Die Farben der Leidenschaft - Kate Hoffmann - E-Book

Die Farben der Leidenschaft E-Book

Kate Hoffmann

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Beschreibung

Die Telefonleitungen der Polizeistation laufen heiß: Offenbar werden in der neuen Galerie sehr freizügige Bilder gezeigt! Polizeichef Ian Quinn weiß nicht, wie er die schöne, freidenkende Künstlerin Marisol Arantes bändigen soll. Bis er sie eines Nachts aufsucht …

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Seitenzahl: 180

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IMPRESSUM

Die Farben der Leidenschaft erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2006 by Peggy A. Hoffmann Originaltitel: „The Mighty Quinns: Ian“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY EXTRA HOT & SEXYBand 76 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Ulrike Pesold

Umschlagsmotive: Shutterstock_Dari Ya , GettyImages_NycyaNestling

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733758479

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Ian blinzelte gegen die Sonne. Das gleißende Licht, das sich in der Windschutzscheibe spiegelte, verursachte ihm Kopfschmerzen. Er hatte den gestrigen Abend mit seinen Brüdern verbracht und zu viel Bier getrunken. Da heute Samstag war, war das kein großes Problem, denn obwohl er Polizeichef von Bonnett Harbor war, war er nicht im Dienst.

Das Dach seines Mustangs war geöffnet. Ein bisschen Schatten würde vermutlich helfen, die Kopfschmerzen loszuwerden, aber mit geschlossenem Verdeck zu fahren, wäre an einem so schönen Junitag eine Schande. Er hielt an der Ampel der Kreuzung Main und Harbor Street und wollte abbiegen.

Ein kleiner Sportwagen hielt neben ihm und er sah zu dem Triumph Spitfire hinüber. Ian hatte klassische Sportwagen schon immer gemocht, und dieser war eines seiner Lieblingsautos. Er blickte zur Fahrerin, um ihr anerkennend zuzunicken, aber ihm stockte der Atem und er fühlte sich, als wäre er von einer Dampfwalze überrollt worden.

Sie war schön. Nein, mehr als das. Er suchte nach dem passenden Wort, aber er war noch nie ein Dichter gewesen. Hinreißend beschrieb sie nicht ganz. „Atemberaubend“, murmelte er. Ein besseres Wort fiel ihm nicht ein.

Ihr Kleid umschloss ihren Körper wie eine zweite Haut und war tief ausgeschnitten, sodass er ein Stück ihrer perfekten Brüste sehen konnte. Ian blickte auf seinen Schoß hinab. Verblüfft sah er, dass er erregt war. Als könne sie seinen Blick spüren, schaute die Frau zu ihm herüber. Sie sahen einander einen intensiven Moment lang an und die Luft zwischen ihnen knisterte regelrecht.

Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und hob dann langsam die Sonnenbrille hoch, während ein Lächeln ihren Mund umspielte. Sie schürzte die Lippen ein wenig, als wolle sie ihm einen Kuss zuwerfen, dann senkte sie die Brille wieder.

Einen Augenblick später war sie fort. Ihr Auto fuhr die Harbor Street hinunter. Ian merkte sich das Nummernschild, riss das Lenkrad nach links und wollte ihr folgen, aber er löste die Kupplung zu schnell und würgte den Mustang ab. Fluchend ließ er den Wagen wieder an. Doch als der endlich ansprang, war sie verschwunden.

Als er auf die Hauptstraße fuhr, nahm Ian sein Handy und rief die Polizeiwache an. „Sally, Sie müssen ein Nummernschild aus New York überprüfen. T-B-7-8-4-1. Ich bin gleich da.“

„Geht klar, Boss“, erwiderte Sally.

Den Rest des Wegs verlor Ian sich in Fantasien von der Frau, die er gerade gesehen hatte. Er hielt sich immer an die Regeln, und der Gedanke, sie ohne guten Grund anzuhalten, ging ihm gegen den Strich. Aber sie war anders als die Mädchen, die ihn normalerweise anzogen. Diese Frau war … exotisch. Seine Neugier war geweckt, und das geschah nicht oft.

Ian stellte den Wagen auf dem Parkplatz vor der Wache ab. Er konnte nur daran denken, sie ausfindig zu machen. Aber als er die Tür zuschlagen wollte, blieb er wie angewurzelt stehen. Er erinnerte sich vage an gestern Abend.

Das Keuschheitsgelübde. „Verdammt“, murmelte er. Er sollte nicht an Frauen denken, geschweige denn, einer durch die Stadt folgen. Gestern Abend hatten er und seine Brüder einander geschworen, sich für drei Monate von Frauen fernzuhalten. Es war eine dumme Idee gewesen, und Ian wusste nicht, warum er sich darauf eingelassen hatte.

Aber vielleicht war es ja gar keine so schlechte Idee. Wenn er nicht mehr nach der richtigen Frau suchte, dann würde die richtige Frau vielleicht einfach auftauchen. Aber es war sicher nicht die Frau im grünen Triumph. So wie sie aussah, kam sie nicht aus Bonnett Harbor – und sie gehörte auch nicht in sein Bett.

Außerdem musste er auf seinen Ruf achten. Obwohl er ein gesunder, einunddreißigjähriger Mann war, hätte er ebenso gut der Priester des Orts sein können. Warum verstanden die Einwohner von Bonnett Harbor nicht, dass er ein ganz normaler Mann war, der eine Uniform trug? Er war kein Ausbund an Anstand und Ehre. Manchmal war er ein Bad Boy – und manchmal war eine Frau beteiligt.

In der Polizeistation war es kühl und ruhig. Sally Hughes, die Rezeptionistin, lächelte ihn an, als er hereingeschlendert kam.

„Guten Morgen, Chief.“ Sie hielt ihm eine Akte hin. „Das Auto ist auf eine Marisol Arantes registriert. Wohnhaft in Manhattan. Keine Vorstrafen. Also, was hat sie angestellt?“

„Nichts. Also ist sie nicht von hier.“

„Nein. Vielleicht hat sie Freunde hier besucht. Soll ich mehr herausfinden?“

„Nein, danke. Das ist nicht nötig.“ Ian ging in sein Büro. Bonnett Harbor hatte etwa zweitausendfünfhundert Einwohner und acht Polizeibeamte. Es passierte nicht viel, von ein paar lauten Partys am Wochenende abgesehen. Marisol Arantes zu sehen, war das Interessanteste gewesen, was Ian seit ein oder zwei Monaten zugestoßen war.

Er setzte sich an seinen Schreibtisch und zog ihr Führerscheinfoto aus dem Ordner. Sie blickte ihn heißblütig an. Er seufzte. Wie es wohl wäre, eine solche Frau in seinem Leben … in seinem Bett zu haben? Ihre leidenschaftliche Seite zu erforschen, jede Kurve ihres Körpers zu erkunden und sich ihre Stimme und ihre Berührungen einzuprägen.

„Da ist noch etwas“, sagte Sally, die den Kopf zur Tür hereinstreckte.

Ian schloss die Akte und sah auf. „Heute ist Samstag. Ich habe frei, oder? Aber meinetwegen.“ Ian klemmte sich die Akte unter den Arm. „Worum handelt es sich?“

„Es gibt einen neuen Mieter in der Bay Street, in dem Geschäft mit den zwei Pinien davor. Ein paar der alten Schachteln haben sich darüber beschwert, dass etwas Obszönes im Schaufenster ausgestellt ist.“

„Obszön?“

„Sie wollten es nicht sagen. Ich tippe auf nackte Brüste.“

„Gut“, sagte Ian. „Ich überprüfe das, aber dann bin ich für heute fertig, verstanden? Wenn es sonst noch was gibt, sollen die Jungs sich darum kümmern.“

Sally salutierte. „Jawohl, Chief. Genießen Sie Ihr Wochenende.“

Ian ging zu seinem Wagen, dann bemerkte er die Akte, die er immer noch in der Hand hielt. Er zog erneut ihr Foto hervor. Es musste eine Möglichkeit geben, diese Frau wiederzusehen. Nie zuvor war er von einer Frau so fasziniert gewesen, schon gar nicht von einer völlig Fremden.

Er lehnte sich an den Mustang und blickte ihr Gesicht noch eine Weile an. Schließlich stieg er ins Auto und warf die Akte auf den Beifahrersitz. Er würde sie nicht wiedersehen, also warum sollte er über sie nachdenken?

Ian legte den Gang ein und verließ den Parkplatz Richtung Bay Street, in der es Geschäfte, Boutiquen und auch ein paar Kunstgalerien gab.

Ian parkte den Wagen und stieg aus, ohne sich um die Parkuhr zu kümmern. Während er die Straße entlangging, suchte er die Fenster nach etwas ab, das man für „obszön“ halten könnte. Einen Augenblick später blieb er vor den zwei kleinen Pinien stehen. Drei Skulpturen standen im Schaufenster. Alle drei zeigten den männlichen Körper zwischen der Taille und den Schenkeln.

Die Skulpturen wirkten verstörend lebensecht. Genau genommen waren sie nicht obszön, nur sehr detailliert und realistisch. Und recht gut bestückt. Er ging zur Tür und spähte hinein. Das Innere war unordentlich, als würde der neue Mieter gerade erst einziehen. Gemälde lehnten an den Wänden und weitere Skulpturen standen, in Blisterfolie verpackt, auf Podesten. Ian drückte die Klinke hinunter und stellte überrascht fest, dass sie offen war.

Er betrat den kühlen Raum. „Hallo?“, rief er. „Ist jemand hier?“

Ein paar Sekunden später hörte er Schritte. Und dann erschien sie, wie durch Magie. Die Frau im grünen Triumph. Ian sog die Luft ein, als sie näherkam.

„Kann ich …“ Sie brach ab. „Sie sind es“, sagte sie. „Wir haben uns an der Ampel gesehen.“

Ian nickte und zog seine Polizeimarke aus der Jeanstasche. Sie erinnerte sich also auch an ihn. Das war ein gutes Zeichen. „Ian Quinn“, sagte er. „Ich bin Polizeichef hier in Bonnett Harbor. Und Sie sind …“

„Marisol“, erwiderte sie und ihre rauchige Stimme sandte einen Schauer seinen Rücken hinunter. „Marisol Arantes.“

Sie reichte ihm nicht die Hand und er war enttäuscht. Ihre Finger waren lang und schmal. Er bemerkte einen Strich aus blauer Farbe unter ihrem Handgelenk und starrte eine Weile darauf.

Sie räusperte sich und riss ihn so aus seiner Trance. „Kann ich etwas für sie tun? Ich glaube, ich habe alle meine Genehmigungen, oder nicht?“

Er sah ihr in die Augen. „Man hat mich gebeten, herzukommen, um über die Pe…“ Er machte eine Pause. „Um über die … Kunstwerke in ihrem Schaufenster zu sprechen.“

Sie blickte ihn auf beunruhigende Weise an und Ian trat von einem Fuß auf den anderen. Er konnte ihren Gesichtsausdruck einfach nicht deuten. Frauen fanden ihn für gewöhnlich charmant, aber er spürte, dass Marisol Arantes mehr von Männern erwartete als nur ein gewinnendes Lächeln. Er spielte definitiv nicht in ihrer Liga.

„Man hat Sie gebeten?“ Sie kam einen Schritt auf ihn zu und ging dann um ihn herum. Dabei musterte sie ihn genau. „Tun Sie immer das, worum Menschen Sie bitten, Mr. Quinn?“

„Miss Arantes, das hier ist eine Kleinstadt. Und auch wenn Ihre Skulpturen und Bilder die Menschen in der Großstadt … faszinieren, hier bringen sie die Menschen ein wenig aus der Fassung.“

„Sie auch?“

Er lachte leise, als sie ihn umkreist hatte und wieder vor ihm stand. „Stellen Sie immer so viele Fragen?“, entgegnete er.

Sie lächelte. „Ich bin neugierig. Was halten Sie von meiner Kunst?“

„Ich verstehe nicht viel von Kunst“, gab er zu und betrachtete die Bilder und Skulpturen, die herumstanden. „Ich weiß, dass die Mona Lisa gut ist und dass Elvis auf schwarzem Samt Kitsch ist. Aber darüber hinaus habe ich keine besondere Meinung.“

„Oh, aber ich will keine Meinung“, erwiderte sie mit verführerischer Stimme. „Ich will Ihre Reaktion.“ Sie legte ihm die Hand auf die Brust. „Wie fühlen Sie sich jetzt? Körperlich? Emotional?“

Sein Herz schlug so fest, dass er es in seinem Kopf hören konnte. Es wollte sie berühren, ihre Taille umfassen und sie an sich ziehen. Und er hatte Angst, nach unten zu sehen, hatte Angst, dass er ebenso auf sie reagierte, wie er es im Auto getan hatte. Außerdem fragte er sich, was sie unter diesem dünnen Kleid trug, sofern sie überhaupt etwas darunter trug.

Falls sie bemerkte, welche Wirkung ihre Berührung auf ihn hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. Ian versuchte, gelassen zu wirken, aber es war ihm beinahe unmöglich. Er betrachtete ihr herzförmiges Gesicht und die vollen Lippen, die großen Augen und das dunkle Haar.

Wenn er sich ein Stückchen nach vorne lehnte, wenn sie auch nur ein kleines bisschen Interesse andeutete, dann musste er sie küssen. Sobald er das getan hatte, konnten sie den Small Talk hinter sich lassen und sich um diese verrückte Anziehungskraft zwischen ihnen kümmern. Denn die gab es, oder nicht? Das bildete er sich nicht ein.

„Und? Fühlen Sie etwas?“, wollte sie wissen.

Ian holte tief Luft und räusperte sich. Er versuchte, sich zu konzentrieren. „Ja“, sagte er. Verwirrung, Erregung, Unsicherheit. Er hatte schon mit einigen Frauen geschlafen, aber im Moment fühlte er sich wie ein blutiger Anfänger. Wenn er es schon kaum schaffte, mit ihr zu reden, wie wollte er sie dann verführen?

„Ich bekomme Minderwertigkeitskomplexe“, erklärte er, und trat einen Schritt zurück. Er ging zu einer anderen Skulptur hinüber. Ian betrachtete sie einen Moment und zuckte dann zusammen. Der Reflex, die Augen abzuwenden, war zu mächtig. Ian deutete auf die Skulptur. „Aber ein männlicher Körper besteht aus mehr.“

„Aber das ist das wichtigste Stück“, antwortete sie, und ihre Stimme wurde leidenschaftlich. „Darauf läuft alles hinaus, finden Sie nicht? Leben, Tod, Liebe, Hass, Treue, Verrat. Das ist die Essenz eines Mannes. Das ist es, was Sie antreibt, was Sie zu dem macht, was Sie sind, oder nicht?“

„Nein“, sagte Ian. „Nun, nicht ganz. Ich meine, nicht immer. Obwohl die meisten Frauen glauben, dass wir mit unserem … Penis denken, stimmt das nicht. Gelegentlich benutzen wir auch unser Gehirn.“

Warum zum Teufel diskutierte er mit dieser Frau über Penisse? Wie war aus diesem vielversprechenden Treffen eine psychologische Analyse der männlichen Libido geworden?

Marisol fuhr mit der Hand über die Skulptur und liebkoste den Penis, als wäre er echt. Ian reagierte sofort intensiv. Das Blut rauschte in seinen Schritt. Er brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie sie seinen warmen, lebendigen Körper berührte. Er konnte es beinahe spüren.

Ian wandte sich ab, denn er befürchtete, seine Reaktion war zu offensichtlich. Während er auf ein großes Gemälde an der Wand zuging, zog er an seinem T-Shirt, bis es seine Lenden bedeckte. Wohin er auch sah, überall waren Penisse, in allen Größen und Farben. Manche waren mit männlichen Körpern verbunden, andere schwebten einfach im Raum. „Warum fasziniert Sie das Thema so?“ Er blickte über seine Schulter und sah, wie sie sich näherte.

„Neugier. Ich habe keinen, also frage ich mich, wie das alles funktioniert, wie es sich anfühlt, welche Macht er über die Psyche eines Mannes hat. Ich glaube, ich male sie, weil ich verstehen will.“ Sie sah zu ihm herüber. „Nun, ich habe Ihnen all meine Geheimnisse verraten, jetzt müssen Sie mir eines von Ihren erzählen.“

„Ich habe keine.“

„Das glaube ich Ihnen nicht“, erwiderte Marisol. „Aber wenn Sie Angst haben, sie mir zu erzählen, verstehe ich das. Es liegt vermutlich an Ihrem Job. Die Marke, die Uniform, das Befolgen der Gesetze. Vermutlich sind Sie deswegen so nervös.“

Alles in Ian sträubte sich gegen ihre Einschätzung. Was war falsch daran, ein aufrechter Mensch zu sein? Die Leute vertrauten ihm. Er hatte früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen, und auch wenn es gelegentlich erdrückend war, bedeutete es nicht, dass er ein Spießer war. „Hören Sie. Ich verstehe, dass Ihnen das Thema wichtig ist. Aber haben Sie keine anderen Stücke, die Sie im Fenster ausstellen können? Eine Katze oder eine Schüssel mit Obst?“

Sie schüttelte den Kopf. Er unterdrückte den Drang, sie auf den Hals zu küssen und fragte sich, wie ihre Haut sich wohl an seinen Lippen anfühlen würde.

„Das ist meine Arbeit“, sagte sie mit ruhiger Stimme. „Wenn die Leute ein Problem damit haben, dann müssen sie nicht hinsehen. Eine Künstlerin darf sich so ausdrücken, wie sie es will, oder nicht?“

Galt das auch für den Mann neben der Künstlerin? Was, wenn er sich ausdrücken wollte, indem er sie in seine Arme nahm und küsste? Indem er die Träger ihres Kleids von ihren Schultern streifte und es zu Boden fallen ließ? Indem er sie nackt auf eine der gepolsterten Bänke legte und sich in ihr verlor?

„Es gibt kein Gesetz dagegen“, gab Ian zu. „Aber es könnte trotzdem Probleme geben. Wenn ich nichts dagegen tue, wird es der Gemeinderat tun.“

„Gut. Dann können Sie den Leuten sagen, dass wir miteinander geredet haben und dass ich meine Skulpturen nicht aus dem Fenster nehme.“

Marisol nahm seinen Arm und geleitete ihn zur Tür. „Ich muss wieder an die Arbeit. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mr. Quinn.“ Sie schaute ihm in die Augen und Ian sah Verlangen in ihrem Blick aufflackern.

„Sie wollen wissen, wie ich mich fühle?“, fragte Ian.

Sie nickte.

Ian holte tief Luft, dann schlang er einen Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Einen Augenblick später fand sein Mund ihren und er küsste sie, langsam und bewusst. Er nutzte all sein Können. Als er sich schließlich zurückzog, öffnete sie langsam ihre Augen und blickte ihn dann erschüttert an.

„I-ich verstehe“, flüsterte sie.

„Gut“, erwiderte er. Ian drehte sich um und öffnete die Tür, dann trat er auf den Gehweg hinaus. Einen Augenblick später drehte sich der Schlüssel hinter ihm im Schloss.

Ian ging zu seinem Auto zurück. In ihm machte sich Befriedigung breit. Er hatte das recht gut gehandhabt. Und obwohl es nicht der vielversprechendste Anfang war, war es doch ein Anfang. Aber je näher er seinem Wagen kam, desto klarer wurde ihm, was er gerade getan hatte.

„Was habe ich mir nur dabei gedacht?“, murmelte er. Er war dienstlich in der Galerie gewesen!

Vielleicht hatte Marisol Arantes recht. Vielleicht ging es nur um den Penis eines Mannes – und um die Frau, die ihn kontrollierte. Nun, jetzt hatte er die Chance, ihr das Gegenteil zu beweisen. Er hoffte, sie würde die Skulpturen in ihrem Fenster lassen. Jetzt, da das Objekt seiner Begierde in Bonnett Harbor lebte, würde er viele Möglichkeiten haben, sie wiederzusehen.

„Du solltest nach Hause fahren, Papi. Es ist eine lange Fahrt in die Stadt und es ist spät.“ Marisol beobachtete ihren Vater, der durch die Galerie schritt und vor jedem ihrer Bilder stehenblieb, um es kritisch zu betrachten.

Kritiker und das, was sie von ihrer Arbeit hielten, hatten sie noch nie interessiert. Aber sie brauchte die Anerkennung ihres Vaters. Nur seinetwegen interessierte sie sich für Kunst. Hector Arantes hatte früher ein berühmter Künstler werden wollen, aber das Publikum war ihm nicht gnädig gewesen. Er war in Europa recht erfolgreich gewesen und hatte auf noch mehr Erfolg in den Staaten gehofft. Also war er mit seiner Frau und der fünfjährigen Tochter von Lissabon nach New York gezogen. Doch sobald sie gelandet waren, war alles schiefgelaufen.

Die Kritiker waren brutal gewesen und ihr Vater, der seine Familie ernähren musste, war an skrupellose Männer geraten. Hector Arantes hatte die unheimliche Fähigkeit, die Werke anderer Künstler zu kopieren. Damals war es ihr nicht bewusst gewesen, aber ihr Vater war berüchtigt dafür gewesen, unbekannte Werke bekannter Künstler zu fälschen. Als er vor siebzehn Jahren gefasst worden war, hatte er ins Gefängnis gemusst. Marisol war neun gewesen, als er ins Gefängnis kam und beinahe neunzehn, als er entlassen wurde. Sie und ihre Mutter, eine ehemalige Ballerina, hatten in einer winzigen Wohnung in SoHo gelebt und ihre Mutter hatte Ballettunterricht gegeben, um sich über Wasser zu halten.

All die Jahre über hatte Marisol sich geweigert, ihn aus ihrem Leben zu verbannen, und als ihre Kunst langsam Anerkennung fand, hatte sie den Rat ihrer Freunde, ihren Nachnamen zu ändern, nicht befolgt. Der Name Arantes war in der Welt der Kunst berüchtigt, aber sie trug ihn dennoch mit Stolz.

„Vielleicht solltest du wieder anfangen zu malen“, meinte Marisol. „Der Markt hat sich verändert, und vielleicht werden deine Arbeiten jetzt akzeptiert.“

Hector schüttelte den Kopf. „Nein, es ist zu spät für mich. Ich bin zu alt, um Karriere zu machen. Ich male Wandgemälde für reiche Leute und sie schätzen meine Arbeit. Ich bin der Michelangelo für Arme. Mehr will ich nicht.“

Ihr Vater war stolz. Marisol hatte ihm das Leben einfacher machen wollen, aber er hatte jede Hilfe abgelehnt. Und ihre Mutter hatte ihn am Tag seiner Verurteilung aus ihrem Leben gestrichen.

„Also, was meinst du?“, fragte Marisol. „Es ist ein hübsches Fleckchen, nicht wahr?“

„Ich verstehe nicht, warum du die Stadt verlassen hast, Mari. Hier gibt es doch nur ein paar Spießbürger, die Kunst kaufen, die zu ihren Sofas passt. Also, was gibt es hier, das es in der Stadt nicht gibt?“

Außer Ian Quinn? „Nun, Papi, am anderen Ende der Bucht ist Newport. Ich habe einige Kunden, die den Sommer dort verbringen und sie haben versprochen, mich ihren Freunden vorzustellen. Und Sascha stellt meine Arbeiten noch in ihrer Galerie in SoHo aus. Ich erweitere meinen Kundenkreis. Außerdem ist es ruhig hier. Keine Ablenkungen.“

Kein David, dachte sie für sich. Er war der Grund, warum sie New York verlassen hatte. Was als leidenschaftliche Affäre begonnen hatte, hatte schrecklich geendet. Sie verkehrten in denselben Kreisen, also war es beinahe unmöglich gewesen, ihm aus dem Weg zu gehen – ihm und seiner neuen Geliebten, einem einundzwanzig Jahre alten brasilianischen Model ohne Verstand.

David Barnett war Kunsthändler und ihre Karrieren hatten perfekt zusammengepasst, ebenso perfekt wie ihre Körper und ihre Herzen – zumindest hatte sie das geglaubt, bis sie eines Abends die Brasilianerin nackt mit David im Bett erwischt hatte. Und so schnell, wie es begonnen hatte, war es auch wieder vorbei gewesen.

Wenn Marisol nun zurückblickte, war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie David überhaupt geliebt hatte. Vielleicht war sie nur von ihrem Verlangen mitgerissen worden. Vielleicht hatte sie ihre Lust mit etwas Langanhaltenderem verwechselt.

Diesen Fehler würde sie kein zweites Mal machen. Sie würde lernen, das Verlangen von ihren Gefühlen zu trennen. Und wie könnte sie sich selbst besser prüfen als mit Ian Quinn? Er war beinahe alles, was sie von einem Liebhaber erwartete: groß und dunkel, sexy und charmant. Sie würde sehen, ob der Sex ihre Erwartungen erfüllte, aber die Frage konnte schnell beantwortet werden, wenn sie sich das nächste Mal trafen.

„Du hast recht“, sagte Hector. „Ich sollte gehen. Es ist eine lange Fahrt.“

Schweigend gingen sie zur Tür und traten auf die Straße. Marisol umarmte ihren Vater und küsste ihn auf beide Wangen. „Fahr vorsichtig, Papi. Und ruf mich an, wenn du da bist.“