Die dunkle Seite des Dackels - Gabi Neumayer - E-Book
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Die dunkle Seite des Dackels E-Book

Gabi Neumayer

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Beschreibung

Kevin hat ein Problem: seinen Namen. Besonders seiner Abinote hat der nämlich gar nicht gutgetan. Und das, wo Kevin doch einen großen Traum hat: Nämlich Medizin zu studieren wie sein großes Vorbild Dr. von Sonderbergh, der Held in den Arztromanen! Einziger Ausweg scheint ein Studium im Ausland zu sein, doch das kostet Geld - viel Geld. Also überfällt Kevin kurzerhand eine Bank. Im Gewimmel eines Friseur-Flashmobs kann er auch entkommen. Aber einer heftet sich doch an seine Fersen: der neurotische Dackel Darth Vader, genannt Darcy. Und genau das könnte dem Arzt in spe zum Verhängnis werden. Darcys Besitzer lassen nämlich nichts unversucht, ihr verschwundenes Haustier wiederzufinden ...

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Tag 1

1. Kevin

2. Darth Vader

3. Kevin

4. Annika

5. Annika

6. Daniel

7. Daniel

8. Annika

9. Kevin

10. Kevin

11. Darth Vader

12. Annika

13. Daniel

14. Kevin

15. Darth Vader

16. Annika

17. Jojo und Atze

18. Kevin

19. Darth Vader

20. Daniel

Tag 2

21. Annika

22. Annika

23. Annika

24. Kevin

25. Darth Vader

26. Daniel

27. Annika

Tag 3

28. Kevin

29. Schiller

30. Daniel

31. Annika

Tag 4

32. Annika

33. Daniel

34. Annika

35. Schiller

36. Daniel

37. Kevin

38. Darth Vader

39. Daniel

Tag 5

40. Annika

41. Daniel

42. Jojo und Atze

43. Kevin

44. Darth Vader

45. Annika

Tag 6

46. Annika

47. Daniel

48. Annika

49. Daniel

50. Annika

51. Annika

52. Annika

Tag 7

53. Daniel

54. Annika

55. Kevin

56. Annika

57. Darth Vader

58. Kevin

59. Darth Vader

60. Kevin

61. Annika

62. Daniel

Tag 8

63. Annika

64. Daniel

65. Annika

66. Daniel

Tag 9

67. Annika

68. Kevin

69. Annika

70. Kevin

Zwei Wochen später

71. Annika

72. Darth Vader

Danke!

Über dieses Buch

Kevin hat ein Problem: seinen Namen. Besonders seiner Abinote hat der nämlich gar nicht gutgetan. Und das, wo Kevin doch einen großen Traum hat: Nämlich Medizin zu studieren wie sein großes Vorbild Dr. von Sonderbergh, der Held in den Arztromanen! Einziger Ausweg scheint ein Studium im Ausland zu sein, doch das kostet Geld – viel Geld. Also überfällt Kevin kurzerhand eine Bank. Im Gewimmel eines Friseur-Flashmobs kann er auch entkommen. Aber einer heftet sich doch an seine Fersen: der neurotische Dackel Darth Vader, genannt Darcy. Und genau das könnte dem Arzt in spe zum Verhängnis werden. Darcys Besitzer lassen nämlich nichts unversucht, ihr verschwundenes Haustier wiederzufinden …

Über die Autorin

Gabi Neumayer hat in den letzten 30 Jahren zahlreiche Bücher veröffentlicht und war darüber hinaus journalistisch tätig. Sie lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Köln. Was sie zur Krimikomödie »Die dunkle Seite des Dackels« inspiriert hat? Vielleicht der Nachbarsdackel, der ein wenig wie Darth Vader klingt. Oder ihre Häkeltiere, die unbedingt in der Anti-Aggressions-Häkelgruppe im Roman mitspielen wollten. Oder einfach die Lust darauf, einen Bankräuber wider Willen, eine Heftromanautorin, einen neurotischen Dackel und einen Schaffner auf der Flucht zusammenzuwerfen und zu sehen, was passiert.

GABI NEUMAYER

DIE DUNKLESEITE DESDACKELS

EIN KRIMIMIT HUND UND HERZ

beTHRILLED

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Die Autorin wird vertreten durch die Autoren- und Projektagentur Gerd F. Rumler (München)

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Uwe Raum-Deinzer

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von Motiven © Shutterstock

Innenillustrationen: © Shutterstock / Antonina Prokhorova

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-9516-7

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Tag 1

Zombies mit Laktoseintoleranz

1. Kevin

Kevin Kaminski war es gewohnt, unterschätzt zu werden. Nicht, dass er besonders bescheiden oder schüchtern gewesen wäre. Nein, schuld war dieser unsägliche Vorname, der an ihm klebte wie ein Hundehaufen am Schuh.

Dabei hatte es seine Mutter gar nicht böse gemeint, als sie ihrem Kind mit einem einzigen Satz auf dem Standesamt (»Der Junge soll Kevin heißen!«) seine gesamte Zukunft versaut hatte. Sie liebte den Schauspieler Kevin Bacon, darum war ihr der Name vermutlich sogar wie ein gutes Omen für ihren Sohn vorgekommen.

Hätte er damals schon sprechen können, hätte er ihr erklärt, dass man mit einem Namen wie »Kevin Schinkenspeck« vielleicht in Hollywood ein Star werden konnte; in Deutschland bekam man damit höchstens eine Stelle als Metzgerlehrling. Sofern man es nach den Demütigungen der Schulzeit überhaupt noch wagte, eine Bewerbung zu schreiben.

Bis zur zweiten Klasse war noch alles in Ordnung gewesen. Aber dann waren sie in ein besseres Viertel gezogen, und ab da ging alles schief. Seine neuen Mitschüler hatten schnell begriffen, dass Kevin nicht nur klüger war als der Durchschnitts-Kevin, sondern auch noch klüger als sie. Also hatten sie ihn – logisch – verprügelt. Seine Lehrer durften ihn zwar nicht verprügeln, aber sie glaubten nur zu gern, dass seine Leistungen auf Betrug zurückzuführen sein mussten. Vor allem, weil sie regelmäßig Spickzettel in seiner Tasche fanden, die von Lara-Lena oder Maximilian dort deponiert worden waren.

Ohne die Empfehlung seiner Grundschullehrerin Chantal Schmitz wäre Kevin damals nicht mal aufs Gymnasium gekommen. Doch zwischen all den Alexanders und Sarah-Marias hatte er dort ebenfalls keine Chance gehabt. Mit seiner Abinote hätte er gerade mal Abfallwirtschaft studieren können. Oder Tiermanagement, was immer das sein mochte. Wahrscheinlich ein besserer Name für »Kammerjäger«.

Sobald er alt genug war, versuchte Kevin, seinen Vornamen ändern zu lassen. Keine Chance. Sein Name sei weder zu kompliziert, noch gebe er seinen Träger der Lächerlichkeit preis. So die Meinung seines Sachbearbeiters Simon von der Aue.

Kurz nach der Abifeier fing Kevins Mutter an, ihn zu drängen, er solle sich einen Job suchen. Aber Kevin zögerte. Er war nicht bereit, in irgendeinem Doofenjob zu versauern, wie es jeder von ihm zu erwarten schien. Aber was sollte er sonst tun? Was konnte er tun?

Und dann schlich sich ein Gedanke in seinen Kopf, der wie ein lästiger Verwandter keine Anstalten machte, wieder zu verschwinden: Warum nicht einfach kriminell werden, wie es offenbar alle Welt von einem Kevin erwartete? Zumindest so lange, bis er genug hatte, um sich einen gefälschten Pass mit einem anderen Namen zu besorgen und als Timo oder Paul woanders neu anzufangen?

Tagelang wälzte Kevin diese Idee hin und her. Er las seinem Gewissen, das ihn von diesem Plan abhalten wollte, eine Liste mit all den Ungerechtigkeiten vor, die er bislang hatte ertragen müssen. Widerwillig, aber beeindruckt gab sein Gewissen schließlich nach. Und so fuhr Kevin zum Bahnhof, wo er sich als Taschendieb das nötige Kleingeld für einen falschen Pass besorgen wollte.

Der Zeitungsladen schien ihm dafür der beste Ort zu sein: Hier waren die Leute einerseits in Eile und andererseits durchs Lesen abgelenkt. Um nicht aufzufallen, nahm Kevin irgendeinen Arztroman aus dem Bücherständer – und in diesem Augenblick veränderte sich sein Leben.

Dr. Hendrik von Sonderbergh, der Held des Arztromans, hatte es – genau wie Kevin – im Leben nicht leicht gehabt. Sein Name war natürlich nicht das Problem gewesen, aber wegen seines unnahbaren, ständig abwesenden Vaters und seiner trunksüchtigen Mutter hatte er als Kind ein kaltes und liebloses Zuhause gehabt. Doch trotz dieser schweren Bürde war Dr. von Sonderbergh zu einem großzügigen, verständnisvollen, weltweit geschätzten Chefarzt aufgestiegen.

Wie in Trance las Kevin »Verhängnisvolles Vertrauen« gleich dort, vor dem Bücherständer, durch. Und von dieser ersten Geschichte an – in der der Arzt eine Epidemie des tödlichen Nipah-Virus verhinderte und gleichzeitig die vor dem Aus stehende Ehe einer Kinderkrankenschwester rettete – war Kevin besessen von Dr. von Sonderbergh.

Natürlich vergaß er nie, dass der Arzt nur eine erfundene Figur war. Aber das spielte keine Rolle. Er und dieser Arzt hatten beide Schreckliches erlebt. Sie waren wie Brüder! Im Gegensatz zu Kevin hatte Dr. von Sonderbergh jedoch nie aufgegeben, hatte für sein Glück gekämpft und führte jetzt ein ausgefülltes, aufregendes Leben als von allen bewunderter Chefarzt in der »Klinik am Useriner See«.

Kevin beschloss kurzerhand, ebenfalls Arzt zu werden und sich mit einer Landarztpraxis selbstständig zu machen. Vielleicht sogar in der Seenlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns wie Dr. von Sonderbergh. Menschen zu bestehlen, das erschien ihm mit einem Mal völlig unmöglich. Was hätte der Arzt denn von ihm denken sollen!

Weil seine Abinote für ein Medizinstudium aber nicht ausreichte, fing Kevin hoch motiviert als Aushilfspfleger in einem Krankenhaus an. Er war fest entschlossen, in den nächsten Jahren genug zu sparen, um im Ausland Medizin zu studieren.

Zusammen mit seiner Freundin Soraya, die einen ähnlichen Leidensweg hinter sich hatte wie er und als Auszubildende derzeit so gut wie nichts verdiente, mietete Kevin eine Einzimmerwohnung mit einem winzigen Bad. Doch obwohl sie sich nie einen Urlaub gönnten, sich nicht einmal einen Restaurantbesuch leisteten und selbst im größten Schneesturm mit dem Rad zur Arbeit fuhren, reichte das Geld gerade so zum Überleben.

Aber Kevin war nicht bereit aufzugeben. Er wollte doch nur, was ihm zustand: eine Chance!

Im Grunde – so wurde ihm klar, als er eines Spätwintermorgens mit Raureif im Dreitagebart aufwachte, weil sie die Heizung abgedreht hatten –, im Grunde blieb ihm nur noch eine Möglichkeit.

Kevin rang dieses Mal noch heftiger mit seinem Gewissen als nach dem Abitur. Doch er hatte wirklich alles versucht, und nun gab es keinen anderen Weg mehr. Außerdem: Wenn er es richtig anstellte, würde im Grunde niemand zu Schaden kommen.

Und darum saß er jetzt hier, in dem uralten Ford Ka seines Freundes Bertil, in der Tiefgarage am Schälplatz, und sah alle paar Sekunden auf die Uhr (ebenfalls eine Leihgabe von Bertil), während er an seinem Brot vom Vortag mit längst abgelaufener Teewurst aus dem Container eines Supermarkts kaute.

8:58 Uhr. Kevin murmelte halblaut seine Lieblingsstelle aus »Der Tupfer des Todes« vor sich hin, in der Dr. von Sonderbergh sich vor einer heiklen OP Mut zusprach: »Du hast Zweifel, du hast sogar – wenn du ehrlich bist – ein wenig Angst. Aber das wirst du ihnen nicht zeigen. Du wirst gelassen lächeln, und dann tust du, was du tun musst. Denk an Schillers unsterbliche Verse, Hendrik: ›Da treibt ihn die Angst, da fasst er sich Mut / Und wirft sich hinein in die brausende Flut.‹ Also, reiß dich zusammen!«

9:02 Uhr. Kevin wischte sich den Schweiß ab, der unter der grauen Perücke hervortropfte. Er wollte doch nur, was man ihm ungerechterweise vorenthalten hatte!

9:03 Uhr.Kämpfen für sein Recht, schön und gut. Aber so was hätte Dr. von Sonderbergh, sein großes Vorbild, niemals gemacht. Andererseits: Wer wusste schon, was der Arzt alles hatte tun müssen, um so weit zu kommen? Es gab keine Geschichten über seine Jugend – vielleicht aus gutem Grund.

9:05 Uhr. Kevin fiel das Teewurstbrot aus der Hand und hinterließ einen dunklen Fettfleck auf seiner Hose.

9:07 Uhr. Er warf einen letzten Blick in den Rückspiegel und stieg aus. Dann schloss er das Auto ab, strich den weißen Arztkittel glatt und richtete sein Stethoskop. Am Ausgang nickte er dem Parkhauswächter würdevoll zu, bevor er hinaus in die Maisonne trat.

So früh am Morgen war hier normalerweise wenig los. Doch je näher Kevin dem Schälplatz kam, desto mehr Menschen waren in derselben Richtung unterwegs wie er.

Die meisten von ihnen waren auffällig gestylte junge Frauen, und alle trugen sie riesige Schultertaschen oder zogen Rollkoffer hinter sich her oder beides. Manche karrten Kanister mit heißem Wasser heran, andere bauten Tische und Hocker auf, legten Scheren, Bürsten, Kämme und Umhänge zurecht. Einige waren auch schon mit Kundinnen beschäftigt, die sich beim »Ersten Kölner Cut-in« umsonst die Haare machen lassen wollten.

Zielstrebig ging Kevin auf die Bank zu. Zwei Frauen in dunklen Kostümen – offenbar Bankangestellte – standen davor und sahen sich das Spektakel auf dem Platz an.

Das lief ja besser, als er erwartet hatte! Kevin warf einen Blick durchs Fenster der Bank. Ja, genau wie geplant: Der erste Schwung Kunden war zehn Minuten nach Öffnung der Bank bereits wieder weg. Darunter hatte sich, wie er wusste, wie jeden Morgen um neun auch ein Mitarbeiter der Burger-Filiale um die Ecke befunden.

Kevin wartete, bis der letzte Kunde herauskam. Dann betrat er die Bank, ging auf den einzigen besetzten Schalter zu und sagte mit tonloser Stimme: »In diesem Stethoskop befindet sich ein Sprengsatz, aber wenn Sie genau das tun, was ich Ihnen jetzt sage, wird niemand verletzt werden.«

Es war geradezu lächerlich einfach.

Leise forderte Kevin die grauhaarige Bankangestellte auf, alles Bargeld in seine Arzttasche zu packen. Sie gehorchte, ohne zu zögern. Er musste sie nicht einmal auf die Einzahlung der Burger-Filiale hinweisen.

»Wenn ich gehe, werden Sie fünf Minuten warten …«, Kevin wies auf die große Uhr in der Schalterhalle, »… bevor Sie Alarm auslösen. Sollte ich vorher irgendetwas Verdächtiges bemerken …«, er deutete auf sein Stethoskop, »… werde ich diesen Sprengsatz mitten auf dem voll besetzten Platz da draußen zünden.«

Die verängstigte Frau blickte durch die große Scheibe auf die etwa dreißig Friseurinnen und Friseure auf dem Platz, die Haare schnitten, föhnten und flochten und dabei mit ihren Kunden scherzten. Sie schüttelte heftig den Kopf. »Ich … Sie haben mein Wort.« Schweiß stand auf ihrer kreidebleichen Stirn. Ein Tropfen bahnte sich seinen Weg ihren Hals entlang.

In diesem Moment erschrak Kevin über sich selbst. Am liebsten hätte er gesagt: »Keine Angst, da ist gar kein Sprengsatz drin.« Oder wenigstens: »Es tut mir leid, ich kann nicht anders.« Doch er musste das jetzt durchziehen. Auch wenn die arme Frau sicher eine Weile brauchen würde, um dieses traumatische Erlebnis zu verwinden.

Er wünschte ihr von Herzen, dass sie es schaffte.

Als Kevin die Bank verließ, war das Cut-in in vollem Gange. Der Schälplatz platzte aus allen Nähten. Kevin hätte gern nur ein einziges Mal gerufen: »Bitte lassen Sie mich durch, ich bin Arzt!« Aber das war gar nicht nötig. Allein der weiße Kittel und sein eiliger Gang bewirkten schon, dass sich die Menge vor ihm teilte wie das Meer vor Moses.

Ein großartiges Gefühl. Fühlte man sich als Arzt immer so? Kevin konnte Dr. von Sonderbergh förmlich hören: »Nicht immer, aber sehr oft, mein Freund. Wenn du erst einmal ein Leben gerettet hast, das verloren schien …«

Ja, wenn er Glück hatte, hatte Kevin heute tatsächlich ein Leben gerettet. Sein eigenes.

Beschwingt eilte er über den Platz. Doch als er in Richtung Parkhaus abbiegen wollte … war da plötzlich dieser dicke Dackel. Kläffend rannte er auf Kevin zu, sprang an ihm hoch. Kevin versuchte, ihn mit der Tasche abzuwehren, aber die Töle bellte nur noch lauter und klammerte sich an sein Bein.

2. Darth Vader

Meine Menschen schreien sich an. »Duhfaschteesmichnich« und »Duhbisimmavolunaufmäksam« und »Suchdiaentlichnenrichtigendschopp«.

Langweilig.

Da vorne sind viele Frauchen. Sie riechen lecker. Ich will losrennen, aber das geht nicht. Immer wenn ich renne, schreit die Flieder-Frau: »Haltaasweda!« Dann gibt es einen Ruck und der Würger packt meinen Hals. Dann kriege ich keine Luft mehr.

Ich schnüffle auf dem Boden. Dreibein war gestern hier. Und kurz danach Stinkfell und Plattnase. Ich folge Plattnases Spur. Und dann brennt sie plötzlich in meiner Nase:

DIE MACHT!

Sie ist stärker als ich. Ich renne los. Ich muss DER MACHT folgen! Nichts kann mich aufhalten. Auch der Würger nicht. Er zappelt wie eine Schlange hinter mir auf dem Boden, aber er würgt mich nicht mehr.

DIE MACHT führt mich zu Wursthose. Ich springe hoch, rufe: »Gib sie mir!« Wursthose wedelt mit den Vorderbeinen. Aber ich will jetzt nicht spielen. DIE MACHT lässt mich lauter rufen: »Ich will sie, sofort!« Wursthose geht. Ich klammere mich an sein Hinterbein. Wursthose geht weiter. Ich mag dieses Spiel, aber nicht jetzt. Ich rufe, so laut ich kann: »Gib sie mir auf der Stelle, sonst muss ich etwas Schlimmes tun! DIE MACHT verlangt es!« Wursthose schüttelt mich ab und rennt weg. Ich renne hinter ihm her.

Er kann mir nicht entkommen.

DIE MACHT gewinnt immer.

3. Kevin

Die ersten Menschen sahen zu ihnen herüber. Kevin musste hier weg!

Er hob das Bein und trat so heftig in die Luft, dass er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Aber es funktionierte: Der dicke langhaarige Hund plumpste zu Boden. Während Kevin losrannte, rappelte er sich jedoch gleich wieder auf und sauste laut bellend hinter Kevin her.

Bis ins Parkhaus verfolgte er ihn, sprang um Kevin herum, als der zuerst sein Parkticket am Automaten bezahlte und sich danach vor seinem Wagen die Perücke und den Arztkittel herunterriss. Dort verbiss sich der Dackel in Kevins Hosenbein. Fluchend zog Kevin die teure Hose aus.

Aber er konnte sie dem Hund doch nicht überlassen! Wenn sie nun jemand als die Hose des Bankräubers erkannte und DNA-Spuren nachgewiesen wurden?

So was wäre Dr. von Sonderbergh nie passiert. Kevin seufzte. So was passiert nur einem Kevin.

Kevin griff nach dem Ende eines Hosenbeins und zog. Doch der Dackel ließ nicht los, auch nicht, als Kevin mit aller Kraft an der Hose zerrte. Das Einzige, was er erreichte, war, dass die Hose samt bellendem Hund auf dem Rücksitz landete. Dort hörte der dicke Dackel endlich auf zu kläffen und begann selig zu kauen.

Na gut. Dann würde er ihn eben später loswerden. Jetzt musste er erst einmal hier weg. Kevin verstaute die Perücke, den Kittel und die Arzttasche mit dem Geld im Kofferraum und fuhr langsam los.

Niemand folgte ihm, keine Polizeistreife hielt ihn an. Er war nun kein Arzt mehr, nur noch ein ganz normaler Mann.

Ein Mann ohne Hose, aber dafür mit Hund.

Und mit etwa zweihunderttausend Euro in bar.

4. Annika

Annika Conrad machte es nichts aus, auf Formularen unter Beruf »Heftromanautorin« einzutragen. Sie hatte sich damals für diesen Job entschieden, weil sie geglaubt hatte, er wäre ideal, um ihre hyperaktive Fantasie und ihr Schreibtalent miteinander zu verbinden. Doch sie hatte lernen müssen, dass Fantasie für diesen Job nicht nur unbedeutend, sondern sogar hinderlich war: Jede originelle Idee wurde aus ihren Romanen rausgestrichen, nur 08/15-Storys waren gefragt.

Das machte ihr sehr wohl etwas aus.

Doch dann war ihr vor einem halben Jahr die Idee zu diesem Drehbuch gekommen. Vielleicht war das der richtige Weg, um mit ihrer Fantasie endlich einmal Geld zu verdienen? Die Geschichte des schüchternen Mannes, der ungewollt zum Helden wurde, schrie jedenfalls förmlich nach einer Verfilmung. Und wenn sie dann noch Kevin Bacon als Hauptdarsteller gewinnen konnte, musste das eigentlich ein Erfolg werden.

Oder wenigstens Jürgen Vogel.

Genau, schreib einen Blockbuster, dann brauchst du dir nie mehr schmalzige Geschichten mit gottgleichen Ärzten und hochnäsigen Direktorengattinnen mit Laktoseintoleranz auszudenken,brachte ihre innere Stimme es auf den Punkt. Aber Annikas innere Stimme schoss wie üblich übers Ziel hinaus. Sie hatte offenbar keine Ahnung, wie schwierig es war, einen Produzenten (geschweige denn einen Hollywood-Star!) für ein Drehbuch zu begeistern.

Trotzdem: Annika war überzeugt, dass sie nur eine Chance bräuchte, ihre Idee vorzustellen. Dann würde jeder Produzent, der sein Geschäft verstand, sofort begreifen, dass dieser Film mit der richtigen Besetzung ein Welterfolg werden musste, und händeringend versuchen, die Rechte zu ergattern.

Auf ihre bisherigen Versuche hin hatte sich leider noch kein Produzent gemeldet. Aber Annika war jederzeit bereit: Seit sie ihr Drehbuch zum ersten Mal verschickt hatte, hing an ihrer Kleiderstange immer ein sauberes Vorstellungsgesprächs-Outfit. Daneben eine Schultertasche mit einem Ausdruck ihres Drehbuchs, fünfzig Exemplaren ihrer Visitenkarte und einem Knäuel Wolle mit Häkelnadel. Wann immer der Produzent sich bei ihr meldete: Sie würde ihn wie aus dem Ei gepellt und top vorbereitet begeistern.

Als an einem Maitag gegen halb acht der entscheidende Anruf kam, hätte Annika nicht unvorbereiteter sein können.

Sie hatte gerade mal vier Stunden geschlafen. Es rumorte in ihrem Magen, Lichtlanzen stachen ihr durch die Augäpfel in den Kopf. Und ihre Haare sahen vermutlich aus wie ein rotes Wollknäuel, an dem sich ein Wurf Kätzchen ausgetobt hatte.

»Chantal?«, nuschelte sie ins Handy. Chantal war gestern ein Jahr lang von Tom getrennt gewesen, und das hatten sie natürlich feiern müssen.

»Äh …«, sagte eine dünne Männerstimme.

»Wer issn da?« Annika dämmerte wieder weg.

»Äh, es geht um Ihr Drehbuch. Könnten Sie eventuell gleich zu einem Gespräch vorbeikommen?«

Eine Sekunde später war sie hellwach aus dem Bett gesprungen, und eine weitere Sekunde darauf hatte sie die Kleiderstange beim Herunterreißen ihres Vorstellungsgesprächskleids umgeworfen. Sie zog es, mit dem Handy am Ohr, aus dem Kleiderhaufen und hüpfte, ohne das Gespräch zu unterbrechen, in ihr winziges Bad.

Der berühmte Produzent Karim Schulz! Fragte, ob sie unter Umständen gleich vorbeikommen könne! Um über ihre Drehbuchidee zu sprechen!

Als er ihr die Adresse durchgab – als würde sie die nicht kennen! –, war sie bereits fertig angezogen und notdürftig gekämmt. Sie drückte sich eine Vierteltube Zahnpasta in den Mund und nuschelte: »Geben Sie mir zwanzig Minuten.« Als er stammelte: »Dann … dann bis gleich«, hängte sie sich die Schultertasche um und schloss die Wohnungstür ab. Und während sie winkend auf den Taxistand zurannte, obwohl sie sich gar kein Taxi leisten konnte, keuchte sie: »Ich bin schon sehr gespannt auf Ihre Anregungen zu meinem Drehbuch.«

Das Gelände der Produktionsfirma lag wie ausgestorben da. Annika wusste nicht, ob sie sich geschmeichelt fühlen sollte, weil der Filmproduzent sich ihr außerhalb seiner normalen Arbeitszeit widmete. Vielleicht wäre Angst eher angebracht gewesen. Vielleicht war Schulz in seiner Freizeit ja ein psychopathischer Axtmörder.

Ein junger Mann nahm sie in Empfang, der kaum dem Teenageralter entwachsen sein konnte und den die Hormone immer noch plagten. Als er sie sah, errötete er; seine Pickel leuchteten weiß wie Kreidefelsen in der Wüste. Annika lächelte, aber das bereute sie sofort, weil er nun auch noch fontänenartig zu schwitzen begann. Trotzdem ergriff sie beherzt seine glitschige Hand.

»Ich freue mich sehr, dass Herr Schulz über mein Skript sprechen möchte«, sagte sie.

Ihr Gegenüber wechselte die Gesichtsfarbe von Knallrot zu Leichenblass, wie ein sterbendes Chamäleon. Wenn er in Ohnmacht fiel, würde Annika ihn nicht festhalten können. Er würde ihr durch die Finger flutschen … Jetzt nur nicht kichern. Sonst konnte sie ihre Träume vom Film vergessen.

»Äh … ja … Ich bin Karim Schulz«, sagte der Mann. »Bitte folgen Sie mir.«

Annika war froh, dass Schulz sich sogleich umdrehte und loshastete. Andernfalls hätte sie ihren fassungslosen Gesichtsausdruck irgendwie erklären müssen. Dieser picklige Junge war der berühmte Filmproduzent? Kein Wunder, dass es im Netz kein einziges Foto von ihm gab!

Sie durchquerten ein Studio von den Ausmaßen eines Flugzeughangars, und plötzlich wurde Annika übel. Was hatte sie hier verloren? Sie gehörte nicht hierher. Sie war doch nur eine kleine Groschenheftschreiberin …

Dir ist nur schlecht, weil du ungefähr zwanzig Kölsch getrunken und nicht gefrühstückt hast. Sieh dir Schulz an, passt der vielleicht besser hierhin als du?

Ihre innere Stimme hatte recht. Wenn dieser pickelige Junge sich hier zu Hause fühlte, konnte sie das auch. Sie durfte nur nicht aus lauter Nervosität sarkastisch werden. Dadurch hatte sie sich schon mehr als eine Chance im Leben vermasselt.

Endlich hatten sie das andere Ende des Studios erreicht. Schulz führte sie in einen spärlich eingerichteten Raum, der von einer zwei Meter großen Pappmaché-Nixe mit gewaltigen Brüsten dominiert wurde.

»Hübsches … Gesicht«, sagte Annika grinsend, während ihre innere Stimme schrie: Das nennst du »nicht sarkastisch werden«?!

»Äh, das ist nur … das ist nicht mein Büro«, stieß Schulz hervor, während sich ein Schweißrinnsal den Weg von seinen Schläfen bis in den Kragen seines Hemdes bahnte.

Ja, klar, wollte es aus Annika herausbrechen, aber sie schaffte es, das Schlimmste abzuwenden: »Ja … ich verstehe.«

Schulz ließ sich schwer atmend in den Ledersessel hinter dem Glasschreibtisch fallen und bot Annika mit einer schwachen Handbewegung einen Platz auf dem knallroten Sofa neben dem Schreibtisch an, das wie ein Kussmund geformt war.

»Aha, die Besetzungscouch«, meinte Annika munter.

Schulz erstarrte. Seine Pickel schienen ihm aus dem Gesicht zu springen, er atmete nicht mehr.

Warum hat man nie einen verdammten Knebel dabei, wenn man einen braucht?,schnaubte Annikas innere Stimme.

Ich kann nichts dafür! Guck dir dieses Zimmer doch mal an, gab Annika zurück.

Ihr verlegenes Lachen, das hörte sie selbst, klang völlig überdreht. Sie war so ein Idiot! Karim Schulz war ihre große Chance auf einen Drehbuchvertrag. Den er umgehend verbrennen würde, wenn er wegen ihr mit einem Herzinfarkt auf der Intensivstation landete.

Also, sobald er wieder ein Feuerzeug halten konnte.

Fast wünschte sie, er würde sie mit einer Axt angreifen anstatt so regungslos dazusitzen.

Da, er bewegte sich! Sein Lachen klang ebenso unecht wie Annikas, aber zumindest atmete er noch. Vielleicht war doch noch nicht alles vorbei.

Und so saß Annika still auf der Couch und widerstand dem Drang, zur Beruhigung ihre Häkelutensilien auszupacken, während Schulz Papiere hin und her schob und seine Gesichtsfarbe sich langsam normalisierte. Schließlich räusperte er sich. »Also, die Story hat was. Diese Sache mit dem Typen, der eigentlich auf der Flucht ist, dann aber die Welt rettet, obwohl er dadurch seine Tarnung verliert …« Schulz sah Annika an, senkte den Blick aber gleich wieder. »Das könnte ganz großes Kino werden.«

Annika wäre am liebsten aufgesprungen und hätte ihn umarmt. Doch der heikle Stand ihrer Beziehung hielt sie davon ab. Und seine Pickel.

»Aber …«, sagte Schulz.

Ein kalter Dolch durchbohrte Annika und spießte sie auf das Kussmund-Sofa.

»… die Hauptfigur gefällt mir noch nicht so recht«, fuhr Schulz fort. »Sie braucht mehr Wumms.«

»Wumms?«

»Äh, ja, Sie wissen schon, knallharte Zielstrebigkeit. Ich stelle ihn mir kernig vor. Verwegen. Aber auch clever. Und geheimnisvoll. Und natürlich mit Humor.«

Annikas Geschichte war eine gesellschaftssatirische Actionparodie. Ihre Hauptfigur war ein gebrochener, schüchterner Mann, der die Welt quasi aus Versehen rettete und dadurch ungewollt zum Helden wurde. Er war sozusagen das Gegenteil von zielstrebig und knallhart.

Doch Annika hatte schon eine Menge darüber gehört, wie es im Filmbusiness lief, also nickte sie einfach. »Ich verstehe. Könnten Sie mir vielleicht ein Beispiel geben?«

»Ich denke da an so einen wie Chris Pratt. Oder wie Bruce Willis in jung. Mit Haaren. Oder Leonardo di Caprio, aber jünger als jetzt – und natürlich schlanker.«

»Natürlich.«

»Dann … Also, überarbeiten Sie das einfach, und melden Sie sich, wenn Sie …«

»Das mache ich. Vielen Dank.«

Annika nahm seine feuchte Visitenkarte mit einem hoffentlich überzeugenden Lächeln entgegen. Sogleich lief Schulz wieder rot an, was seine Pickel ein letztes Mal optimal zur Geltung brachte.

Wie Fettbröckchen in einer Salami, dachte Annika erschöpft.

5. Annika

Annika machte sich auf den Weg von der Produktionsfirma zur Straßenbahnhaltestelle. Sie kaufte zwei remouladetriefende Käsebrötchen und einen Halbliter-Becher Kaffee und vertilgte alles in Rekordzeit. Währenddessen lief ihr Gehirn auf Hochtouren, denn Schulz’ Aufforderung, ihre Hauptfigur massiv zu verändern, stellte sie vor ein großes Problem.

Annika beneidete die Autoren, die hemmungslos den Verfolgungswahn von Tante Inge, die Spinnenphobie des Hausmeisters, das pausbäckige Gesicht der zehnjährigen Nichte und die Begeisterung ihres Zahnarztes für Pin-up-Fotos aus den Zwanzigerjahren kombinierten, um daraus einen unvergesslichen Charakter zu schaffen. Sie selbst brauchte immer einen einzigen Menschen als Inspiration, der alle wichtigen Merkmale ihres erfundenen Charakters in sich vereinte.

Möglichst jemanden, der ihr nicht nahestand. Seit der Sache mit Erina, die als Vorbild für die nymphomanische Oberschwester in Annikas Arztserie gedient hatte, lebten ihre Freunde in Angst davor, von ihr als Modell für einen fiktiven Charakter erwählt zu werden. Annika hatte nicht viele Freunde, und sie würde keinen einzigen davon aufs Spiel setzen. Nicht mal für Hollywood. Oder Babelsberg. Oder Köln.

Sie musste also einen Prototypen für ihren neuen Helden finden. So schnell wie möglich.

Am besten fing sie sofort mit der Suche an.