Die Eisenritter - Lucian Caligo - E-Book

Die Eisenritter E-Book

Lucian Caligo

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Beschreibung

Die Galaxie wird vom Kult der Eisenritter beherrscht. Nachdem der Eisenritter Judas in einer Raumschlacht seine Ordensschwester Ebba verloren hat, erfasst ihn unerklärliche Trauer. Die Gebete an ihren Gott gerichtet helfen nicht, obwohl er sich doch für seine Begleiterin freuen sollte, weil sie an der Seite ihres Eisgottes weilt. Als Judas außerdem verboten wird, den rätselhaften Tod von hunderten Minenarbeitern zu untersuchen, reift in ihm die Gewissheit, dass mit seinem Orden und mit ihrem Gott etwas nicht stimmt. Er kann nicht anders als diesen Zweifeln nachzugehen, auch wenn er weiß, dass er dadurch zu einem Ketzer wird.

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Inhalt

Cover

Titelei

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Epilog

Lucian Caligo

Die Eisenritter

Der Pilgerpfad

Science-Fiction

Caligo, Lucian : Die Eisenritter. Der Pilgerpfad. Hamburg, Plan9 Verlag 2021

1. Auflage 2021ISBN: 978-3-948700-17-1

Dieses Buch ist auch als eBook erhältlich und kann über den Handel oder den Verlag bezogen werden.ePub-eBook: 978-3-948700-18-8

Lektorat: Bianca Weirauch, GeraKorrektorat: Aileen Hiecke, FrankfurtSatz: 3w+p GmbH, RimparUmschlaggestaltung: Christl Glanz, Agentur Guter Punkt, MünchenUmschlagmotiv: Roboter: © grandeduc/GettyImages, Bildnummer: 1262276039; Nebel: © vistoff/GettyImages, Bildnummer: 959852580; Kabel: © grandeduc/GettyImages, Bildnummer: 1192065714

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

Der Plan9 Verlag ist ein Imprint der Bedey Media GmbH,Hermannstal 119k, 22119 Hamburg und Mitglied der Verlags-WG:https://www.verlags-wg.de

© Plan9 Verlag, Hamburg 2021Alle Rechte vorbehalten.https://www.plan9-verlag.deGedruckt in Deutschland

Prolog

»Alle Ritter auf Gefechtsstation«, dröhnte es aus der Rufanlage. Gleichzeitig reflektierte der blitzsaubere Stahl der Liftwände das rot aufleuchtende Licht. Im Turbolift schossen die Eisenritter Ebba und Judas zum Hangar des Großkampfschiffes, auch Großschwert genannt, hinunter. Dieses gewaltige Schiff konnte dazu benutzt werden, feindliche Raumschiffe zu rammen und einem Schwert gleich aufzuspießen. Ein Manöver, das viel Energie kostete und schon lange nicht mehr zum Einsatz gekommen war.

Es dauerte nur wenige Sekunden, aber Judas kam es wie eine Ewigkeit vor, bis der Lift sein Ziel erreichte. Die Tür glitt auf und die beiden Ritter stürmten hinaus. Dabei stieß Judas mit einem Novizen zusammen. Der Junge prallte regelrecht von dem Kampfpanzer des Eisenritters ab und wurde zu Boden geworfen. In der Rüstung hatte Judas den Zusammenstoß nicht einmal gespürt. Schnell trat er neben den Novizen und hob den schmächtigen Jungen auf die Beine, indem er ihm unter die Arme griff und ihn wie eine Puppe aufrichtete. Blinzelnd sah der Novize den Ritter an, als müsse er seinen Schwindel abschütteln.

»Alles in Ordnung?«, fragte der Eisenritter besorgt.

»Ihr seid Ritter Judas«, kam es dem Novizen über die Lippen, als er den Mann erkannte.

Judas wusste um das Ansehen, das Ebba und er im Orden genossen. Diese Art der Heldenverehrung war ihm zuwider.

»Alles, was wir tun, geschieht zum Ruhm des Eisengottes«, erinnerte er den Jungen deshalb. »Und jetzt folge deinen Befehlen, Novize.« Judas ließ ihn mit einem Ruck los.

»Natürlich.« Der Junge straffte sich und rannte den Gang in Richtung der Flakgeschützstellungen hinunter, während er sich noch einmal zu den Eisenrittern umdrehte. Novizen fiel in einer Kampfsituation die Aufgabe zu, die schweren Geschütze des Großschwertes zu bedienen. Eine undankbare Aufgabe, denn Ruhm gab es dort nicht zu holen.

»Er sieht zu dir auf«, meldete Ebba über den Kommunikator. Sie hatte den Energiehelm ihrer Rüstung bereits aktiviert. Ihr schmales Gesicht lag nun hinter einem blauen, durchscheinenden Kraftfeld.

»Heldenverehrung ist kein Gebot des Ordens«, schmetterte Judas sie ab und aktivierte ebenfalls seinen Helm. Gemeinsam liefen sie den Gang in Richtung Hangar. Dort standen etliche Klingenjäger bereit, in denen sich weitere Eisenritter kampfbereit machten.

»Und dennoch brauchen wir Vorbilder, greifbare Personen, an denen wir Beispiel nehmen können«, beharrte Ebba.

Gemeinsam kamen sie vor einem freien Klingenjäger an. Judas nutzte den Schwerkraftregler seiner Rüstung, um schneller in die Klingensektion des Jägers zu steigen.

Ein Klingenjäger bot Platz für zwei Ritter. Ebba fiel wie immer die Aufgabe der Pilotin zu. Judas hingegen nahm die Position des Klingenpiloten ein. Bis die Sektion abgetrennt und auf ein feindliches Großkampfschiff geschossen wurde, kümmerte er sich um die Instrumente und Schilde des Jägers.

Unentwegt drangen ihre Feinde, die Auglaras, in das Sternensystem des Ordens ein. Aber auch heute würden die Eisenritter diese widerwärtigen Ketzer zurückschlagen. Judas hatte keine Zweifel an ihrem Kampfeinsatz oder daran, dass der Krieg gegen die Echsenwesen richtig war.

Als Ebba neben ihm im Cockpit saß und der Klingenjäger die beiden identifiziert hatte, startete dieser automatisch die Systeme.

»Alle Ritter auf Gefechtsstation!«, echote die Stimme des Bordcomputers unentwegt. Gleichzeitig schrillte die Sirene durch den Hangar. Schlagartig wurde es still, als sich das Kraftfeld des Klingenjägers über den beiden Eisenrittern schloss. Ebba zündete die Triebwerke, während Judas routiniert die Anzeigen überprüfte.

»Alle Systeme normal, Schildenergie bei hundert Prozent«, meldete er.

»Verstanden.« Ebba zog den Steuerknüppel etwas zu sich heran und im nächsten Moment erhob sich der Klingenjäger und schoss zur Landebucht des Großkampfschiffes hinaus. Judas wusste, wie beeindruckend ihr Flaggschiff aussah, doch jetzt war sein Blick nach vorne gerichtet. Eingeordnet in eine Jägerformation schossen sie auf den Feind zu.

Grelle Plasmablitze stoben von hinten über den Klingenjäger hinweg. Das Großschwert war nun in Reichweite, um seine Flakgeschütze einsetzen zu können. Sie feuerten durch die Lücken der Klingenjägerformation, um ihnen den Weg zum feindlichen Mutterschiff freizuschießen.

Ebba hielt den Klingenjäger auf Kurs. Judas hingegen hatte nur noch Augen für sein Ziel. Vor ihnen bauten die Einmannjäger der Auglaras eine Verteidigungsformation auf, um die Klingenjäger am Erreichen des Mutterschiffs zu hindern.

Ebba und Judas erreichten die Verteidigungsformation als Erste und sofort eröffnete Ebba das Feuer. Die blauen Plasmablitze schlugen in einen feindlichen Jäger ein, während Ebba ungebremst darauf zuhielt. In einer grell aufleuchtenden Plasmawolke verging das Feindesschiff und ihr Klingenjäger stieß durch die Verteidigungsphalanx.

Judas zog die Energie von den Frontschilden ab und verstärkte die Heckschilde.

Um die beiden Ritter war die Raumschlacht nun in vollem Gange. Kleinere Jäger lieferten sich erbitterte Duelle. Andere hielten die Formation zum Schutz der Flaggschiffe. Dennoch gingen die beiden Ritter routiniert und kühl vor. Sie hatten an zu vielen Kämpfen teilgenommen, um sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Der Eisengott erwartete sie, wenn sie starben.

Mit ihrem kühnen Manöver brachen die beiden Ritter die Jägerformation der Ketzer auf. Vier der feindlichen Jäger lösten sich aus der Formation und setzten ihnen nach. Sie durften keinen Klingenjäger zu nah an ihr Flaggschiff heranlassen, jeder wusste um die Gefahr. Die Verfolgung endete abrupt in den Salven zweier weiterer Klingenjäger, die Ebba und Judas deckten.

»Bereit?«, fragte Ebba.

»Bereit!«, bestätigte Judas. Mehr war nicht nötig, jeder wusste, was der andere meinte. Zehn Jahre im Dienste des Eisengottes verbanden sie.

Zwischen den beiden fuhr der Energieschild herab und die Klingensektion des Jägers wurde mit Judas am Steuer abgekoppelt und auf das Flaggschiff der Ketzer zugeschossen.

Die Armaturen meldeten, dass die Schilde des Auglaras-Mutterschiffes erloschen waren, vermutlich durch mehrere Treffer der Flakgeschütze des Großschwertes.

»Zeit für den Todesstoß«, freute sich Judas. Einmal mehr würden sie dieses minderwertige Gezücht aus ihrem Sternensystem zurückschlagen!

Aus dem Bauch des Auglarasschiffes stoben unbemannte Drohnen heraus und gingen auf Abfangkurs. In der Klingensektion konnte sich Judas nicht gegen diesen Angriff wehren. Diesen Teil übernahm Ebba für ihn, sie war in ihrem Teil des Jägers zurückgeblieben und eröffnete das Sperrfeuer. Die Plasmageschosse stoben um Judas´ Schiffsegment herum. Ebba war eine hervorragende Schützin, die nicht ein einziges Mal die Klingensektion traf.

Die feindlichen Drohnen fuhren ihre Geschütze hoch. Um Judas herum entbrannte ein Gewitter aus grellen Lichtblitzen von Plasmawaffen und explodierenden Drohnen. Seine Schilde wurden etliche Male getroffen, weshalb deren Energie rapide bis auf vierzig Prozent sank. Judas ignorierte die Warnleuchte. Die Schilde mussten halten. In wenigen Sekunden sollte er sich dicht genug am feindlichen Flaggschiff befinden. Wenn sie seine Sektion zerstörten, dann riss die Explosion des integrierten Sprengkerns ein gigantisches Loch in die Hülle des Großkampfschiffes. Aber auch wenn Judas, ohne zu zögern sein Leben für den Eisengott opfern würde, war dies nicht sein Ziel. Noch war nicht die Zeit, um im Reich des Eisengottes wiedergeboren zu werden.

Der Energielevel seiner Schilde sank bis auf zehn Prozent. Ein Schauer des Unbehagens überlief Judas. Das Blitzen der in seinen Schild einschlagenden Plasmageschosse erlosch. Sogleich erschien das Großkampfschiff der Ketzer vor ihm. Es war gigantisch, sah dabei aber aus, als sei es aus unterschiedlichsten Schiffen zusammengesetzt, gleich einem Schrottplatz. Bei diesem Anblick brach alter Hass in Judas hoch. Er verabscheute diese Kreaturen. Die bittere Wut bekräftigte ihn in seinem waghalsigen Vorhaben. Er richtete die Klinge des Jägers zur Hülle aus. Sie stand wie ein langer Flügel von seinem kapselartigen Cockpit ab. Unterdessen kam die Hülle des Flaggschiffs gefährlich nahe.

»Für den Eisen-« Ebbas Worte gingen in einem Rauschen unter. Judas warf einen Blick zurück, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie das Großschwert in einer stillen Explosion aufging. Die Detonation schluckte die Klingenjäger und die Kampfschiffe der Auglaras gleichermaßen. Judas´ Herz blieb für Sekunden stehen, als er sah, wie Ebbas Sektion ebenfalls erfasst und von der Plasmawolke verschluckt wurde.

Entsetzt verfolgte Judas die Vernichtung seines Geschwaders. »Wie beim Eisengott ...?!«

Judas spürte eine Erschütterung und sah alarmiert nach vorn. Die Klinge schrammte an der Außenhülle des Mutterschiffs der Auglaras entlang und drohte daran zu zerbersten.

Das Adrenalin ließ Judas die Faust aufs Schaltpult schlagen. Alle Energie seines Jägers wurde in die Klinge geleitet, die sogleich in blauem Plasma erstrahlte. Die unbändige Hitze dieser Waffe fraß sich in die Außenhülle des Großkampfschiffes. Die Klingensektion wurde dabei heftig durchgerüttelt. Mit Genugtuung sah Judas den breiten Riss, der sich hinter der Plasmaklinge öffnete. Ein greller Lichtblitz flammte auf. »Ja!« Judas hatte die Hauptenergieleitung erwischt, ein fataler Treffer. In dem Riss, den Judas verursacht hatte, traten Explosionen auf, gefolgt von Erschütterungen, die Judas in der Klingensektion spürte. Viele Steuerungsmöglichkeiten hatte er nicht. Mit den Schubdüsen justierte er die Klinge nach, damit sie sich beim Austritt nicht verkantete und brach.

Das Großkampfschiff der Auglaras fiel hinter Judas zurück. Der weite Raum tat sich auf und dann war alles vorbei. Die Klingensektion ging in einen ruhigen Flug über. Judas hatte das feindliche Schiff hinter sich gelassen. Die Lichter im Flaggschiff der Ketzer erloschen und im Inneren flammten mehrere Explosionen auf.

Die Klingensektion mit Judas am Steuer begann zu trudeln. Judas hatte alle Energie verbraucht. Allein die Lebenserhaltungssysteme seiner Rüstung sorgten für Atemluft und Wärme. Auch das Kraftfeld, welches das Cockpit normalerweise abschirmte, war erloschen. Vor ihm lag unendliche Schwärze. Der purpurne Todesnebel, am Rande ihres Sternensystems, war der einzige Farbklecks. Wie nach jedem Einsatz setzte Judas das Ortungssignal über die Steuerungseinheit an der Hüfte der Rüstung ab. So konnte er von den Rittern aufgelesen werden. Erst jetzt gestattete er seinem Geist, die Situation Revue passieren zu lassen. Die Rüstung erlaubte ihm nicht viel Bewegungsfreiheit in dem engen Cockpit. So gut es ging, drehte sich Judas herum. Das Auglarasschiff war nicht mehr als ein schwarzer Klumpen, der durchs All driftete. Aber auch von seiner Flotte war lediglich ein Trümmerfeld geblieben. Wie? Wie war es diesen verdammten Echsen gelungen, ihre Verteidigung zu durchbrechen und ihr Großkampfschiff zu zerstören? Judas war Kampfpilot, kein Taktiker, sein Platz war an der vordersten Front. Man sagte ihm, was er zu tun hatte, und er tat es. Bei aller Einsatzbereitschaft für den Eisengott, dies hätte nicht geschehen dürfen.

Er blickte auf das Display in seinem Energiehelm, der ihn vor dem Tod im All bewahrte. Sein Ruf war noch nicht erwidert worden. Erst jetzt realisierte er, was mit Ebba geschehen war. Die Explosion des Großschwertes hatte auch den Teil des Klingenjägers erfasst, in dem sie gesessen hatte.

Die Glückliche, sie war nun an der Seite des Eisengottes. Judas ballte seine Hände zu Fäusten. Der Eisengott würde eines Tages zurückkehren, ihre Feinde zerquetschen und alle Toten rächen! Bis dahin hieß es kämpfen und durchhalten. Judas besann sich auf seine Atmung. Wut galt als Schwäche. Aber gegenüber den verfluchten Echsenmenschen konnte Judas nicht anders, als in Hass zu entflammen. Für ihren Gott war dies jedoch nicht genug. Ergebenheit und Gehorsam, das war es, was er forderte.

Ebbas Kampf ist nun vorbei. Judas konnte sich nicht erklären, warum seine Gedanken weiterhin um die Ordensschwester kreisten. Er kannte sie seit der Ausbildung und sie war von Anfang an seine Partnerin gewesen. Das waren immerhin etwa zehn Jahre. Aber Ebba war doch jetzt bei ihrem Gott, er sollte sich für sie freuen. Warum rannen dann Tränen über seine Wangen? Ein unartikulierter Laut löste sich aus seiner Kehle.

Kapitel 1

Die Formel, sie wirkte nicht. Judas kauerte auf Knien in der Gebetskammer, die Hände gefaltet. Während seiner Ausbildung hatte er alle Gebete und Formeln gelernt, mit denen er sich an den Eisengott wenden durfte. Als ein Ritter hatte er als einer der wenigen das Privileg dazu. Die gewöhnlichen Menschen mussten Iljas anrufen, den Propheten des Eisengottes. Er war der Einzige, der jemals lebend zum Eisengott aufgefahren war, um ihm persönlich dienen zu dürfen. Judas kannte ihn aus alten Dateien, die er als junger Novize studieren musste. Iljas Schriften halfen dabei, einen tiefen Einblick in das fast unergründliche Wesen des Eisengottes zu nehmen.

Früher hatte es Judas immer geholfen, seinen Gott anzurufen. Er versuchte sich an jedem Gebet. Doch die Worte vermochten nicht seine Trauer hinfort zu nehmen.

Mein Glaube ist zu schwach. Judas schauderte bei diesem Gedanken. Doch das war die einzig logische Schlussfolgerung. Aber das konnte nicht sein, er war einer der ergebensten und treuesten Ritter des Eisengottes!

Allein die Aufmerksamkeit auf seinen Atem zu lenken und diesen ungehindert fließen zu lassen, half Judas. Ohne seine störenden Gedanken fand er den Frieden, den ihm der Eisengott verwehrte.

Sobald Judas zu den Gebeten zurückzukehren suchte, geriet sein Geist in Aufruhr. Sogleich sah er Ebba in der Geschützsektion des Klingenjägers sitzen. Sie hämmerte gegen das Kraftfeld des Cockpits und schrie ihm etwas zu, das er nicht verstand. Im nächsten Moment wurde sie von einer blauen Plasmawolke überrollt.

Es klickte, leise und doch hörbar.

»Öffnen«, sprach Judas.

Die Tür schoss so schnell beiseite, dass die Augen ihr nicht zu folgen vermochten. Dahinter stand eine zierliche Frauengestalt in weißer Robe. Der Stoff war mit Eisenfäden durchwirkt und schimmerte deshalb in dem matten Licht. Die ausladenden Ärmel hatte sie vor der Hüfte ineinandergeschoben. An ihrem Gürtel hing ein Schwert, als Zeichen der Ritterschaft. Ihr Kopf war wie der eines jeden Ritters kahlgeschoren. Sie besaß eine hohe Stirn und ein rundes Gesicht. Die blauen Augen zeugten von Arglosigkeit. Dafrosa war erst kürzlich zum Ritter geschlagen worden. Judas stellte nicht infrage, dass sie gerade ihm zugeteilt wurde, schließlich konnte sie bei ihm am meisten lernen. Allerdings besaß sie nach seinem Dafürhalten nicht die nötige Härte für einen Kampfeinsatz. Aber Eisen wurde im Feuer geschmiedet, so hieß es zumindest. Auch wenn diese Praktik schon lange nicht mehr angewandt wurde, um Metalle zu bearbeiten.

»Ja?«, fragte Judas, als seine Partnerin den Blick nicht von ihm abwenden wollte.

Er galt unter den Rittern als ein Kriegsheld. Was ihm völlig einerlei war. Judas tat das Nötigste, um dem Eisengott zu dienen. Dabei waren sie schon oft in brenzlige Situationen geraten. Bisher hatte der Eisengott schützend seine Hand über Ebba und ihn gehalten. Nach seinem Empfinden hatte Judas nicht mehr vollbracht, als jeder Ritter tun würde. Dennoch tuschelten die Adepten, wenn er vorbeikam, und erstarrten vor Ehrfurcht, wenn er sie ansprach.

»Die ... die Mutter ruft zum Gebet«, stammelte Dafrosa.

Die Mutter war neben Iljas die einzige Heilige ihres Ordens. Anstatt sie zu sich zu nehmen, gewährte ihr der Eisengott ewiges Leben. Seit nunmehr fünfhundert Jahren führte sie die Ritter an.

Erleichterung machte sich in Judas breit. Endlich gab es etwas zu tun. Das sollte ihn ablenken. Er erhob sich, gürtete sein Schwert und trat auf den Gang. In dieser Sektion waren Gebetskammern zu beiden Seiten des Korridors angeordnet. Hierhin durfte sich jeder Ritter zurückziehen, um seinen Geist zu beruhigen. Wenn jedoch die Mutter rief, so hatten sie zu erscheinen.

Judas schloss sich Dafrosa an. Gemeinsam gingen sie zu den Turboliften. Sie führten direkt in den Zeremoniensaal des Großschwerts der Mutter.

»Ihr müsst damit aufhören«, hielt er seine Gefährtin an.

»Was ... womit?«, fragte Dafrosa erschrocken, als habe er sie aus tiefen Gedanken gerissen.

»Mit dem Starren. Ihr seid nun ein Ritter, Ihr müsst Haltung wahren. Verstanden?«

»J ... Ja.«

Er sah sie an. Dafrosa blieb stehen und schrumpfte in sich zusammen.

Judas packte sie an den Schultern und richtete sie auf. »Haltung«, wiederholte er. »Eine Ritterin geht nicht mit krummem Rücken. Sie zuckt nicht zusammen, wenn man sie anspricht, und sie wird auch nicht rot.«

Dafrosa sah zu ihm auf. Ihr Gesicht leuchtete wie ein Warnsignal.

Judas schüttelte den Kopf darüber. Er erinnerte sich noch genau an seine Ausbildung, auch er hatte diese Lektion lernen müssen. Aber war er ebenso schreckhaft gewesen? Einer seiner Mundwinkel zuckte. Doch er verkniff sich das Lächeln. Er hatte damals Glück gehabt, er war keinem altgedienten Ritter zugeteilt worden und hatte sogleich seinen Platz im dritten Geschwader gefunden. Zusammen mit Ebba. Aber die Ehrfurcht kannte er. Auch heute spürte er Anklänge davon, wenn er dem obersten Kommandanten gegenübertrat. Beim ersten Mal waren ihm die Knie eingesunken und er hatte gänzlich das Atmen vergessen. Nur ein Stoß von Ebba in die Rippen erinnerte ihn daran Luft zu holen, ohne ihr Zutun wäre er wohl ohnmächtig geworden.

»Ich ...« Dafrosa bemerkte, wie brüchig ihre Stimme war. Sie räusperte sich und setzte erneut an. »Ich gelobe Besserung.«

»Gut.« Er ließ sie los. »Gibt es einen besonderen Anlass, warum die Mutter ruft?«

»Unser Geschwader rückt aus«, antwortete Dafrosa, während sie den Weg fortsetzten.

»Schon?« Judas war überrascht.

»Ihr wart drei Tage im Gebet.« Sie wirkte beeindruckt von so viel Hingabe. Dass er die meiste Zeit in Zweifel und Trauer zugebracht hatte, brauchte sie nicht zu wissen.

Sie betraten den Lift, Dafrosa nannte das Ziel und sogleich schossen sie durch das Innere des Großschwertes. Die künstliche Schwerkraft hielt sie am Boden des Turbolifts. Auch wenn Judas wusste, dass sich die Kabine mehrfach um die eigene Achse drehte und zeitweise sogar auf dem Kopf stand, so bemerkte man nichts dergleichen. Die Tür glitt auf und sie traten hinaus in den Zeremoniensaal. Wie selbstverständlich hielten sie im Scanner vor der Halle an. Ihre Feinde, die Auglaras, nutzten Nanotechnologie und versuchten auf diese Weise, den Orden der Eisenritter zu infiltrieren. Deshalb musste man auf den Großkampfschiffen an nahezu jeder Ecke seinen Körper durchleuchten lassen. Es ging das Gerücht um, dass die Ketzer einen Weg gefunden hatten, mit den Nanorobotern das Bewusstsein von Menschen zu kontrollieren. Einen Agenten in ihren Reihen zu haben, der nicht wusste, dass er für den Feind arbeitet, war das schlimmste vorstellbare Szenario. Bisher waren drei Funde von Nanobots bekannt ... drei zu viel.

Neben ihnen strömten weitere Ritter aus den Liften und betraten den ausladenden Saal. Die Wände und das Dach waren zu einer silbernen Kuppel gewölbt. Das Eisen, aus dem der Zeremoniensaal gefertigt war, erstrahlte in gleißendem Licht, das im Zentrum der Runddecke leuchtete.

Die Ritter knieten sich auf den Boden, den Kopf gesenkt, ihre Schwerter hatten sie zu ihrer Rechten auf den Boden gelegt. Dafrosa und Judas taten es ihnen gleich.

»Wir sind angetreten!«, intonierte der Zeremonienmeister.

»Zu Ehren der Mutter steht unserer Leben im Dienste des Eisengottes!«, sprachen die Ritter im Chor. Der Schwur drang in das Herz eines jeden Anwesenden und brachte dessen Eifer zum Glühen.

Hier und da schnieften einige Adepten vor Ergriffenheit. Dafrosa gab keinen Ton von sich, wischte sich aber über die Augen. Nur Judas fühlte nichts. Saß seine Trauer so tief? Löschte der Schmerz seine Herzenstreue?

Das war noch nie vorgekommen. Nach dem Besuch der Ur-Erde hatte Judas gewusst, dass er Ritter werden würde. Seither war seine Ergebenheit ungebrochen. Sogar als Hunderte seiner Brüder freiwillig in den Tod geflogen waren, um eine Übermacht der Auglaras von der Pilgerstation fernzuhalten. Ebba und er waren damals nur knapp mit dem Leben davongekommen. Sie hatten fünf Tage in ihrem manövrierunfähigen Klingenjäger gesessen. Nachdem ihnen die Injektionen ausgegangen waren, wartete ein qualvoller Hungertod auf sie. Sie hatten ihre Seelen bereits dem Eisengott überantwortet, als sie von ihrem Orden gefunden wurden.

»Meine Kinder!«, ertönte die Stimme der Mutter. Sie stand auf einem Balkon, der in der Mitte des Saals aus dem gleißenden Licht heruntergefahren wurde. Das wusste Judas, weil er als Adept einmal aufgesehen hatte. Ein Frevel, der Schülern verziehen wurde. Denn gegenüber der Mutter gehörte es sich, das Haupt stets demütig gesenkt zu halten.

»Der Eisengott ist stolz auf euch!«

Noch vor wenigen Tagen hätten Judas diese Worte Tränen der Rührung in die Augen getrieben. Jetzt ließ ihn dieses Lob zum ersten Mal völlig kalt.

»Er entsendet euch zur Ablöse an den Pilgerweg, auf dass ihr die Gläubigen schützen möget. Der Segen des Eisengottes begleitet euch auf eurem Pfad. Gehet mit dem Wissen, dass er euch erwartet, wenn ihr eure Schuldigkeit getan habt.«

»Zum Ruhm des Eisengottes!«, riefen die Ritter. Judas bewegte zwar die Lippen, aber er blieb als Einziger stumm.

»Erhebt euch im Namen des Eisengottes!«, rief der Zeremonienmeister.

Die Ritter standen unter dem Rascheln ihrer Roben auf und gürteten dabei ihre Waffen.

Sie begannen erst miteinander zu sprechen, als sie den Saal hinter sich gelassen hatten.

»Habt Ihr die Mutter schon einmal gesehen?«, fragte Dafrosa neugierig.

»Einmal«, entgegnete Judas. »Nachdem wir ...« Er stockte, als er an Ebba dachte. »Nachdem wir einen Aufstand der Hybonitschürfer zerschlagen haben. Sie hat uns persönlich gedankt.«

Judas spürte den bewundernden Blick von der Seite.

»Bruder Judas!«, klang die Stimme des Admirals ihres Geschwaders an seine Ohren. Er wandte sich zu ihm um.

Admiral Roland war eine eindrucksvolle Erscheinung. Er war stark und unerschütterlich im Glauben. Wie bei jedem Ritter war auch sein Kopf kahlgeschoren. Seine Position erlaubte ihm jedoch einen Vollbart, der sich dicht und rot über seine untere Gesichtshälfte erstreckte. Selbst im Zeremoniengewand ließ Rolands Statur vermuten, er trüge darunter die Kampfrüstung, solch breite Schultern besaß er. Die Ausstrahlung des Admirals war weithin spürbar, in dessen Angesicht fühlte sich jeder klein und unbedeutend.

Admiral Roland schritt auf die beiden zu. Die Ritter in seinem Weg wichen ehrfürchtig zur Seite.

»Haltung«, flüsterte Judas, der aus den Augenwinkeln sah, wie Dafrosa Kopf und Schultern einzog. Sie straffte sich daraufhin merklich.

Roland musterte Judas, als wolle er den Zustand seiner Seele beurteilen. Judas hielt dem Blick stand.

»Ihr werdet nicht mit uns kommen«, eröffnete er.

Jetzt musste selbst Judas schlucken.

»Die Schürfer auf M-127 im Sektor 12.1 sind mit ihren Zahlungen im Rückstand und reagieren nicht auf Funksprüche«, erklärte der Admiral. »Ihr werdet Euch dorthin begeben und sie daran erinnern, wem ihre Treue gilt. Judas, unter den Schürfern seid Ihr eine Art Volksheld, sie werden Euch zuhören. Ansonsten dürft Ihr jedwedes Mittel anwenden. Lasst Euch von Meister Georg für diesen Einsatz ausrüsten. Weggetreten.«

»Jawohl!« Judas salutierte. Dafrosa tat es ihm gleich, wenn ihr Salut auch stockte.

»Judas, ich muss Euch unter vier Augen sprechen«, hielt ihn Admiral Roland zurück, als sich die beiden zum Lift begeben wollten.

Überrascht hielt Judas inne. »Wartet hier auf mich«, wies er Dafrosa an. Sie nickte.

An der Seite von Admiral Roland schritt er zurück in den Zeremoniensaal. Der Balkon der heiligen Mutter war eingefahren. Leer wirkte der Raum in seiner Größe bedrückend.

Roland sah sich um, als befürchtete er, belauscht zu werden. »Judas, Ihr müsst wissen, dass dies keine Degradierung ist, aber wir fürchten eine Rebellion der Hybonitschürfer. Deshalb haben wir uns entschieden, Euch dorthin zu schicken. Ihr seid vertraut im Umgang mit Aufständischen.«

Judas nickte. »Aber damals ist es eskaliert und wir mussten die Schürfanlage ...« Warum fiel es ihm so schwer, auszusprechen, was sie im Namen des Eisengottes getan hatten?

»Wir mussten sie auslöschen«, riss er sich am Riemen.

»Großritter Dustin hatte fünfzig Ritter bei sich. Diese Mannstärke hat die Schürfer provoziert. Ich kenne die Aufzeichnungen«, entgegnete Admiral Roland. Aber das war es nicht, was die Menschen gegen die Ritter aufgebracht hatte. Judas war dabei, er hatte die herablassende Art von Dustin miterlebt. Ebba war selbst kurz davor gewesen, dem Großritter in den Rücken zu fallen. »Deshalb sollt Ihr zu zweit gehen. Ihr seid für Eure Selbstbeherrschung bekannt. Und Dafrosa ...«

»Ritterin Dafrosa«, unterbrach Judas. Selbst wenn sie erst kürzlich zum Ritter geschlagen worden war, so geziemte es sich nicht, ihren Namen ohne Titel auszusprechen.

»Ritterin Dafrosa«, gestand ihm der Admiral zu. »Sie wirkt arglos und völlig ungefährlich. Sie wird die Schürfer nicht aufstacheln. Dennoch habt Ihr die Befugnis, alles zu tun, was notwendig ist, um die Arbeiter zur Räson zu bringen.«

»Verstanden.«

Die beiden Ritter salutierten voreinander und Judas schritt zu seiner Ordensschwester, die einen Lift gerufen hatte und auf ihn wartete.

»Waffenkammer«, befahl Judas und der Lift setzte sich in Bewegung.

»Ein Einsatz außerhalb des Geschwaders«, freute sich Dafrosa. »Wie aufregend.« Sie wiegte nervös auf den Füßen hin und her.

Judas schenkte ihr einen strengen Blick. Hybonitzahlungen einzufordern, war eine heikle Sache. Alles wurde mit den Energiekristallen betrieben. So waren die Schürfer ebenfalls auf diese Ressource angewiesen. Ihnen zu viel abzuverlangen, setzte sie Elend und Hunger aus. Zum anderen durften die Ritter nicht riskieren, dass der Pilgerpfad zur Ur-Erde unterversorgt blieb. Das würde allen Menschen des Sternensystems die Hoffnung nehmen.

Mit Ebba hatte Judas oft darüber gestritten. Ihr Standpunkt war, dass zunächst die Schürfer leben mussten, erst die übrigen Energiekristalle sollten sie abgeben. Seine Meinung war völlig gegensätzlich, die Planeten boten unendlich viel von diesem Material, sodass sich die Minenarbeiter nur richtig anstrengen mussten, um den verlangten Ertrag abzuliefern. Jeder hatte seinen Beitrag zu leisten. Schließlich wurden sie dafür von den Rittern beschützt.

Die Tür öffnete sich zischend und gab den Blick auf die Waffenkammer frei. Dabei handelte es sich um einen rechteckigen Raum, in dessen Mitte vier Schmiedetische standen, auf denen die Waffen der Eisenritter repliziert wurden. An den Wänden befanden sich jeweils drei Bildschirme. Daran konzipierten die Techniker neue Ausrüstung. In einigen Regalen lagen verschiedene Prototypen. Außerdem gab es Waffenständer, in denen die Schwerter aufgereiht waren, die gerade gewartet wurden oder auf Reserve bereitstanden. Im hinteren Teil der Waffenkammer gab es eine Tür, die zu einem Testraum führte. Dieser war vielfach gepanzert und für den Fall eines technischen Defekts mit Schilden abgeriegelt.

An einem der Bildschirme tippte Meister Georg herum, eine hagere Gestalt, die wirkte, als würde sie bei der kleinsten Berührung sogleich zerbrechen. Er hatte zotteliges grau meliertes Haar, das er sich, weil er kein Ritter war, nicht abrasieren musste. Er trug einen grauen Thermoanzug, der seine Körpertemperatur regelte. Für einen Ritter war dieses Kleidungsstück nicht mehr als Unterwäsche.

Im hinteren Teil der Waffenkammer war sein Lehrling mit einem eigenen Projekt beschäftigt.

Als die beiden Ritter eintraten, sah Meister Georg auf. Seine Iris war silbern. Er trug Implantate in den Augen, die seine Sehkraft verbesserten.

»Ritter Judas und ...«, er verbeugte sich ergeben. »Tut mir leid, aber Euch bin ich bisher nicht vorgestellt worden.«

»Dafrosa«, sagte sie freundlich.

»Ritterin Dafrosa«, verbesserte Judas.

»Selbstverständlich, Ritterin Dafrosa«, entschuldigte sich Georg, wobei er kurz nach rechts oben sah, als speicherte er den Namen gedanklich ab. Vermutlich verfügte er über weitere Implantate, die seine Erinnerung unterstützten. So wie Judas diesen Mann einschätzte, war er mittlerweile mehr Maschine als Mensch – was seiner Arbeit nur dienlich sein konnte und allein darauf kam es an.

»Wir sind in den Außendienst berufen worden und benötigen dementsprechende Ausrüstung«, erklärte sich Judas.

»Unser bester Pilot, der im Alleingang ein Auglarasschiff zerschlagen hat?« Georg zog die Stirn kraus. Dem Waffenmeister fehlte die Beherrschtheit, die einem Ritter zu eigen war.

»Befehle.« Mehr musste Judas nicht sagen. Er tat, was man ihm sagte. Und du nennst Georg eine Maschine, klangen Ebbas Worte in seinem Kopf wider. Sie hatte kaum etwas auf Etikette und Vorschriften gegeben. Wären die beiden nicht ein solch überragendes Team gewesen, Ebba wäre schon längst strafversetzt worden. Judas hatte ihren Ungehorsam stets überspielt. Und dass sie am Rittertum zweifelte, hatte sie ihm lediglich im Vertrauen erzählt. Niemand wusste davon. Doch das spielte jetzt keine Rolle mehr, jetzt da Ebba ... tot war.

»Natürlich, natürlich, Befehle befolgen wir alle.« Georg trat an einen Bildschirm, der sogleich aufglomm.

Judas ging an den ersten Schmiedetisch, während Dafrosa zu Georgs Lehrling schlenderte und neugierig auf dessen Bildschirm lugte. Wäre sie noch ein Adept gewesen, hätte Judas sie zurückgerufen, aber nun ... Sie musste selbst lernen, wie man sich seine Autorität vor den Waffenmeistern bewahrte. Sich für deren Arbeit zu interessieren, war jedenfalls der falsche Weg.

»Hier haben wir einen verbesserten Schildgenerator«, verkündete Georg.

Vor Judas erschien eine Projektion. »Er ist sehr klein«, urteilte er. Die alten Schildgeneratoren wurden auf der Brust getragen und waren sperrig. Wenn man in einem Klingenjäger saß, waren sie nicht hinderlich, aber bei einem Kampf mit dem Schwert konnten sie einem im Weg sein.

»Mir ist es gelungen, den Energiebedarf zu verringern, was den Speicher kleiner macht«, erklärte Georg stolz. »Er hält aber genauso lang«, beteuerte er auf Judas´ skeptischen Blick. »Des Weiteren kann man ihn am Energiewandler der Rüstung ankoppeln. Er muss also nicht selbst geladen werden wie früher.« Georg trat an den Schmiedetisch. »Bitte tretet zurück.«

»Ich weiß, dass man nicht in einen Replikator fassen darf«, schalt Judas ihn.

»Ein Schmiedetisch ist etwas mehr als ein einfacher Replikator«, berichtigte Meister Georg. »An einem Replikator verbrennt man sich nur die Hand. Bei einem Schmiedetisch wird sehr viel mehr Energie frei.«

»Und das bedeutet?«, brummte Judas.

»Dass er explodieren könnte.« Georg lächelte vielsagend. Auf Judas´ skeptischen Blick fuhr er fort. »Na ja, es kommt zu Fehlfunktionen im erschaffenen Gerät. Aber wenn eine Energiewaffe während einer Herstellung auf die Replikationsfläche gerät, fliegt einem so ein Schmiedetisch tatsächlich um die Ohren.«

»Würdet Ihr fortfahren«, verlangte Judas. »Ich bin in Eile.« Was kümmerten ihn die Bedenken eines Waffenschmieds. Dennoch nahm er vorsichtshalber den Sicherheitsabstand zum Schmiedetisch ein und überprüfte unwillkürlich den Sitz seiner Waffe.

Georg verkniff sich ein Lächeln. »Erschaffen«, verlangte er von der Apparatur. Der Tisch glomm auf, einzelne Partikel materialisierten sich, stoben aufeinander zu und umeinander herum, bis sich ein daumengroßer Schildgenerator bildete. Allein durch das Aufwenden von Energie aus dem gespaltenen Hybonit erzeugten die Schmiedetische Materie. Alles wurde auf diese Weise hergestellt, selbst die einzelnen Komponenten von Klingenjägern und Großschwertern.

Georg nahm den Schildgenerator zur Hand und drückte auf die Schaltfläche in der Mitte. Sogleich umgab seinen Körper ein blau wabernder Schild. »Das ist die übliche Funktion. Wenn ich aber die Energiezufuhr weiter nach oben regele«, der Schild weitete sich zu einer Kugel aus, in der Georg sich frei bewegen konnte, »dann erweitert sich der Schild zu solch einer Größe, dass ich ohne Weiteres eine zweite Person darin aufnehmen kann. Perfekt für den Außeneinsatz.«

»Er macht mich aber kampfunfähig«, widersprach Judas. »Das Schwert wurde bisher nie in den Schild miteingefasst, damit es nicht von ihm blockiert wird.«

»Das ist richtig«, stimmte Georg pikiert zu. »Jedoch zur Bergung eines Bruders oder einer Schwester ist es von Vorteil. Die Funktion hat außerdem noch einen anderen Kniff. Regle ich den Schild ganz nach oben, weitet er sich explosionsartig aus und alle Angreifer ringsum werden fortgeschleudert. Um der Frage zuvorzukommen, wer einen Schild derselben Frequenz benutzt, wird davon nicht getroffen.«

»Eine interessante Funktion«, gestand ihm Judas zu.

»Der Schildgenerator lässt sich bequem in die Rüstung einpassen. Ich würde vorschlagen, ihn an der Hüfte zu tragen, da ...«

»Das rechte Handgelenk«, fuhr Judas dazwischen. »Mit dieser Funktion will ich ihn im Kampf schnell einsetzen können. Vom Schwert zu lassen und erst an meinen Panzer zu greifen, dauert mir zu lange.«

»Ein gutes Argument. Was Ihr aber wissen müsst, diese Schildexplosion verschlingt alle Energie, die darin gespeichert ist. Danach bricht der Schild zusammen und lädt sich nur wieder auf, wenn er am Energiekern des Panzers angeschlossen ist.«

Judas nahm den Schildgenerator entgegen. »Noch einen für Ritterin Dafrosa.« Er betonte ihren Namen, um sie aufzufordern, endlich herüberzukommen und sich den wichtigen Dingen zu widmen. Sie hörte ihn gar nicht. Offenkundig interessierte sie sich mehr für das, was der Lehrjunge zu sagen hatte. Oder interessierte sie sich sogar für den Lehrjungen? Was sollte eine Ritterin mit solch einem Schwächling?