5,99 €
Der Regisseur Edward Truman hat seinen skandalumwitterten Film kurz vor der Premiere zurückgezogen und an einem geheimen Ort versteckt. Der Hinweis einer alten Schauspielerin führt Justus, Peter und Bob, die drei Detektive aus Rocky Beach, zu Trumans Grundstück. Doch dieses ist umgeben von einem undurchdringlichen Heckenlabyrinth. Die Kombinationsfähigkeit der drei ??? wird auf eine harte Probe gestellt. Rätselhafte Götterstatuen scheinen den Weg durch den Irrgarten zu weisen. Doch irgendjemand legt falsche Spuren, sodass die Detektive die Orientierung verlieren. Wo ist der Ausgang aus dem Labyrinth der Götter?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 164
Veröffentlichungsjahr: 2014
Labyrinth der Götter
erzählt von André Marx nach einer Idee von André Marx und Astrid Vollenbruch
Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
Unser gesamtes lieferbares Programm und viele
weitere Informationen zu unseren Büchern,
Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und
Aktivitäten findest du unter kosmos.de
© 2014, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-14189-2
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Seine Beine schmerzten. Der Atem ging keuchend. Die heiße Luft brannte in seinen Lungen. Peter hielt den Blick starr auf den schwarzen Asphalt gerichtet, über den die breiten Reifen seines Mountainbikes hinwegrollten. Der Schweiß rann unter seinem Helm hervor und über sein Gesicht. Sein T-Shirt war klitschnass. Der Gegner war direkt hinter ihm. Peter hörte seinen Atem und das Surren der Kette. Er blickte auf. Die Luft flimmerte in der Hitze und spiegelte nicht vorhandene Pfützen auf die heiße Straße. Noch dreihundert Meter, dann hatte er die Bergkuppe erreicht.
»Ich krieg dich! Ich krieg dich!«, ächzte sein Verfolger und schob sich Zentimeter für Zentimeter näher heran.
»Niemals, Bob!« Peter schaltete einen Gang hoch, richtete sich im Sattel auf und strampelte mit aller Kraft, um seinen Vorsprung zu vergrößern. Hinter diesem Berg lag die letzte Abfahrt, das Ortsschild ›Rocky Beach‹ im Tal war die Ziellinie. Als er die Kuppe erreichte, tauchte das kleine kalifornische Küstenstädtchen vor ihm auf, dahinter glitzerte der Pazifik im Rot der untergehenden Sonne. Der Ort war noch eine Meile entfernt. Jetzt kam der Endspurt! Peter schaltete ein paar Gänge höher, beugte sich tief über den Lenker und sauste den Berg hinab. Ein Blick auf den Tacho ließ ihn siegessicher lächeln. Siebenundzwanzig Meilen pro Stunde und das Gefälle würde noch stärker werden. Das schaffte Bob nie! Peter würde beweisen, dass er auf dem Mountainbike schneller war als Bob mit seinem Rennrad, und damit die Wette gewinnen: Ein Rieseneisbecher stand auf dem Spiel!
Doch plötzlich tauchte Bob neben Peter auf und schob sich langsam an ihm vorbei an die Spitze. »He!«, rief der Zweite Detektiv empört und achtete einen Moment nicht auf die Straße. Als er wieder hinsah, raste ein großer Stein vom kiesbestreuten Straßenrand aus auf ihn zu. Peter riss den Lenker herum und geriet ins Schleudern. Die Bremsen blockierten die Räder, doch er rutschte über den Kies weiter. Wie in Zeitlupe kippte das Rad. Peter versuchte, sich abzufangen, aber er war zu schnell. Der Hinterreifen knallte gegen den Stein, flog in die Höhe und Peter wurde aus dem Sattel geschleudert. Er stürzte und schlitterte über die Kieselsteine. Den Schmerz spürte er schon gar nicht mehr. Die Welt versank in Dunkelheit und einem dornigen Gebüsch.
Kaltes Wasser, das in sein Gesicht klatschte, riss ihn aus der Bewusstlosigkeit. Alles tat ihm weh. Sein Gesicht brannte. Ein stechender Schmerz im Handgelenk. Über ihm schwebte Bobs besorgtes Gesicht.
»War ich lange weg?«, brachte Peter hervor.
»Nur ein paar Sekunden. Willkommen im Diesseits. Tut dir was weh?«
»Alles. Wenn ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute, wundert dich das nicht, stimmt’s?«
Bob nickte. »Du siehst ziemlich mitgenommen aus.«
»Ich fühle mich auch so.« Peter richtete sich auf. Der Schmerz zuckte durch seinen ganzen Körper. »Aua.«
»Dein halbes Gesicht ist aufgeschürft. Wir müssen das sofort reinigen, sonst entzündet es sich. Kannst du aufstehen?«
»Wird schon gehen.« Ächzend erhob Peter sich, klopfte den Staub von seiner Kleidung und blickte an sich hinunter. Das T-Shirt war zerrissen und seine Arme und Beine sahen aus, als hätte man sie ausgiebig mit Sandpapier bearbeitet. Die Haut brannte wie Feuer. Kein Wunder: Mehrere kleine Kiesel steckten in den offenen Wunden.
»Meine Güte, Peter! Du hast mir wirklich einen Schrecken eingejagt!«
»Und ich mir erst«, stammelte Peter. Er war noch ganz wacklig auf den Beinen. »Gut, dass ich einen Helm getragen habe. Trotzdem brummt mir der Kopf.«
»Ich schlage vor, die Wette vergessen wir.«
Der Zweite Detektiv nickte benommen. »Soll mir recht sein. Wie geht’s meinem Rad?«
Bob begutachtete das Mountainbike. »Scheint okay zu sein. Die Kette ist ab, das ist alles.«
»Dem Himmel sei Dank. Der Körper heilt von selbst, Fahrräder muss man für teures Geld reparieren.« Peter humpelte zurück, zog das Rad hoch und untersuchte es.
»Nun lass doch mal dein blödes Fahrrad«, sagte Bob ärgerlich. »Du blutest im Gesicht. Wir sollten gleich zum Arzt fahren.«
»Ach was! Das sind doch nur ein paar Schrammen!«
»Ein paar Schrammen? Du hast dich noch nicht im Spiegel gesehen! Ein Wunder eigentlich, dass mir das nicht passiert ist. Normalerweise bin ich doch derjenige, der keinen Unfall auslässt.«
»Tja, heute bin ich mal dran«, murmelte Peter. »Komm, wir fahren zum Schrottplatz. Da kann ich mich halbwegs herrichten, bevor ich nach Hause fahre. Wenn meine Mutter mich so sieht, fällt sie in Ohnmacht!« Mühsam kletterte er auf den Sattel, und die beiden setzten ihre Fahrt langsam fort.
Zum Schrottplatz war es nicht weit. Das Trödelmarktgelände gehörte Titus Jonas, Justus’ Onkel. In einer Ecke des Platzes, direkt neben der Freiluftwerkstatt, stand ein alter Campinganhänger, den Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews als Detektivbüro nutzten. An diesem Ort hatte schon so mancher Fall seinen Anfang genommen. Heute würde er ihnen als Lazarett dienen müssen. Peter hoffte, dass sie irgendwo in dem Chaos ihrer Zentrale Pflaster auftreiben konnten, um die Wunden zu versorgen.
Aber so weit sollte es gar nicht kommen. Als die beiden durch das offene Tor radelten, standen Justus und seine Tante Mathilda gerade eifrig diskutierend neben einem Berg von Schrott. Sie sahen auf und bemerkten Peters Verletzungen.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Justus, der Erste Detektiv. »Ist dir ein Lastwagen in den Weg gesprungen?«
Peter kam nicht dazu, zu antworten.
»Junge!«, rief Tante Mathilda und rannte auf ihn zu. »Du lieber Himmel! Du siehst ja schlimm aus! Herrje, du blutest sogar! Soll Titus dich ins Krankenhaus fahren?«
»Nein, nein, so schlimm ist es nicht, Mrs Jonas«, beteuerte Peter. »Mir geht’s gut!«
»Wer so aussieht, dem geht es nicht gut!«, sagte Tante Mathilda entschieden. »Außerdem müssen die Wunden desinfiziert werden.«
»Es sind keine Wunden«, versuchte Peter sie zu beruhigen. »Nur ein paar Kratzer.«
»Ich weiß, wie Kratzer aussehen! Das hier sind keine! Justus! Hol für Peter einen Stuhl!« Sie machte kehrt und lief zum Wohnhaus der Familie Jonas.
Die drei sahen ihr nach. Dann wandte Peter sich grinsend an Justus. »Hast du nicht gehört, Just? Du sollst mir einen Stuhl holen!«
Der Erste Detektiv verzog das Gesicht. »Hol ihn dir doch selbst!«
»Widersprich deiner Tante nicht.«
Justus warf einen Blick auf den Schrottstapel und zog einen alten verrosteten Gartenstuhl heraus. Er klappte ihn auseinander und stellte ihn auf den staubigen Boden. »Bitte schön! Und nun erzähl schon. Was hast du gemacht?«
»Ach, gar nichts«, murrte Peter und setzte sich. »Nur ein kleines Wettrennen.«
»Peter kann nicht verlieren«, meinte Bob. »Als er sah, dass ich ihn überhole, hat er sich gleich ins nächste Gebüsch geschmissen.«
»Mach keine Witze, Bob! Das hat ganz schön wehgetan.«
»’Tschuldigung.«
»Vielleicht solltest du wirklich besser zum Arzt gehen«, schlug Justus vor.
»Nun red keinen Blödsinn. Ich komme mir vor wie ein Invalide, wenn ihr so um mich herumsteht und mich bedauert. Erzähl uns lieber, was es Neues gibt, Just!«
»Nicht viel. Außer dass wir ein Fax von deinem Vater bekommen haben, Peter.«
Der Zweite Detektiv runzelte die Stirn. »Von meinem Vater?«
»Das nehme ich zumindest an, denn auf dem Faxkopf stand ›Wonderworld‹, dort arbeitet er doch?«
Peter nickte. Sein Vater war in der Filmbranche von Hollywood tätig. Mit seinen Kollegen tüftelte er kniffelige Spezialeffekte für große Kinofilme aus. Die Firma ›Wonderworld‹ brachte Ufos zum Fliegen und Autos zum Explodieren, wenn es darum ging, die Kinobesucher mit beeindruckenden Bildern zu faszinieren.
»Und was hat er gefaxt?«
»Einen Zeitungsartikel. Wartet, ich hole ihn!«
Als Justus in die Zentrale verschwand, kehrte Tante Mathilda zurück. An ihrem Arm baumelte eine Tasche und in den Händen trug sie eine mit Wasser gefüllte Schüssel. »Jetzt werden die Wunden erst mal gereinigt«, kündigte sie an, stellte die Schüssel ab und hockte sich neben Peter. Sie begann die Abschürfungen vorsichtig mit einem nassen Lappen abzuwischen.
Der Zweite Detektiv zuckte zusammen. »Ich weiß nicht, ob das wirklich nötig ist, Mrs Jonas.«
»Keine Widerrede!« Nun machte sie sich an Peters Gesicht zu schaffen. »Es hat aufgehört zu bluten«, stellte sie fest. »Aber das gibt garantiert ein blaues Auge. Davon wirst du noch einige Wochen was haben.« Sie griff in die Tasche und zog ein kleines braunes Fläschchen und ein Wattestäbchen hervor.
»Was ist das denn?«, fragte Peter ängstlich.
»Jod. Das desinfiziert. Achtung!« Sie betupfte sein Gesicht mit der jodgetränkten Watte. Ein brennender Schmerz durchzuckte ihn.
»Aua! Das ist ja schlimmer als beim Zahnarzt!«, beschwerte sich Peter.
Justus kehrte zurück und wedelte mit dem Fax. Amüsiert beobachtete er Tante Mathildas Bemühungen, den weinerlichen Peter zu verarzten.
»Guck nicht so blöd. Sag uns lieber, was das für ein Zeitungsartikel ist.«
»Es geht um eine Filmdiva aus den Dreißigerjahren. Ihr Name ist Josephine Jones. Habt ihr schon mal von ihr gehört?«, fragte Justus.
»Der Name sagt mir irgendwas«, murmelte Bob.
»Damals war sie ein Star, hat oft in den Filmen von Edward Truman mitgespielt.«
»Sagt mir auch irgendwas.«
»In den Vierzigern ist sie ziemlich schnell wieder von der Bildfläche verschwunden.«
»Und?«, fragte Peter und sog zischend die Luft ein, als Tante Mathilda mit ihrem Wattestäbchen an seinem Arm herumbohrte.
»Inzwischen lebt sie in einem Altenheim hier ganz in der Nähe. Der Autor dieses Artikels hat sie dort besucht und interviewt. Wenn ihr mich fragt, ist dieser Artikel sauschlecht geschrieben. Der Verfasser drückt heftig auf die Tränendrüse und bedauert das tragische Schicksal eines ehemaligen Hollywoodstars, und das war es auch schon.«
Peter verzog das Gesicht. »Und warum schickt mein Vater uns diesen Artikel?«
»Keine Ahnung. Aber er hat eine Passage angestrichen. Wartet, ich lese sie euch vor: ›Versonnen erinnert sie sich an die Zeit, in der der Hollywood Boulevard noch nicht mit Schnellimbissen gepflastert und das Filmemachen noch Kunst und nicht Kommerz war. In der sie für den Oscar nominiert wurde und in Edward Trumans sagenumwobenem Film ›Utopia‹ mitspielte. Die vergangenen Jahrzehnte haben in Josephine Jones’ Erinnerung die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmen lassen. Tatsächlich wurde sie 1934 für ihre Rolle der Haushälterin Sigourney in ›Das Haus der Geister‹ für den Oscar nominiert. Doch ›Utopia‹ hat niemals existiert, Trumans letzter Film ist eine moderne Legende geworden.‹«
»Hä?«, sagte Peter. »Und was soll das? Aua!«
»Ich bin ja gleich fertig, Peter«, beruhigte ihn Tante Mathilda. »Nur noch ein paar Pflaster und du bist entlassen. Beiß deine Zähne zusammen!«
»Ich hatte gehofft, du könntest mir das sagen. Das Fax kam immerhin von deinem Vater.«
»Ich habe nicht den geringsten Schimmer. Aber ich werde ihn gleich anrufen und fragen.«
»Klingt auf jeden Fall ganz interessant«, fand Bob. »Ein Film, der niemals existierte in dem Josephine Jones aber trotzdem mitgespielt hat.«
»Wittert ihr schon wieder ein Geheimnis?« Tante Mathilda lächelte und klebte vorsichtig das letzte Pflaster auf Peters aufgeschürfte Haut. »Ihr seid unverbesserlich.«
»Danke schön, Mrs Jonas«, sagte Peter und lächelte bemüht. Er war froh, dass die Tortur zu Ende war.
»Gern geschehen. Aber wenn sich etwas entzündet, solltest du trotzdem zum Arzt gehen!« Mrs Jonas packte ihre Erste-Hilfe-Tasche ein und ging zurück ins Haus.
Justus betrachtete den Zweiten Detektiv von oben bis unten und grinste breit. »Jetzt siehst du aus wie ein Flickenteppich.«
»Oder wie ein Schweizer Käse«, fügte Bob hinzu.
»Oder ein tausendmal geflickter Fahrradschlauch.«
»Eine gestopfte Socke.«
»Eine zu oft getroffene Schießbudenfigur.«
»Eine Mücke, die gerade durch den Ventilator geflogen ist.«
»Wie Tom nach einer Keilerei mit Jerry.«
»Oder wie …«
»Nun hört schon auf!«, schnauzte Peter sie an. »Ich hab’s begriffen. Los, gehen wir in die Zentrale!« Er stemmte sich aus dem Gartenstuhl, klappte ihn zusammen und warf ihn zurück auf den Schrotthaufen. Gemeinsam betraten sie den Campinganhänger. Im Laufe der Zeit hatten sie ihn mit allem ausgestattet, was ein richtiges Büro benötigte: Computer, Telefon und Faxgerät waren unverzichtbar; im hinteren Teil des Wagens befand sich sogar ein echtes kleines Kriminallabor, das Bob meistens als Dunkelkammer für die Entwicklung seiner Fotos nutzte. Auf der anderen Seite standen eine kleine Spüle, eine Kochplatte und ein Mini-Kühlschrank. Peter nahm eine Flasche Cola heraus und warf beim Trinken einen unauffälligen Blick in den kleinen Spiegel, der über der Spüle hing. Er zuckte zusammen. Dort, wo kein Pflaster seine Haut bedeckte, war sie zerkratzt und aufgeschürft und leuchtete in glänzendem Rot. Sein Auge war halb zugeschwollen. Jetzt wunderte ihn nichts mehr. Er sah tatsächlich aus wie eine Schießbudenfigur. Schnell wandte er sich ab und ging zum Telefon. Gerade wollte er die Nummer von ›Wonderworld‹ heraussuchen, als es klingelte. Obwohl Peter direkt neben dem Apparat stand, griff Justus nach dem Hörer. Aus irgendeinem Grund hatte es sich eingebürgert, dass er alle Anrufe entgegennahm.
Der Erste Detektiv schaltete den Lautsprecher ein, damit Peter und Bob das Gespräch mitbekamen: »Justus Jonas von den drei Detektiven.«
»Hallo Justus, hier spricht Henry Shaw.«
»Guten Tag, Mr Shaw. Sie wollen sicher Peter sprechen.«
»Eigentlich möchte ich den Ersten Detektiv sprechen.«
Justus wurde hellhörig und verfiel sofort in seine geschwollene Ausdrucksweise: »Darf ich dem entnehmen, dass der Grund Ihres Anrufs etwas Geschäftliches ist?«
»Du darfst«, erwiderte Mr Shaw belustigt. »Habt ihr mein Fax bekommen?«
»Ja. Wir sprachen darüber, was es wohl zu bedeuten hat.«
»Ganz einfach. Ich habe einen Fall für euch.«
»Einen Fall? Sie?«
»Wieso denn nicht? Oder nehmt ihr keine Aufträge von Familienmitgliedern an?«
»Doch, selbstverständlich«, sagte Justus schnell. »Ich wundere mich nur.«
Mr Shaw lachte. »Weil ich nicht immer begeistert war von eurer detektivischen Arbeit? Da hast du recht, Justus. Aber diesmal ist es ganz ungefährlich, denke ich. Ihr sollt etwas für mich suchen. Wie wäre es, wenn wir uns nachher in Rocky Beach in der Eisdiele treffen und ich euch alles erzähle? Ich bin in der Werkstatt und muss noch ein bisschen am Zombiekopf herumschrauben.«
»Sie müssen, was?«
»Ein Puppenkopf für einen Horrorfilm, an dem wir gerade arbeiten. Er ist kaputt, die Augen wollen einfach nicht zerplatzen, aber das kriege ich hin. In einer Stunde könnte ich in der Eisdiele sein.«
»In Ordnung. Bis in einer Stunde!« Justus legte auf und drehte sich zu seinen Detektivkollegen um. »Was sagt ihr dazu?«
»Dass mein Plan zunichtegemacht wurde«, knurrte Peter.
»Was für ein Plan?«
»Ich hatte mir überlegt, heute ganz lange auf dem Schrottplatz zu bleiben und erst nach Hause zu fahren, wenn meine Eltern schon schlafen, damit sie mich nicht sehen. Daraus wird wohl nichts. Bin mal gespannt, was mein Vater sagen wird.«
»Wie siehst du denn aus?« Mr Shaw wurde bleich, als die drei ??? an seinen Tisch kamen und er seinen Sohn erblickte. »Was ist passiert?«
»Nichts Schlimmes«, behauptete Peter.
»Das sieht mir aber nicht so aus.«
»Ich habe mich auf den Bart gelegt. Mit dem Fahrrad. Reicht das?«
»Du sollst nicht immer so schnell fahren!«
»So schnell war ich gar nicht«, log Peter. »Da war halt dieser Stein im Weg.«
Mr Shaw schüttelte den Kopf. »Eines Tages wirst du dich in deinem sportlichen Wahn noch umbringen.«
Peter wollte dieser unangenehmen Situation so schnell wie möglich entkommen. »Worum geht es denn nun bei deinem Auftrag, Papa?«
Mr Shaw warf seinem Sohn noch einen skeptischen Blick zu, ließ sich aber auf den Themenwechsel ein. »Ihr habt den Artikel gelesen, eigentlich wisst ihr schon, worum es geht.«
»Um ›Utopia«‹, vermutete Justus.
»Richtig. Edward Trumans geheimnisvoller Film, von dem niemand so recht weiß, ob es ihn gibt oder nicht.«
»Erzählen Sie uns mehr darüber«, bat der Erste Detektiv.
»Truman war ein genialer Regisseur. Er hat wirklich umwerfende Filme gemacht, die auch tricktechnisch für die damalige Zeit immer wieder beeindruckend waren. Nach seinem Tod in den Sechzigerjahren ging das Gerücht um, er habe vor Jahrzehnten einen Film gedreht, der nie das Licht der Öffentlichkeit gesehen hat: ›Utopia‹. Schnell war davon die Rede, er sei Trumans wahres Meisterwerk gewesen. Andere behaupteten, der Film sei furchtbar schlecht und deshalb unter Verschluss gehalten worden. Doch nachdem immer nur Gerüchte und nie etwas Handfestes zu hören gewesen war, ging man schließlich davon aus, dass es ›Utopia‹ niemals wirklich gegeben hat und nach Trumans Tod eine moderne Legende geschaffen wurde.«
»Und nun hat Josephine Jones behauptet, sie habe in ›Utopia‹ mitgespielt«, spann Justus die Geschichte weiter. »Und die Fachwelt ist in heller Aufregung.«
Mr Shaw nickte. »Genau. Dieser Journalist, der Mrs Jones interviewt und den Artikel geschrieben hat, hatte keine Ahnung, in was für ein Wespennest er da stechen würde. Über die Legende von ›Utopia‹ hat seit Ewigkeiten niemand mehr gesprochen, und nun ist sie wieder in aller Munde.«
»Und was haben wir damit zu tun, Papa?«, wollte Peter wissen.
»Bei ›Wonderworld‹ wird über nichts anderes mehr geredet. ›Utopia‹ soll nämlich ein Science-Fiction-Film mit atemberaubenden Spezialeffekten sein. Glaubt man den Geschichten, dann hat Truman damals ganz neue Techniken entwickelt, um seine Vision umzusetzen. Das interessiert uns natürlich brennend, denn möglicherweise lassen sich diese Tricks sogar noch heute verwenden, obwohl der Film schon so alt ist. Also kam ich auf die Idee, die drei schlauesten Burschen der gesamten Westküste zu fragen, ob sie Lust hätten, nach dem Film zu suchen.« Er grinste breit. »Schließlich habt ihr Ferien und genug Zeit.«
»Danach suchen?«, wiederholte Bob. »Aber wie denn?«
»Das ist euch überlassen«, gab Mr Shaw gelassen zurück. »Schließlich seid ihr die Detektive. Lasst euch was einfallen!«
»Sie meinen also, dass der Film tatsächlich existiert? Dass er nicht nur eine Legende ist?«
Mr Shaw zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Wenn es ihn gibt und ihr ihn findet, macht ihr damit eine Riesenentdeckung.«
»Klingt spannend«, fand Peter. »Wenn er dann nachträglich in die Kinos kommt und wir im Vorspann erwähnt werden, sind wir dabei.«
»Blödsinn«, widersprach Justus. »Wir sind auch so dabei.«
»Freut mich, Jungs. Wenn ihr den Film findet oder aber beweisen könnt, dass es ihn nie gegeben hat, lade ich euch zu einem Rieseneisbecher ein!«
»Dann werden die Wettschulden ja doch noch eingelöst«, grinste Bob und erntete sogleich einen bösen Blick von Peter.
»Was denn für Wettschulden?«
»Ach, nichts, Papa. Gar nichts«, beteuerte Peter. »Die drei ??? werden sich jetzt an die Arbeit machen.«
»Falsch«, widersprach der Erste Detektiv. »Wir können noch nicht anfangen.«
»Wieso denn nicht?«
»Weil wir in einer Eisdiele sitzen und noch kein Eis gegessen haben. Ihr wisst doch: Ein leerer Bauch arbeitet nicht gern.«
»War es nicht ein voller Bauch?«, zweifelte Bob.
»Bei euch vielleicht. Bei mir funktioniert das andersrum. Herr Ober! Einen großen Früchtebecher, bitte.«
»Das hat aber lange gedauert«, maulte Peter, als Bob am nächsten Tag in die Zentrale kam. »Wir warten schon seit Stunden auf dich.« Er blickte demonstrativ auf die Uhr.
»Es wäre sicher schneller gegangen, wenn ihr mir geholfen hättet«, gab Bob gereizt zurück. Er war die ganze Strecke vom Gebäude der ›Los Angeles Post‹, bei der sein Vater arbeitete, bis nach Rocky Beach mit dem Fahrrad gefahren. Bei sengender Hitze. Und dafür wurde er nun angepflaumt.
»Ich konnte nicht. Ich musste Tante Mathilda zur Hand gehen«, verteidigte sich Justus.
»Und ich musste beim Nachbarn den Rasen mähen. Der hat mich vielleicht blöd angesehen. Ob ich mich mit einem Gorilla geprügelt hätte, hat er gefragt. Sehr witzig.«
»Interessante Assoziation«, fand Justus. »Und nicht ganz von der Hand zu weisen. Irgendwie siehst du heute noch fieser aus als gestern. Jetzt sind die ganzen Abschürfungen verkrustet und sehen aus wie Geschwüre.«
»Könnten wir bitte das Thema wechseln?«, bat Peter entnervt. »Komm schon, Bob, erzähl uns, was du herausgefunden hast.«