Die erste deutsche Nordpolar-Expedition im Jahre 1868 - Karl Koldewey - E-Book

Die erste deutsche Nordpolar-Expedition im Jahre 1868 E-Book

Karl Koldewey

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

1868 stach das Expeditionsschiff »Grönland« mit zwölf Mann Besatzung in Richtung Norden in See. Die Mannschaft sollte im Auftrag des bekannten Geographen, Kartographen und Zeitschriftenherausgebers August Petermann die Ostküste von Grönland erforschen und dessen Theorie belegen, daß eine warme Strömung das Meer am Nordpol eisfrei hielt. Zum Kapitän der Expedition wurde Karl Koldewey ernannt. Die Route des Schiffes führte von Bergen über Jan Mayen zur Ostküste von Grönland. Schon bald blieb das Schiff im Packeis stecken. Fast 200 Seemeilen driftete die Mannnschaft eingeschlossen im Eis nach Süden, drang aber nicht zur grönländischen Küste vor. Danach wurde Spitzbergen angesteuert. Entlang der Westküste ging es nach Norden, bis das nördliche Packeis erreicht wurde. Weil sich keine Passage durch dieses hindurch finden ließ, segelte die »Grönland« wieder nach Süden, um einen zweiten Versuch zu unternehmen, den Packeisgürtel von Ostgrönland zu durchdringen, jedoch wieder ohne Erfolg. Ein weiteres Mal segelte die »Grönland« zum Spitzbergen-Archipel und ankerte in der Hinlopenstraße. Dort wurden Erkundungsausflüge an Land unternommen, die Küstenlinien kartiert und etliche Orte benannt. Am 28. September 1868 kehrte die erste deutsche Nordpolar-Expedition nach Bergen zurück. Obwohl sie ihre Ziele aufgrund der 1868 schwierigen Eisverhältnisse nicht erreichen konnte, lieferte die Expedition wichtige arktische Erkenntnisse, die sich im nächsten Jahr bei der zweiten Nordpolar-Expedition auszahlten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 262

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

Vorwort von A. Petermann

Kapitän Osborns Anregung und Plan zu einer neuen englischen Expedition nach den Polar-Regionen, 23. Januar 1865

A. Petermanns Bestrebungen seit 1863

Die Erforschung der kalten Zone mit geringeren Opfern verknüpft als die der heißen Zone

A. Petermanns Beschluß, eine deutsche Nordpolar-Expedition ins Werk zu setzen, sein von Osborns Vorschlag verschiedener Plan erfährt gerade in England große Anerkennung und Zustimmung

Admiral Lütkes Ansicht über das Meer bei Nowaja Semlja

Geographische Versammlung in Frankfurt 23. Juli 1865 zur Veranstaltung einer Deutschen Nordfahrt. Kapitän Werners Unternehmen

Die Preußische Regierung. Die Österreichische Geographische Gesellschaft

Versammlung in Gotha 17. Dezember 1865. K. Preußische Kommission in Berlin 18. Januar 1866

Das Preußische Abgeordnetenhaus. Aufruf des F. D. Hochstiftes an die Deutsche Nation April 1866

A. Rosenthal in Bremerhaven und die Dampfkraft in der Großfischerei

Erreichung der ostgrönländischen Küste von deutschen Walfischfahrern

Versammlung in Gotha 11. und 12. Oktober 1866. Aufstellung des Planes zu einer deutschen Nordpolar-Expedition

Versammlung des Nationalvereins in Kassel 10. und 11. November 1866 und Verfügung über 106.580 Gulden. Ablehnung, die deutsche Nordfahrt zu unterstützen

Dr. F. Oetkers Unterstützung. Lieutenant Weyprechts Offerte

A. Petermanns Beschluß, auf alleiniges Risiko eine Expedition auszurüsten

Die deutschen Expeditionen nach Afrika. Beiträge für die Nordpolar-Expedition

Ausrüstung, Verlauf und Resultate der Ersten Deutschen Nordpolar-Expedition

Vorteile von A. Petermanns Plan über denjenigen Osborns erwiesen

Die Isothermen des Nordmeeres. Die Aufnahmen in Nordost-Spitzbergen

Deutsche Namen auf der Landkarte

Ergebnisse arktischer Forschungen seit 1868

Bericht von K. Koldewey

1. Ursprung der Expedition. Plan. Abreise nach Bergen

2. Ankunft in Bergen. Ankauf des Schiffes, Verzimmerung und Ausrüstung desselben. Wissenschaftliche Instrumente, Bestimmung der Lokalattraktion. Mannschaft. Abfahrt von Bergen

3. Von Bergen nach Jan Mayen und bis an das grönländische Eis. Treibholz, Golfstrom

4. Beschreibung des Eises. Erstes Eindringen in dasselbe. Schwerer Sturm aus Osten. Im Eise besetzt. Eisbärenjagd. Besuch vom Boote der »Diana«. Befreiung

5. Am Eise entlang zurück nach Norden bis 75° Grad. Zusammentreffen mit den Walfischfahrern. Fahrt nach Spitzbergen. Farbe des Meeres. Versuche, Gillis-Land von Süden zu erreichen. Landung an der Westküste von Spitzbergen

6. Bel-Sund. Anlaufen des nördlichen Packeises. Zusammentreffen mit dem Schiffe »Jan Mayen«. Abermalige Versuche, die grönländische Küste zu erreichen

7. Vorteile eines kleinen Schiffes. Beschluß über den ferneren Kurs. Schwerer. Sturm. Temperatur- und Windverhältnisse. Nord-Spitzbergen. Moffen-Insel. Zusammentreffen mit Walroßjägern. Sturm. Bei Kap Foster. Fahrt durch die Hinlopen-Straße

8. Die Augusta-Bucht und ihre Umgebung. Kapitän Tobiesen. Gillis-Land und die Eisverhältnisse. Walroßjagd. Die Gletscher bei der Augusta-Bucht. Versuch, ostwärts vorzudringen. Zu Anker bei der Wilhelm-Insel

9. Die Bastian-Inseln. Lage und Beschaffenheit des Eises. Umgebung von Thumb Point. Die Bismarck-Straße; die Gezeiten daselbst. Sturm aus Osten. Rückkehr nach der Augusta-Bucht. Erreichung der Breite von 81° 5’ N

10. Rückreise. Allgemeine Resultate. Schlußbemerkungen

Vorwort von A. Petermann

Vor nunmehr sechs Jahren regte der verdiente englische Seefahrer Kapitän Sherard Osborn die Erforschung der arktischen Regionen, die seit Dr. Hayes’ Rückkehr im Oktober 1861, also über drei Jahre lang, geruht hatte, unter großer Sympathie der englischen wissenschaftlichen und nautischen Welt von neuem an. Es geschah dies am 23. Januar 1865 in einem Vortrage, gehalten in der Versammlung der Königlichen Geographischen Gesellschaft von London, unter dem Vorsitz von Sir Roderick I. Murchison. Er hob dabei vor allem die verhältnismäßige Geringfügigkeit der Gefahren und Opfer hervor, die bei Polar-Expeditionen zu fürchten sind. 36 Jahre lang, von 1818 bis 1854, waren diese Forschungen im gegenwärtigen Jahrhundert von England unablässig betrieben worden, zu Schiff, zu Boot und zu Schlitten, und von den 42 verschiedenen auf einander folgenden Expeditionen war nur eine einzige, die von Frank lin, verlorengegangen, von den circa 100 Auxiliar-Schlitten-Expeditionon keine. »Man zeige mir«, sagte Osborn, »auf dem Erdkreis Entdeckungen von gleicher Größe oder in der Geschichte ein gleich schwieriges Werk, die mit geringeren Opfern an Menschenleben durchgeführt wären. Innerhalb vier Jahre wurden den Haifischen weit mehr Matrosen vorgeworfen, die bei dem Dienst in China und an den afrikanischen Küsten Krankheiten erlagen, als je auf den 30jährigen arktischen Expeditionen starben.«

Kapitän Osborns Plan einer neuen englischen Expedition, und zwar zur Erreichung des Nordpols, war: mit zwei kleinen Schraubendampfern die Baffin-Bai hinauf bis zum Smith-Sund und soweit wie möglich darüber hinaus zu fahren, von da aber, wo man zu Schiffe nicht weiter würde vordringen können, den Rest des Weges zu Boote oder zu Schlitten zurückzulegen. Er wies dabei auf die großen Strecken hin, welche englische Expeditionen in den Jahren 1853 bis 1859 zu Schlitten auf einmal zurückgelegt hätten, so z. B.:

Richards und Osborn . . . .

1093

nautische

Meilen,

Young . . . . . . . . . .

1150

,,

,,

Mecham . . . . . . . . .

1157

,,

,,

Mecham (ein anderes Mal) . .

1203

,,

,,

M’Clintock . . . . . . . .

1220

,,

,,

M’Clintock (ein anderes Mal)

1330

,,

,,

Sir Leopold M’Clintock, der erfahrenste jetzt lebende arktische Reisende, der 7 Winter und 10 Sommer in den arktischen Regionen zugebracht hat, sprach sich dahin aus, daß es ganz gut möglich sei, eine Schlittenreise auf 1500 Meilen auszudehnen, das seien aber 500 Meilen mehr, als man bedürfe, um von dem vorgeschlagenen Ausgangspunkt Kap Parry, nördlich von Smith-Sund, nach dem Pol und zurück zu kommen.

So weit Kapitän Osborn und die englischen Geographen.1 – Es erschien mir, allein schon in meinen Beziehungen zur Königlichen Geographischen Gesellschaft von London und in meiner Stellung als Herausgeber eines angesehenen deutschen Geographischen Journals, doppelte Pflicht, diese Bestrebungen zur Erforschung unserer Erde zu sekundieren und nach Kräften fördern zu helfen. Hier sollte ein Erdraum von mindestens 140.000 deutschen Quadratmeilen, größer als ganz Australien, erforscht, unzählige Probleme und Rätsel gelöst werden. Dazu kamen mein früheres Interesse für diese Gebiete und Erinnerungen an meinen Aufenthalt in England, wo ich seit 1845 das Glück hatte, mit den Koryphäen der geographischen Wissenschaft und Entdeckungen persönlich bekannt zu sein, und durch Herausgabe einer Reihe von Aufsätzen und Schriften über die Geographie und Erforschung der Polar-Regionen seit Januar 1852 auch öffentlich mein werktätiges Interesse für diesen Teil der Erdkunde bezeugt hatte.

Schon seit dem Jahre 1863 suchte ich gerade auch bei meinen deutschen Landsleuten Interesse für die Polar-Regionen zu erwecken, bei Gelegenheit der Publikation einer erschöpfenden Arbeit über die Kartographie, Geographie und Entdeckungsgeschichte der Südpolar-Regionen,2 aber es bedurfte einer langen Zeit, um den »Stein auszuhöhlen«, wie Dr. Oscar Peschel, der Geschichtsschreiber geographischer Entdeckungen, sich ausdrückte.3

Ich unterstützte die Bestrebungen der englischen Geographen mit um so größerer Bereitwilligkeit, weil ich mit ihren Ansichten in allen wesentlichen Punkten übereinstimmte, vor allem in Bezug auf das Wünschenswerte solcher Forschungen und die verhältnismäßige Geringfügigkeit der damit verbundenen Gefahren und Menschenopfer. Sind die gebildeten Kreise damit einverstanden, daß wir die Erde, die uns zum Wohnsitz angewiesen ist, kennenzulernen suchen, so ist es sicherlich wünschenswert, Erdräume von resp. 140.000 und 396.000 deutschen Quadratmeilen4 zu erforschen, gleichviel, ob dieselben in der kalten oder in der heißen Zone gelegen sind. Und sind etwa die heißen Erdräume leichter zu erforschen als die kalten? Die Entdekkungsgeschichte gibt genügende Antwort darauf. Auch Kapitän Osborn hat diese Frage speziell beantwortet in Bezug auf englische Seefahrer und Forschungsreisende. In meinem Vortrag, gehalten in der Geographischen Versammlung zu Frankfurt a. M. am 23. Juli 1865, erörterte ich sie in Bezug auf deutsche Forscher und bemerkte, daß seit Jahrzehnten unsere Entdeckungsreisenden sich, als Regel, einer nach dem anderen, in dem Innern der gefahrvollsten Kontinente, ganz besonders in Afrika, hinmorden lassen, sei es von den fanatischen Einwohnern, sei es von dem tödlichen Klima,5 während dergleichen Gefahren und Opfer bei arktischen Expeditionen höchstens nur als seltene Ausnahme vorkommen. So war die bisherige Ansicht, und die neueste Erfahrung hat sie durchaus bestätigt. Nehmen wir z. B. die beiden ersten deutschen Nordpolar-Expeditionen, 1868/70, so sind sämtliche Teilnehmer derselben, im Ganzen 43 Personen, gesund und wohl wieder zurückgekehrt, mit Ausnahme eines einzigen Kranken, trotzdem daß ein Dritteil, die Mannschaft der »Hansa«, die furchtbarsten Schicksale und Gefahren zu überstehen hatte, die einer solchen Expedition unter den ungünstigsten Verhältnissen überhaupt wohl zustoßen können. Nehmen wir dagegen z. B. afrikanische Unternehmungen, so blieb von der unter Richardson &c. unternommenen Expedition nur Barth am Leben, während Richardson, Overweg, Vogel erlagen. Um letzteren zu suchen oder sein Schicksal aufzuklären, gingen sieben andere Forscher aus: Heuglin, Steudner, Munzinger, Kinzelbach, Hansal, Schubert, Beurmann – von ihnen ließen drei ihr Leben: Steudner, Schubert, Beurmann, nachträglich noch Kinzelbach. Andere Unternehmungen, wie das Deckensche, traf ein noch schlimmeres Los.

Das europäische Nordmeer bis zum Pol und die dazu gehörigen Landgebiete liegen uns näher als das Innere des schwarzen Kontinents, und ihre Erforschung hat für uns Deutsche vielleicht mehr Wert als die Wüste Sahara, der Tsad-See, der Kilimandscharo und andere afrikanische Objekte. Und weshalb sollten sich deutsche Forscher und Seeleute nicht ebensogut an der Lösung des größten noch übrig gebliebenen geographischen Problems versuchen, als an der Erforschung von Afrika und anderen Erdteilen?

Solche Betrachtungen und Gründe erfüllten mich, als ich die angeregte Erforschung der Nordpolar-Regionen nach Kräften zu fördern mich anschickte. Ich beschloß, zu versuchen, eine deutsche Nordpolar-Expedition zustande zu bringen und mit Beharrlichkeit so lange zu arbeiten, bis mir dies gelungen sein würde. Ich sprach dieses Vorhaben öffentlich schon am 3. März 1865 aus, und um dasselbe ernsthaft und systematisch zu betreiben, wandte ich mich zunächst an das wissenschaftliche Publikum Deutschlands, das durch seine große Teilnahme und Unterstützung alle ähnlichen deutschen Unternehmungen in den letzten Dezennien ermöglicht hatte. Zuerst richtete ich zwei offene Sendschreiben vom 9. Februar und 3. März 1865 in englischer Sprache an Sir Roderick Murchison,6 den hochverdienten Präsidenten der Königlichen Geographischen Gesellschaft in London, und ließ dieselben gleichzeitig in deutscher Sprache in den »Geographischen Mitteilungen« erscheinen.7

Während ich den wesentlichen Punkten des englischen Projektes, dem Zweck und Ziel, zustimmte, konnte ich dem Plane zur Erreichung derselben nicht beitreten. Nach Kapitän Osborns Plan sollte die neue Expedition – wie fast sämtliche Expeditionen dieses Jahrhunderts – westlich von Grönland nach Norden gehen. Ich schlug als Basis und Ausgangspunkt das sozusagen vor unserer Tür liegende, von Ostgrönland bis Nowaja Semlja sich erstreckende europäische Nordmeer vor, wie ich dies schon seit 1852 wiederholt zur Beachtung empfohlen hatte.

Mein Plan fand in England so viel Berücksichtigung, daß drei weitere Versammlungen der Königlichen Geographischen Gesellschaft darauf verwandt wurden, um über meinen und Osborns Plan in erschöpfendster Weise zu beraten.

Noch nie war einem Gegenstände so viel Aufmerksamkeit und Zeit gewidmet als diesem, dem von den 14 jährlichen Versammlungen der Gesellschaft vier eingeräumt wurden; an den Beratungen und Diskussionen nahmen die ersten wissenschaftlichen und nautischen Autoritäten Englands teil, u. a. Back, Beicher, Collinson, Crawfurd, Davis, Donnet, Dufferin, Fitzroy, Hamilton, Hickson, Inglefield, Lamont, Lubbock, Markham, Maury, Murchison, Ommanney, Osborn, Owen, Richards, Sabine, Young; alle diese berühmten und verdienten Männer sprachen sich mehr oder weniger eingehend über den Gegenstand aus, es war so zu sagen ein großes arktisches wissenschaftliches Turnier, und da die Mehrzahl zu den erfahrensten Polarreisenden gehörte, so wurden die interessantesten und wertvollsten Mitteilungen zu Tage gefördert.8 Eine englische Nordpolar-Expedition kam dadurch nicht zu Stande, vielleicht gerade deshalb, weil die Ansichten geteilt waren, wohl aber ermutigte mich das Resultat dieser Verhandlungen, in meinen Bemühungen fortzufahren, da nicht bloß meinen Ansichten große Anerkennung und Zustimmung geschenkt wurde, sondern die maßgebenden Autoritäten sich auch über wiegend zu meinem Plan bekannten. Ganz besonders hielten diese das Meer zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja der Beachtung wert, und Admiral Lütke, durch seine vierjährigen Reisen in den Jahren 1821–24 der erste lebende Kenner dieses Meeres, stimmte ebenfalls meinen Ansichten zu, indem er mir am 29. August 1865 schrieb: »Ich teile vollkommen Ihre Ansicht hinsichtlich der Direktion, die dabei einzuschlagen ist. Unsere Akademie sowie die Geographische Gesellschaft haben sich ebenfalls in diesem Sinne ausgesprochen. Der mißlungene Versuch, den ich selbst vor einigen 40 Jahren gemacht, zwischen Nowaja Semlja und Spitzbergen nach Norden vorzudringen, beweist nichts, weil mein Schiff keineswegs zu einem entschiedenen Vordringen in die Eismassen eingerichtet war und es überhaupt nicht der Zweck der Expedition war; vor allen Dingen aber, weil man jetzt hat, was uns alten Seeleuten nicht zu Gebote stand – nämlich Dampfkraft auf Seeschiffe angewandt«.9

Ich durfte somit annehmen, daß mein Plan die überwiegende Zustimmung der maßgebendsten nautischen und geographischen Autoritäten erlangt hatte.

Um die Angelegenheit weiter zu fördern, publizierte ich zunächst außer den erwähnten Mitteilungen über die Londoner Verhandlungen und meinen Sendschreiben an die Königliche Geographische Gesellschaft eine Abhandlung »Der Nordpol und Südpol, die Wichtigkeit ihrer Erforschung in geographischer und kulturhistorischer Beziehung; mit Bemerkungen über die Strömungen der Polarmeere«, nebst »Karte der Arktischen und Antarktischen Regionen, zur Übersicht des geographischen Standpunktes im Jahre 1865, der Meeresströmungen &c.«)10 Ich übergehe hier alle Details über diese und andere nachfolgende Publikationen und Schriften und erwähne nur, daß obige Abhandlung das Interesse für die Sache in Deutschland bedeutend anregte und u. a. Herrn Dr. O. Volger und das von ihm gegründete Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt veranlaßte, sich der Sache warm anzunehmen und »zur Veranstaltung einer Deutschen Nordfahrt« eine Geographische Versammlung nach Frankfurt a. M. auf den 23. Juli 1865 zusammen zu berufen.

In dieser Versammlung suchte ich die Ausführung einer kleinen Rekognoszierungsfahrt nach Spitzbergen und dem Meere östlich davon bis Nowaja Semlja noch für die Monate August, September, Oktober 1865 anzuregen, nach Art der schwedischen Expeditionen und der Fahrten von Löwenigh & Keilhau in 1827, Lamont in 1859, Birkbeck und Newton in 1864 u. a., ganz neuerdings der von Th. v. Heuglin und Graf Zeil im Jahre 1870, die nur etwa 1200 Taler kostete und verhältnismäßig sehr bedeutende Resultate hatte.11 Es wurde indes in der Frankfurter Versammlung behauptet, daß eine Rekognoszierungsfahrt wie die von mir vorgeschlagene für 6 Wochen mindestens 20.000 Tlr. kosten würde und von der Veranstaltung derselben noch für das laufende Jahr überhaupt abgeraten.12

Darauf suchte ich eine solche Fahrt in beschränkter Weise, nur mit einem kleinen norwegischen Segelschiffe, zustande zu bringen und sicherte am 30. Juli 1865 demjenigen deutschen Seemanne, der noch in den übrigen Sommermonaten desselben Jahres eine Segelfahrt von Hammer fest in nordöstlicher Richtung unternähme und die Strömungsverhältnisse zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja rekognoszieren würde, einen Preis von 1000 bis 2000 Tlr. zu.13

Infolgedessen unternahm Kapitän Werner eine solche Fahrt, und zwar mit einem Dampfer, deren Gesamtkosten für 6 bis 8 Wochen etwa 7000 Tlr. betragen sollten. Sie ging am 31. August von Hamburg ab, kam aber schon am nämlichen Tage noch im Elbe-Strom durch eine »Störung in der Maschine« zum Stillstand. Durch dieses erste Unternehmen geriet, wie mir nachher von verschiedenen Seiten mündlich und schriftlich versichert wurde, die ganze Sache einstweilen in Mißkredit, und es war nun guter Rat teuer.

Und doch mußte die Sache wieder vorwärts. Denn nur durch andauerndes Interesse und durch nachhaltige Arbeit kann eine solche Aufgabe gelöst werden. Ich reiste nun zunächst im September nach Kiel, um die Unterstützung des Herrn Admiral Jachmann anzusprechen, und wandte mich dann nach Berlin an die Herren Staatsminister Graf von Bismarck und von Roon, um zu erfahren, ob von der K. Preußischen Regierung Unterstützung für die Sache zu hoffen sei. Am 15. November 1865 hatte ich die Ehre, in Berlin dem K. Preußischen Minister-Präsidenten Graf von Bismarck und dem Kriegs- und Marine-Minister General von Roon die Angelegenheit persönlich zu unterbreiten; bei de Herren Minister empfingen mich in der allerzuvorkommendsten und teilnehmendsten Weise und sprachen sich günstig über das Projekt und für eine Unterstützung seitens der K. Preußischen Regierung aus.

Inzwischen hatte sich bereits am 24. Oktober die K. K. Geogr. Gesellschaft in Wien an die K. Österreichische Regierung mit der Bitte gewandt, dem Unternehmen ihre vollste Unterstützung angedeihen zu lassen; am 14. Dezember kam jedoch der Bescheid, daß für das Jahr 1866 die K. Österreichische Regierung nicht in der Lage sein würde, dem Antrage auf Hergeben eines Schiffes für die projektierte Nordpolar-Expedition zu entsprechen, und da von der K. Preußischen Regierung noch kein bestimmter Bescheid eingegangen war, berief ich am 9. Dezember eine Versammlung hervorragender Freunde des Unternehmens auf den 17. Dezember nach Gotha.

Dieser Versammlung wohnten bei die Herren Koner und Maurer aus Berlin, Liévin aus Danzig, Stübel aus Dresden, Weissenborn aus Erfurt, Volger aus Frankfurt a./M., Harkort aus Hombruch, Behm, Henneberg, Hopf, A. Perthes, J. Perthes, Petermann aus Gotha, Carus und Lange aus Leipzig. Bei einer eingehenden Besprechung der Sachlage einigte man sich dahin, die Ausführung der Expedition von der Preußischen Regierung zu erhoffen und einstweilen die eigene Tätigkeit darauf zu beschränken, das Interesse für die Sache auf alle Weise rege zu erhalten.

Am 22. Dezember wurde von dem Herrn Kriegs- und Marine-Minister von Roon zur Feststellung der Aufgaben und der Bedürfnisse der Expedition eine Kommission dekretiert, die am 18. Januar 1866 und folgenden Tagen im Marine-Ministerium in Berlin unter dem Vorsitz des Herrn Contre-Admiral Jachmann zusammentrat und der auch ich beizuwohnen die Ehre hatte. Ehe jedoch die eingeleiteten Verhandlungen zur Vorbereitung einer Entschließung der K. Preußischen Regierung beendigt waren,14 brach der 1866er Krieg aus.

Es waren zwar noch vorher von zwei anderen Seiten Anstrengungen gemacht worden, um die Angelegenheit zu fördern, indem 1) im Januar 1866 dem Abgeordnetenhause in Berlin von Herrn Fr. Harkort eine Petition aus der Grafschaft Hark überreicht wurde, in welcher der Antrag gestellt war, das Hohe Haus möge die K. Staatsregierung auffordern, die von mir angeregte Nordfahrt im Interesse der Marine entweder direkt in die Hand zu nehmen oder wenigstens kräftig zu unterstützen,15 2) das Freie Deutsche Hochstift im April 1866 einen Aufruf an die deutsche Nation zur Ausrüstung und Aussendung einer deutschen Nordfahrt erließ;16 – allein die Expedition blieb unausgeführt.

Der Krieg wurde zu Ende gebracht, ein neues Jahr, 1867, brach an, es eröffnete sich keine Aussicht auf die Verwirklichung des Projektes. Inzwischen suchte ich meinerseits dasselbe unausgesetzt zu fördern, z. B. auch durch Publikation einer Reihe eingehender Arbeiten über die bisherigen Resultate der Erforschung der arktischen Regionen, da mit Ausnahme des v. Hiddendorffischen Werkes über das Taimyr-Land noch wenig in dieser Richtung geschehen war.17

War von Anfang an alles angestrengt worden, die seefahrenden Kreise an der deutschen Nordseeküste für das Projekt zu interessieren, so beschloß ich jetzt, mich noch einmal persönlich an dieselben zu wenden. Der unternehmende Reeder Herr A. Rosenthal in Bremerhaven hatte in jenem Jahre, am 14. März 1867, seinen neuerbauten Dampfer »Albert« auf den Walfischfang und Robbenschlag nach Norden gesandt, das erste eigens dazu erbaute Dampfschiff, das von Deutschland aus zu diesem wichtigen Seegewerbe benutzt wurde, nachdem die schottische Stadt Dundee seit 1858 die Dampfkraft überhaupt bei der Großfischerei eingeführt hatte.18 Da die Walfischfänger und Robbenschläger stets nach Jan Mayen und weiter gegen die Ostküste Grönlands ihren Kurs richten, so hoffte ich, daß in Verbindung und auf der Basis dieser Fahrten vielleicht für die Erschließung von Ostgrönland, seine wissenschaftliche Erforschung und ein Vordringen von dieser Küste gegen den Nordpol etwas würde geschehen können;19 und um darüber mündlich Rücksprache zu nehmen und persönliche Verbindungen anzuknüpfen, beschloß ich, Dr. Breusing, Direktor der Steuermannsschule in Bremen, und Herrn A. Rosenthal in Bremerhaven aufzusuchen, zwei Männer, die sich für das Projekt einer deutschen Nordfahrt stets warm interessiert hatten. Ich reiste daher Mitte September 1867 nach Bremen und Bremerhaven und fand bei beiden Herren das regste Interesse für das Projekt und alle Bereitwilligkeit, dasselbe zu unterstützen.

Bei dieser Gelegenheit konnte ich u. a. auch die Ansicht zweier der erfahrensten Walfischfahrer an der Unterweser, Kapitän Haake in Vegesack und Kapitän Westermeyer in Leesum-Bruch, über die Schiffahrt an der Küste von Ostgrönland einholen. Ersterer hatte schon im Juli 1831 an jener Küste in etwa 74° N. Br. eine Landung effektuiert und das Meer in einer Breite von 3 deutschen Meilen längs der Küste frei und ohne Eis gefunden; letzterer sprach sich dahin aus, daß sich die Küste mit einem Dampfer jedes Jahr, mit einem Segelschiff wohl ein Jahr ums andere erreichen ließe, eine Ansicht, die sich auch als richtig erwiesen hat.

In Folge meiner persönlichen Anregungen in Bremen und Bremerhaven fand am 11. und 12. Oktober in Gotha abermals eine Zusammenkunft statt, zu der sich als nautische Sachverständige Dr. Breusing und Herr Rosenthal, als Kandidaten wissenschaftlicher Mitglieder der projektierten Expedition Dr. Dorst und Dr. Buchholz einfanden. Bei dieser Zusammenkunft wurden alle Seiten und Details des Unternehmens beraten und ein bestimmter Plan aufgestellt, »der nicht, wie bei allen bisherigen Projekten und Expeditionen, ein einseitiger war, sondern von drei Hauptgesichtspunkten ausging und nach allen menschlichen Berechnungen einen sichern, großen und umfangreichen Erfolg versprach«.20 Der so aufgestellte Plan umfaßte eine Land-Expedition, eine See-Expedition und eine Überwinterung. Die Land-Expedition sollte die Ostküste Grönlands erschließen und von 75° N. Br. so weit nach Norden vordringen als möglich; ich betonte schon damals, daß die bisherigen äußerst mageren Nachrichten von dieser wenig bekannten Küste »auf ganz merkwürdige und ungewöhnliche Verhältnisse schließen ließen«.21 Die See-Expedition sollte in der ganzen Breite des Europäischen Nordmeeres, zwischen Grönland und Nowaja Semlja operieren und da nach Norden vordringen, wo sich das Meer am schiffbarsten und am meisten frei von Eis erwiese. Die Kosten des ganzen Unternehmens wurden auf 60.000 Tlr. berechnet.

Zur Erlangung dieser Summe wurde die meiste Hoffnung auf den Nationalverein gesetzt, der in seiner Versammlung in Kassel am 10. und 11. November den Rest der im deutschen Volke gesammelten Flottengelder im Betrage von 106.580 Gulden zu vergeben hatte, Gelder, die zur Kreierung einer Deutschen Flotte unter preußischer Führung, mithin zur Hebung des deutschen Seewesens gesammelt waren. Eine deutsche Entdeckungs-Expedition zur See würde ebenfalls im letzteren Sinne wirken, so wurde angenommen, der Nationalverein aber würde seine Tätigkeit mit einem Werke schließen und krönen, welches vor der ganzen Welt leuchten und in der Geschichte fortleben würde.

Ich reiste daher im November nach Kassel, um in der Versammlung des Nationalvereins im obigen Sinne zu wirken, wurde auch hierin aufs wärmste von Dr. Breusing unterstützt. Die ganze Summe wurde jedoch für eine Invaliden-Stiftung bestimmt, der Nationalverein übergab sie dem Königl. Preußischen Marine-Ministerium, und dieses überwies sie der bereits bestehenden Marine-Stiftung »Frauengabe Elberfeld«.

So war abermals eine Hoffnung zu Grabe getragen worden, und die Ausführung einer deutschen Nordfahrt schien mehr als je in weite Ferne gerückt zu sein. Ich war jedoch nicht willens, die Sache abermals im Sande verlaufen zu lassen und die drei Jahre unausgesetzter Bemühungen und Arbeit, die ich ihr bereits gewidmet, umsonst gebracht zu haben; ich beschloß vielmehr, alles einzusetzen und allein vorzugehen. Ich fand dabei eine Ermutigung in der freundlichen Offerte des Herrn Dr. Friedrich Oetker, Mitglieds des Nationalvereins, der mir unter lebhaftem Bedauern über den Kasseler Beschluß am 24. November 1867 die Summe von 500 Tlr. als Beitrag zur Ausrüstung einer Expedition versprach.

Ich beschloß, auf mein alleiniges Risiko zunächst eine kleinere Expedition auszurüsten. Einer der frühesten Freunde der Sache, der Seeoffizier K. Weyprecht aus dem Städtchen König im Odenwald, hatte sich bereits am. 28. März 1866 erboten, mit einer Summe von etwa 3000 Gulden oder 2000 Taler eine Expedition auszurüsten und auszuführen, die in einem norwegischen Fahrzeug von Tromsö oder Hammerfest ausgehen, während der Dauer von fünf Monaten in Spitzbergen Forschungen anstellen und das Meer zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja untersuchen sollte.22 Daß mit einer derartigen bescheidenen Summe eine tüchtige, wenn auch kleine Expedition für vier oder fünf Sommermonate ausgeführt werden könne, dafür hatte ich genügende Belege, besonders in den ausgezeichneten schwedischen Expeditionen, die seit 1858 wiederholt nach Spitzbergen ausgesandt waren und bei bescheidenen Kosten die wichtigsten Ergebnisse gehabt hatten.23

Die für eine solche kleinere Expedition nötigen Geldsummen wollte ich versuchen durch öffentliche Sammlungen bei Fürst und Volk gedeckt zu erhalten. Schon mehr als einmal waren deutsche geographische Unternehmungen auf diese Weise ermöglicht worden, z. B. die afrikanischen Reisen von Heuglin, Steudner, Munzinger, Kinzelbach, Hansal, Schubert, Beurmann, Rohlfs von 1860 bis 1867, die mit dem Betrage einer in 1860 von Gotha aus veranstalteten Sammlung von 22.428 Tlr. Großes geleistet hatten.

Da Lieutenant Weyprecht sich genötigt sah, zurückzutreten, so übergab ich Herrn Obersteuermann K. Koldewey, den mir Dr. Breusing warm empfohlen hatte, mit vollem Vertrauen die Führung der von mir ins Werk gesetzten Expedition.

Das ist die kurze Andeutung der Geschichte der ersten deutschen Nordpolar-Expedition vom 9. Februar 1865, dem Datum meines ersten Schreibens an Sir Roderick Murchison, Präsidenten der Königl. Geographischen Gesellschaft in London, bis zum 27. Februar 1868, dem Datum meines Schreibens an den Obersteuermann K. Koldewey in Göttingen, um ihm die Führung der von mir ins Werk gesetzten Expedition anzutragen. Von hier aus findet sich der weitere Verlauf zum Teil in dem nachfolgenden Bericht enthalten; nur einige kurze Bemerkungen seien mir noch gestattet.

Vor allem gebührt den Freunden und Gebern Dank für ihre Unterstützung und Beiträge. Wie schon oben erwähnt, brachte die erste Gabe Dr. Fr. Oetker in Kassel, der 500 Tlr. beisteuerte, die ich Herrn K. Koldewey schon am 5. März 1868 für seine persönlichen Ausgaben übersandte. Am 20. Mai erließ ich einen öffentlichen Aufruf zu Beiträgen, aber schon lange vorher, wie nur die erste Andeutung ruchbar wurde, daß eine deutsche Nordfahrt ausgerüstet werden sollte, kamen von verschiedenen Seiten Beiträge, die, weil früh und unerbeten, um so erfreulicher waren: Ihre Majestät die Königin von Preußen überschickte schon am 14. April 100 Tlr., Herr A. Rosenthal in Bremerhaven am 20. April 150 Taler, der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin am 3. Mai 550 Tlr.; die erste Gabe von einem wissenschaftlichen Verein kam am 6. Mai aus Kiel, vom Verein für Geographie und Naturwissenschaften (80 Tlr.), die Verlagshandlung Justus Perthes, die bereits der Wernerschen Expedition 1000 Tlr. gewidmet, gab abermals 500 Tlr.; aber der größte Beitrag, 5000 Tlr., kam von Seiner Majestät König Wilhelm von Preußen bereits am 13. Mai, während die Expedition erst am 24. Mai von Bergen aus in See ging. Nach meinem Aufruf am 20. Mai flossen Beiträge von allen Seiten, u. a. 500 Tlr. von Robert M. Sloman in Hamburg am 4. Juni, 3184 Tlr. von Dr. Breusing (dessen Sammlung in Bremen und aus London) am 25. Juli &c. Über sämtliche bis zum 1. April 1869 eingegangene Beiträge habe ich in einer ausführlichen öffentlichen Quittung quittiert, die in 2750 Exemplaren an fast sämtliche einzelne Geber direkt übersandt worden ist. Eine vollständige Abrechnung, einschließlich meines Anteils an der 2. deutschen Nordpolar-Expedition, werde ich demnächst in einem der Monatshefte dieser Zeitschrift veröffentlichen, in denen auch bereits die Quittungen über meine Sammlungen für diese letztere publiziert wurden.

Auch besonders der ganzen deutschen Presse, die das Unternehmen von Anfang an in der freundlichsten Weise unterstützt hat, ist die deutsche Nordfahrt-Angelegenheit großen Dank schuldig.

Die Kosten der ganzen Expedition wurden anfänglich von Koldewey auf 5340 Tlr. berechnet, sie stellten sich später, besonders auch durch den Ankauf des Schiffes und Ausbau desselben, bedeutend höher, auf das Dreifache. Wenn ich auch am 1. April bereits eine Anleihe von 3000 Tlr. zu machen hatte und durch den Ankauf und die größeren Kosten am 5. Mai weitere 5000 Tlr. aufzunehmen genötigt wurde, so zögerte ich doch keinen Augenblick, als es sich am 9. April darum handelte, meine Einwilligung zum Kauf des von Koldewey gewünschten Schiffes zu geben und die nötigen Geldsummen zu schaffen, weil er dasselbe als ein außerordentlich zweckmäßiges Schiff zu dergleichen Fahrten schilderte und ich deshalb überzeugt war, daß sich dasselbe auch später, nach der Rückkehr dieser ersten Expedition, stets zu deutschen nautisch-wissenschaftlichen Unternehmungen wür de benutzen lassen und daß für diese daher durch den Erwerb des Schiffes eine Basis für die Zukunft geschaffen würde.

Die Teilnahme und pekuniäre Unterstützung meines Unternehmens erwies sich allmählich so bedeutend, daß ich für den Überschuß meiner Geldsammlung sogar den Dampfer für die zweite Expedition bauen lassen konnte.24

Die Bestimmung der ersten Expedition, Zweck und Ziel derselben, sind in meiner Instruktion vom 6. Mai 1868 ausführlich ausgesprochen.25

Was den Verlauf und die Resultate dieser ersten deutschen Forschungs-Expedition zur See anlangt, so verweise ich auf den nachfolgenden Bericht und die beiden Karten. Solche Resultate erhalten indes oft nur in Verbindung mit anderen Beobachtungen ihre volle Bedeutung und im Vergleich mit denselben den Maßstab ihres Wertes; indem ich schon bei anderer Gelegenheit einige der Resultate besprochen habe,26 behalte ich mir die Diskussion anderer vor und will jetzt nur eine kurze Bemerkung über die Hauptsache in der ganzen Angelegenheit machen. Osborns Plan betraf das Vordringen nach Norden westlich von Grönland, mein Plan östlich davon, auf der Basis und in der ganzen Breite des europäischen Nordmeeres von Grönland bis Nowaja Semlja. Schon diese erste Expedition hat zur Genüge dargetan, daß die Basis meines Planes Vorteile bietet wie kein anderer Meeresteil in denselben Breiten. Der westlichste von Koldewey erreichte Punkt ist in 17° 22’ W. L. Gr. (73° 24’,8 N. Breite), der östlichste in 23° 27’ Ö. L. Gr. (75° 38’ N. Breite), also ein Längenabstand von 40° 57’, mithin einem Neuntel der ganzen Erd-Peripherie, das mit ziemlicher Leichtigkeit durchsegelt wurde. Westlich von Grönland würde dies in demselben Grade unmöglich sein, und auch in dem antarktischen Meere sind diese Breiten nur erst zweimal erreicht worden. Die höchste erreichte Breite ist 81° 4’ N., und zwar wurde dieselbe noch am 14. September ohne Schwierigkeit erreicht, wobei es nicht einmal darauf abgesehen war, auf hoher See bis zu einer großen Polhöhe vorzudringen; westlich von Grönland oder irgend anderswo auf der ganzen Erde als eben in diesem unserem europäischen Nordmeere, der Basis meines Planes arktischer Forschungen, ist eine solche Breite zu Schiff noch niemals erreicht worden.

Ebenso haben die seit 1868 ausgeführten deutschen Expeditionen überhaupt, so wie die schwedischen, norwegischen und russischen Fahrten erwiesen, daß ausgedehnte Küstenstriche von Ostgrönland, Ost-Spitzbergen, Ost- und Nord-Nowaja Semlja zugänglich, weite Meeresteile schiffbar sind, die man sich bisher mit ewigem und festem Eise erfüllt dachte; ferner, daß diese Gebiete der Erforschung wert sind und daß sie – z. B. Ost-Grönland mit seinen tiefen Fjords, arktischen Montblancs, seiner interessanten Tier- und Pflanzenwelt – ungeahnte Naturmerkwürdigkeiten und Forschungsgebiete von hohem Interesse bergen.

Die Vorteile meines Planes gegenüber dem englischen von Osborn u. a. haben sich also jetzt schon in genügendem Maße herausgestellt.

Der Inhalt des folgenden Berichtes findet manche Ergänzung durch die beiden Kartenblätter; das kleinere Blatt (Tafel 2) bringt die neuen Landesaufnahmen, mit denen es der Expedition beschieden war, die Geographie zu bereichern, erschöpfend, das größere Blatt (Tafel 1) den genauen Kurs der ganzen Expedition von Bergen aus und zurück. Auf diesem Blatt ist die Ausdehnung des Eises sorgfältig und ebenfalls vollständig dargestellt, die Sondierungen, das Vorkommen von Treibholz, die Meeresströmungen in ihrer Richtung und Stärke, endlich die Temperatur-Beobachtungen des Meeres an der Oberfläche und in verschiedenen Tiefen.

Bezüglich der Meerestemperatur ist festzuhalten, daß die sich kreuzenden oder dicht nebeneinander laufenden Kurse sehr verschiedene Jahreszeiten – Frühjahr, Sommer, Herbst – betreffen, daß einmal die Kurse des Mai und September, ein andermal die des Juni und August, ein drittes Mal Juli und September &c. zusammenfallen. Um daher nicht ein unwissenschaftliches Phantasiegemälde zu geben, ist vermieden worden, aufgrund der Temperatur-Beobachtungen zusammenhängende Isothermen zu konstruieren, die sich doch nur zum Teil auf das Frühjahr, den Sommer und den Herbst beziehen, also weder Jahres- noch Jahreszeit-, noch Monats-Isothermen sein würden. Seit beinahe einem Viertel-Jahrhundert verlangt die Wissenschaft Monats-Isothermen; schon Humboldt, der die Meteorologie zuerst im Jahre 1817 mit Jahres-Isothermen bereichert hatte, erkannte die Unzulänglichkeit derselben zu Darstellungen der Temperaturverhältnisse, und schon im Jahre 1848 publizierte Dove seine Monats-Isothermen. Ich habe die Monats-Isothermen vom Mai, Juni, Juli, August, September so weit gezogen, wie sich das auf einer solchen Karte mit sich vielfach kreuzenden Beobachtungslinien mit einiger Berechtigung tun läßt.