr die Reise spendiert.«

»Ich muss mich also allein um all die kranken Tiere auf eurem Hof kümmern, während du dich von der Detektivarbeit erholst«, sagte Paul gespielt vorwurfsvoll. »Also sieh besser zu, dass ihr drei am Ende nicht doch noch einen Hufeisendieb überführt oder eine falsche Reitlehrerin.«

Franzi lachte erneut. »Wir geben uns Mühe.«

Kurz nach dem Telefonat schickte Paul ihr noch eine Nachricht:

Was haben Hausaufgaben und Ponyhöfe gemeinsam?

Jede Menge Mist!

Haha. Viel Spaß bei der Stallarbeit!

Die nächste Nachricht kam von Blake. Er schickte erst einen Kuss-Emoji, dann den geheimnisvollen Text:

Melde mich später mit superguten Neuigkeiten!

Fast gleichzeitig meldete sich auch Marie Grevenbroich in der Messenger-Gruppe der drei !!!. Ein Foto von bunten Gummistiefeln wurde hochgeladen.

Kann ich die zum Reiten nehmen?

Wenig später wollte Kim wissen:

Muss ich überhaupt reiten, oder kann ich auch beim Unterricht zusehen?

Franzi antwortete sofort:

Will gleich mal nach Tinka und Polly sehen. Meine Lieblingstiere werde ich echt vermissen.

Marie schrieb:

Blake nicht?!?

Das fragte sich offenbar auch Kim:

Und Blake?

Franzi tippte:

Den auch. Aber der zählt wohl kaum als Lieblingstier.

Die Antwort ließ nicht auf sich warten:

Ich vermisse David jetzt schon.

Von Marie kam die Nachricht:

Das ist hier ja Drama pur. Aber ich gebe es zu: Ich werde Holger auch vermissen.

Franzi lächelte und tippte:

Nur Holger? Nicht etwa auch … Du-weißt-schon-wen …

Marie hatte seit einiger Zeit auch Gefühle für Jakob – einen Freund von Holger. Aber sie wehrte sich dagegen, so gut es ging. Daher auch die energische Antwort:

Leute, ich habe mich für Holger entschieden!!!

Franzi beendete die Diskussion:

Das sind genau die richtigen Satzzeichen!!! Schluss mit dem Thema Liebe. Das wird mal eine nötige Auszeit für uns, Mädels. Also packt eure Sachen und seid morgen pünktlich am Zug.

Sie legte das Handy beiseite und spähte aus dem Fenster. Draußen war es bereits dunkel. Obwohl die Tage noch beinahe sommerlich waren, setzte die Dämmerung jetzt merklich früher ein. Franzi schlüpfte in ihre ausgetretenen Gummistiefel, steckte eine Möhre ein und warf sich die Stalljacke über. Dann trat sie auf den Hof. Tinka hörte sie schon von Weitem und begrüßte sie mit einem tiefen Höhöhöhöhöm!.

Das Huhn Polly war schon im Land der Träume. Trotzdem lugte Franzi noch einmal in den Hühnerstall. Das Bild, das sich ihr bot, war sehr friedlich. Die Hennen saßen aneinandergekuschelt auf ihren Stangen. Wovon Polly wohl träumte? Vielleicht von einem großen Berg Körner? Oder von den Schnürsenkeln, die sie mit großer Leidenschaft jagte?

Franzi holte die Möhre aus der Tasche und schlenderte zur Koppel. Erneut kam ein Höhöhöhöhöm! von Tinka. Aber da war auch ein weiteres Geräusch. Franzi hielt in der Bewegung inne. Sie kannte diesen Laut. Konnte es sein …? Angestrengt blinzelte sie in die Dunkelheit. Wo kam das Geräusch her? Endlich entdeckte sie den kleinen dunklen Umriss auf dem Weidezaun.

»Matilda!«, rief Franzi. Ihr Herz machte vor Freude einen Hüpfer. »Du bist zurückgekommen!«

Die Eule ließ es zu, dass Franzi näher kam.

»Du kennst mich noch, stimmt’s?«

Matilda schien zu nicken. Franzi fühlte sich wunderbar, so allein in der Dunkelheit mit ihren Tieren, ganz verbunden mit der Natur. Die kühle Luft trug die Gerüche von nassem Gras und Erde zu ihr, vermischt mit dem Duft von Tinkas warmem Fell. Die letzten Grillen zirpten irgendwo im Gras hinter dem Stall und Matilda gab wieder dieses leise Eulenrufen von sich. Es war ein seltsamer Augenblick, beinahe magisch.

Später, als sie wieder in ihr Zimmer zurückkehrte, schickte sie ihren Freundinnen eine Nachricht:

Magischer Matilda-Moment! Sie hat mich eben besucht. Freu mich total! Schlaft gut!

Kaum hatte sie auf Senden gedrückt, als das Handy klingelte. Es war Blake. Schlagartig erinnerte sich Franzi daran, dass er eine gute Neuigkeit angekündigt hatte. Das hatte sie komplett verschwitzt.

»Überraschung!«, rief er, sobald sie abgenommen hatte. »Ich fahre morgen in den Urlaub.«

»Oh, cool!«, sagte Franzi und freute sich ehrlich für ihren Freund. »Wo geht es denn hin?«

»Wir verbringen die Ferien gemeinsam.«

»Echt?«, fragte Franzi verdattert. Das hatte sie heute doch schon einmal gehört.

»Ja, echt! Ich fahre mit dir nach Wilderode!«

Weltstadt Wilderode

Franzi fühlte sich überrumpelt. Sie verstand es selbst nicht ganz. Eigentlich war Blakes Überraschung doch schön. Sie bekam das volle Programm mit Ferien, Ponys, ihren besten Freundinnen und ihrem Freund. Trotzdem hatte sie bei der Abreise ein flaues Gefühl im Magen. Blake schien davon nichts zu merken. Er saß gut gelaunt mit ihnen im Zug.

»Willst du denn auch Reitunterricht nehmen?«, fragte Kim Blake, als die letzten Häuser der Stadt aus ihrem Blickfeld verschwanden. Draußen vor dem Fenster sausten nun grüne Hügel, Weiden und Waldstücke vorbei. »Ich meine, du …« Sie lief rot an.

Franzi vermutete, dass es ihrer Freundin taktlos vorkam, den Reitunfall zu erwähnen. Blake hatte sich vor ein paar Jahren bei einem Sturz vom Pferd so schwer verletzt, dass er auf einen Rollstuhl angewiesen war. Inzwischen erbrachte er damit sportliche Höchstleistungen – immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen.

»In Wilderode geht das«, sagte Blake gelassen. »Deshalb bin ich ja überhaupt erst auf die Idee gekommen, Franzi zu begleiten.«

Franzi nickte zögerlich. »Auf dem Hof gibt es ein Pony, das für therapeutische Zwecke ausgebildet wurde, und sie haben ein barrierefreies Gästezimmer im Erdgeschoss.«

»Rollstuhlfahrer willkommen.« Blake grinste. »Es wird Zeit, dass ich den Unfall überwinde und mich wieder auf ein Pferd schwinge. Wenn es nicht klappt, kann ich ja das düstere Geheimnis des Bergwerks lösen, während ihr hoch zu Ross die Gegend erkundet.«

»Ein Bergwerk mit einem düsteren Geheimnis?« Kim horchte auf.

Auch Marie spitzte die Ohren und sah von dem Hochglanzmagazin auf, in dem sie geblättert hatte.

»Sagt bloß, ihr wisst gar nichts darüber?«, fragte Blake erstaunt.

Franzi zog die Augenbrauen hoch. »Du kannst unsere Wissenslücke doch bestimmt füllen.«

»Ich hoffe, ihr werdet euch nicht zu sehr fürchten«, sagte Blake mit gespieltem Ernst. Er räusperte sich. »In irgendeinem Jahrhundert, das extrem lange zurückliegt, begannen die Wilderoder, Erz zu fördern. Ich glaube, es war auch Silber dabei. So entstand die Grube Kalter Wolf. Das Bergwerk ist inzwischen geschlossen, aber der Legende nach geht dort bis heute ein ruheloser Geist um. Verflucht ist die Grube natürlich auch. Es muss sich ja lohnen.«

»Im Bergbau kam es seit jeher zu Unfällen«, erklärte Kim sachlich. »Und die dunkle, gefährliche Umgebung ist der perfekte Nährboden für Aberglauben.«

»Da werden dir die Menschen in Wilderode widersprechen.« Blake lachte. »Wenn die einen Wolf sehen, bekommen sie kalte Füße. Für die Bergleute war es ein Omen des Todes.«

»Wie gut, dass ich Stollen nur als Gebäck mag«, entgegnete Kim. »Mir reicht es ja schon, dass ich Reitunterricht bekomme. Das Bergwerk erspare ich mir.«

»Sag bloß, ihr könnt dem Ruf des Goldes widerstehen?«, fragte Blake. »Verborgene Schätze in der Tiefe, Rubine, Smaragde, Opale …«

»Wie sollen die denn in eine Erzmine gelangen?«, konterte Kim. »Soweit ich weiß, kommen Opale aus Übersee – zum Beispiel aus Australien.«

Blake gab nicht auf. »Dann eben ein hübscher Erzklumpen?«

»Was ist Erz überhaupt?«, fragte Franzi.

»Dings mit Metall drin«, sagte Blake.

»Dings?«

»Ja, was weiß ich. Gestein oder so was.«

»Hast du einen Clown gefrühstückt?« Franzi knuffte ihren Freund sanft in die Seite.

Blake war grundsätzlich gut gelaunt, aber heute wirkte er direkt überdreht. Konnte es sein, dass er insgeheim Angst vor dem Urlaub hatte und seine Unsicherheit überspielen wollte? Einen so schweren Reitunfall vergaß man schließlich nicht einfach. Es brauchte viel Mut, um wieder in den Sattel zu steigen. Besonders, wenn man es unter erschwerten Bedingungen tat. In einem ruhigen Moment würde sie ihn darauf ansprechen. Jetzt, vor ihren Freundinnen, war nicht der richtige Moment.

Kim klappte nun auch einen Krimi auf und Marie studierte weiter ihr Magazin.

Blake legte seinen Kopf auf Franzis Schulter. »Das wird ein toller Urlaub.«

Um kurz nach elf fuhr der Zug in den Bahnhof einer Kleinstadt ein. Franzi spähte aus dem Fenster und entdeckte auf dem Bahnsteig eine hochgewachsene Frau. Sie trug eine herzförmige Sonnenbrille in der blondierten Lockenpracht. Ein Look, der noch von ihrer pinken Weste und silbernen Cowboystiefeln überboten wurde. Von der Aufmachung her hätte sie die Leiterin des örtlichen Barbie-Fanclubs sein können. Das handgemalte Schild in ihren Händen sprach jedoch eher dagegen. Es trug die Aufschrift Ponyhof Wilderode.

»Na, da sind ja meine Gäste!«, rief sie, als die drei !!! hinter Blake die Rollstuhlrampe des Zuges hinabstiegen. »Ich bin Tiffany Schierke, kurz Tiffy – nicht Fanny.«

Frau Schierke führte sie zu einem alten Kleinbus, der im Halteverbot parkte. Voller Energie packte sie mit an, als es darum ging, die Taschen in den Kofferraum zu laden. Für Blake klappte sie eine Rampe aus, damit er bequem in den Bus fahren konnte.

»Ihr seid diese Woche unsere einzigen Gäste!«, verkündete sie, als sie kurz darauf den Motor startete. »Aber meine Kids haben auch gerade Ferien. Da wird es für euch bestimmt nicht langweilig.«

Eine gute halbe Stunde später erreichten sie Wilderode. Links und rechts von der Hauptstraße stiegen bewaldete Hügel an. Riesige Berge wie in den Alpen suchte man hier vergeblich, aber dennoch gab es die eine oder andere Felsenklippe, die zwischen den dunkelgrünen Fichten herausragte.

Zunächst fuhren sie an ein paar Firmen und Lagerhallen vorbei, die dann von Wohnhäusern mit roten Schindeldächern abgelöst wurden. Franzi bemerkte, dass einige Gebäude leer standen. Auch die Feuerwehrstation an der Hauptstraße sah aus, als wäre sie seit einigen Jahren nicht mehr in Betrieb. Bei einem Wegweiser aus Holz setzte Tiffy Schierke den Blinker und bog rechts ab. Franzi konnte gerade noch die Aufschrift Grube Kalter Wolf lesen.

»Geht es hier zum Bergwerk?« Offenbar hatte Blake das Schild ebenfalls entdeckt.

»Ja, genau«, sagte Tiffy Schierke, während sich der Kleinbus geräuschvoll zwischen grünen Weiden den Berg hinaufarbeitete. Ein paar Ponys grasten zwischen den Wildblumen. »Von uns aus kann man zu Fuß zum Kalten Wolf rübergehen. Bestimmt führen Alex und Sindra euch mal hin. Vorerst ist hier Endstation der Reise. Wir sind da. Home, sweet Home.«

Kurz unterhalb des Waldrandes befand sich eine Ebene, die gerade genug Platz für einen urigen Bauernhof bot. Ein Fachwerkhaus mit rotem Schindeldach drängte sich an einen alten Stall, eine längliche Halle und eine Scheune aus dunklen Holzbalken.

»Wir müssten mal renovieren«, sagte Tiffy Schierke. »Aber mit etwas gutem Willen geht das auch als Shabby Chic durch; ist halt alles etwas älter – bis auf die Kids. Die sind jung und fit.«

Ein etwa sechzehnjähriges Mädchen fegte den kleinen Vorplatz und ein Junge im Alter der drei !!! kam gerade mit einer Schubkarre aus der Stalltür.

»Wir sind da!«, tönte Tiffy Schierke aus dem Autofenster. »Alle Mann anpacken!«

Der Junge grinste. »Willkommen in der Weltstadt Wilderode. Ich bin Alex und das ist meine Schwester Sindra.«

Franzi stutzte. Sie musterte Alex genauer. War er überhaupt ein Junge? Auf den zweiten Blick konnte Alex auch ein Mädchen sein. Hieß Alex am Ende gar nicht Alexander, sondern Alexandra? Franzi wollte nicht unhöflich wirken und erwiderte den Gruß freundlich. Dabei versuchte sie weiterhin, Alex richtig einzuordnen. Für einen Jungen hatte Alex eine etwas zu hohe Stimme, für ein Mädchen war sie recht tief. Abgesehen davon fielen Franzi die dunklen Ringe unter Alex’ Augen auf. Da hatte wohl jemand wenig Schlaf abbekommen.

»Dürfen wir uns gleich den Stall ansehen?«, fragte Blake.

»Klar, aber die Ponys sind jetzt auf der Weide«, antwortete Alex und gähnte. »Sorry, ich habe heute Nacht viel zu lange gelesen.«

Sindra machte ein seltsames Geräusch. Sie warf Alex einen Blick zu, den Franzi nur schwer deuten konnte. »Mach du die Stallführung. Ich habe noch zu tun.«

»Das Böse abwenden?«, fragte Alex mit einem schiefen Grinsen.

»Misch dich da nicht ein. Ich weiß doch, was du …« Sindra hielt mitten im Satz inne und sah zu ihrer Mutter hinüber. »Vergiss es einfach. Ich bin zum Lagerfeuer wieder zurück.«

»Was war das denn eben?«, fragte Marie verwundert, als Sindra auf einem Mountainbike vom Hof fuhr.

Alex rieb sich verlegen den Nacken. »Es ist eine komplizierte Geschichte. Wollt ihr jetzt den Hof anschauen?«

Marie nickte, aber so schnell wollte Kim das Thema nicht aufgeben. »Gibt es hier denn etwas Böses, das abgewendet werden soll.«

»Keine Angst.« Alex lachte matt auf. »Das war doch nur ein Scherz.«

»Und was ist mit der Legende vom Kalten Wolf?«, hakte Blake nach.

»Du hast davon gehört?« Alex wirkte zunehmend angespannt, so als hätte Blake mit seiner Frage ins Schwarze getroffen. »Das musst du nicht ernst nehmen. Es ist nur ein Schauermärchen. Also kommt.«

Gemeinsam betraten sie das alte Stallgebäude. Franzi atmete tief ein. Im staubigen Zwielicht roch es vertraut nach Pferden, Heu, Stroh und altem Holz. Eine rötliche Katze streifte gemächlich um die Boxentüren und eine schwarze Katze hatte sich in eine Satteldecke gekuschelt und schlief. Der Stall war wirklich etwas heruntergekommen, strahlte jedoch eine herrliche Gemütlichkeit aus. Das galt auch für das Wohnhaus. Zwischen den rustikalen Möbeln schimmerte immer wieder Tiffy Schierkes schriller Geschmack durch. Mal war es ein LED-Regenbogen auf einer alten Bauernkommode, mal ein Poster von Flamingos unter Palmen – zwischen zwei Ölgemälden mit Landmotiven. Unter einer Lichterkette in Zitronenform prangte der gestickte Spruch Glückauf!.

»Der Gruß der Bergleute«, erklärte Blake.

»So spricht der Fachmann.« Marie grinste. »Gib es zu: Du findest die Grube viel spannender als die Ponys.«

»Das stimmt nicht! Aber es wäre schon toll, wenn wir den Kalten Wolf besichtigen könnten. Darf man das Gelände überhaupt betreten?«

»Hm.« Alex rieb sich erneut den Nacken. »Eigentlich nicht. Bis vor Kurzem war es jedenfalls streng verboten. Der alte Hoppendiezel hatte alles abgeriegelt.«

»Und das hat sich geändert?«, hakte Marie nach. Alex’ Zurückhaltung schien nicht nur Kims Neugier zu wecken.

»Herr Hoppendiezel ist gestorben«, sagte Alex. »Sein Neffe hat das Grundstück und den Eingang zur Grube geerbt. Er sieht alles etwas lockerer. Die Absperrungen sind weg und es gibt Pläne für ein Museum.«

Tiffy Schierke lugte durch die offene Küchentür. »Wenn das klappt, wird der Tourismus in Wilderode wieder angekurbelt. Das wäre super.«

Alex zuckte mit den Schultern. »Das sieht Sindra aber anders. Und Ernchen dreht uns noch durch. Die Rentner im Ort hat sie schon auf ihrer Seite. Und der Rest haut doch eh früher oder später in die Städte ab. Dann können wir auch dichtmachen.«

»Alexandra!« Frau Schierke sah bestürzt aus. »Darf ich dich daran erinnern, dass unsere Gäste zuhören?«

»Ich bin nur ehrlich.«

»Wer aufgibt, hat verloren«, sagte Tiffy Schierke energisch. »Ich werde heute mal ein Wörtchen mit Ernchen reden.«

Geheimes Tagebuch von Kim Jülich Samstag, 16:30 Uhr

▶Super geheim! Wer das ohne meine Erlaubnis liest, soll vom Reiten Pickel am Po bekommen.◀

Ich kann es noch immer nicht fassen! Franzi hat mich doch tatsächlich überredet! Ich mache Reiterurlaub, auf einem Ponyhof. Noch dazu einem Ponyhof, der neben einem Bergwerk liegt. Es geschehen noch Wunder. Ich weiß gar nicht, was ich unheimlicher finde: enge, dunkle Gänge im Berg oder Pferde.

Dabei ist Wilderode einer dieser wildromantischen Orte mit hohen Tannen, Brombeerranken und alten Scheunen, in denen garantiert Eulen nisten – ein Dorf wie aus dem Märchen. Ich wünschte, David wäre auch hier! Franzi hat echt Glück, dass Blake sie begleitet. Ich hingegen bin schon richtig auf Kuss-Entzug! Seit David jedes zweite Wochenende bei seinem Vater verbringt, haben wir viel zu wenig Zeit zusammen. Sogar unsere Schreibprojekte kommen zu kurz. Dafür darf ich jetzt den ersten Roman meiner Brüder lektorieren. Kein Scherz! Ich kann es selbst nicht fassen: Ben und Lukas wollen Bestsellerautoren werden. Natürlich soll es nicht bei dem Roman bleiben. Sie malen sich schon aus, wie ein Streaming-Dienst die Geschichte verfilmt und große Spielefirmen die Rechte haben wollen. Man darf ja träumen, aber bislang ist das Werk erst zehn Seiten lang. Ich soll es während der Ferien lesen und die Fehler ausbessern. Bei der Rechtschreibung habe ich echt viel zu tun. Ernsthaft: Haben die im Deutschunterricht jemals gelernt, dass es Regeln gibt? Hier mal eine Kostprobe:

Da saen die drei Detektiwe eine Gestalt, oben bei einer Höhle. Sie flitzte mit einem schraubenzieher zu einem der Haken, die da waren und montierte ihn ab. Sie sahen jetzt erst, das an dem Haken ein Seil dranhing, wo auch ein Bergsteiger dran war. Die dunkle Gestalt montierte das Seil ab und der Mensch fiel in die Tiefe. Die Detektiwe reagierten sofort. Armin lief foraus. Bendix dahinter und Tjark rannte ihnen hinterher. Gerade noch rechtzeitig kahmen sie an der Stelle an, an der sie glaubten, das der Mensch, der den Berg runterfiel, landen wird. Als sie den Mensch aufgefangen haben, gaben sie ihm die Visitenkarte von ihrem Detektiwklup.

Detektivtagebuch von Kim Jülich Samstag, 17:00 Uhr

Einen Fall haben wir noch nicht, aber vielleicht gibt es hier ein Geheimnis … oder gleich mehrere?