Die Entdeckung der Unendlichkeit - Aeneas Rooch - E-Book
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Die Entdeckung der Unendlichkeit E-Book

Aeneas Rooch

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Beschreibung

Was ist die Unendlichkeit? Gibt es verschiedene Unendlichkeiten? Vielleicht sogar in unterschiedlichen Größen? Wächst die Unendlichkeit immer weiter und ist niemals abgeschlossen? Oder gibt es auch eine Unendlichkeit, die nicht mehr größer wird?

Diese Fragen haben enorme praktische Bedeutung: Erst durch sie konnte geklärt werden, was Zahlen wie 7 oder Pi genau sind und dass elementare Rechentechniken, etwa zum Bestimmen eines Flächeninhalts oder der Steigung einer Kurve, tatsächlich präzise und ohne böse Überraschungen funktionieren. Letztlich beruht die gesamte heutige Mathematik darauf.

In den Jahren 1870 bis 1970 machten es sich fünf geniale Köpfe zur Aufgabe, das Undenkbare zu ergründen und die Grenzen der Mathematik zu sprengen. Als Erster wagte es Georg Cantor die Unendlichkeit mathematisch zu untersuchen – er revolutionierte dabei die gesamte Mathematik. Was er herausfand, beschäftigte Wissenschaftler bis in die 1960er Jahre: Unter ihnen Bertrand Russell, der einen folgenschweren Widerspruch in Cantors Mengenlehre entdeckte, David Hilbert, der mit einer Auflistung der bedeutendsten mathematischen Fragen seiner Zeit weltberühmt wurde, Kurt Gödel, der die Grenzen unseres Wissens auslotete, und Paul Cohen, der endlich die Antwort auf eine Frage fand, die die Wissenschaft seit fast einem Jahrhundert umtrieb. Sie alle verbindet ihre Faszination für die Unendlichkeit, ihre Leidenschaft für abstraktes Denken, ihre Vorstellungskraft – und ihr Verdienst für die moderne Mathematik, die auf ihren Erkenntnissen fußt.

Aeneas Roochs spannend erzählte Entdeckungsreise in die Welt der Unendlichkeit ist nicht nur eine anregende Erkundung eines der größten Rätsel von Mathematik und Philosophie, sondern zugleich eine Liebeserklärung an die präziseste und logisch strengste Wissenschaft, die wir kennen.

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Seitenzahl: 550

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Zum Inhalt:

Was ist die Unendlichkeit? Gibt es verschiedene Unendlichkeiten? Vielleicht sogar in unterschiedlichen Größen? Wächst die Unendlichkeit immer weiter und ist niemals abgeschlossen? Oder gibt es auch eine Unendlichkeit, die nicht mehr größer wird?

Diese Fragen haben enorme praktische Bedeutung: Erst durch sie konnte geklärt werden, was Zahlen wie 7 oder Pi genau sind und dass elementare Rechentechniken, etwa zum Bestimmen eines Flächeninhalts oder der Steigung einer Kurve, tatsächlich präzise und ohne böse Überraschungen funktionieren. Letztlich beruht die gesamte heutige Mathematik darauf.

In den Jahren 1870 bis 1963 machten es sich fünf geniale Köpfe zur Aufgabe, das Undenkbare zu ergründen und die Grenzen der Mathematik zu sprengen. Als Erster wagte es Georg Cantor die Unendlichkeit mathematisch zu untersuchen – er revolutionierte dabei die gesamte Mathematik. Was er herausfand, beschäftigte Wissenschaftler bis in die 1960er Jahre: Unter ihnen Bertrand Russell, der einen folgenschweren Widerspruch in Cantors Mengenlehre entdeckte, David Hilbert, der mit einer Auflistung der bedeutendsten mathematischen Fragen seiner Zeit weltberühmt wurde, Kurt Gödel, der die Grenzen unseres Wissens auslotete, und Paul Cohen, der endlich die Antwort auf eine Frage fand, die die Wissenschaft seit fast einem Jahrhundert umtrieb. Sie alle verbindet ihre Faszination für die Unendlichkeit, ihre Leidenschaft für abstraktes Denken, ihre Vorstellungskraft – und ihr Verdienst für die moderne Mathematik, die auf ihren Erkenntnissen fußt.

Aeneas Roochs spannend erzählte Entdeckungsreise in die Welt der Unendlichkeit ist nicht nur eine anregende Erkundung eines der größten Rätsel von Mathematik und Philosophie, sondern zugleich eine Liebeserklärung an die präziseste und logisch strengste Wissenschaft, die wir kennen.

Zum Autor:

Aeneas Rooch, geboren 1983, studierte Mathematik und Physik und promovierte in Wahrscheinlichkeitstheorie und Mathematischer Statistik. Der Bestsellerautor und Wissenschaftsjournalist enträtselt in Radio und Podcasts das Mysterium der höheren Mathematik und versteht es meisterlich, die Schönheit dieser Wissenschaft zu vermitteln.

Weitere Informationen auf: https://rooch.de

Aeneas Rooch

Die Entdeckung der Unendlichkeit

Das Jahrhundert, in dem die Mathematik sich neu erfand

1870–1970

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Originalausgabe 2022

Copyright © 2022 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Kerstin Lücker

Illustrationen: Inka Hagen

Bildredaktion: Tanja Zielezniak

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich,

unter Verwendung einer Illustration von © Bridgeman Images /Leonard de Selva

Satz: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-27918-9V002

www.heyne.de

Für Mari

Inhalt

ICantor zerlegt die Unendlichkeit1870–1900

1 Eine merkwürdige Erkenntnis

2 Geschaffen, um im Denken Genuss zu finden

3 Georg Cantor wagt das Undenkbare

4 Rechenregeln außer Betrieb

5 Ein genialer Trick

6 Mehr als unendlich

7 Liebe und Intensität

8 Zahlen jenseits aller Vernunft

9 Ich sehe es, aber ich glaube es nicht

10 Bitterer Kampf um Anerkennung

11 Das Universum der Unendlichkeiten

12 Das Unheimliche und die Schrecken

IIHilbert sieht das Gebäude der Mathematik einstürzen und baut es neu auf1900–1930

13 Die berühmteste Problemliste der Mathematik

14 Das dunkle Geheimnis der Unendlichkeit

15 Brisante Fragen

16 Das ist nicht Mathematik, das ist Theologie

17 Die Mengenlehre am Abgrund

18 Inkonsistente Vielheiten

19 Fataler Leichtsinn

20 Was die Zahlen wirklich sind

21 Die Konstruktion des Kontinuums

22 Angst vor dem Einsturz

23 Physik ist für die Physiker viel zu schwer

24 Dies ist eine Fakultät und keine Badeanstalt

25 Die Welt der Wahrheit

26 Die Grundlagenkrise der Mathematik

27 Hilberts Hotel

28 Gekrümmte Welten

29 Zuversicht

30 Ganz und gar Gewissheit

31 Die fundamentalen Wahrheiten

IIISchmerzhafte Erkenntnisse und eine unerwartete Antwort auf eine hundert Jahre alte Frage1930–1970

32 Der Traum platzt

33 Ein Genie ersten Ranges

34 Die Mathematik zerbricht an einem Lügner

35 Ein sanfter Mann

36 Scheitern und Hoffnung

37 Die unzugängliche Unendlichkeit

38 Die Welt am Abgrund

39 Die Spaziergänger von Princeton

40 Unendlichkeit unter Zwang

41 Ende in Einsamkeit

42 Das Jahrhundert der Unendlichkeit

Danksagung

Quellen

Bildnachweis

I

Cantor zerlegt die Unendlichkeit

1870–1900

1

Eine merkwürdige Erkenntnis

Im Sommer 1917 wurde ein alter Mann in die Nervenklinik der Universität Halle eingeliefert. Wörter sprudelten aus ihm heraus, doch man konnte ihnen nicht folgen, er blickte verstört um sich, wütend, ungestüm, voller Qual und Zorn. Er wirkte aufgewühlt und durcheinander. Der Mann war der Mathematikprofessor Georg Cantor.

Er hatte an etwas Brisantem gearbeitet, an das sich jahrhundertelang niemand herangetraut hatte, und war dabei auf etwas Merkwürdiges gestoßen. Als neugieriger Wissenschaftler, der mit Leidenschaft über abstrakte Probleme nachdachte, hatte er begonnen, es zu erforschen. Was er herausfand, sollte sein Fach revolutionieren, es sollte zur Grundlage der modernen Mathematik werden, dem Fundament, auf dem sie mit ihren Zahlen und Rechenoperationen, ihren Punkten, Kurven, Flächen und Räumen, ihren Funktionen und ihren abstrakten Objekten aufbaut. Cantors Erkenntnisse stehen heute in jedem Mathematikstudium auf dem Lehrplan für das erste Semester, doch Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie kaum verstanden. Stattdessen wurde Cantor von seinen Fachkollegen angefeindet und attackiert, und bedeutende Mathematiker ließen ihren Einfluss spielen, um zu verhindern, dass er seine Überlegungen veröffentlichen konnte.

Was er im Alleingang und gegen alle Widerstände untersuchte, hatten Wissenschaftler seit Jahrhunderten nicht angetastet, es war fast so etwas wie ein Sakrileg: Georg Cantor erforschte die Unendlichkeit, und er tat es mit der Präzision, Radikalität und Strenge eines Mathematikers. Er löste sich von der Vorstellung, dass Unendlichkeit unseren Geist übersteigt, und ergründete allein durch strukturiertes Nachdenken ihre Eigenschaften, so wie es Mathematiker auch bei anderen abstrakten Objekten tun, seien es Integrale, Primzahlen, Grenzwerte, Krümmungen oder Wahrscheinlichkeiten. Bei dieser logischen Untersuchung erlebte Cantor eine Überraschung: Es gibt, so fand er heraus, nicht die eine unfassbare, unantastbare, unzugängliche Größe, die alles übersteigt und jede Vorstellung sprengt – es gibt nicht die eine Unendlichkeit, sondern mehrere. Cantor stellte fest, dass es verschiedene Sorten von Unendlichkeit gibt, und mehr noch, dass man sogar mit ihnen rechnen kann.

Als der Mathematikprofessor im Sommer des Jahres 1917 in die Klinik in Halle eingeliefert wurde, war er den Ärzten wohlbekannt, denn es handelte sich nicht um seinen ersten Aufenthalt dort. Immer wieder hatten ihn Nervenzusammenbrüche aus seinen Gedanken gerissen, und er musste ganze Monate in der Psychiatrie verbringen. Doch ein ums andere Mal kehrte er an den Schreibtisch zurück, dachte sich tief in die logische Welt der Mathematik hinein und kam so der wundersamen Natur der Unendlichkeit auf die Spur. Hier, im Universum der Unendlichkeiten, stieß aber auch er dann auf Rätsel, die er trotz seiner Scharfsinnigkeit nicht lösen konnte. Vor allem eine Frage stellte sich ihm, die zunächst klein und unscheinbar schien. Es dauerte jedoch rund einhundert Jahre, bis sie geklärt werden konnte. Erst 1963 fand der amerikanische Mathematiker Paul Joseph Cohen eine Antwort – und sie war ausnehmend kurios. Mit Georg Cantor aber fing diese erstaunliche Geschichte an.

2

Geschaffen, um im Denken Genuss zu finden

Fast wäre der Mann, der es gegen alle Widerstände wagte, die Unendlichkeit zu erforschen, und der im Alleingang eine neue Epoche in der Mathematik einleitete, gar kein Mathematiker geworden. Sein Vater hatte andere Pläne für ihn. Dieser Vater, Georg Woldemar Cantor, war als Kind zusammen mit seiner Mutter unter geheimnisvollen Umständen in die russische Metropole Sankt Petersburg gelangt, damals die Hauptstadt Russlands. Georg Woldemar wuchs in der evangelischen Mission auf und wurde Kaufmann. Als er etwa dreißig Jahre alt war, handelte er von und nach Übersee mit Segeltüchern und Seilen und unterhielt ein profitables Unternehmen, die Firma »Cantor & Co.«, später arbeitete er als Börsenmakler. 1842 heiratete er eine empfindsame, musikalische Frau, Marie Böhm, die aus einer berühmten österreichischen Musikerfamilie stammte. Rund drei Jahre später bekamen die beiden ihr erstes Kind: Am 3. März 1845 erblickte Georg Ferdinand Ludwig Philipp Cantor das Licht der Welt, im mondänen, prächtigen Sankt Petersburg. Er wuchs mit drei jüngeren Geschwistern auf, Ludwig, Sophie und Constantin, über die jedoch wenig bekannt ist.

Brieffragmente, die erhalten geblieben sind, zeigen Cantors Vater als einen bodenständigen, klugen Mann, der Bildung zu achten wusste und sich für Wissenschaft und Sprachen interessierte. Er war tief religiös und erzog seine Kinder im lutherischen Glauben. Vermutlich aber konnte er sich niemals auch nur ansatzweise vorstellen, auf welch spektakuläre Weise sein Sohn Georg später dem Göttlichen näher kommen sollte – indem er das Göttliche in Gestalt der Unendlichkeit erforschte, über die Sprache der Mathematik.

»Cantor & Co.« lief bestens, und als Georg Woldemar Cantor durch eine Lungenkrankheit gezwungen war, seine Geschäfte aufzugeben und in ein milderes Klima zu ziehen, reichte sein Vermögen aus, um gut davon leben zu können.

1856 zogen die Cantors in die deutsche Kurstadt Wiesbaden und von dort weiter nach Frankfurt am Main. Der kleine Georg war zu dieser Zeit elf Jahre alt. Später erinnerte er sich gern an seine Kindheit in Russland, sprach in einem Brief von einer wundervollen Zeit, nannte Sankt Petersburg seine Heimat und bedauerte, dass er sie nie wieder besucht hatte.

Als erfolgreicher Kaufmann wünschte der Vater sich für den Sohn einen nützlichen, gut bezahlten und angesehenen Beruf. Er wollte, dass Georg Ingenieur wurde, und schickte ihn auf die »Höhere Gewerbeschule des Großherzogthums Hessen« nach Darmstadt. Was er dort von ihm erwartete, offenbarte er dem Teenager zu Pfingsten 1860 in einem Brief:

Zur Erlangung vielfacher gründlicher wissenschaftlicher und praktischer Kenntnisse, zur vollkommenen Aneignung fremder Sprachen und Literaturen, zur vielseitigen Bildung des Geistes, auch in manchen humanistischen Wissenschaften […] dazu ist die eben angetretene zweite Periode Deines Lebenslaufes, das Jünglingsalter, bestimmt. Was der Mensch aber in dieser Periode versäumt, oder durch vorzeitige Vergeudung seiner besten Kräfte, Gesundheit und Zeit, sozusagen verludert, das ist unwiederbringlich und unersetzlich für ewig verloren.1

Dem erfolgreichen Kaufmann mit der geheimnisvollen Vergangenheit war die Erziehung seiner Kinder wichtig. Ob er ihnen liebevoll Möglichkeiten aufzeigte oder sie mit seinen strengen Vorstellungen einengte, ist im Rückblick schwer zu beurteilen, jedenfalls versuchte Georg Woldemar wohl Zeit seines Lebens, seinem Sohn Georg ein guter Ratgeber zu sein. Wie auch viele heutige Eltern rang er darum, den richtigen Ton zu treffen, um seinen Sohn zu erreichen. Sein Hinweis zu Pfingsten etwa, wozu das Jünglingsalter bestimmt sei und dass man Gesundheit und Zeit nicht vergeuden solle, schien vielleicht zu vorsichtig formuliert gewesen zu sein, jedenfalls beobachtete Georg Woldemar mit wachsender Sorge, dass der junge Georg an der Gewerbeschule in Darmstadt bereits in eine studentische Verbindung eingetreten war, und er sah sich offensichtlich genötigt, deutlicher zu werden. Im Mai 1861 schrieb er ihm:

Möchtest Du doch jetzt soviel eigene Einsicht gewinnen, um selbst die lebhafte Überzeugung daraus zu schöpfen, welche ungeheuren Nachteile Dir das frühzeitige Sichgehenlassen in diesem lässigen Treiben jenes lächerlichen, äffischen Corpswesens bringen muß, umso mehr als letzteres doch bloß im leeren Kneipen seinen Ausdruck sucht […]2

Entweder haben die direkten Worte Gehör gefunden, oder das rituelle Trinkgelage in der Studentenverbindung, das Kneipen, war ohnehin nicht Cantors Sache, jedenfalls schrieb ihm sein Vater bereits zwei Monate später voller Freude:

Du scheinst nun selbst zu dem Bewußtsein des Bedürfnisses gekommen zu sein, wie außerordentlich notwendig Dir noch eine allgemeine Ausbildung in den humanoria ist, jenen Fächern der höheren menschlichen Bildung. Ich gratuliere Dir daher zu Deinem tüchtigen Entschlusse, aus dem Corps auszutreten von ganzer Seele und freue mich umso mehr darüber, gerade weil ich es vollkommen begreife, wie schwer in Deinem Alter ein solcher männlicher freiwilliger Entschluß Dir werden mußte! Und ich habe doppelte Ursache mich darüber zu freuen, weil Dein Entschluß nicht durch ein von mir ausgehendes Verbot oder einen Befehl hervorgerufen ist […] In der Tat: es widerstrebt mir zu sehr, in solchen Sachen etwas zu verbieten, was nur vom eigenen Urteil und Willen eines jungen Menschen abhängen sollte. In reiferen Jahren wirst Du auf diese männliche Überwindung mit wahrer Genugtuung und Freude zurückblicken!3

In seiner Zeit in Darmstadt entdeckte der Teenager Georg nicht nur das Studentenleben, sondern fand auch Freude an abstrakten, mathematischen Überlegungen. Er fasste den Entschluss, Mathematik zu studieren, und sein Vater erlaubte es ihm. Die Einwilligung war eine gute Entscheidung, nicht nur aus der heutigen Perspektive, aus der wir wissen, dass Georg Cantor ein herausragender Mathematiker werden und das Fach mit seinen Gedanken über Mengen und Unendlichkeiten revolutionieren würde, sondern auch aus dem Blickwinkel des Vaters. Mit seiner Zustimmung zur Studienwahl hatte er den jungen Georg glücklich gemacht, wie dieser ihm in einem Brief versicherte:

Wie sehr Dein Brief mich freute, kannst Du Dir denken; er bestimmt meine Zukunft. Die letzten Tage vergingen mir im Zweifel und der Unentschiedenheit; ich konnte zu keinem Entschluß kommen. Pflicht und Neigung bewegten sich in stetem Kampfe. Jetzt bin ich glücklich.4

Cantor zog nach Zürich und begann, Mathematik zu studieren. In London hatte der Physiker James Clerk Maxwell gerade das erste Farbfoto der Welt vorgeführt, das, wenn auch blaustichig, ein buntes, schottisches Karomuster zeigte. Seine Erfindung leitete das Zeitalter der Bilder ein. Längst hatte die Industrialisierung der Welt ein neues Gesicht verpasst, und das Leben der Menschen veränderte sich radikal. Neue Eisenbahnstrecken ließen Europa näher zusammenrücken, und die Städte wuchsen rasant, weil immer mehr Arbeiter zu den entstehenden Fabriken zogen. Die moderne Technik, das wurde allmählich deutlich, schuf nicht nur neue Lebensverhältnisse, sondern erwies sich auch als eine Kraft, die Veränderungen immer schneller vorantrieb. Cantor aber folgte unbeirrt seiner Berufung und versank in Zürich in eine abstrakte Welt aus Zahlen, Funktionen und Symbolen. Sein Vater stand ihm, wenngleich kein Ingenieur mehr aus ihm werden würde, weiter mit Ratschlägen zur Seite und zeigte hier, auf dem ihm eher unbekannten Terrain der Naturwissenschaften, eine verblüffend zutreffende Einschätzung der Situation:

Hast du schon ein System und strenge Einteilung Deiner verschiedenen Tagesbeschäftigungen eingerichtet? Dieses ist für einen künftigen Gelehrten, wie mir dünkt – nein ich weiß es! daß es so ist – eigentlich unerlässlich […] Ich habe mich aufrichtig gefreut zu sehen, Du habest ein Colleg über Astronomie belegt. Dies ist jedenfalls ein Fach, welches Du nebenbei pflegen musst und welches man bei näherer Bekanntschaft immer mehr und mehr lieb gewinnt. Besonders scheint mir ein Physiker und Mathematiker, der nicht auch Astronomie kultiviert, etwas Undenkbares!5

In der Tat waren Physik, Astronomie und Mathematik schon damals eng miteinander verwoben. Viele mathematische Fragen ergaben sich seit jeher aus dem Versuch, physikalische Beobachtungen zu beschreiben und die Mechanismen zu verstehen, die sie hervorbrachten. So trieben Astronomie und Physik die Entwicklung der Mathematik wie ein permanenter Motor voran. Auch hier wurden die Folgen der Industrialisierung spürbar: Durch die Anwendung physikalischen Wissens verstärkte sich die Wechselwirkung von Physik und Mathematik und erhielt neue Impulse. Umgekehrt lieferte die Mathematik spätestens mit der Entwicklung der Differenzialrechnung im 17. Jahrhundert der Physik und Astronomie das Handwerkszeug, um eine unübersichtliche Vielzahl an Messungen, Beobachtungen und Erfahrungen zu sortieren und aufzubereiten, Zusammenhänge aufzuspüren und Gesetzmäßigkeiten zu formulieren. So konnten bestimmte Paradoxa über Bewegung, Position und Geschwindigkeit, die die Menschen schon in der Antike beschäftigt hatten, erst mit modernen Methoden wie dem Konzept unendlicher Summen mathematisch aufgelöst werden. Und 1846 wurde sogar der weit entfernte Planet Neptun erst durch mathematische Berechnungen aufgespürt, bevor er dann im Teleskop ausfindig gemacht werden konnte. Die Mathematik gewann zunehmend an Bedeutung, was den Mathematiker David Hilbert einige Jahrzehnte später, 1930, in einer berühmten Radioansprache zu einer äußerst selbstbewussten Äußerung veranlasste:

Wir beherrschen nicht eher eine naturwissenschaftliche Theorie, als bis wir ihren mathematischen Kern herausgeschält und völlig enthüllt haben. Ohne Mathematik ist die heutige Astronomie und Physik unmöglich; diese Wissenschaften lösen sich in ihren theoretischen Teilen geradezu in Mathematik auf.6

Angesichts dieser Einschätzung zeigt der Hinweis, den der Kaufmann Georg Woldemar Cantor seinem Sohn knapp siebzig Jahre zuvor gab, im Oktober 1862, die Expertise eines echten Branchenkenners. Allerdings folgten nicht mehr viele Ratschläge, denn im darauffolgenden Sommer starb der Vater. Cantor setzte sein Studium für ein Semester aus, kehrte im Anschluss aber nicht wieder nach Zürich zurück, sondern zog seiner Mutter hinterher, die sich in Berlin niederließ.

Der Studienort Berlin erwies sich als exzellente Wahl, denn die Stadt war ein Hotspot der mathematischen Forschung. Cantor hörte Vorlesungen bei Weltklasse-Mathematikern wie Karl Weierstraß und Leopold Kronecker, die an den neusten Problemen der Algebra und der Analysis arbeiteten. Fünf Jahre später, im Jahr 1867, als der deutsche Philosoph Karl Marx sein Hauptwerk Das Kapital veröffentlichte und sich der schwedische Erfinder Alfred Nobel den Sprengstoff Dynamit patentieren ließ, reichte Cantor in Berlin seine Dissertation ein, eine exzellente Arbeit über Zahlentheorie.

Anschließend unterrichtete er, frisch promoviert, an einem Gymnasium – allerdings nicht besonders lang, nach rund zwei Monaten Probeunterricht hörte er wieder auf. Seine Qualität als Wissenschaftler war zwar unbestritten, doch als Lehrer stellte er sich wohl nicht sonderlich geschickt an. Ohnehin sah Cantor seine Zukunft nicht an der Schule, sondern in der Forschung. Er dachte leidenschaftlich gern über abstrakte Probleme nach und träumte davon, in der Mathematik, der Welt der theoretischen Objekte, scharfsinnigen Analysen und präzisen Schlussfolgerungen, etwas bewegen zu können. Er wollte sich mit seiner Zeit und Energie ganz der Wissenschaft widmen, in der Hoffnung, dort mit seinen Ideen verstanden und berühmt zu werden. All das konnte er sich in der Schule nicht vorstellen, und sosehr er es auch schätzte, sich in Berlin bei einem Glas Wein mit anderen Denkern über mathematische Theorien austauschen zu können und an einem regelrechten Kondensationspunkt modernster mathematischer Forschung zu leben – er verließ das Gymnasium und nahm erst einmal die nächstbeste Stelle an einer Universität an, die sich ihm bot: an der Universität Halle.

Es war eine kleine, unbedeutende Provinzuniversität, gar kein Vergleich zum mondänen, wegweisenden Berlin, doch Cantor sah hier seine Chance. Hier, glaubte er, würde er sein Glück finden und seiner Bestimmung nachgehen können. Er schrieb im Februar 1869 an seine Schwester Sophie:

Ich sehe doch immer mehr ein, wie sehr mir meine Mathematik ans Herz gewachsen ist oder vielmehr, daß ich eigentlich dazu geschaffen bin, um in dem Denken und Trachten in dieser Sphäre Glück, Befriedigung und wahrhaften Genuß zu finden […] Du wirst Dir denken können, daß sich diese Hoffnungen zunächst an Halle knüpfen; dort werde ich eine Wirksamkeit haben, welche sich ganz und gar auf meinen Beruf erstreckt, und ich werde dort vielleicht von selbst Anerkennung und Verständnis meiner Bestrebungen finden.7

Georg Cantor im Alter von etwa 25 Jahren, zu Beginn seiner Zeit an der Universität Halle

Halle war für Georg Cantor die erstbeste Möglichkeit, sich nach der Dissertation weiter mit dem beschäftigen zu können, was ihn antrieb und faszinierte. Hier wollte er über Zahlen und Funktionen und ihre abstrakten Eigenschaften nachdenken, etwa über die moderne und wichtige Frage, wie man eine komplizierte Funktion durch eine Summe von einfachen beschreiben kann – ob es prinzipiell geht, wann es geht, wie es geht und ob es vielleicht sogar verschiedene Möglichkeiten gibt, das zu tun. Cantor sah Halle als Sprungbrett und hatte nicht vor, allzu lange zu bleiben. Doch er sollte die Stadt nie mehr verlassen.

5

Ein genialer Trick

Beim Vergleichen unendlicher Mengen hatte Georg Cantor etwas Sonderbares herausgefunden: Es gibt unendlich viele ganze Zahlen

…, –5, –4, –3, –2, –1, 0, 1, 2, 3, 4, 5, …,

und zwar genau so viele, wie es natürliche Zahlen

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, …

gibt. Die ganzen Zahlen sind gewissermaßen genauso viele wie die Hälfte von ihnen allein. (Lassen Sie sich diese Erkenntnis in Ruhe durch den Kopf gehen! Ist sie nicht aufregend?) Es war absurd und gleichzeitig ohne Zweifel richtig, denn man kann die ganzen Zahlen in einer Reihenfolge anordnen und durchnummerieren wie die natürlichen Zahlen, und damit gehören sie zur gleichen Stufe von Unendlichkeit.

Cantor fragte sich nun, ob es auch eine höhere Stufe von Unendlichkeit gibt, das heißt, ob es eine Menge gibt, die unendlich viele Elemente enthält, die aber irgendwie mehr ist als abzählbar, und er nahm sich die Brüche vor. Sie sind ein heißer Kandidat für eine höhere Stufe von Unendlichkeit, denn Brüche scheint es wesentlich mehr zu geben als natürliche Zahlen.

Brüche sind Allrounder. Im Alltag werden Sie keine anderen Zahlen benötigen, was auch immer Sie mit Zahlen tun, denn Brüche decken alles ab. Es mag für Sie vielleicht jetzt noch nicht so aussehen, aber warten Sie ab, Sie werden mir gleich zustimmen.

Ein Bruch ist ein Verhältnis

zweier ganzer Zahlen a und b, zum Beispiel oder . Der Bruch bedeutet, dass etwas in vier gleich große Teile aufgespalten wird, und von diesen vier gleichen Teilen wird nur einer betrachtet; wir haben es also mit dem Verhältnis »1 von 4« zu tun. Der Bruch bedeutet, dass man mit gleich großen Anteilen der Größe arbeitet, und von diesen Bruchteilen werden 22 betrachtet; hier ist also das Verhältnis »22 von 7« gemeint, und damit ist eine Zahl, die etwas größer als 3 ist, nämlich 3 plus . ( hält übrigens als handliche Näherung für die Kreiszahl π her, die ungefähr 3,14159 beträgt. ist nur etwa 0,04 Prozent größer. Wir werden später noch erfahren, warum es praktisch ist, einen Bruch als Näherung für die Zahl π zu benutzen anstatt der exakten Zahl selbst.) Bruchzahlen mögen zwar auf den ersten Blick so aussehen, als kämen sie nur in der Schule vor oder höchstens noch in dem ein oder anderen alten Kochrezept (» Liter Milch, äh, wie viel Milliliter sind das?«), aber sie umfassen auch Kommazahlen, die Ihnen aus dem Alltag geläufig sind. 0,25 zum Beispiel ist nichts anderes als ein Bruchteil von 1, und damit ist es ein Bruch, wenn er auch etwas anders aufgeschrieben ist als in der Schulschreibweise mit Bruchstrich. Die Kommaschreibweise nennt man Dezimalbruch, und jeden Dezimalbruch kann man leicht in einen Bruch mit Bruchstrich verwandeln, so ist 0,25 nichts anderes als . In den Bruchzahlen sind also Kommazahlen enthalten. Und sie umfassen auch die ganzen Zahlen, denn –4 ist die gleiche Zahl wie , also formal gesehen das Verhältnis »–4 von 1«. Brüche enthalten somit alles, was man im Alltag braucht, allerdings sind sie auch äußerst vielgestaltig: Jede Zahl hat unvorstellbar viele Möglichkeiten, wie sie aussehen kann, so ist 3 die gleiche Zahl wie und und und und so weiter – alles sind ordnungsgemäße Brüche, aber alle besitzen den selben Wert. Doch das ist zu verschmerzen, man kann es sogar als besonders vorteilhafte Flexibilität sehen. Mit Brüchen kann man nach Herzenslust und ohne Probleme addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren (mit der einzigen Ausnahme, dass man nicht durch 0 teilen darf), man kann Dinge zählen, Anteile benennen und auch negative Kontostände notieren. Schon vor 4000 Jahren, um 2000 v. Chr., rechneten Ägypter und Babylonier mit Brüchen, man kann also guten Gewissens sagen, Brüche haben sich als brauchbar erwiesen. Bruchzahlen – erfolgreich rechnen seit 2000 v. Chr.! Brüche sind , –120 und 11,23. Die Kreiszahl π und √2 hingegen sind keine. Experten sprechen bei Brüchen übrigens von rationalen Zahlen (von lateinisch ratio, Verhältnis).

Im Jahr 1873, als der französische Schriftsteller Jules Verne seinen Helden Phileas Fogg in 80 Tagen um die Welt reisen ließ, reiste Cantor in Gedanken durch die Welt der unendlichen Mengen. Er dachte über Brüche nach und verglich sie mit den natürlichen Zahlen 1, 2, 3, 4 …, die er als einfachste Form der Unendlichkeit ansah und als Maßstab anlegte. Brüche scheint es viel mehr zu geben als natürliche Zahlen und damit auch als ganze Zahlen: Allein zwischen 0 und 1 liegen bereits unendlich viele Brüche, beispielsweise , , , und , und es lassen sich unzählige weitere aufführen, indem man zu immer kleineren Bruchteilen übergeht, gewissermaßen vom Hundertsten ins Tausendste kommt; es gibt Halbe und Drittel, es gibt Viertel, Fünftel, Sechstel und so weiter, es gibt Neununddreißigstel, Vierzigstel, Einundvierzigstel, es gibt Einhundertsiebenundachzigstel, und so geht es immer und immer weiter in immer kleinere Anteile, die alle zwischen 0 und 1 liegen. Es sind ganz offensichtlich unendlich viele. Und zwischen 1 und 2 liegen ebenso viele Brüche, zwischen 2 und 3 auch, zwischen 3 und 4 wiederum, und so weiter.

Allein zwischen 0 und 1 liegen unendlich viele Brüche. Und zwischen 1 und 2 ebenso. Und zwischen 2 und 3. Und so weiter. Es gibt unendlich oft unendlich viele Brüche.

Cantor wollte nun wissen, wie viele Brüche es gibt, im Vergleich zu den natürlichen Zahlen, und er fand etwas Bizarres heraus: Es sind gleich viele. Er konnte auch die scheinbar viel größere Menge der Brüche so anordnen, dass er sie durchnummerieren konnte, und etwas durchzählen zu können wie die natürlichen Zahlen heißt: Es gibt genau so viel davon wie von den natürlichen Zahlen, beide Mengen sind gleichmächtig, es ist die erste Stufe der Unendlichkeit.

Brüche so anzuordnen, dass man sie durchzählen kann, ist allerdings nicht einfach, denn man muss dabei erstens sicherstellen, dass man keine Durchzählnummer ein zweites Mal vergibt, und zweitens, dass man beim Durchzählen wirklich jeden Bruch, den es gibt, erwischt und keinen vergisst. Wie soll man bei der unüberschaubaren Menge an Brüchen in ihrer kunterbunten Vielgestalt den Überblick behalten? Es war ein riskantes Unterfangen. Doch Cantor gelang es. Wie er die Brüche letzten Endes anordnete und sie sicher und zweifelsfrei durchzählte, war genial, es war ein meisterhafter Trick, gleichermaßen schlagkräftig wie elegant; auch heute, noch über ein Jahrhundert später, verblüfft er durch seine Einfachheit und wird zu Recht im ersten Semester eines jeden Mathematikstudiums vorgeführt.

Um eine Übersicht zu gewinnen, welche Brüche es gibt, erstellte Cantor eine Tabelle. Erst einmal schrieb er darin alle positiven Brüche auf. In der ersten Zeile notierte er alle Brüche, die unter dem Strich eine 1 tragen, also alle Ganzen:

In die zweite Zeile schrieb Cantor nun alle Brüche, bei denen im Nenner eine 2 steht, das heißt alle Halben:

So fuhr er fort und trug auch je eine Zeile für die Drittel, Viertel und Fünftel und so weiter ein.

Cantor wollte eine Übersicht über alle positiven Brüche erstellen. Hatte er in dieser Tabelle alle erfasst? Ja, das hatte er! Um das zu wissen, brauchte er die Tabelle gar nicht völlig auszufüllen (was ohnehin keine gute Idee gewesen wäre, denn damit wäre er heute immer noch nicht fertig), schließlich war bei jeder Zeile klar, wie sie weiterläuft, und es war auch klar, welche Zeilen nach der fünften noch folgen, und so, wie die Tabelle aufgebaut war, lag auch auf der Hand, dass in ihr kein Bruch fehlt.

Um sich davon zu überzeugen, denken Sie sich bitte einen Bruch, von dem Sie meinen, er könnte fehlen, und dann suchen Sie ihn in der Tabelle. Sie werden ihn finden. Das behaupte ich ganz verwegen, und darauf sollten Sie deshalb erst einmal nichts geben, denn behaupten kann ja jeder irgendetwas. Aber wir werden nun gemeinsam rigoros beweisen, dass es wirklich so ist, das heißt, dass es immer klappt und Sie jeden Bruch, den es gibt, in der Tabelle finden werden. Fangen wir zuerst mit einem Beispiel an. Nehmen wir an, ich suche den Bruch . Ich muss nur in Zeile 7 gehen und hier zum 22. Eintrag, dann habe ich gefunden. Nun wagen wir den tollkühnen Sprung, den Mathematikerinnen und Mathematiker so lieben und der die Mathematik so mächtig macht: den Sprung vom konkreten Einzelfall in die umfassende Allgemeinheit, in unserem Fall den Sprung von der konkreten, einsamen, zarten Anleitung, wie der Bruch zu finden ist, zu der universellen, durchschlagenden, allumfassenden Strategie, wie jeder nur denkbare Bruch aufgespürt wird, und sei er auch noch so originell. Welcher positive Bruch auch immer gesucht wird, er hat auf jeden Fall die Gestalt , wobei a und b zwei konkrete natürliche Zahlen sind, so viel steht fest. Um diesen Bruch in der Tabelle zu finden, gehe man nun in Zeile b (b steht ja für eine konkrete natürliche Zahl) und hier zum a-ten Eintrag (auch a steht für eine konkrete natürliche Zahl), und voilà, hier steht der gesuchte Bruch! Und weil wir uns nicht festgelegt haben, welche Zahlen mit den Stellvertreterbuchstaben a und b genau gemeint sind, und weil wir auch keine konkreten Eigenschaften dieser Zahlen benutzt haben, führt diese Vorschrift immer zum Erfolg, in jedem erdenklichen Fall, für jeden Bruch. Damit wissen wir: Cantors Inventur ist perfekt, in seiner Tabelle sind tatsächlich alle positiven Brüche verzeichnet, die es gibt.