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Die drei ??? übernehmen ihren 100sten Fall! In drei spannenden Bänden sind sie dem Geheimnis der Toteninsel auf der Spur. Eine große Herausforderung für die Detektive. Weswegen sie gut beraten sind, die Hilfe alter Wegbegleiter anzunehmen, um Das Rätsel der Sphinx (Teil 1) zu lösen. Doch plötzlich ist Peter verschwunden und auch Das vergessene Volk (Teil 2) kann Justus und Bob bei ihrer Suche nicht weiterhelfen. Erst Der Fluch der Gräber (Teil 3) führt die drei ??? auf eine heiße Spur. Teil 1 der Jubiläumstrilogie. Die drei ??? übernehmen ihren 100sten Fall! In drei spannenden Bänden sind sie dem Geheimnis der Toteninsel auf der Spur. Eine große Herausforderung für die Detektive. Weswegen sie gut beraten sind, die Hilfe alter Wegbegleiter anzunehmen, um Das Rätsel der Sphinx (Teil 1) zu lösen. Doch plötzlich ist Peter verschwunden und auch Das vergessene Volk (Teil 2) kann Justus und Bob bei ihrer Suche nicht weiterhelfen. Erst Der Fluch der Gräber (Teil 3) führt die drei ??? auf eine heiße Spur. Teil 2 der Jubiläumstrilogie. Die drei ??? übernehmen ihren 100sten Fall! In drei spannenden Bänden sind sie dem Geheimnis der Toteninsel auf der Spur. Eine große Herausforderung für die Detektive. Weswegen sie gut beraten sind, die Hilfe alter Wegbegleiter anzunehmen, um Das Rätsel der Sphinx (Teil 1) zu lösen. Doch plötzlich ist Peter verschwunden und auch Das vergessene Volk (Teil 2) kann Justus und Bob bei ihrer Suche nicht weiterhelfen. Erst Der Fluch der Gräber (Teil 3) führt die drei ??? auf eine heiße Spur. Teil 3 der Jubiläumstrilogie.
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Seitenzahl: 503
Veröffentlichungsjahr: 2013
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© 2025, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
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ISBN 978-3-440-58999-1
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Toteninsel
Teil 1Das Rätsel der Sphinx
erzählt von André Marx
Kosmos
Justus Jonas schlug mit der flachen Hand auf die Visitenkarte, die auf dem Schreibtisch lag. »Langweilig!«
Bob und Peter sahen einander ratlos an. »Was soll das heißen – langweilig?«, fragte Bob.
»Langweilig heißt altmodisch, überholt, unzeitgemäß, konservativ. Und damit nicht werbewirksam, ineffektiv, um nicht zu sagen: kontraproduktiv. Mit diesen Karten können wir niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken, geschweige denn beeindrucken. Sie sind… na ja, langweilig halt!«
»Und nur deshalb hast du uns herbestellt?«, fragte Bob ungläubig.
»Also, ich finde sie ganz schön«, sagte Peter.
»Schön? Sie sind nicht schön! Es sind immer noch die gleichen alten Karten, die wir zu Beginn unserer Detektivkarriere hergestellt haben, um Alfred Hitchcock zu beeindrucken.«
»Na und? Hat doch auch funktioniert!«
»Ja, schon – aber das ist ewig her! Die Typografie, das Layout, die Schrift – alles völlig altbacken! Wir haben sie mit dieser uralten Maschine gedruckt, die noch irgendwo in der Werkstatt vor sich hin gammelt. Ich bitte dich, Zweiter! Wozu haben wir einen Computer? Hier in unserer Zentrale steht seit geraumer Zeit dieses Wunderwerk der Technik samt Drucker. Und wir geben uns immer noch mit diesen Uraltvisitenkarten ab!«
»Na und? Hat doch auch irgendwie seinen Charme«, fand Peter.
»Es ist unprofessionell«, beharrte Justus. »Mit diesen Karten nimmt uns niemand mehr ernst. Wir brauchen neue. Das ist beschlossene Sache!«
»Wenn das schon feststeht, warum mussten wir dann extra herkommen?«, maulte Bob.
»Um euch eure Hausaufgabe abzuholen. Überlegt euch was für die neuen Karten! Bis Ferienbeginn will ich erste Vorschläge sehen!«
»Hausaufgaben!«, rief Peter. »Mist, ich muss noch Mathe machen!« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Ich muss los, Kollegen, sonst kriege ich das nicht mehr auf die Reihe. Ciao!« Er riss die Tür des alten Campinganhängers auf, in dem die drei Detektive ihr Büro eingerichtet hatten, und stürzte hinaus.
»Ich werd mich Peter mal anschließen«, murmelte Bob. »Bis morgen, Just!«
Wenig später saß der Erste Detektiv allein in der Zentrale. Er nahm die Visitenkarte in die Hand und drehte sie gedankenverloren zwischen den Fingern. Seine Freunde schienen nicht gerade begeistert gewesen zu sein, dass er sie wegen der Sache mit den neuen Karten in die Zentrale bestellt hatte. Aber er hatte doch Recht! Die Karten waren wirklich uralt. Es war ja schon fast peinlich, sie jemandem zu zeigen.
Seufzend stemmte er sich vom Schreibtischstuhl hoch, löschte das Licht und verließ die Zentrale. Die Tür des Wohnwagens sicherte er mit einem Vorhängeschloss. Der ausgediente Campinganhänger stand auf dem Gelände des Trödelhandels seines Onkels. Der offizielle Name des Unternehmens lautete »Gebrauchtwarencenter T. Jonas«, aber genau genommen war es nur ein mit tonnenweise Krimskrams voll gestellter Schrottplatz. Justus schlenderte in der Abenddämmerung zwischen den Auslagen und Schrottbergen hinüber zum Wohnhaus, in dem er seit dem Tod seiner Eltern mit seinem Onkel und seiner Tante lebte.
Als er die Haustür öffnete, gellte ein markerschütternder Schrei durch das Haus!
Justus zuckte zusammen und horchte. Stille.
Langsam trat er über die Schwelle und schloss die Tür lautlos. Er lauschte in den dunklen Flur hinein. Alles blieb ruhig. Aber da hatte doch jemand geschrien! Oder litt er an Halluzinationen?
Justus überlegte noch, ob er es wagen konnte, über die knarrenden Dielen in den Flur zu treten, als wieder jemand schrie. Eine Frau! Es kam aus dem Wohnzimmer! Panik wallte jäh in ihm auf. Er missachtete jede Vorsicht und rannte dem Schrei entgegen. »Tante Mathilda!« Justus riss die Wohnzimmertür auf und blickte in das vor Entsetzen verzerrte Gesicht einer jungen, blonden Frau.
Einer Frau in Schwarz-Weiß.
Tante Mathilda, mit einer Schüssel im Arm gebannt vor dem Fernseher sitzend, zuckte zusammen. Ein bisschen Popcorn sprang aus der Schale und blieb an ihrem Pullover hängen. »Musst du mich so erschrecken!«, rief sie halb empört, halb erleichtert.
»Das musst gerade du sagen. Ich dachte, hier wird jemand ermordet!« Justus warf einen Blick auf seinen reglos im Sessel hängenden Onkel, der mit offenem Mund leise schnarchte, sodass sein gewaltiger schwarzer Schnurrbart leicht vibrierte. Auf dem Bildschirm wankte gerade ein Schauspieler in einem billigen, schleimigen Monsterkostüm stöhnend und mit ausgestreckten Armen auf die Blondine zu. Und nun setzte auch die gruselfilmtypische Musik ein. Hätte der Regisseur die nicht schon früher unterlegen können? Dann wäre Justus nie auf den Gedanken kommen, einen echten Schrei zu hören.
»Ermordet?« Tante Mathilda schüttelte den Kopf, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden. Während sie nach dem Popcorn tastete, sagte sie tonlos: »Du hast einfach eine zu lebhafte Fantasie, Justus. Das kommt von deiner ständigen Detektivspielerei. Ich wusste immer, dass das nicht ohne Spätfolgen…« Sie verstummte mitten im Satz. Das kreischende Opfer hatte die Flucht ergriffen und rannte durch einen finsteren Wald. Warum war sie nicht gleich abgehauen, anstatt eine halbe Ewigkeit kreischend auf der Stelle zu stehen? Tante Mathilda war das egal. Sie war so gefesselt, dass sie sich der Anwesenheit ihres Neffen gar nicht mehr bewusst war.
Nun war es an Justus, den Kopf zu schütteln. Mathilda Jonas und ihre Gruselfilme! Solange er denken konnte, hatte sich seine Tante keinen der alten Horrorklassiker im Fernsehen entgehen lassen. Das hatte den Vorteil gehabt, dass er sich als kleiner Junge oft neben das Sofa setzen und mitgucken konnte. Tante Mathilda hatte ihn nach fünf Minuten einfach vergessen und somit auch die Ermahnungen, ins Bett zu gehen. Und Justus lächelte. Manche Dinge änderten sich eben nie. Er trat auf das Sofa zu und wies auf die Schüssel. »Gezuckert?«
Tante Mathilda nickte abwesend.
Justus griff hinein und schob sich eine Hand voll Popcorn in den Mund. Angewidert verzog er das Gesicht. Gesalzen! Wenn er etwas hasste, dann war es gesalzenes Popcorn! Mühsam schluckte er es hinunter, warf seiner Tante einen missbilligenden Blick zu, den sie natürlich nicht bemerkte, und verließ das Wohnzimmer.
In der Küche fand er noch Reste des Mittagessens, schob sie in die Mikrowelle und machte sich anschließend hungrig darüber her. Wie so oft aß er auch diesmal nicht so viel, dass er satt wurde, sondern so viel, wie da war. Als er den Teller beiseite schob, betrachtete er sorgenvoll seinen unübersehbaren Bauch. Wieder einmal hatte der Hunger im ewigen Kampf gegen die Diät gewonnen. Besser, er vermied es in den nächsten Tagen, sich auf die Waage zu stellen.
Tante Mathilda und Onkel Titus kamen herein. »Na, ausgeschlafen?«, fragte Justus seinen Onkel grinsend.
»Es gibt doch kein besseres Schlafmittel als einen Lieblingsfilm deiner Tante.«
»Ist die blonde Schöne gerettet worden?«
»Ja. Der Held hat das Ungeheuer zur Strecke gebracht.« Sie stellte die Popcornschüssel auf den Tisch und Justus griff automatisch zu, bis ihm in letzter Sekunde einfiel, dass er das Zeug ja gar nicht mochte.
»Haben wir eigentlich schon die Neuigkeit des Tages erzählt?«, fragte Onkel Titus.
»Ach ja!«, platzte Tante Mathilda heraus. »Patrick und Kenneth haben geschrieben!« Sie fischte eine Postkarte vom Küchentisch und reichte sie Justus. Eine Schafherde war zu sehen, die auf einer einsamen Straße inmitten einer saftig-grünen Hügellandschaft stand. Unverkennbar Irland. Patrick und Kenneth O’Ryan, die beiden irischen Brüder, hatten früher für Onkel Titus auf dem Schrottplatz gearbeitet, bis sie zurück in ihre Heimat gegangen waren. »Wir fahren nach Irland!« Tante Mathilda machte einen kleinen Luftsprung.
»Wirklich? Klappt es nun endlich? Ihr habt ja Monate gebraucht, um diese Reise zu planen!«
»Jetzt ist es endlich soweit. In einer Woche geht es los. Wir fliegen direkt nach Dublin. Dort holen sie uns vom Flughafen ab und dann fahren wir in ihre Heimat im Westen Irlands. Hach, zwei Wochen Europa! Ist das nicht romantisch, Titus? Ich freue mich so!«
Titus Jonas nickte lächelnd. Für Gefühlsausbrüche war Tante Mathilda zuständig. Er hielt sich meistens zurück.
»Und was heißt das für mich? Ich soll doch wohl hoffentlich nicht die halben Sommerferien lang den Schrottplatz alleine schmeißen?«
»Wieso denn alleine?«, gab Onkel Titus ungerührt zurück. »Du hast doch deine Freunde Bob und Peter! Zu dritt schafft ihr das spielend.«
Justus blieb vor Entsetzen der Mund offen stehen. Zwei Wochen lang das Geschäft allein führen! Und das in den Ferien!
»Veräppel den armen Jungen nicht ständig, Titus!«, sagte Tante Mathilda und gab ihrem Mann einen sanften Stoß zwischen die Rippen. »Keine Sorge, Just, wir machen für die Zeit natürlich Betriebsferien. Das haben wir uns schließlich auch mal verdient. Ich wäre dir nur dankbar, wenn du nicht ausgerechnet in dieser Zeit auf die Idee kommst, mit Bob und Peter zelten zu fahren oder so. Schließlich muss jemand aufs Haus aufpassen.«
Justus atmete auf. »Kein Problem.«
»Und komm nicht auf dumme Gedanken! Nur weil Katze und Kater aus dem Haus sind, heißt das noch lange nicht, dass die Mäuse auf dem Tisch tanzen dürfen!«
Justus verdrehte die Augen. »Geht es jetzt los?«
»Was geht los?«
»Die einwöchige Predigt über die Pflichten und Gebote eines allein zu Hause gelassenen Neffen?«
»Werd nicht frech! Ich möchte mir nur keine Sorgen machen, wenn ich im Urlaub bin. Also: Finger weg vom Detektivspielen! Dabei ist noch nie etwas Gutes herausgekommen.«
»Das würde ich nicht sagen«, widersprach Justus. »Dank unserer Arbeit ist schon so manches Verbrechen aufgeklärt worden. Die Polizei von Rocky Beach wäre –«
»Wäre wahrscheinlich sehr froh, wenn ihr euch nicht ständig in ihre Arbeit einmischen würdet. Bitte, Justus, tu mir den Gefallen: keine gefährlichen Ermittlungen während wir weg sind!«
»Im Moment haben wir sowieso keinen Fall in Arbeit«, versuchte Justus seine Tante zu beruhigen. »Und wenn unser Telefon in der Zentrale doch mal klingeln sollte, geht es wahrscheinlich nur um eine entlaufene Katze.«
»Hoffen wir, dass es dabei bleibt.«
Tante Mathilda und Onkel Titus verabschiedeten sich ins Bett. Justus machte sich auf den Weg nach oben, wo er sein Zimmer hatte. Während er sich die Zähne putzte, malte er sich die beiden Wochen allein zu Haus aus. Natürlich würde er die Erwartungen seines Onkels und seiner Tante nicht enttäuschen. Aber zwei Wochen ohne sie im Haus und auf dem Schrottplatz: Das war zu verführerisch, um nicht wenigstens eine kleine Party zu planen! Gleich morgen würde er Peter und Bob davon berichten und mit ihnen Pläne schmieden.
Justus war gerade ins Bett gegangen, als ein kleines rotes Lämpchen auf dem Schreibtisch blinkte. Das Telefon in der Zentrale! Vor ein paar Wochen hatte Justus eine Leitung von ihrem dortigen Anschluss in sein Zimmer gelegt. Wenn nun in der Zentrale das Telefon klingelte, blinkte hier die rote Lampe. Für Notfälle, wenn er mal auf einen dringenden Anruf wartete und nicht rund um die Uhr im Wohnwagen sitzen wollte.
Er warf einen Blick auf den Wecker. Kurz nach elf. Wer rief denn um diese Zeit noch an? Wahrscheinlich waren es Bob und Peter, die wussten, dass er oft noch bis spät in die Nacht am Computer saß. Die Lampe erlosch. Jetzt war der Anrufbeantworter angesprungen.
Justus beschloss, bis morgen zu warten. So dringend war es schon nicht gewesen.
Oder? Was, wenn es nicht Bob oder Peter…
Justus knurrte und schlug wütend die Bettdecke zurück. Verdammte Neugier! Was hatte er sich nur bei dieser Erfindung mit der blinkenden Lampe gedacht? Er zog ein Hemd an, schlüpfte in die Turnschuhe und schlich aus dem Zimmer, die Treppe hinunter zur Haustür. Die Berge aus Gerümpel sahen im Mondlicht gespenstisch aus. Der Kies knirschte unter seinen Schuhen, als er den Schrottplatz überquerte. Es war kühl. Justus verschränkte die Arme über der Brust und legte einen Schritt zu. Dieser kurze Marsch durch die Nacht machte ihn nur wieder unnötig wach. Schon bereute er es, seiner Neugier nachgegeben zu haben. Wehe, es war nichts Wichtiges! Oder noch schlimmer: Wehe, es hatte niemand auf den Anrufbeantworter gesprochen!
Er kramte den Schlüssel aus der Tasche, nahm das Vorhängeschloss ab und öffnete die Tür zum Campinganhänger. Der Anrufbeantworter blinkte. Wenigstens etwas. Justus spulte das Band zurück und spielte die Nachricht ab.
»Schade, dass du nicht da bist, Just. Na, wahrscheinlich liegst du schon im Bett.« Das war Peter. »Ich sitze immer noch an meinen Matheaufgaben. Dachte, du könntest mir mal schnell helfen. Aber egal, ich hätte es wahrscheinlich sowieso nicht kapiert. Bis morgen!«
»Na, toll«, brummte Justus. »Danke, Peter.« Er überlegte einen Moment, ob er zurückrufen sollte, doch wahrscheinlich würde er Peters Eltern wecken. Er war schon auf dem Weg nach draußen, da klingelte das Telefon erneut. Schon wieder Peter? Justus nahm den Hörer ab.
»Justus Jonas von den drei Detektiven.«
Jemand räusperte sich am anderen Ende.
»Hallo? Wer ist da?«
»Justus Jonas?« Die Stimme war kaum mehr als ein leises, kratzendes Röcheln.
»Ja.«
»Von den drei Detektiven?«
»Das sagte ich gerade.«
»Ich habe einen Fall für euch.«
»Wer spricht denn da?«
»Ein Rätsel.«
»Würden Sie mir bitte sagen, wer Sie sind?«
»Mein Name ist unwichtig. Menschenleben stehen auf dem Spiel. Löst das Rätsel!«
»Welches Rätsel? Hören Sie, wenn das ein Scherz sein soll, dann –«
»Kein Scherz!«, unterbrach ihn der Mann schroff. Er hustete und wiederholte leise: »Kein Scherz. Jemand wird sein Leben verlieren, wenn ihr das Rätsel der Sphinx nicht löst.«
»Das Rätsel der Sphinx? Hallo? Sind Sie noch dran?«
»Ich rufe an.«
Ehe Justus etwas erwidern konnte, hatte der Mann aufgelegt.
»Noch drei Tage Schule!«, stöhnte Peter, als er vom Rad stieg und es auf dem staubigen Schrottplatz abstellte. »Ich schwöre dir, ich mache drei Kreuze, wenn dieses Schuljahr vorbei ist. Es ist echt nicht lustig, Jahr für Jahr knapp am Sitzenbleiben vorbeizuschrammen. Sei froh, dass du damit keine Probleme hast, Bob. He, Bob, hörst du mir überhaupt zu?«
»Hm? Ja, klar.«
»Das war eine Lüge. Du bist in Gedanken wohl schon in den Ferien, was?«
»Nein, bei Jelena.« Bob bemerkte einen Moment zu spät, was er gesagt hatte, und errötete.
»Soso, bei Jelena!«, sagte Peter gedehnt und grinste breit. Ihm war nicht entgangen, dass sich Bob in letzter Zeit sehr gut mit dem Mädchen im Rollstuhl verstand. »Seid ihr mal wieder verabredet?«
Bob nickte. »In einer halben Stunde. Daher hoffe ich, dass Justus es kurz macht. Warum er uns wohl so dringend sprechen will?«
»Es geht bestimmt um die Pläne für die Ferien. Habe ich dir erzählt, dass meine Eltern wegfahren? In zwei Tagen habe ich sturmfreie Bude!«
»Du Glücklicher.« Bob verzog das Gesicht. »Mein Vater wird bestimmt den ganzen Sommer der Meinung sein, dass ich in den Ferien ja viel mehr Zeit habe, um zum Beispiel den Rasen zu mähen oder den Müll runterzubringen oder das Auto zu waschen. Autowaschen! So ein Blödsinn! Fahren Autos denn besser, wenn sie sauber sind?«
Bob und Peter betraten die Zentrale, deren Tür wegen der Hitze weit offen stand. Justus wartete bereits auf sie. »Was geht am Morgen mit vier Beinen, am Mittag mit zwei und am Abend mit drei Beinen, hat aber nur eine Stimme?«
»Das ist eine typische Justus-Jonas-Begrüßung«, stellte Peter fest. »Wie wäre es das nächste Mal mit: ›Einen schönen guten Tag wünsche ich euch, liebe Freunde‹?«
Justus ignorierte ihn. »Los, Kollegen, die Zeit drängt, löst das Rätsel oder sterbt!«
»Sind wir deshalb hier? Um Rätselfragen zu beantworten?«, fragte Bob.
»Oder um zu sterben?«
»Wenn ich das gewusst hätte…«
»Ein wenig mehr Sportsgeist, wenn ich bitten darf!«
»Also schön: Etwas, das morgens auf vier, mittags auf zwei und abends auf drei Beinen läuft?« Peter überlegte einen Moment. »So was gibt es nicht.«
»Wenn ich die Sphinx wäre und du ein ahnungsloser Wanderer auf dem Weg nach Theben, müsste ich dich nun erwürgen.«
»Wie bitte?«
»Die Sphinx. Ein Fabelwesen aus der griechischen Mythologie: ein Frauenkopf auf einem geflügelten Löwenkörper. Sie saß auf einem Felsen und jeder, der an ihr vorbeiwollte, musste das Rätsel, das ich euch gerade gestellt habe, lösen. War die Antwort falsch, hat sie ihn erwürgt.«
»Und warum erzählst du uns das?«, wollte Bob wissen.
»Weil ich gestern einen äußerst mysteriösen Anruf bekommen habe.« Justus berichtete von seinem nächtlichen Erlebnis. »Was haltet ihr davon?«
»Seltsam«, murmelte Peter. »Ob sich da jemand einen Scherz erlaubt?«
»Das habe ich auch vermutet. Der Anrufer beteuerte, es wäre ihm ernst.«
»Jemand wird sein Leben verlieren, wenn wir das Rätsel nicht lösen? Ist das eine Drohung?«
Justus schüttelte den Kopf. »Es klang nicht so. Ich glaube nicht, dass er mit ›jemand‹ einen von uns meinte. Er braucht unsere Hilfe.«
»Also ein neuer Fall«, sagte Bob.
Justus nickte.
»Warum kommen die Leute immer mit so abstrusem Zeug zu uns?«, fragte Peter. »Können wir nicht mal einen ganz normalen Auftrag bekommen? Jemanden beschatten, weil seine Frau vermutet, dass er fremdgeht zum Beispiel. Oder Unfallzeugen ausfindig machen. Normale Sachen halt.«
»Glaubst du denn, das wäre spannender?«
»Nein. Aber weniger anstrengend. Das Rätsel der Sphinx. Wenn ich das schon höre! Da wird mir gleich ganz wirr im Kopf.«
»Nun übertreib mal nicht, Peter. So schwierig ist das Rätsel auch wieder nicht.«
»Nicht? Also, ich bin ratlos. Weißt du die Lösung etwa schon?«
Justus nickte selbstgefällig. »Natürlich.«
»Und warum fragst du dann uns?«
»Um euch geistig ein bisschen auf Trab zu halten.«
»Rück schon raus mit der Sprache, Just!«, forderte Bob.
»Die Antwort lautet: der Mensch. Als Säugling krabbelt er auf vier Beinen, als Erwachsener geht er auf zweien und als Greis benutzt er einen Stock als drittes Bein.«
Bob und Peter blickten sich überrascht an. »Wie bist du denn darauf gekommen?«, wollte Peter wissen.
»Ich habe es nachgelesen.«
»Nachgelesen?«
»Man muss nicht alles wissen, Peter. Man muss nur wissen, wo man es nachschlagen kann. In diesem Fall in einem Buch über griechische Mythologie. In der Sage begegnet eines Tages Ödipus der Sphinx und kann das Rätsel lösen. Daraufhin stürzt sie sich kopfüber vom Felsen zu Tode.«
»Na schön«, sagte Bob. »Und nun? Was fangen wir mit dieser Antwort an?«
»Der geheimnisvolle Unbekannte hatte angekündigt, noch einmal anzurufen.«
»Ich hoffe, das tut er bald. Ich bin nämlich gleich verabredet.«
Peter warf den Kopf in den Nacken, klimperte mit den Augenlidern und säuselte: »Mit Jelena!«
Noch bevor Bob etwas erwidern konnte, klingelte das Telefon. Augenblicklich verstummte das Gespräch. Justus schaltete den Verstärker ein, ließ es noch ein weiteres Mal klingeln und nahm den Hörer ab.
»Justus Jonas von den drei Detektiven.«
»Das Rätsel der Sphinx«, drang die gleiche röchelnde Stimme wie am Vorabend aus dem Lautsprecher. »Habt ihr es gelöst?«
»Ja, Sir, haben wir.«
»Und?«
»Wir werden Ihnen die Antwort geben, wenn Sie uns sagen, wer Sie sind und was Sie von uns möchten.«
»Danach«, versprach der Fremde.
Justus zögerte einen Moment. »Also schön. Die Antwort lautet: der Mensch.«
Es klickte in der Leitung und das Gespräch war unterbrochen.
Der Erste Detektiv blickte irritiert den Hörer an und legte schließlich auf.
»Ein durchschlagender Erfolg«, fand Bob. »Wenn ihr mich fragt, ist das die reine Verarschung.«
Peter nickte. »Da will uns jemand hochnehmen. Bestimmt irgendein blöder Typ aus der Schule, der auf uns neidisch ist.«
»Oder der sich wegen unserer altmodischen Visitenkarten über uns lustig machen will«, scherzte Bob.
Etwas klickte. Dann kam ein surrender Ton aus der Ecke neben dem Schreibtisch.
»Wir kriegen ein Fax«, stellte Justus fest und beugte sich neugierig über das Gerät. So eine Maschine war schon was Tolles. Wie von Geisterhand schob sich leise ratternd eine Botschaft aus dem Faxgerät. Der Erste Detektiv hatte es – wie das meiste ihrer Ausrüstung – kaputt aus dem Schrott geborgen, den Onkel Titus regelmäßig aufkaufte, und es repariert. Auf diese Weise hatte sich die Zentrale nach und nach zu einem professionellen Büro gemausert. Ein Piepsen signalisierte das Ende der Übertragung. Justus riss das Papier ab. »Eine kopierte Buchseite.«
»Wer hat sie geschickt?«
»Keine Ahnung. Der Absender hat die Kopfzeile gelöscht. Es stehen weder der Name noch die Rufnummer drauf.« Der Erste Detektiv überflog den Text. Dann ließ er das Papier langsam sinken und sah seine Kollegen stirnrunzelnd an.
»Was ist denn los?«, fragte Bob. »Was steht da?«
»Ich glaube, das Rätsel der Sphinx war nur ein Test«, antwortete Justus. »Das hier ist das wirkliche Rätsel.«
»Erzähl schon!«
»Es ist ein Auszug aus dem ›Lexikon der Geheimbünde‹.«
»Woher weißt du das?«
»Steht hier. Ich lese ihn euch vor.« Justus räusperte sich. »Sphinx. Eine geheime Organisation von Archäologen und Schatzsuchern. Benannt nach der Figur aus der griechischen Mythologie, einem Sinnbild für alles Rätselhafte, sowie nach der ägyptischen Sphinx, die ein Symbol für den Pharao war. Sphinx ist eine Gruppe von ausgebildeten Forschern, die sich den langsam mahlenden Mühlen der Bürokratie entziehen, indem sie auf eigene Faust archäologische Expeditionen starten, anstatt auf staatliche Fördergelder zu warten. Da sie hierbei jedoch auch auf die staatlichen Genehmigungen verzichten, sind sie Kriminelle, die mehr an verborgenen Reichtümern als an wissenschaftlichen Erkenntnissen interessiert sind. Erste Aktivitäten sind seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bekannt. Gerüchten zufolge haben Mitglieder von Sphinx viele der großen archäologischen Expeditionen des letzten Jahrhunderts unterwandert, um wertvolle Informationen über zukünftige Grabungsstätten zu erlangen. In den letzten Jahrzehnten ist es jedoch sehr ruhig um die Organisation geworden. Es ist fraglich, ob sie überhaupt noch existiert. Kritiker behaupten sogar, Sphinx sei ein moderner Mythos und in Wirklichkeit hätte es die Gruppe nie gegeben. Dennoch existieren Kunstschätze auf der Welt, von denen niemand weiß, woher sie stammen. Die Käufer berichten von geheimnisvollen Mittelsmännern, über die sie die Objekte erstanden haben. Ob diese Schwarzhändler jedoch tatsächlich zu einer organisierten Gruppe gehören oder auf eigene Faust arbeiten, bleibt fraglich.« Justus ließ das Blatt sinken und lehnte sich zurück.
»Wow«, sagte Bob.
»Klingt interessant, nicht wahr?« Ein abenteuerlustiges Glitzern hatte sich in Justus’ Augen geschlichen.
»Und wer hat uns das gefaxt?«, fragte Peter.
»Unser telefonischer Auftraggeber.«
»Und warum?«
»Damit wir das Rätsel lösen.«
»Welches Rätsel?«
»Das Rätsel der Sphinx. Nicht der griechischen oder ägyptischen Sphinx, sondern das Rätsel dieser Geheimorganisation. Es muss da eines geben! Wir sollten uns näher mit diesem Fall befassen.«
»Ohne unseren Auftraggeber zu kennen?«, wunderte sich Peter.
»Er wird sich noch mal melden«, war Justus überzeugt. »Wenn wir ihm jedoch keine Ergebnisse liefern können, haben wir keine Chance herauszufinden, wer er ist.«
»Was denn überhaupt für Ergebnisse?«, fragte Bob. »Was will er von uns?«
»Dass wir so viel wie möglich über Sphinx herausfinden. Und da ist er nicht der Einzige.«
»Du hast Feuer gefangen«, vermutete Peter. »War nicht anders zu erwarten.«
»Ihr etwa nicht? Das klingt doch nach einem spannenden Fall! Ich schlage vor, Bob macht sich gleich auf den Weg ins Zeitungsarchiv der Los Angeles Post. Peter, du gehst in die Bibliothek und versuchst dort etwas über diesen Geheimbund herauszufinden.«
»Und du? Du bleibst faul zu Hause sitzen und wartest Däumchen drehend auf Neuigkeiten?«
Justus richtete sich in gespielter Empörung auf und räusperte sich. »Selbstverständlich nicht. Ich werde über das Internet versuchen Antworten zu bekommen.«
»Was auf das Gleiche hinausläuft«, fand Peter.
Bob rutschte auf seinem Stuhl herum. »Tut mir Leid, Kollegen, aber ich habe jetzt keine Zeit, wie ihr wisst. Vielleicht morgen.«
»Dein Mangel an detektivischem Eifer ist beklagenswert«, maulte Justus. »Aber schön. Dann eben morgen. Wir treffen uns nach der Schule hier. Und dann will ich ein paar interessante Ergebnisse hören!«
Ergebnisse! Justus hatte von seinen Freunden Ergebnisse gefordert. Und nun stand er selbst ohne den allerkleinsten Hinweis da. Nachdem Bob und Peter gegangen waren, hatte er den ganzen Abend vor dem Computer verbracht, war durchs Internet gesurft und hatte sich in der halben virtuellen Welt nach Sphinx umgesehen. Er hatte jede ihm bekannte Suchmaschine befragt und jedes Mal nur Informationen über die griechische oder ägyptische Mythologie und über das steinerne Monument in Giseh zu Tage gefördert. Erst nach Stunden war er das erste Mal auf den mysteriösen Geheimbund gestoßen, doch die Auskünfte waren ähnlich vage wie in dem Fax. Justus hatte es mit Archäologie, mit Geheimbünden, mit berühmten Fundstätten auf der ganzen Erde versucht – jedes Mal ohne nennenswertes Ergebnis. Mehr als einmal hatte er sein Ziel auf seiner Reise durch die Welt der nahezu unbegrenzten Informationen aus den Augen verloren und war der Versuchung erlegen, sich einfach durch die Homepages und Webseiten treiben zu lassen. Je mehr Stunden der erfolglosen Suche verstrichen, desto häufiger ertappte er sich beim Lesen von durch Zufall aufgestöberten Artikeln, die nicht das Geringste mit seinem ursprünglichen Anliegen zu tun hatten. Immer wieder musste er sich dazu zwingen, zu seinem eigentlichen Ziel zurückzukehren.
Sphinx. Sphinx. Dieser Name schien ein Fluch zu sein. Doch was hatte er erwartet? Dass eine im Geheimen operierende Organisation von Grabräubern – falls es sie wirklich gab – eine eigene Homepage hatte, die jeden Interessierten über alle illegalen Aktivitäten informierte? Es war absurd gewesen anzunehmen, dass er im Internet fündig werden würde. Am Ende war er genauso schlau wie vorher: Er wusste, dass es Sphinx möglicherweise gegeben hatte oder immer noch gab – möglicherweise aber auch nicht. Vielleicht war alles nur ein Mythos. Ernstzu nehmende Wissenschaftler hatten sich offenbar noch nicht mit Sphinx beschäftigt. Die Informationen, auf die Justus stieß, waren mehr als zweifelhaft. Oft standen sie in Zusammenhang mit absurden Abhandlungen über Verschwörungen und gefährliche Geheimbünde, die die Weltherrschaft an sich reißen wollten. Dieses dubiose Geschreibsel konnte der Erste Detektiv unmöglich ernst nehmen.
Was immer ihr unbekannter Auftraggeber wissen wollte – Justus würde ihm keine Antwort geben können. Und je mehr er über die Angelegenheit nachdachte, desto mehr wurmte es ihn, dass er nichts über den nächtlichen Anrufer wusste. Peter hatte Recht gehabt: Warum sollten sie für jemanden arbeiten, dessen Namen sie nicht einmal kannten?
Er hoffte trotzdem, dass Bob und Peter bei ihrer Suche mehr herausgefunden hatten, und wartete am nächsten Nachmittag gespannt auf seine Kollegen. Doch als Peter die Zentrale betrat, erkannte Justus bereits an seinem Gesichtsausdruck, dass ihm die Neuigkeiten des Zweiten Detektivs nicht gefallen würden.
»Und?«, fragte er dennoch erwartungsvoll.
»Nichts und«, antwortete Peter mürrisch. »Ich bin jetzt Experte in griechischer und ägyptischer Mythologie, aber ansonsten ist nichts bei meiner Wühlerei in der Bibliothek herausgekommen. Ich habe ein paar Bücher über Geheimbünde gefunden. Da steht aber auch nur das drin, was wir schon wissen: verrücktes Zeug. Du kannst dir deine Sphinx sonst wohin stecken, Justus. Diesen Verein gibt es nicht.«
Der Erste Detektiv nickte niedergeschlagen. »Das Gefühl habe ich auch.«
Bob Andrews betrat die Zentrale. Sein Lächeln löste sich in Luft auf, als er die Gesichter seiner Freunde sah. »Ihr wirkt nicht besonders glücklich.«
»Sind wir auch nicht«, murrte Peter. »Eine Pleite auf der ganzen Linie. Erzähl uns bitte, dass du mehr herausgefunden hast als wir. Mehr als gar nichts nämlich.«
»Ich habe einen zwölf Jahre alten Artikel im Archiv der Los Angeles Post entdeckt, der uns vielleicht weiterbringt.«
Sofort richtete sich Justus kerzengerade in seinem Stuhl auf. Eine Spur! »Zeig her!«
»War gar nicht so einfach«, erzählte Bob, während er umständlich in seinem Rucksack kramte. »Ich habe ewig gesucht und tausend Mikrofilme und gebundene Jahrgänge durchforstet – ohne Ergebnis. Ich wollte gerade aufgeben, als Mrs Grayson aus dem Archiv eine Idee hatte. Sie weiß ja immer, wo man was findet. Ihr Gedächtnis ist phänomenal. Wenn sie einmal einen Artikel gelesen hat, vergisst sie ihn nicht.« Er förderte einen kleinen Stapel Kopien zu Tage und reichte ihn dem Ersten Detektiv.
»Mrs Grayson erinnerte sich an einen Fall, der vor zwölf Jahren durch die Presse ging: Eine Gruppe von Archäologen war irgendwo in Laos mit der Ausgrabung einer alten Tempelanlage beschäftigt. Das gesamte Gebiet war weiträumig abgesperrt worden und die Ausgrabungen schon seit Monaten im Gange. Alles ganz ordnungsgemäß. Bis eines Tages eine Mitarbeiterin des Teams bei ihrer Rückreise nach Amerika vom Zoll erwischt wurde.«
»Wobei?«, fragte Peter.
»Beim Schmuggel. Sie hatte ungefähr ein halbes Dutzend wertvoller Götterfiguren im Gepäck, die sie außer Landes bringen wollte.«
»Um sie zu verhökern?«
»Ja. Erst sah es so aus, als wollte sie ihre Kollegen mit dem Diebstahl der Statuen übers Ohr hauen. Aber der Fall veranlasste die Behörden, auch alle anderen aus dem Team zu überprüfen, um sicherzustellen, dass nicht schon vorher wertvolle Kunstschätze geschmuggelt worden sind.«
»Und?«
»Bei der Überprüfung kam etwas Unglaubliches heraus: Die gesamte Ausgrabung war gar nicht von offizieller Seite genehmigt worden. Wenn ein Team von Wissenschaftlern irgendwo rumbuddeln will, ist das meist eine sehr langwierige Sache. Erst recht, wenn das nicht auf heimischem Grund und Boden passieren soll, sondern im Ausland. Es müssen Gelder beantragt werden, um die Ausgrabung zu finanzieren, man braucht Genehmigungen und noch mal Genehmigungen. Es kann locker ein Jahr vergehen, bevor man überhaupt das erste Mal den Spaten ansetzen darf. Oft werden solche Projekte noch während der Vorbereitungsphase wieder fallen gelassen, weil der bürokratische Weg einfach zu langwierig und teuer ist.«
»Und diese Ausgrabung in Laos war nicht genehmigt?«, fragte Justus.
»Richtig.«
»Aber wie sind sie damit durchgekommen?«
»Indem sie sämtliche Papiere gefälscht haben. Und Beamte bestochen. Und hintergangen. Indem sie einfach so getan haben, als würde alles mit rechten Dingen zugehen. Und das hat monatelang niemand herausgefunden.«
»Dreist«, fand Peter. »Als das aufgeflogen ist, sind bestimmt alle festgenommen worden.«
Bob schüttelte den Kopf. »Nein. Als die Wahrheit ans Licht kam, war die Ausgrabungsstätte verlassen. Das gesamte Team war Hals über Kopf geflohen. Natürlich nicht, ohne die ausgegrabenen Schätze verschwinden zu lassen. Weder die Schätze noch die Diebe sind je gefunden worden.«
»Interessante Geschichte«, sagte Justus und zupfte an seiner Unterlippe. »Und es klingt verdammt nach dem, was wir über Sphinx wissen. Könnte aber auch Zufall sein.«
»Könnte es nicht«, widersprach Bob. »Es kommt nämlich noch besser.«
»Was meinst du?«
»Dr. Maria Svenson. Das war die Frau, die beim Schmuggelversuch erwischt wurde. Sie behauptete in einem Verhör, sie gehöre einer Gruppe namens Sphinx an und es sei nicht das erste Mal, dass diese Organisation ungenehmigte Ausgrabungen durchführte. Später nahm sie jedoch alles zurück und behauptete das Gegenteil: Sie sei nur als Hilfskraft für den Job engagiert worden und habe nichts von all dem gewusst. Sie stellte sich als Opfer dar, das für den Schmuggel missbraucht wurde.«
»Hat man ihr das etwa geglaubt?«
»Nein. Die Beweise sprachen eindeutig gegen sie. Und so ist sie für zwei Jahre in den Knast gewandert.«
Der Erste Detektiv nickte bedächtig. »Dann gibt es Sphinx also wirklich.«
»Und was machen wir jetzt?«, wollte Peter wissen.
»Da Dr. Svenson bis jetzt unser einziger echter Anhaltspunkt ist, sollten wir sie ausfindig machen«, schlug Justus vor und wandte sich an Bob: »Hast du sonst noch was über sie herausfinden können?«
»Vor ihrer Festnahme hat sie in Kalifornien als Gastdozentin an verschiedenen Universitäten unterrichtet. Aber nach ihrer Freilassung? Keine Ahnung!« Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. »Aber ich werde es vielleicht bald wissen.«
»Was soll das denn heißen?«
»Ich habe jemanden darauf angesetzt, etwas über Maria Svenson herauszufinden.«
»Und wen, wenn ich fragen darf?«
»Jelena.«
»Was?« Justus räusperte sich und schluckte die Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, hinunter. Er zwang sich zur Ruhe. Nicht, dass er etwas gegen Jelena hatte. Sie war nur äußerst vorlaut, schnippisch und hartnäckig. Und manchmal ging sie ihm schlicht und ergreifend auf die Nerven. »Was, zum Teufelsgeiger, hat Jelena mit der Sache zu tun?«
»Ich habe ihr von unseren Ermittlungen erzählt«, gab Bob gelassen zurück.
»Und warum?«
»Weil sie gefragt hat. Und weil sie uns helfen kann.«
»Na klar«, knurrte Justus und verschränkte die Arme. »Jelena, die Superfrau. Wenn es nach ihr ginge, würde sie uns wahrscheinlich immer helfen. Aber wir sind die drei ???, nicht die vier ????, schon vergessen?«
»Reg dich nicht auf, Just. Ich hatte einen guten Grund sie einzuweihen.«
»Und welchen?«
»Sie hat immer noch sehr guten Kontakt zu Dr. Arroway.« Dr. Lou Ann Arroway war ebenfalls Archäologin und unterrichtete an der Universität von Los Angeles. Die drei ??? und Jelena hatten bei einem anderen Fall mit ihr zu tun gehabt, doch nach dem erfolgreichen Ende der Ermittlungen war der Kontakt sehr schnell abgebrochen. Nicht so bei Jelena. »Ich weiß zwar nicht, wie es bei Archäologen ist, aber ich könnte mir vorstellen, dass es dort genauso läuft wie in den meisten anderen Berufen: Jeder kennt jeden. Es würde mich nicht wundern, wenn Dr. Arroway weiß, wer Maria Svenson ist, und uns vielleicht sogar sagen kann, wo sie steckt. Ich bin eben bei Jelena vorbeigefahren und habe sie gebeten, Dr. Arroway zu fragen.«
»Das hätten wir auch selbst tun können«, erwiderte Justus noch immer brummig.
In diesem Moment klingelte das Telefon.
»Aber dann würden wir nicht jetzt schon die Antwort bekommen«, sagte Bob triumphierend. »Das wird sie sein.«
Justus seufzte, drückte auf den Verstärkerknopf und hob ab. »Justus Jonas von den drei Detektiven.«
»Hi. Jelena hier. Na, schwer bei der geistigen Arbeit?«
»Kann man sagen.«
»Bob hat mir von eurem neuen Fall erzählt. Ihr wisst also mal wieder nicht weiter.«
»Davon kann gar keine Rede sein«, erwiderte Justus gereizt und biss sich sogleich auf die Zunge. Jelena wollte ihn nur provozieren. Das tat sie immer. Es war ihr Lieblingssport. Und sie schaffte es fast jedes Mal.
»Ich werde euch trotzdem auf die Sprünge helfen«, fuhr Jelena gönnerhaft fort. »Ich habe mit Dr. Arroway telefoniert. Sie kennt Maria Svenson tatsächlich – und zwar aus der Studienzeit. Sie wusste von der Laos-Geschichte, nahm das aber nicht so ernst. ›Jeder macht mal einen Fehler‹, hat sie gesagt.«
»Weiß sie, wo Dr. Svenson jetzt lebt?«
»Ja. In Pasadena. Sie unterrichtet nicht mehr, sondern arbeitet in einem archäologischen Forschungslabor. Wartet, ich habe mir die Adresse aufgeschrieben.« Jelena gab die Anschrift durch.
»Okay, Jelena.«
»Okay? Ist das alles? Wie wäre es mit Dankeschön?«
»Danke«, sagte Justus gequält.
»Ist euer Verstärker an?«
»Ja.«
»Bob, halt mich auf dem Laufenden!«, rief Jelena lauter als nötig. »Ciao!«
Nachdem Justus aufgelegt hatte, sah er auf die Uhr. »Wir schaffen es noch bis Pasadena, ohne zu einer unhöflich wirkenden Besuchszeit dort anzukommen. Los, Kollegen, auf geht’s!«
»Wir wollen gleich hinfahren?«, fragte Peter erstaunt.
»Wieso nicht? Worauf sollen wir denn warten? Das ist die einzige Spur, die wir haben!«
Das Telefon klingelte erneut.
Justus nahm ab. »Noch was vergessen, Jelena?«
»Was wisst ihr über Sphinx?«, röchelte die dunkle Stimme.
Der Erste Detektiv zuckte zusammen. »Wir haben eine Spur.«
»Gut. Was wisst ihr?«
Justus versuchte seine Stimme hart und entschlossen klingen zu lassen: »Wir haben sie noch nicht verfolgt. Und wir werden es erst dann tun, wenn Sie uns sagen, wer Sie sind.«
Schweigen.
Dann: »Ich gebe euch noch drei Tage, das Geheimnis zu lüften. Dann wird jemand sterben.«
»Sie können uns nicht drohen!«
»Einer von euch!«
»Wir werden nicht –«
Klick.
Justus blickte einen Moment den Hörer an, dann legte er ihn langsam auf. Seine Freunde starrten ihn an.
Peter schluckte. »Also, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber mir wird das langsam eine Spur zu krass.«
»Das sind doch nichts als leere Drohungen«, behauptete Justus.
»Woher willst du das wissen? Vielleicht ist der Typ ein durchgeknallter Psychopath! Ich finde, wir sollten…« Peter stockte.
»Das ist der Punkt, an dem du normalerweise von uns verlangst, die Finger von der Sache zu lassen«, stellte Bob fest.
»Stimmt.«
»Aber das funktioniert diesmal nicht. Wenn wir den Fall nicht weiterverfolgen, macht der Psychopath womöglich ernst.« Bob schüttelte sich, von einem plötzlichen Schauer gepackt.
»Dann haben wir also keine Wahl«, sagte Peter mit Grabesstimme.
»Eben«, sagte Justus bestimmt. »Daher ist jede weitere Diskussion überflüssig. Lasst uns also Maria Svenson einen Besuch abstatten.« Er erhob sich von seinem Stuhl und blickte die beiden auffordernd an.
»Ich kann nicht«, sagte Peter schnell. »Meine Eltern fahren morgen in Urlaub und ich habe meiner Mutter versprochen, ihr beim Packen zu helfen. Sie wird mir bestimmt stundenlang erklären, wie oft ich welche Blumen zu gießen habe und so, ihr wisst schon.« Er sah auf die Uhr. »Ich hätte zwar noch eine Stunde Zeit, aber das reicht kaum für den Weg nach Pasadena und zurück. Außerdem –«
»Schon gut, Peter«, sagte Justus beschwichtigend. »Bob und ich fahren allein. Auf geht’s!«
Der Weg nach Pasadena führte sie ins bergige Hinterland. Bobs klappriger VW-Käfer ächzte bei jeder Steigung. Justus beobachtete besorgt die Öltemperaturanzeige. Hier in den Bergen war es heißer als an der Küste, und bis zum Los Angeles National Forest, an dessen Rand Pasadena lag, waren es noch ein paar Meilen. Dieser Landstrich war felsig und ausgedörrt, dafür war der Ausblick atemberaubend: Vor ihnen breitete sich eine riesige grüne Waldfläche aus und im Süden klebte die unbewegte Dunstglocke von Los Angeles in der Luft. Wenn Justus in den Rückspiegel schaute, sah er die bewaldeten Canyons, die die Landschaft in bizarren Narben zerfurchten und in den am Horizont glitzernden Pazifik ausliefen.
Dann tauchte Pasadena auf. Die malerische Stadt lag in einem grün bewachsenen Tal. Die weißen Dächer der Häuser leuchteten einladend in der Sonne. »Ist ja ganz nett hier«, meinte Bob, »aber mir würde das Meer fehlen. In einer Stadt zu leben, in der man nicht das Meer sehen kann – das wäre nichts für mich.«
Justus hörte nur mit halbem Ohr zu, denn er war in die Straßenkarte versunken und suchte nach Dr. Svensons Adresse. »An der übernächsten Kreuzung nach links.«
Zehn Minuten später hatten sie das Haus erreicht. Es lag in einer typischen Vorstadtsiedlung, in der alle Häuser gleich aussehen und wo jeder jeden kennt. Ein paar Kinder spielten auf der Straße, als sie ausstiegen und auf die Haustür zugingen. Drei Stufen führten zur Veranda hinauf. Auf dem Klingelschild stand ein einziger Name: Svenson.
»Hast du dir eigentlich überlegt, wie wir vorgehen?«, fragte Bob.
»Was meinst du?«
»Wie kommen wir an unsere Antworten? Sie packt sicherlich nicht einfach aus, wenn wir sie nach Sphinx fragen.«
Der Erste Detektiv winkte ab. »Das werden wir spontan entscheiden müssen. Überlass das Reden mir.« Er klingelte.
Nichts rührte sich. Auch nicht nach dem zweiten und dritten Versuch.
»Niemand da«, stellte Bob fest. »Wir hätten vielleicht doch besser anrufen sollen.«
Doch in diesem Moment hielt ein Auto an der Straße. Eine sportlich gekleidete Frau Ende vierzig stieg aus, eine riesige Aktentasche unter dem Arm. Ihr zentimeterkurzes Haar war silbrig-grau. Sie warf schwungvoll die Tür zu und kam mit resoluten Schritten auf die beiden Detektive zu. »Wollt ihr zu mir?«
»Wenn Sie Maria Svenson sind?«
»Bin ich. Aber ich sage euch gleich, dass ich mir alle relevanten Zeitschriften selber kaufe, bereits zahlendes Mitglied im Tierschutzverein bin und keinerlei Interesse an politischen Organisationen habe.« Sie klemmte die monströse Tasche unter den Arm und kramte nach ihrem Schlüssel. »An religiösen übrigens auch nicht.«
»Darum geht es auch nicht. Darf ich uns kurz vorstellen? Mein Name ist Justus Jonas und das ist mein Kollege Bob Andrews.«
»Kollege? Wovon?«
»Wir sind –«
»Auf der Suche nach Informationen«, unterbrach Justus Bob. Es war nicht nötig, Mrs Svenson sofort einzuweihen, dass sie Detektive waren. »Es geht um den… Zwischenfall in Laos, in den Sie vor zwölf Jahren verwickelt waren.«
Dr. Svenson hielt mitten in der Bewegung inne. Die Tasche unter ihrem Arm geriet ganz langsam ins Rutschen. »Wie bitte?«
»Sie sind damals wegen Schmuggels festgenommen worden. Darüber würden wir gerne mit Ihnen reden.«
»Himmel, das ist ewig her!«, rief sie überrascht. Dann wurde sie wütend: »Aber ich wüsste nicht, was euch das angeht.« Sie bekam den Schlüssel zu fassen und machte sich daran, die Tür zu öffnen. »Ich weiß nicht, wo ihr diese alte Geschichte ausgegraben habt, aber ich habe auch keine Lust, mit euch darüber zu reden.«
»Ich versichere Ihnen, wir wollen nichts Böses!«, sagte Justus schnell. »Wir möchten nur mit Ihnen über den damaligen Vorfall sprechen.«
»Es ist besser, ihr geht jetzt.«
»Oder sollen wir lieber über Sphinx sprechen?«
Die Tür schwang auf, doch in diesem Moment rutschte die Aktentasche aus Dr. Svensons Umklammerung, knallte auf die Treppenstufen und sprang auf. Eine Flut von Büchern und Papieren ergoss sich über die Treppe und den Weg. »Verflucht noch mal!«
Bob und Justus sprangen die Veranda hinunter und halfen beim Einsammeln. Neben den Büchern, Heftern und losen Blättern war auch etwas Kartenmaterial dabei und zwei oder drei kleine Notizbücher, die zum Teil aufgeschlagen auf dem Gehweg herumlagen. Der Erste Detektiv versuchte so viel wie möglich mit einem Blick zu erfassen, ohne dass es auffiel.
»Her damit!«, fauchte Dr. Svenson und riss Justus eines der Notizbücher aus der Hand, das er gerade zurück in die Tasche legen wollte. »Ich schaff das schon. Verschwindet einfach. Ich bin heute wirklich nicht in der Stimmung, mit zwei vorwitzigen Jungs über meine Vergangenheit zu plaudern.«
»Aber es wäre nur ganz kurz«, unternahm Justus einen letzten Versuch. »Wir möchten Sie wirklich nicht belästigen und –«
Maria Svenson hatte ihre Tasche gegriffen und die letzten Bücher unter den Arm geklemmt. Ohne ein weiteres Wort warf sie die Tür zu.
»Nette Frau«, bemerkte Bob nach ein paar Sekunden. »Doch, sehr nett. Der Ausflug nach Pasadena hat sich richtig gelohnt.« Er sah Justus fragend an. »Ob wir noch mal klingeln sollten?«
»Besser nicht. Wir wissen, was wir wissen wollten. Fahren wir nach Hause.«
»Wir wissen, was wir wissen wollten? Wie kommst du denn auf die Idee? Wir wissen gar nichts, würde ich sagen.«
»Wir wissen, dass Maria Svenson etwas zu verbergen hat«, gab Justus zurück. »Sie hat vor Schreck die Tasche fallen gelassen, als ich den Namen Sphinx erwähnte.«
»Das kann auch Zufall gewesen sein. Ich dachte schon die ganze Zeit, dass sie sie jeden Moment verliert.«
»Aber sie hat nicht nachgefragt, was ich mit Sphinx meine.«
»Weil sie damit beschäftigt war, ihre Bücher aufzusammeln. Sorry, Just, aber ich glaube, du siehst gerade mehr Geheimnisse, als da sind.«
Justus erwiderte nichts, lächelte aber geheimnisvoll.
»Hast du gesehen, was das für Bücher waren, die Dr. Svenson mit sich herumschleppte?«, fragte Bob, als sie auf dem Rückweg waren. »Alles Mögliche über irgendwelche Inseln.«
»Mikronesien«, bestätigte Justus. »Eine Inselgruppe auf der anderen Seite des Pazifiks. Und es waren auch eine Menge Karten dabei. Seekarten. Ich frage dich: Was will eine Archäologin mit Seekarten?«
»Du stellst Fragen. Woher soll ich das wissen?«
»Na ja, vielleicht finden wir das noch heraus. Ich werde erst mal Peter anrufen.«
»Warum das? Glaubst du, ausgerechnet Peter kennt die Antwort?«
»Nein. Ich will wissen, ob seine Eltern ihn heute Abend entlassen.«
»Was ist denn heute Abend?«
Wieder schlich sich ein Grinsen auf Justus’ Gesicht. »Ach ja, das hatte ich ganz vergessen zu erwähnen. Wir haben heute eine Verabredung.«
»Mit wem?«
»Wenn ich mich nicht täusche, mit Sphinx.«
Bob starrte ihn an.
»He, guck auf die Straße, Kollege!«
»Mit Sphinx? Habe ich irgendwas nicht mitbekommen?«
»Kann sein.«
»Nun spuck’s schon aus, Just! Was weißt du, was ich nicht weiß? Und warum?«
»Warum? Weil ich das Glück habe, mit einem fotografischen Gedächtnis gesegnet zu sein. Und so konnte ich mir mit einem schnellen Blick in Dr. Svensons aufgeschlagenen Terminkalender alles merken, was dort geschrieben stand.«
»Alles?«
»Na schön, ich geb’s zu, so viel war es nicht.«
»Und was war es?«
»Neben einer Einkaufsliste, einem Arztbesuch und einigen unleserlichen Notizen war ein Termin für heute Abend, zehn Uhr, eingetragen. Ich habe das ziemlich sichere Gefühl, dass wir auf der richtigen Spur sind.«
»Was für ein Termin?«
»Dort stand: ›Treffen mit S‹.«
»Es war gar nicht einfach, meine Mutter davon zu überzeugen, dass ich heute noch weg muss. Letzter gemeinsamer Abend und so. Als ich ihr sagte, dass du mich brauchst, Justus, hat sie gleich wieder die Krise gekriegt.« Peter imitierte den besorgten Tonfall seiner Mutter: »Immer, wenn Justus dich braucht, gerätst du in Schwierigkeiten. Ich werde keine ruhige Minute im Urlaub haben, wenn ich weiß, dass ihr schon wieder in eine gefährliche Sache verwickelt seid.«
»Klingt ganz nach Tante Mathilda«, fand der Erste Detektiv. »Aber wir brauchen dich nun mal. Maria Svenson hat Bobs Wagen gesehen und würde ihn wahrscheinlich wiedererkennen. Deinen nicht.«
Die drei ??? fuhren in Peters knallrotem MG zurück nach Pasadena. Es war Viertel nach neun. Justus hatte vorgeschlagen, frühzeitig vor Dr. Svensons Haus zu warten. Schließlich wussten sie nicht, ob das geheimnisvolle Treffen mit S bei ihr zu Hause oder an einem anderen Ort stattfinden sollte.
»Dort drüben steht Mrs Svensons Wagen. Sie ist also zu Hause. Wir parken am besten ein Stück vom Haus entfernt. Sicher ist sicher.«
Während sie warteten, überkamen Bob erste Zweifel. »Und was ist, wenn S nichts anderes bedeutet als Sandra oder Susan? Vielleicht trifft sie sich einfach nur mit ihrer besten Freundin.«
»Dann haben wir Pech gehabt«, antwortete Justus lakonisch. »Aber vielleicht steht das S für Sphinx und dann haben wir eine heiße Spur!«
Nach etwa zehn Minuten richtete sich Peter hinter dem Steuer kerzengerade auf. »Da verlässt jemand das Haus! Ist sie das?«
»Ja.« Justus beobachtete, wie Maria Svenson in ihr Auto stieg und davonfuhr. »Los, Zweiter, hinterher! Aber unauffällig, wenn ich bitten darf.«
»Ich bin ja kein Idiot.« Peter nahm die Verfolgung auf. Schön ruhig und mit reichlich Abstand. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass er so etwas machte. Trotzdem ließ Justus es sich nicht nehmen, ihn immer wieder zu belehren.
Die Fahrt führte sie aus Pasadena heraus zurück zur Küste, diesmal allerdings Richtung Los Angeles. Langsam wurde die Bebauung dichter und schließlich waren sie mittendrin im Getümmel des Großstadtdschungels. Hier war es wesentlich schwieriger, den Wagen nicht aus den Augen zu verlieren, doch Dr. Svenson fuhr angenehm behäbig. Offenbar hatte sie nicht bemerkt, dass sie verfolgt wurde, andernfalls hätte sie die drei Detektive problemlos abhängen können. Nach einer guten halben Stunde erreichten sie Downtown, das Zentrum der Stadt, wo sich Café an Café reihte, Schaufenster an Schaufenster, und wo sich Massen aufgestylter Menschen durch die hell erleuchteten Straßenschluchten schoben, um zu sehen und gesehen zu werden. Doch Peter ließ sich nicht ablenken und folgte der Archäologin unbeirrt, bis sie schließlich vor einem Bürogebäude hielt: einem beeindruckenden Monstrum aus Glas und Stahl, das ein Dutzend Stockwerke in die Höhe ragte. Auch zu dieser späten Stunde wurde hinter einigen beleuchteten Fenstern noch gearbeitet. Dr. Svenson stieg aus dem Auto und betrat den Wolkenkratzer durch eine gläserne Drehtür.
Die drei ??? sprangen aus dem MG und eilten ihr nach, doch kurz vor der Tür hielt Justus seine Freunde zurück. »Wir können ihr nicht einfach folgen.«
»Warum denn nicht?«
»Wegen des Wachmanns.« Er wies durch die Scheibe ins Foyer, in dem hinter einem Tresen ein uniformierter Mann saß. Er sprach gerade mit Dr. Svenson, griff dann zu einem Telefonhörer und lächelte ihr zu. Nachdem er aufgelegt hatte, wies er auf die Fahrstuhltüren. Sie ging darauf zu, drückte einen Knopf und wartete.
»Wir müssen hinterher!«, drängte Peter. »Sonst ist sie gleich in diesem Riesenklotz verschwunden!«
»Der Wachmann würde uns aber nicht durchlassen. Die allermeisten Büros haben schon vor Stunden geschlossen. Jeder, der jetzt noch ins Gebäude will, muss einen triftigen Grund haben.«
»Und wenn wir sagen, wir hätten was im Büro vergessen?«
»Das glaubt der uns nie«, war Justus überzeugt. Während er Maria Svenson beobachtete, wie sie auf den Lift wartete, bearbeitete er seine Unterlippe. Der Fahrstuhl kam, sie stieg ein und anhand der Anzeige oberhalb der Tür erkannte Justus, dass es nach oben ging. Vier, fünf, sechs, sieben… in den achten Stock. Dort verharrte der Zeiger. »Die Tiefgarage!«
»Wie bitte?«
»Dieses Gebäude hat eine Tiefgarage, seht ihr? Die Ziffern über der Fahrstuhltür zeigen zwei unterirdische Geschosse an. Das ist garantiert mehr als nur ein Keller.«
»Du meinst, wir kommen über die Tiefgarage in das Gebäude?«, fragte Bob.
»Genau.«
»Aber da sind garantiert Kameras. Sieh doch, der Wachmann hat Monitore in seinem Schalter! Er würde uns sofort sehen und wahrscheinlich einen Sicherheitsalarm auslösen oder so.«
»Dann muss einer von uns ihn ablenken, während die anderen beiden so schnell wie möglich die Tiefgarage durchqueren.« Er blickte Peter fest in die Augen.
»Ich? Wieso denn schon wieder ich?«
»Wir haben keine Zeit für Diskussionen. Machst du’s?«
Peter wog einen Augenblick lang die verschiedenen Möglichkeiten ab: Wollte er lieber dem Wachmann irgendeine absurde Geschichte auftischen oder von demselben Mann dabei erwischt werden, wie er durch die Tiefgarage schlich? Er entschied sich für Ersteres. »Okay.«
»Gut. Der Eingang zum Parkdeck liegt wahrscheinlich auf der Rückseite des Gebäudes. Gib uns zwei Minuten. Und dann gehst du da rein und lenkst den Typ so lange wie möglich von seinen Bildschirmen ab. Verstanden?«
»Verstanden.«
Justus und Bob liefen los und waren bald hinter der nächsten Hausecke verschwunden.
Peter sah auf die Uhr. Wartete. Sah wieder auf die Uhr. Wartete. Dann holte er einmal tief Luft, drehte sich um und betrat die Drehtür, die sich automatisch in Bewegung setzte und ihn ins Foyer schleuste. Augenblicklich war der Straßenlärm ausgesperrt und es war fast unnatürlich still. Umso lauter erschien das Quietschen von Peters Turnschuhen auf dem polierten Steinboden der Eingangshalle. Er war noch nicht weit gekommen, da dröhnte ihm auch schon die Bassstimme des Nachtwächters entgegen: »Kann ich dir irgendwie helfen?« Die Frage war nicht freundlich gemeint.
»Ich… äh… ja, ich… ich meine Nein. Ich komme schon zurecht, danke.« Peter versuchte so selbstverständlich wie möglich auf die Fahrstuhltüren zuzugehen.
»Momentchen mal, wo soll’s denn hingehen?«
»In den, äh, vierten Stock.«
»Im vierten Stock arbeitet niemand mehr.«
»Ich weiß. Ich wollte dort auch nur etwas holen, was ich heute Nachmittag vergessen habe. Also, genau genommen nicht ich. Sondern mein Vater. Der arbeitet da nämlich. Im vierten Stock.«
»Und wo?«
»Bei… äh… Winston & Winston.« Peter hatte gerade noch einen Blick auf die Kunststofftafel an der Wand werfen können, auf der die hier ansässigen Firmen verzeichnet waren.
Der bullige Nachtwächter kniff die Augen zusammen. Er glaubte ihm offensichtlich kein Wort. Mit dem Zeigefinger winkte er Peter zu sich heran.
Zögernd trat der Zweite Detektiv bis zum Tresen vor. Und konnte einen Blick über die Schulter seines Gegenübers auf die Monitore werfen. Sie zeigten tatsächlich Bilder aus der Tiefgarage und wechselten alle paar Sekunden die Einstellung. Autos. Türen. Autos. Betonpfeiler. Autos. Justus und Bob. Autos.
»Und wo dort?«
»W… wie bitte?« Peter riss seinen Blick los und fixierte den Wachposten. Hatte er etwas gemerkt?
»Wo arbeitet dein Vater?«
»In der… Buchhaltung«, log Peter und hoffte inständig, dass es bei Winston & Winston auch eine Buchhaltung gab. Er hatte ja nicht einmal eine Ahnung, was das überhaupt für eine Firma war.
»Und was möchtest du nun im Büro deines Vaters?«
»Seine Brieftasche holen. Er hat sie heute im Büro vergessen und mich gebeten, sie zu holen. Es ist sehr wichtig, wissen Sie. Er könnte sie natürlich auch morgen selbst holen, aber die Theatertickets für heute Abend sind drin und meine Mutter wäre –«
»Ein bisschen spät fürs Theater, meinst du nicht?«
Peter schluckte. »Es ist eine Art Nachtvorstellung.« Er konnte nicht anders. Er musste noch einen Blick auf die Monitore werfen. Da waren sie wieder! Sie rannten gerade auf eine Stahltür zu. Hoffentlich war das der Eingang zum Treppenhaus, dort waren sie in Sicherheit!
Der Wachmann bemerkte Peters Blick und drehte sich um. Im letzten Augenblick war das Bild auf eine andere Kamera gesprungen. Der Nachtwächter schien eine Ahnung zu haben. Er fixierte die Bildschirme. Als einer davon wieder die Stahltür zeigte, waren Justus und Bob verschwunden.
»Wenn dein Vater wirklich hier arbeitet, weiß er sicherlich ganz genau, dass nach sieben Uhr abends niemand, der hier nicht arbeitet, ohne Termin in dieses Gebäude kommt. Das nächste Mal denkst du dir besser eine glaubwürdigere Story aus. Und jetzt verschwinde und lass dich hier nicht wieder so schnell blicken!«
Das ließ sich Peter nicht zweimal sagen. Er machte auf der Stelle kehrt und ging eilig und mit quietschenden Sohlen zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen. Erst als er wieder auf der Straße stand, atmete er auf. Er drehte sich um und blickte die glänzende Fassade hoch. Ob Bob und Justus es geschafft hatten?
»Peter scheint seine Sache gut gemacht zu haben«, bemerkte Bob, als sie die Tür mit der großen aufgeklebten Sechs passierten. »Sonst wären wir schon längst geschnappt worden.«
Justus antwortete nicht. Er hatte nicht die Kraft dazu. Noch zwei Stockwerke. Er würde nicht einmal mehr zwei Stufen schaffen!
Sie hatten die Rampe zur Tiefgarage sofort gefunden und es war kein Problem gewesen, ins Treppenhaus zu gelangen. Weitaus problematischer war das Treppenhaus selbst – neun Stockwerke nach oben. Zu Fuß. Sie hatten es nicht gewagt, den Aufzug zu benutzen, da der Wachmann das ohne Zweifel bemerkt hätte. Ächzend schleppte sich Justus die letzten Stufen hoch, bis sie schließlich vor der Tür mit der Nummer acht standen. Der Erste Detektiv lehnte sich keuchend an die Wand und schloss für einen Moment die Augen. Verfluchte Kondition! Vielleicht hätte er doch mit Peter tauschen sollen.
»Wollen wir ewig hier im Treppenhaus bleiben?«
»Nein. Du hast Recht.« Justus öffnete die Tür einen Spalt und spähte in den dahinter liegenden Flur. Er war nur schwach beleuchtet. Kein Mensch zu sehen. Auf einem Schild an der Wand standen die Namen der Firmen, die sich in diesem Stockwerk befanden. »Eine Werbeagentur, ein Rechtsanwalt, ein Online-Unternehmen, noch ein Rechtsanwalt – aha, was haben wir denn da? ›Ethnoart – Kunstwerke aus allen Teilen der Welt‹. Scheint eine Art Kunsthandel zu sein. Ich würde sagen, das ist die erste Adresse, bei der wir unser Glück versuchen sollten.«
Sie folgten dem Wegweiser und gingen links den Gang hinunter. Kein Laut war zu hören, selbst der Klang ihrer Schritte wurde vom dicken grauen Teppichboden geschluckt. In diesem Teil des Stockwerks schien niemand mehr zu arbeiten – kein Telefonklingeln, keine klackernde Computertastatur, kein Summen eines Kopierers, es war totenstill. Bis schließlich leise Stimmen zu ihnen drangen.
»Da ist jemand!«, flüsterte Bob. »Es muss das Büro am Ende des Ganges sein!«
Sie blieben neben einer gläsernen Tür stehen, in die ein Logo eingraviert war: eine dämonische Teufelsgestalt, die sich in einem irren Tanz um den Schriftzug »Ethnoart« wand. Das Glas war getönt, daher waren nur einige Schatten auszumachen, die sich bewegten. Justus und Bob drückten sich an die Wand und lauschten.
»…an die Impfung. Es ist nicht nötig, dass die Expedition an einer heimtückischen Malaria scheitert.« Das war eindeutig die Stimme von Maria Svenson!
»Dr. Svenson hat Recht. Auf Makatao werden wir keinen Arzt konsultieren können, nur unsere Hausapotheke. Bereiten Sie sich also auf alle tropischen Krankheiten vor!«
»Malaria wird das geringste Problem sein, wenn die Gerüchte stimmen, Mr Schwartz«, warf jemand grimmig ein. »Ich traue dem Braten nicht. Und ich traue Hadden nicht! Was ist, wenn er uns alle in eine Falle locken will?« Der Mann sprach mit spanischem Akzent.
»Sie sehen Gespenster, Juan«, sagte Mr Schwartz. »Mr Hadden will seine Ware, das ist alles. Und er bietet uns eine Menge Geld dafür, dass wir sie ihm beschaffen. Es gibt keine Falle.«
»Und was ist dann mit der ›Montana‹ passiert? Das Schiff hatte das gleiche Ziel wie wir – und ist verschollen!«
»Unsinn. Es ist nicht verschollen. Wir wissen, dass die ›Montana‹ unbeschadet die Insel erreicht hat.«
»Aber Professor Phoenix und die anderen haben sich seit zwei Tagen nicht mehr gemeldet!«, rief Juan aufgebracht. »Kommt Ihnen das nicht wenigstens ein bisschen merkwürdig vor?«
»Das kann tausend Gründe haben«, sagte Dr. Svenson. »Uns ist doch klar, dass sich diese Expedition erheblich von allen anderen unterscheidet. Aber wir haben keine Wahl. Wenn wir wissen wollen, was mit Professor Phoenix geschehen ist und was sich hinter dem Geheimnis von Makatao verbirgt, müssen wir in fünf Tagen an Bord der ›Hadden Explorer‹ gehen und aufbrechen.«
»Aber das ist nicht der einzige Grund«, fügte Mr Schwartz hinzu. »Hadden wird uns in Zukunft jede Unterstützung verweigern, wenn wir nicht fahren. Und das bedeutet den sicheren Tod von Sphinx.«
Bob versetzte Justus einen Stoß in die Rippen. Als ob er es nicht selbst gehört hätte: Sphinx! Es war also doch kein Mythos!
»Einer kennt das Geheimnis«, brummte Juan. »Dieser junge Bursche!«
»Das wissen wir nicht«, sagte ein dritter Mann, der sich bisher noch nicht zu Wort gemeldet hatte. Seine Stimme war ruhig und gelassen.
»Aber natürlich, Olin! Hadden traut uns nicht. Er schickt einen seiner Leute zur Überwachung mit. Und dieser Bursche weiß garantiert, was auf Makatao vor sich geht.«
»Diese Mutmaßungen sind absurd«, sagte Schwartz entschieden. »Außerdem bringen sie uns keinen Schritt weiter. Und wir haben noch eine Menge Arbeit zu erledigen.«
»Moment noch«, sagte Maria Svenson zögernd. »Da wir gerade von Überwachung sprechen: Ich hatte heute eine seltsame Begegnung. Zwei Jungen standen vor meiner Haustür und wollten mit mir über meine Festnahme vor zwölf Jahren sprechen.«
»Wieso denn das?«
»Ich habe sie nicht nach ihren Gründen gefragt, sondern sie gleich zum Teufel geschickt. Aber einer der beiden – so ’n unangenehm Altkluger, Dicker – sprach plötzlich von Sphinx.«
»Wie bitte?«, explodierte Juan. »Was hat das zu bedeuten?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe nicht darauf reagiert und ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen.«
»Was waren das für Burschen?«, fragte Olin.
»Keine Ahnung.«
»Haben sie sich nicht vorgestellt?«
»Doch. Aber ich habe die Namen wieder vergessen. Der eine hatte einen Allerweltsnamen. Und der Dicke hieß irgendwie merkwürdig. Julius oder so. Ich weiß es nicht mehr. Aber es waren nur zwei Jungen. Ich bin sicher, dass sie ungefährlich sind. Ich wollte Sie nur unterrichten für den Fall, dass sie auch bei Ihnen aufkreuzen. Dieser Auftrag ist so schon rätselhaft genug. Halten Sie die Augen offen!«
»In Ordnung, Dr. Svenson. Jetzt sollten wir –«
»Nichts ist in Ordnung!«, rief Juan. »Sehen Sie denn nicht, was hier geschieht? Jemand ist uns auf den Fersen!«
»Es waren nur zwei Jungen, Juan!«
Schwartz räusperte sich lautstark. »Jetzt sollten wir noch mal die Ausrüstungsliste durchgehen!«
Juan schnaubte wütend. »Einen Augenblick.« Ein Stuhl knarrte. Schritte näherten sich der Tür.
Justus und Bob warfen sich einen panischen Blick zu. Auf dem gesamten Flur gab es keinen Ort, an dem man sich verstecken konnte! Bob sprang zur nächstbesten Tür und drückte die Klinke herunter – verschlossen. Es gab nur noch eins: den Gang hinunter!
Sie sprinteten los. Beinahe schien es, als würden sie die nächste Ecke erreichen, bevor Juan die Tür öffnete.
Aber nur beinahe.
»He! Bleibt stehen!«
Sie sprangen in den nächsten Flur und rannten bis zur Treppenhaustür. Daneben war der Aufzug. Hinter ihnen wurden Stimmen laut: »Zwei Jungen, ein plumper Dicker! Das sind sie bestimmt!« Jemand rannte ihnen nach. Es waren mindestens zwei Personen. Justus wusste genau, dass er bei einer Flucht über die Treppe keine Chance hatte. Er schlug auf den Fahrstuhlknopf. Wenn der Lift seit Dr. Svensons Ankunft nicht mehr benutzt worden war, war er noch auf dieser Etage.
Die Tür glitt zur Seite. Sie sprangen in die Kabine und drückten auf die Taste für das erste Untergeschoss.
»Mach schon, mach schon, mach schon«, murmelte Bob und tippelte unruhig mit dem Fuß. »Geh zu, du blöde Tür!«
Sie konnten gerade noch einen Blick auf Juan erhaschen, der um die Ecke geschossen kam, als sich die Tür schloss. Der schwarzhaarige Mann pochte dagegen, doch da setzte sich die Kabine schon in Bewegung.
»Er wird die Treppe nehmen!«
»Wir sind zu schnell, er erwischt uns nicht mehr«, meinte Justus.
»Und der andere Fahrstuhl?«
Justus biss die Zähne zusammen. »Wir gehen besser kein Risiko ein. Sobald wir unten sind, legen wir einen Sprint zu Peters Wagen ein und verschwinden hier.«
Bob stöhnte. »Zum Glück hat Dr. Svenson uns nicht gesehen. Sie hätte uns sofort wieder erkannt.«
»Wenn sie eins und eins zusammenzählen kann, spielt das keine Rolle. Sie wird sich denken können, dass wir diejenigen waren, die ihr heute Nachmittag einen Besuch abgestattet haben.«
Noch ein Stockwerk. Da fiel es Bob ein: »Was machen wir mit dem Nachtwächter? Er wird uns auf den Kameras sehen!«
»Ein Grund mehr, sich zu beeilen!«
