Die Gebrüder Kip: Abenteuerroman - Jules Verne - E-Book

Die Gebrüder Kip: Abenteuerroman E-Book

Jules Verne.

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Beschreibung

In 'Die Gebrüder Kip: Abenteuerroman' entführt uns Jules Verne in eine faszinierende Welt voller Abenteuer und Entdeckungen. Der Roman, der erstmals im 19. Jahrhundert veröffentlicht wurde, zeichnet sich durch seinen packenden Erzählstil und seine detailreiche Beschreibung von Reisen und technologischen Innovationen aus. Verne, einer der Begründer des Science-Fiction-Genres, nutzt seine Fantasie und seinen ausgeprägten Sinn für Abenteuer, um die Leser in eine Welt jenseits des Vorstellbaren zu entführen. 'Die Gebrüder Kip' stellt eine Kombination aus spannender Handlung, wissenschaftlichen Erkenntnissen und menschlichen Werten dar, die bis heute fasziniert.

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Jules Verne

Die Gebrüder Kip: Abenteuerroman

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Inhaltsverzeichnis

Erster Band.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Zweiter Band.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Fünfzehntes Kapitel.
Sechzehntes Kapitel.

Erster Band.

Erstes Kapitel.

Die Schenke zu den »Three-Magpies«.

Inhaltsverzeichnis

Zur Zeit unserer Geschichte – 1885 – wurde Neuseeland, das sechsundvierzig Jahre früher von Großbritannien in Besitz genommen und zunächst Neusüdwales angegliedert, zweiunddreißig Jahre später aber zur selbständigen, von der Krone unabhängigen Kolonie umgewandelt worden war, vom endemischen Goldfieber heimgesucht. Die Unordnung, die überall eine traurige Folge dieses Fiebers ist, war hier nicht so verheerend hervorgetreten wie in verschiedenen Provinzen des australischen Festlandes. Immerhin entstanden dadurch bedauerliche Störungen, von deren Nachwehen die Bevölkerung der beiden Inseln noch genug zu leiden hatte. Vorzüglich wurde damals die Provinz Otago, der südliche Teil von Tawai-Pounamon, von Goldsuchern förmlich überschwemmt. Die reichen Erzlager von Clutha lockten zahllose Abenteurer herbei. Das wird niemand verwundern angesichts der Tatsache, daß die Ausbeute der Goldfundstätten Neuseelands zwischen 1864 und 1889 zwölfhundert Millionen Francs betrug.

Australier und Chinesen waren nicht die einzigen, die gleich einem Schwarme gieriger Raubvögel über die reichen Gebiete herfielen, auch Amerikaner und Europäer strömten dahin zusammen. Da war es denn auch kein Wunder, daß die Mannschaften der Handelsschiffe, die Auckland, Wellington, Christchurch, Napier, Invercargill oder Dunedin anliefen, nach der Ankunft in diesen Häfen der Verlockung, die ihnen hier entgegentrat, meist nicht widerstehen konnten. Vergeblich versuchten die Kapitäne ihre Matrosen zurückzuhalten, vergeblich bemühten sich die Behörden, ihnen dabei zu helfen! Das Desertieren wurde allgemein, und die Reeden füllten sich mit Fahrzeugen, die wegen Mangel an Mannschaft nicht abfahren konnten.

Zu den vor Dunedin liegenden Schiffen gehörte auch die englische Brigg »James-Cook«.

Von den sieben, zu deren Besatzung gehörenden Matrosen waren nur drei an Bord zurückgeblieben, die anderen vier aber davongelaufen mit dem festen Vorsatze, sich nicht wieder einfangen zu lassen. Zwölf Stunden nach ihrer Flucht mochten sie wohl schon weit weg von Dunedin sein und sich auf dem Wege nach den Goldfeldern der Provinz befinden. Der Kapitän, der seine Rückfracht längst eingenommen hatte und nun schon vierzehn Tage müßig vor Anker lag, hatte die Fehlenden nicht zu ersetzen vermocht. Weder der Köder einer größeren Heuer, noch die Aussicht einer nur wenige Monate dauernden Fahrt hatte ihm Ersatz zugeführt, und obendrein befürchtete er auch immer, daß die noch an Bord gebliebenen Leute sich versucht fühlen könnten, dem Beispiel ihrer Kameraden zu folgen. Und während er sich einerseits bemühte, Seeleute zu finden, bemühte sich anderseits sein Bootsmann Flig Balt in den Schenken, am Hafen und bei den Schlafbasen der Stadt, die Besatzung wieder zu vervollständigen.

Dunedin liegt an der Südostküste der südlichen Insel, die die Cookstraße von der nördlichen, in der Sprache der Eingebornen Tawai-Pounamon von Ikana-Maoui, scheidet, den beiden Teilen, die Neuseeland bilden. Im Jahre 1839 hatte Dumont d'Urville an der Stelle der heutigen Stadt nur einzelne Maorihütten gefunden, während man jetzt hier Paläste, Hotels, freie Plätze, Squares in üppigstem Grün, von Spurwagen befahrene Straßen, Bahnhöfe, Niederlagen, Märkte, Banken, Kirchen, Schulen und Krankenhäuser, und ganze Industrieviertel neben Vorstädten sieht, die immer weiter hinauswachsen. Dunedin ist heutzutage eine reiche und glänzende Industrie- und Handelsstadt, von der zahlreiche Bahnlinien nach allen Richtungen ausstrahlen. Es hat fast fünfzigtausend Einwohner, eine geringere Volksmenge als die Aucklands, der Hauptstadt der Nordinsel, doch eine größere als die von Wellington, dem Regierungssitze der Kolonie Neuseeland.

Am Fuß der amphitheatralisch einem Hügel angeschmiegten Stadt breitet sich der Hafen aus, in den nach der Herstellung eines von Part-Chalmers ausgehenden Kanals Schiffe von jedem Tonnengehalte einlaufen können.

Von den Schankstätten, deren es im unteren Stadtteile eine große Menge gibt, ist eine der geräuschvollsten und besuchtesten die Adam Frys, des Wirtes der »Three-Magpies«. Dieser wohlbeleibte Mann mit hochrotem Gesicht ist kaum mehr wert als die Getränke seines Schanktisches, man kann eigentlich sagen: ebensoviel wert wie seine gewöhnlichen, aus Landstreichern und Trunkenbolden bestehenden Gäste.

Am heutigen Abend saßen in einem Winkel der Spelunke zwei Männer vor zwei Gläsern und einer halbgeleerten Pinte Gin, den sie vor dem Fortgehen aber gewiß noch bis zum letzten Tropfen verzehrten. Es waren das zwei Seeleute vom »James-Cook«, der Bootsmann Flig Balt und ein Matrose Namens Vin Mod.

»Du hast also immer Durst, Mod? fragte Flig Balt, während er seinem Genossen aufs neue einschenkte.

– Zwischen den Mahlzeiten immer, Bootsmann, antwortete der Matrose. Der Gin nach dem Whisky und dann der Whisky nach dem Gin! Das hindert einen doch nicht zu schwätzen, zu horchen und zu beobachten. Die Augen sind dann vielmehr weit heller, die Ohren seiner und die Zunge nur um so freier!«

Es unterlag wohl auch keinem Zweifel, daß bei Vin Mod die genannten Organe inmitten des Getöses in der Schenke mit wunderbarer Leichtigkeit fungierten.

Der fünfunddreißigjährige Matrose, ein Mann von kleiner Gestalt, war mager, aber muskulös und geschmeidig; er hatte das Gesicht eines Marders mit scharf geschnittener Nase, hervorstehendem Munde und Augen, worin eine Alkoholflamme zu flackern schien, dabei die Zähne einer Ratte, doch im ganzen einen listigen und intelligenten Gesichtsausdruck. Völlig bereit zu jedem schlechten Streiche, ganz wie sein Genosse, der das recht wohl wußte, waren die beiden einander würdig und konnten sich einer auf den anderen verlassen.

»Die Geschichte muß nun aber ein Ende nehmen, sagte Flig Balt mit rauher Stimme, indem er mit der Faust auf den Tisch hämmerte.

– Wir brauchen ja dort aus dem Haufen nur zu wählen!« erwiderte Vin Mod.

Er wies dabei auf die trinkenden, gröhlenden und fluchenden Gruppen hin, die in dem Alkoholdunste und Tabakrauche, die den Raum verdüsterten, ihr Unwesen trieben. Man wurde schon halb berauscht, wenn man nur die Luft der Schenke einatmete.

Flig Balt, ein Mann von achtunddreißig bis neununddreißig Jahren, war von Mittelgröße und hatte breite Schultern, einen mächtigen Kopf und kräftige Gliedmaßen. Wer ihn einmal gesehen, konnte sein Gesicht mit der großen Warze auf der linken Wange, die Augen mit dem strengen Blicke und den dichten, gekräuselten Augenbrauen, dem rötlichen Bart um das Kinn, doch ohne Schnurrbart – wie nach amerikanischer Mode – nicht wieder vergessen... alles verriet an ihm den zum Hassen geneigten, eifersüchtigen und rachelüsternen Charakter. Vor wenigen Monaten erst hatte er sich zur ersten Reise auf dem »James-Cook« als Bootsmann eingeschifft. Aus Queenstown, einem Hafen des Vereinigten Königreiches, gebürtig, ergab sich aus seinen Papieren, daß er von irländischer Abkunft war. Jetzt, wo er schon seit einigen zwanzig Jahren zur See fuhr, wußte er von seinen Angehörigen sogar selbst nichts mehr, wie ja so viele Seeleute keine andere Familie als ihre Bordkameraden, keine andere Heimat kennen als das Schiff, das sie gerade trägt. Was seinen Dienst betraf, versah ihn Flig Balt streng und pünktlich, und wenn auch nur Bootsmann, verrichtete er an Bord doch auch den des ersten Steuermannes. Der Kapitän Gibson glaubte auch bezüglich aller untergeordneten Einzelheiten des Dienstes auf ihn bauen zu können, so daß er sich in der Führung der Brigg nur den Oberbefehl vorzubehalten pflegte.

Tatsächlich war Flig Balt jedoch nur ein Schurke, auf den wegen mancher Freveltat gefahndet wurde und der auch noch unter dem verderblichen Einfluß Vin Mods stand und sich dessen unbestreitbarer Überlegenheit beugte. Vielleicht bot sich ihm jetzt Gelegenheit, einen längst erwogenen, verbrecherischen Plan auszuführen.

»Ich sage Ihnen, nahm der Matrose weiter das Wort, hier in der Schenke zu den »Drei Elstern« braucht man nur mit verbundenen Augen zuzugreifen... hier gibt's genug Burschen, wie wir sie wünschen und die sofort bereit sind, auf eigene Rechnung Handel zu treiben...

– Mag sein, warf Flig Balt ein, wir müssen aber doch wissen, woher sie kommen.

– Wozu denn, Bootsmann? Wenn sie nur dahin gehen, wohin wir wollen. Wenn man sie aus der Kundschaft Adam Frys wählt, kann man den Kerlen alles zutrauen!«

In der Tat war über den Ruf, in dem diese Spelunke stand, gar nicht zu streiten. Die Polizei konnte hier ihre Schlingen auswerfen, ohne befürchten zu müssen, daß sie einen ehrbaren Burschen singe, mit dem sie noch nichts zu tun gehabt hätte. Sah sich aber der Kapitän Gibson genötigt, seine Mannschaft auf jede nur mögliche Weise zu ergänzen: an die Kundschaft der »Three-Magpies« hätte er sich darum gewiß nicht gewendet. Flig Balt hatte ihm auch weislich verheimlicht, daß er in dieser Spelunke seine Angel auswerfen werde.

Der mit Tischen, Bänken und Schemeln ausgestattete Gastraum, mit einem Schanktisch an dem einen Ende, hinter dem der Wirt sich aufhielt, und mehrere Reihen größerer und kleinerer Flaschen auf Regalen standen, bekam sein Licht durch zwei vergitterte Fenster, die nach einer engen, zum Kai hinabführenden Straße zu lagen. Den Eingang bildete eine mit festem Schlosse und tüchtigen Riegeln versehene Tür mit einem Schilde darüber, worauf drei weniger gemalte als hingesudelte Elstern sich mit den Schnäbeln bearbeiteten... ein Wappen, das dieser Schenke völlig würdig erschien. Im Oktober wird es unter fünfundvierzig Grad südlicher Breite auch in der schönen Jahreszeit schon halb neun abends recht finster. Einige mit übel riechendem Petroleum gespeiste Blechlampen hingen über dem Schanktische und im Zimmer verteilt von der Decke herab. Die, die davon rauchten, ließ man einfach rauchen, und die, die bei aufgezehrtem Dochte knisterten, ließ man ruhig knistern, hier genügte ja die dämmerige Beleuchtung. Wo es sich nur darum handelt, sinnlos zu trinken, braucht man nicht klar sehen zu können: die Gläser finden den Weg zum Munde schon allein.

Etwa zwanzig Matrosen saßen auf den Bänken und Schemeln... Leute aus allen Ländern: Amerikaner, Engländer, Irländer, Holländer, zum größten Teile Deserteure, die einen bereit, nach den Goldlagern aufzubrechen, die anderen von da zurückgekehrt und jetzt dabei, ohne Überlegung die letzten Goldklümpchen zu verschwenden. Alle schwatzten, fangen und heulten so laut, daß bei dem wilden, betäubenden Lärm Revolverschüsse kaum vernehmbar gewesen wären. Die Hälfte der Gäste lag schon umfangen von der stumpfsinnigen Trunkenheit nach verfälschten Branntweinen, die sie mechanisch hinuntergossen und deren scharfes Brennen sie in der Kehle gar nicht mehr empfanden. Dann und wann erhob sich einer, taumelte und brach wieder zusammen. Mit Hilfe des Kellners, eines kräftigen Eingebornen, hob Adam Fry die halb Bewußtlosen auf, schleppte sie aus dem Wege und warf sie in eine Ecke des Zimmers. Immer knarrte die Tür in ihren Angeln, immer schwankten einige Gäste hinaus, tasteten sich an den Mauern hin oder fielen klatschend in den Rinnstein der Straße, und immer traten andere herein und nahmen auf den eben freien Bänken Platz. Da gab es so manches Wiederfinden, da wurden unflätige Worte gewechselt und mit Händedrücken begleitet, wobei die Knochen zu zerbrechen drohten. Hier sahen sich Kameraden nach langer Wanderung durch die Fundstätten von Otago vielleicht zum ersten Male wieder. Zuweilen flogen auch spitzige Bemerkungen, grobe Scherzreden, Beleidigungen und Herausforderungen von einem Tische zum anderen. Wahrscheinlich verging der Abend nicht ohne Streitigkeiten zwischen einzelnen, die dann zu einer allgemeinen Rauferei ausarteten. Das war übrigens für den Wirt der »Three-Magpies« und für seine Gäste nichts neues.

Flig Balt und Vin Mod beobachteten gespannt die unruhige Gesellschaft, ehe sie, je nach Umständen, mit ihren Absichten hervortreten wollten.

»Na, um was handelt es sich denn eigentlich? sagte der Matrose, der sich auf die Ellbogen gestützt so vorlehnte, daß er dem Bootsmanne näher kam. Wir haben ja nur durch vier andere die vier Burschen zu ersetzen, die uns davongelaufen sind. Nun, denen brauchen wir keine Träne nachzuweinen, die hätten doch nicht zu uns gehalten. Ich sage Ihnen, hier blüht unser Weizen! Ich lasse mich auf der Stelle hängen, wenn hier einer darunter ist, der sich weigerte, sich eines guten Schiffes zu bemächtigen und damit auf dem Pacific umherzusegeln, statt nach Hobart-Town zurückzukehren... das zieht bei allen!

– Kann wohl sein, bestätigte Flig Balt.

– Nun bedenkt einmal, fuhr Vin Mod fort, vier solche verwegene Burschen, der Koch Koa, Ihr und ich, gegen den Kapitän, die drei anderen und den Schiffsjungen... da sind wir mehr als genug, um mit diesen fertig zu werden. Eines schönen Morgens betritt man die Kabine Gibsons... niemand mehr da! Man trommelt die Mannschaft zusammen... da fehlen drei Leute... na, die wird während ihrer Nachtwache eine Sturzsee über Bord gespült haben, so etwas kommt ja auch bei ruhigem Wetter gelegentlich vor. Und dann... dann ist der ›James-Cook‹ nicht wieder zu sehen... er ist mit Mann und Maus im Großen Ozeane untergegangen. Nun fragt niemand mehr nach ihm, und unter einem andern Namen, einem hübschen Namen – die ›Pretty-Girl‹ zum Beispiel – segelt er von Insel zu Insel, betreibt seinen ehrbaren Handel... Kapitän Flig Balt... Steuermann Vin Mod... er vervollständigt seine Mannschaft durch zwei bis drei brauchbare, flotte Burschen, an denen es auch in den Hafenplätzen des Ostens und des Westens nicht mangelt... und jeder sammelt sich dabei ein hübsches Vermögen statt der mageren Heuer, die doch meist eher vertrunken ist, als sie angerührt wird!«

Ob das Geräusch ringsum die Worte Vin Mods manchmal verhinderte, bis zu Flig Balts Ohren zu dringen, das hatte nichts zu bedeuten. Der zweite brauchte sie gar nicht zu hören. Alles was sein Gefährte sagte, sagte er sich schon selbst. Nachdem sein Entschluß einmal feststand, suchte er nur dessen Durchführung zu sichern. So bemerkte er denn jetzt auch nur:

»Die vier neuen, du und ich, sechs gegen fünf, den Jungen eingerechnet.. das stimmt schon. Doch hast du denn vergessen, daß wir in Wellington den Reeder Hawkins und den Sohn des Kapitäns an Bord nehmen müssen?

– Ja freilich, wenn wir von Dunedin aus nach Wellington segeln. Wenn wir aber nicht dahin gehen...

– O, das ist bei günstigem Winde nur eine Sache von achtundvierzig Stunden, erwiderte Flig Balt, und mir scheint es doch nicht so sicher, daß wir bei der kurzen Fahrt unser Vorhaben schon ausgeführt haben könnten...

– Gleichviel! rief Vin Mod. Machen Sie sich keine Gedanken darüber, wenn auch Hawkins und der junge Gibson mit an Bord wären; sie fliegen über die Reling hinaus, ehe sie recht zu Verstande gekommen sind. Die Hauptsache bleibt immer, noch einige Genossen aufzutreiben, denen das Leben eines Menschen nicht mehr gilt als eine alte, unbrauchbare Tabakpfeife... verwegene Kerle, die sich nicht vor dem Stricke ängstigen... und solche Burschen werden wir hier schon finden!

– Na... wollen's versuchen,« antwortete der Bootsmann Balt.

Beide begannen nun die Gäste Adam Frys noch etwas schärfer ins Auge zu fassen, und einige von diesen warfen ihnen auch schon wiederholt forschende Blicke zu.

»Da seht, sagte Vin Mod, der da... ein Kerl wie ein leibhaftiger Boxer... der mit dem dicken Kopfe. Wenn der Bursche nicht schon zehnmal mehr auf dem Kerbholz hat als nötig ist, gehenkt zu werden...

– Jawohl, fiel der Bootsmann ein, das scheint der rechte zu sein...

– Und der da, der nur ein Auge hat... und was für eins! Glaubt mir, das andere hat er auch nicht bei einem Streite verloren, wo er im Rechte war...

– Wahrhaftig, Vin... ja, wenn er unser Angebot annähme...

– Natürlich tut er das.

– Freilich, bemerkte Flig Balt, vorher können wir sie doch nicht in alles einweihen.

– Natürlich erfahren sie alles erst, wenn die Zeit zur Ausführung da ist, dann werden sie schon mit zugreifen!.. Und jetzt... sehen Sie einmal den, der eben hereinkommt. Schon nach der Art, wie er die Tür zuwirft, könnte man darauf schwören, daß ihm die Polizei an den Fersen hängt...

– Wir wollen ihm etwas zu trinken anbieten, meinte der Bootsmann Balt.

– Und ich setze meinen Kopf gegen eine Flasche Gin, daß er das nicht abschlägt! Dann, weiter da unten... der Seebär, der den Südwester schief auf dem Kopfe sitzen hat, der sieht mir auch aus, als ob er mehr im Arrest im Frachtraume als auf dem Vorderkastell gewesen wäre, und daß er häufiger die Füße in Ketten als die Hände frei gehabt hätte!«

Wirklich machten die vier von Vin Mod bezeichneten Personen vollständig den Eindruck gewissenloser Schnapphähne. Wenn Flig Balt sie anmusterte, schien es doch sehr fraglich, ob der Kapitän Gibson zustimmen würde, Leute dieses Schlages als Matrosen anzunehmen. Sie nach ihren Papieren zu fragen, wäre unnütz gewesen, sie hätten doch keine vorgewiesen, und das aus triftigen Gründen.

Nun mußte freilich erst festgestellt werden, ob diese Männer überhaupt geneigt wären, sich anwerben zu lassen, ob sie nicht eben erst von ihrem Schiffe desertiert und vielleicht gerade im Begriffe wären, die Matrosenjacke mit der Goldsucherbluse zu vertauschen. Jedenfalls boten sie sich doch nicht von allein an, und es blieb immerhin fraglich, was sie auf den Vorschlag, an Bord des »James-Cook« anzutreten, antworten würden. Das mußte sich ja zeigen, wenn man mit ihnen gesprochen und das Gespräch freigebig, nach ihrer Wahl mit Gin oder Whisky, begossen hatte.

»Heda... guter Freund... ein Gläschen gefällig? rief Vin Mod, um den eben Eingetretenen an seinen Tisch zu locken.

– Lieber zwei... wenn's euch recht ist, antwortete der Matrose mit der Zunge schnalzend.

– Drei... auch vier oder ein halbes Dutzend, wenn du eine trockene Kehle hast!«

Len Cannon – so hieß der Mann oder so nannte er sich wenigstens – nahm ohne Umstände an dem Tische Platz und verriet die beste Lust, es auch mit einem Dutzend Glas aufzunehmen, er sah aber recht gut ein, daß man – wenn es geschah – ihn nicht um seiner schönen Augen und seines hübschen Äußeren willen so reichlich bewirten werde.

»Na... um was handelt es sich denn?« platzte er so fort mit der heiseren Stimme des Schnapstrinkers heraus.

Vin Mod klärte ihn über die Sachlage auf: Die Brigg »James-Cook« sei zum Auslaufen fertig... eine anständige Löhnung... eine Fahrt von wenigen Monaten... mehr eine Spaziertour von Insel zu Insel... gutes Essen.. reichliches und vorzügliches Getränk... ein Kapitän, der sich auf seinen Bootsmann verließ, auf den hier sitzenden Flig Balt, dem die Sorge für das Wohlergehen der Mannschaft zufiele... Heimathafen Hobart-Town, dazu alles, was einen Matrosen verlocken konnte, der sich während des Aufenthaltes am Lande zu zerstreuen liebte... und vor allem: dem Hafenkapitän keine Papiere vorzulegen... Morgen mit Tagesanbruch gedächte man, wenn die Besatzung vollständig wäre, in See zu gehen... und für den Fall, daß der Mann ein paar Bekannte hätte, die gerade brach lägen und sich einzuschiffen bereit wären, so sollte er sie nur bezeichnen, wenn sich jene jetzt vielleicht hier in den »Three-Magpies« aufhielten...

Len Cannon betrachtete den Bootsmann Flig Balt nebst dessen Genossen und zog bedenklich die Stirn in Falten. Was bedeutete denn dieser Vorschlag?... Was mochte wohl dahinter stecken?... So vorteilhaft das Angebot auch zu sein schien, beantwortete er es doch nur mit einem einzigen Worte.

»Nein! sagte er bestimmt.

– Du tust damit unrecht! erwiderte Vin Mod.

– Mag sein... kann mich aber nicht anmustern...

– Warum denn?

– Will eben heiraten!..

– Ach... Possen!

– Nein, Ernst... Kate Verdax... eine Witwe...

– Oho... Freundchen, entgegnete Vin Mod, ihn auf die Schulter klopfend, wenn du dich jemals verheiratest, wirst du nicht mit Kate Verdax, sondern mit Kate Gibbet... der Witwe Galgen getraut werden!«

Len Cannon lachte hell auf und leerte sein Glas mit einem Zuge. Trotz des Zuredens des Bootsmannes Balt beharrte er aber bei seiner Weigerung; dann stand er auf und mischte sich unter eine lärmende Gruppe, in der stark beleidigende Sticheleien gewechselt wurden.

»Nun, dann wird's mit einem anderen versucht!« sagte Vin Mod, der sich durch den ersten Fehlschlag nicht entmutigen ließ.

Er verließ jetzt den Bootsmann Balt und setzte sich neben einen Matrosen in einer andern Ecke des Gastzimmers. Dieser sah auch nicht gerade besser aus als Cannon, schien auch wenig mitteilsam zu sein und unterhielt sich offenbar am liebsten nur mit seiner Flasche... eine endlose Unterhaltung, die dem Manne jedenfalls genügte. Vin Mod ging ohne Umschweife auf seine Angelegenheit ein.

»Kann man wohl deinen Namen erfahren?

– Meinen Namen? antwortete der Matrose mit einigem Zögern.

– Ja...

– Und wie ist denn der deinige?

– Vin Mod.

– Und das ist einer...

– Eines Seemannes von der Brigg »James-Cook«, die jetzt vor Dunedin liegt.

– Warum willst du denn meinen Namen wissen?...

– Nur um ihn vielleicht in unsere Mannschaftsrolle einzutragen.

– Mein Name ist Kyle... sagte jetzt der Matrose, ich möchte aber doch auf eine bessere Gelegenheit warten.

– Wenn sich eine solche findet, Freundchen...

– O, die findet sich allemal!«

Damit wendete Kyle Vin Mod den Rücken zu, dem diese zweite abschlägige Antwort doch etwas von seiner Zuversicht raubte. In der Schenke Adam Frys ging's wie an der Börse: die Nachfrage übertraf das Angebot, es eröffnete sich also nur eine geringe Aussicht zum Abschluß eines Geschäftes.

Auch mit den beiden andern Kunden, die schon lange hin und her stritten, wer mit dem letzten Schilling die letzte Pinte bezahlen sollte, kam es nur zu demselben Ergebnisse.

Sexton, ein Irländer, und Bryce, ein Amerikaner, wollten lieber zu Fuße nach Amerika und nach Irland gehen, als sich – sei es auf der Yacht Ihrer graziösen Majestät oder auf dem besten Kreuzer der Vereinigten Staaten – anwerben lassen.

Einige Versuche, andere zu ködern, blieben trotz der Fürsprache Adam Frys ebenso erfolglos, und Vin Mod kam ziemlich kleinlaut an den Tisch Flig Balts zurück.

»Na... nichts ausgerichtet? fragte dieser.

– Hier ist nichts zu machen.

– Gibt's denn in der Nähe der ›Three-Magpies‹ keine anderen Matrosenschenken?

– Das wohl, antwortete Vin Mod, doch wenn wir hier keine passenden Leute gefunden haben, anderswo finden wir solche erst recht nicht.«

Flig Balt konnte einen kräftigen Fluch nicht unterdrücken und schlug dabei so heftig auf den Tisch, daß die Flaschen und Gläser darauf umhertanzten. Sollte sein Plan vereitelt werden? Sollte es ihm nicht gelingen, vier Leute seiner Wahl unter die Mannschaft des »James-Cook« einzuschmuggeln? Dann blieb vielleicht nichts anderes übrig, als die Lücken mit ehrbaren Matrosen auszufüllen, die jedenfalls zu Kapitän Gibson halten würden.

Georgsstraße in Sydney.

An guten Matrosen fehlte es freilich eher noch mehr als an schlechten, und so verstrichen voraussichtlich noch mehrere Wochen, ehe die Brigg – wegen Mangel an Mannschaft – die Anker lichten konnte.

Da hieß es denn, sich anderswo umzusehen. An Matrosenkneipen fehlte es in dem Stadtviertel hier ja nicht, wo es deren, wie Vin Mod sagte, mehr gab als etwa Kirchen und Bankhäuser. Flig Balt war schon dabei, die Zeche zu bezahlen, als sich am anderen Ende des Raumes erneut ein wüster Lärm erhob.

Die Streitfrage zwischen Bryce und Sexton bezüglich der Bezahlung dessen, was sie verzehrt hatten, nahm eine beunruhigende Wendung. Beide hatten offenbar mehr getrunken, als es der Stand ihrer Finanzen erlaubte. Adam Fry war aber nicht der Mann dazu, Kredit zu geben, selbst wenn sich's nur um wenige Pence handelte. Die beiden Seebären hatten für zwei Schillinge Branntwein vertilgt, und entweder erlegten sie die zwei Schillinge oder die Polizei nahm sich der Zechpreller an und brachte sie dort unter, wo sie wegen Schlägereien, grober Beleidigungen und Übertretungen jeder Art schon oft sicher untergebracht gewesen waren.

Der von dem Kellner über die Schlage verständigte Wirt der »Three-Magpies« zögerte keinen Augenblick, sein Guthaben einzufordern, und doch hätten Sexton und Bryce den Mann nicht befriedigen können, denn ihre Taschen waren ebenso leer an Geld wie sie selbst voll von Gin und Whisky. Vielleicht wäre jetzt ein Dazwischentreten Vin Mods mit gut gefüllter Hand von Erfolg gewesen und die beiden Matrosen hätten jetzt vielleicht ein paar Piaster als Vorschuß auf zukünftige Löhnung angenommen. Vin Mod machte auch einen solchen Versuch, er wurde damit aber schleunigst zum Teufel gejagt. Im Schwanken zwischen dem Wunsche, bezahlt zu werden, und der Unannehmlichkeit, zwei Kunden einzubüßen, wenn diese sich am nächsten Tage auf dem »James-Cook« einschifften, kam ihm jetzt nicht einmal Adam Fry, wie er gehofft hatte, zu Hilfe.

Als der Bootsmann Balt das bemerkte, meinte er, daß der Sache hier ein Ende gemacht werden müsse.

»Komm, wir wollen gehen, rief er Vin Mod zu.

– Ja, antwortete dieser, noch ist es nicht neun Uhr. Wir wollen die ›Old-Brothers‹ oder den ›Good-Seeman‹ aufsuchen; bis dahin sind's nur zwei Schritte, und ich will mich hängen lassen, wenn wir unverrichteter Sache nach dem Schiffe zurückkommen!«

Das »sich hängen lassen« als beteuernde oder metaphorische Ausdrucksweise kehrte in den Worten des »braven« Vin Mod sehr häufig wieder; vielleicht war er der Ansicht, daß das doch das Ende seiner irdischen Laufbahn sein werde.

Hatte Adam Fry anfänglich sein Geld nur barsch gefordert, so war er inzwischen zu Drohungen übergegangen. Sexton und Bryce sollten bezahlen oder sie würden noch heute in Polizeigewahrsam sitzen. Der Kellner erhielt gleichzeitig Auftrag, ein paar Konstabler herbeizurufen, an denen es in diesem Teile der Stadt niemals fehlt. Vin Mod und Flig Balt wollten schon mit ihm hinausgehen, als drei oder vier handfeste Burschen an der Tür Stellung nahmen, um keinen hinaus-, vorzüglich aber auch keinen hereinzulassen.

Diese Matrosen waren offenbar bereit, mit ihren Kameraden gemeinschaftliche Sache zu machen. Jetzt wurde die Lage der Dinge ungemütlich, und wie so oft endigte gewiß auch der heutige Abend mit einer allgemeinen Schlägerei.

Adam Fry und den Kellner ließ das ziemlich kalt, sie dachten nur daran, den Schutz der Polizei anzurufen, wie sie das unter solchen Umständen gewöhnt waren. Da sie die Tür besetzt sahen, versuchten sie auf der Rückseite des Hauses nach der dort vorüberführenden Gasse zu gelangen.

Dazu ließ man ihnen aber keine Zeit. Die ganze Bande stand gegen sie auf, und vor allen taten sich Kyle, Sexton, Len Cannon und Bryce darin hervor. An dem Getümmel unbeteiligt blieb nur ein halbes Dutzend sinnlos betrunkener Burschen, die in den Ecken lagen und sich überhaupt nicht mehr auf den Füßen erhalten konnten.

Dem Bootsmann Balt und Vin Mod war es also unmöglich, die Gaststube zu verlassen.

»Wir müssen aber auf jeden Fall fortkommen, sagte der erste, hier regnet es doch bald Püffe und Schläge...

– Wer weiß, meinte der zweite, laßt sie sich nur prügeln, vielleicht haben wir zuletzt noch den Vorteil davon!«

Wenn beide von dem Streite Nutzen zu ziehen hofften, wollten sie davon doch keinen Schaden haben, und so flüchteten sie eiligst hinter den Schanktisch.

Zunächst entbrannte ein Kampf mit »blanker Waffe«, wenn dieser Ausdruck für die Fäuste und die Füße der Streitenden erlaubt ist. Sehr bald kam gewiß aber auch das Messer an die Reihe, und es wäre nicht das erste- und auch nicht das letztemal gewesen, daß es in der Gaststube der »Three-Magpies« zum Blutvergießen kam. Es sah schon aus, als müßten Wirt und Kellner dem Ansturme der überlegenen Rotte unterliegen, zum Glück stellten sich aber doch einige der Stammgäste der Schenke auf ihre Seite. Fünf bis sechs Irländern, die sich jedenfalls für die Zukunft einigen Kredit sichern wollten, gelang es, die Angreifer zurückzudrängen.

Jetzt herrschte ein Tumult ohnegleichen. Der Bootsmann Balt und Vin Mod hatten, obwohl sie sich so gut wie möglich zu schützen suchten, die größte Not, nicht getroffen zu werden, als nun Flaschen und Gläser in allen Richtungen durch die Luft zu stiegen anfingen. Alles fluchte, gröhlte und schlug durcheinander. Die Lampen wurden dabei umgestülpt und gingen aus, und der Raum wurde nur noch notdürftig von einer Laterne erhellt, die vor einer Scheibe an der Eingangstür angebracht war.

Die allerhitzigsten, Len Cannon, Kyle, Sexton und Bryce, die zuerst zum Angriff übergegangen waren, hatten sich jetzt nur noch zu verteidigen. Der Wirt und der Kellner gehörten nämlich auch nicht mehr zu den Lehrlingen in der edeln Kunst des Boxens. Einige furchtbare Stöße streckten Kyle und Bryce mit halb gesprengten Kinnladen zu Boden; sie rafften sich jedoch wieder auf, um ihren Kameraden beizustehen, die von den Irländern mehr und mehr in eine Ecke getrieben wurden.

Der Kampf schwankte unentschieden nach der einen und der anderen Seite, und eine Entscheidung wurde voraussichtlich nur durch einen Eingriff von außen herbeigeführt. Wiederholt übertönte der Ruf »Zu Hilfe!« »Hierher Hilfe!« das Getümmel. Die Nachbarn bekümmerten sich kaum um den wilden Lärm, der in der Schenke zu den »Three-Magpies« tobte, an derlei Prügeleien zwischen dem Seevolk waren die Leute von jeher gewöhnt. Es wäre auch ganz nutzlos gewesen, sich vermittelnd unter die Hitzköpfe zu wagen. Das war Sache der Polizisten, die ja, wie man zu sagen pflegte, für so etwas bezahlt werden.

Die Rauferei wurde immer erbitterter, der Zorn der Kampfhähne artete zur sinnlosen Wut aus. Tische und Bänke lagen umgestürzt durcheinander.

Man hämmerte einander mit Schemelbeinen auf den Kopf. Die Messer flogen aus den Taschen, die Revolver aus den Gürteln, und es knallte und krachte bald hier, bald da in dem entsetzlichen Getöse.

Der Wirt suchte noch immer entweder die Tür nach der Straße oder die nach dem Hofe zu gewinnen, als ein Dutzend Polizisten von der Rückseite des Hauses her eindrang. Es war nicht nötig gewesen, bis zu ihrer, einige hundert Schritt entfernten Wache zu laufen. Sobald vorübergehende Personen sie unterrichtet hatten, daß es in der Schenke Adam Frys wieder einmal blutige Köpfe gab, gingen sie, ohne sich besonders zu beeilen, dorthin, und mit dem Ordonnanzschritt, der allen englischen Polizisten eigen ist, kamen sie gleich in hinreichender Zahl, Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Wahrscheinlich machten sie zwischen denen, die angegriffen hatten, und denen, die sich verteidigten, keinen besonderen Unterschied. Sie wußten aus Erfahrung, daß die einen gewöhnlich ebensoviel wert waren wie die anderen. Wenn sie die ganze Gesellschaft verhafteten, erfüllten sie ihre Pflicht jedenfalls am besten.

Obwohl das Schlachtfeld nur sehr dürftig erleuchtet war, erkannten die Polizisten unter den wütendsten Raufbolden doch sofort Len Cannon, Sexton, Kyle und Bryce; diese hatten sie ja schon wiederholt nach dem Gefängnis abgeführt. Die vier Schnapphähne sahen auch gleich, was ihnen bevorstände, und deshalb beeilten sie sich schleunigst, durch den Hof zu entkommen. Freilich, wohin sie auch fliehen mochten, morgen wurden sie doch höchst wahrscheinlich eingefangen.

Da benutzte Vin Mod, wie er Flig Balt gesagt hatte, den günstigen Augenblick, und während die übrigen sich noch weiter balgten und stießen und gegen die Polizisten vorgingen, um die Flucht der am meisten kompromittierten zu begünstigen, holte Mod Len Cannon noch ein.

»Alle vier nach dem ›James-Cook!‹ rief er ihm zu.«

Sexton, Bryce und Kyle hatten die Aufforderung gehört.

»Wann fährt der ab? fragte Len Cannon.

– Morgen mit Tagesanbruch.«

Und trotz der Polizeibeamten, gegen die sich wie auf Verabredung die ganze Bande gewendet hatte, und trotz Adam Fry, dem es besonders daran lag, sie verhaftet zu sehen, gelang es Len Cannon und seinen drei Spießgesellen, denen Flig Balt und Vin Mod nachfolgten, der drohenden Gefahr glücklich zu entwischen.

Eine Viertelstunde später trug das Boot der Brigg sie an Bord, und hier befanden sie sich im Volkslogis vorläufig in Sicherheit.

Zweites Kapitel.

Die Brigg »James-Cook«.

Inhaltsverzeichnis

Die zweihundertfünfzig Tonnen große Brigg »James-Cook« war ein festgebautes Fahrzeug mit reichlicher Segelfläche und breitem Rumpfe, der ihr große Stabilität verlieh. Am Heck scharf abfallend und am Bug erhöht, hatte es nur schwach geneigte Masten und hielt sich vortrefflich bei jeder Segelstellung. Das Schiff konnte noch sehr scharf am Winde. aufkommen, glitt leicht über die Wellen dahin und legte bei einer frischen Brise bequem seine elf Knoten zurück.

Seine Besatzung bestand, wie der Leser aus dem Vorstehenden erfahren hat, aus dem Kapitän, einem Bootsmanne, sieben Matrosen, einem Koch und einem Schiffsjungen. Es fuhr unter britischer Flagge und hatte als Heimathafen Hobart-Town, die Hauptstadt Tasmaniens, das, eine der wichtigsten Kolonien Großbritanniens, der Regierung über Australien angegliedert ist.

Schon etwa seit zehn Jahren betrieb der »James-Cook« die sogenannte große Küstenfahrt im Westen des Stillen Ozeans, zwischen Australien, Neuseeland und den Philippinen, und hatte sich immer glücklicher und einträglicher Fahrten zu erfreuen gehabt, dank der mehrseitigen Beanlagung seines Kapitäns, der einen guten Seemann und einen guten Kaufmann in seiner Person vereinigte.

Der jetzt fünfzig Jahre alte Kapitän Gibson hatte die Brigg niemals verlassen, seit sie aus der Werft von Brisbane hervorgegangen war. Zu einem Viertel war sie sein persönliches Eigentum, während die anderen drei Viertel dem Reeder Hawkins in Hobart-Town gehörten. Das Schiff hatte immer reichlichen Ertrag abgeworfen, und auch die jetzige Fahrt versprach von Anfang an, guten Verdienst zu bringen.

Die Familien des Kapitäns und des Reeders standen schon seit langer Zeit in freundschaftlichster Verbindung, denn Harry Gibson war von jeher für das Haus Hawkins gefahren. Beide wohnten in Hobart-Town in demselben Stadtteile. Die Hawkins'sche Familie war ohne Kinder, die Gibsons hatte nur einen einzigen Sohn, der jetzt einundzwanzig Jahre zählte und sich dem Handelsstande widmete. Die beiden Frauen sahen sich täglich, was ihnen die Trennung von ihren Ehegatten weniger fühlbar machte. Der Reeder befand sich zur Zeit nämlich in Wellington, wo er mit Nat Gibson, dem Sohne des Kapitäns, ein neues Kontor eingerichtet hatte. Von dort sollte der »James-Cook« beide nach Hobart-Town zurückbefördern, sobald das Schiff in den Archipelen der Umgebung von Neuguinea, nördlich von Australien und in der Gegend des Äquators eine volle Ladung eingenommen hatte.

Vom Bootsmann Flig Balt erübrigt es jetzt, zu sagen, welch Geisteskind und was er wert war, auch über welche Pläne der gewissenlose Bursche brütete. Zu seinen verbrecherischen Neigungen und seiner Eifersucht gegen denKapitän gesellte sich noch eine Heuchelei, die den vertrauensseligen Gibson von Anfang an getäuscht hatte.

Auf seine scheinbar echten Zeugnisse hin war er als Bootsmann der Brigg zu derselben Zeit angenommen worden, wo Vin Mod hier als Matrose antrat. Die beiden Männer kannten sich schon seit langem, sie waren zusammen gefahren, gleichzeitig von einem Schiffe zum anderen übergegangen und auch zusammen wieder davongelaufen, wenn sich ihnen keine Gelegenheit zu einem Schurkenstreiche bot... jetzt, bei der letzten Fahrt des »James-Cook« vor seiner Heimkehr nach Hobart-Town, hofften sie, ihr Ziel zu erreichen.

Mit seinem zur Schau getragenen Eifer und den Versicherungen seiner Ergebenheit hatte es Flig Balt verstanden, dem Kapitän Gibson das größte Vertrauen einzuflößen. Immer in Verbindung mit der Mannschaft, ließ er kein Mittel unbenutzt, seinen Einfluß auf die Leute geltend zu machen. Bei allem, was die Navigation und die geschäftlichen Angelegenheiten betraf, verließ sich Harry Gibson zwar nur auf sich selbst. Da er sich aber nur wenig zeigte, spielte sich Flig Balt meist als der erfahrene Seemann auf, der er doch keineswegs war, trotz seiner Versicherung, schon als zweiter Offizier gefahren zu sein. Daran wollte aber auch der Kapitän Gibson nicht so recht glauben. Da der gewöhnliche Dienst jedoch nichts zu wünschen übrig ließ, hatte er keine Ursache, seinem Bootsmanne irgendwelche Vorwürfe zu machen. Voraussichtlich wäre die Reise der Brigg unter den günstigsten Verhältnissen verlaufen, wenn die Desertion der vier Matrosen diese nun nicht schon vierzehn Tage zum Stilliegen in Dunedin genötigt hätte.

Auf seine scheinbar echten Zeugnisse hin war er als Bootsmann der Brigg zu derselben Zeit angenommen worden, wo Vin Mod hier als Matrose antrat. Die beiden Männer kannten sich schon seit langem, sie waren zusammen gefahren, gleichzeitig von einem Schiffe zum anderen übergegangen und auch zusammen wieder davongelaufen, wenn sich ihnen keine Gelegenheit zu einem Schurkenstreiche bot... jetzt, bei der letzten Fahrt des »James-Cook« vor seiner Heimkehr nach Hobart-Town, hofften sie, ihr Ziel zu erreichen.

Mit seinem zur Schau getragenen Eifer und den Versicherungen seiner Ergebenheit hatte es Flig Balt verstanden, dem Kapitän Gibson das größte Vertrauen einzuflößen. Immer in Verbindung mit der Mannschaft, ließ er kein Mittel unbenutzt, seinen Einfluß auf die Leute geltend zu machen. Bei allem, was die Navigation und die geschäftlichen Angelegenheiten betraf, verließ sich Harry Gibson zwar nur auf sich selbst. Da er sich aber nur wenig zeigte, spielte sich Flig Balt meist als der erfahrene Seemann auf, der er doch keineswegs war, trotz seiner Versicherung, schon als zweiter Offizier gefahren zu sein. Daran wollte aber auch der Kapitän Gibson nicht so recht glauben. Da der gewöhnliche Dienst jedoch nichts zu wünschen übrig ließ, hatte er keine Ursache, seinem Bootsmanne irgendwelche Vorwürfe zu machen. Voraussichtlich wäre die Reise der Brigg unter den günstigsten Verhältnissen verlaufen, wenn die Desertion der vier Matrosen diese nun nicht schon vierzehn Tage zum Stilliegen in Dunedin genötigt hätte.

Die Leute, die dem Beispiele ihrer Kameraden nicht gefolgt waren, Hobbes, Wickley und Burnes, gehörten zu dem Schlage tüchtiger, dienstwilliger und mutiger Matrosen, auf die sich ein Kapitän unter allen Umständen verlassen kann. Das Entweichen der anderen wäre nicht groß zu beklagen gewesen, wenn Vin Mod sie nicht durch die Spitzbuben ersetzt hätte, die er in den »Three-Magpies« angeworben hatte. Der Leser weiß ja, was er von diesen zu halten hat und wird sie später auch beim Werke sehen.

Zur Besatzung gehörten auch noch ein Schiffsjunge und ein Koch.

Der vierzehnjährige Schiffsjunge Jim stammte aus einer ehrbaren Handwerkerfamilie, die in Hobart-Town wohnte und ihren Sohn dem Kapitän Gibson anvertraut hatte. Es war ein guter Junge, voller Liebe zu seinem Berufe und so behende und dienstwillig, daß er ein tüchtiger Seemann zu werden versprach.

Gibson behandelte ihn gewissermaßen als Vater, obwohl er ihm nichts durchgehen ließ, und Jim bewahrte jenem dafür die wärmste Zuneigung. Anderseits hegte Jim instinktmäßig einen gewissen Widerwillen gegen den Bootsmann Flig Balt, und dieser, dem das keineswegs entging, suchte den Jungen immer bei einem Fehler zu ertappen, was nicht selten das Dazwischentreten Gibsons nötig machte.

Der Koch Koa gehörte zu der Klasse von Eingebornen, die die »zweite Rasse der Neuseeländer« bildet, die Leute von mittlerer Größe mit der Hautfarbe des Mulatten, aber kräftig und sehr gelenkig sind und krause, wollige Haare haben. Ihnen gehört in der Hauptsache das Volk der Maoris an. Nach Beendigung der jetzigen ersten Reise an Bord der Brigg, die der Schiffskoch mitmachte, wollte Harry Gibson diesen verabschieden, denn er hatte sich als mürrischer, boshafter und rachsüchtiger – überdies recht unsauberer – Patron gezeigt, bei dem alle Zurechtweisungen und Strafen keinerlei Wirkung hatten. Flig Balt hatte gewiß nicht unrecht, ihn zu denen zu zählen, die nicht zögern würden, sich gegen den Kapitän aufzulehnen. Vin Mod und der Koch verstanden sich vortrefflich. Der Bootsmann sah dem zweiten alles nach, entschuldigte ihn, so gut er konnte, und bestrafte ihn nur, wenn das nicht zu umgehen war. Koa wußte auch bereits, daß er mit der Ankunft in Hobart-Town abgemustert werden sollte, und mehr als einmal drohte er, sich dafür zu rächen. Flig Balt, Vin Mod und er nebst den vier Neuangeworbenen, das waren also ihrer sieben gegenüber Gibson, den drei anderen Matrosen und dem Schiffsjungen. Freilich sollten der Reeder Hawkins und Nat Gibson in Wellington noch an Bord kommen, und dann war das Stärkeverhältnis nicht mehr so ungleich. Dagegen lag die Möglichkeit vor, daß Flig Balt sich schon während der Überfahrt zwischen Dunedin und Wellington des Schiffes bemächtigen konnte, so kurz diese Fahrt auch war. Wenn sich dazu eine Gelegenheit bot, wollte Vin Mod sie sich nicht entgehen lassen.

Seit vier Monaten auf der Küstenfahrt, hatte der »James-Cook« verschiedene Häfen angelaufen, wo er seine Fracht mit gutem Nutzen gelöscht oder andere eingenommen hatte. Nachdem er der Reihe nach Malikolo, Merena und Eromanga an den Neuen Hebriden und darauf Vanoua Linon an den Fidschiinseln berührt hatte, sollte die Brigg noch vor Wellington ankern, wo Hawkins und Nat Gibson sie erwarteten. Von hier wollte sie, mit allerhand minderwertigen Kleinwaren für die Eingeborenen wohl versorgt, nach den Inselgruppen von Neuguinea segeln, von wo dafür Perlmutter und Koprah, wenigstens für zehn-bis zwölftausend Piaster, zurückbefördert werden sollten. Von dort gedachte man die Heimreise nach Hobart-Town anzutreten und höchstens noch, wenn es die Umstände erheischten, in Brisbane oder in Sydney Halt zu machen. Noch zwei Monate, dann lag die Brigg voraussichtlich wieder in ihrem Heimathafen.

Der unfreiwillige Aufenthalt vor Dunedin kam Gibson erklärlicherweise höchst ungelegen. Durch Briefe und zwischen Dunedin und Wellington gewechselte Telegramme war Hawkins von der Ursache der unliebsamen Verzögerung unterrichtet, und er drängte den Kapitän deshalb, seine Mannschaft zu vervollständigen. Er sprach sogar davon, im Notfalle selbst nach Dunedin zu kommen, obschon Geschäftsangelegenheiten vorläufig noch seine Anwesenheit in Wellington verlangten.

Gibson hatte, wie der Leser weiß, nichts versäumt, dem Wunsche des Reeders nachzukommen, er war dabei nur gar zu vielen Schwierigkeiten begegnet, ganz wie eine Anzahl anderer Kapitäne, die sich in derselben Notlage befanden. Endlich hatte Flig Balt Erfolg gehabt, und als die vier Matrosen aus der Schenke zu den »Three-Magpies« das Deck der Brigg betreten hatten, ließ er sofort alle Boote aufwinden, damit die neuen Leute in der Nacht nicht etwa wieder entweichen könnten.

Noch im Laufe des Abends berichtete Flig Balt dem Kapitän, wie die Sache zugegangen war und wie er bei einer Rauferei den Augenblick benutzt hatte, Len Cannon und die drei anderen den Händen der Polizei zu entrücken. Was sie wert seien, würde er – der Kapitän – ja bald sehen. Meist beruhigten sich solche Hitzköpfe sofort, wenn das Schiff in Fahrt wäre, und wenn sie dann sozusagen unter sich sind, werden es oft die brauchbarsten Matrosen. Jedenfalls glaubte der Bootsmann, unter den vorliegenden Verhältnissen sein Bestes getan zu haben.

»Ich werde sie mir morgen ansehen, sagte Gibson.

– Ja... morgen, antwortete Flig Balt, es ist auch das beste, Kapitän, sie ihren Gin über Nacht verdauen zu lassen.

– Meinetwegen; übrigens liegen die Boote ja auf ihren Ständern, und wenn die Burschen nicht über Bord springen...

– Das können sie auch nicht, Kapitän; ich habe sie hinunter in den Frachtraum geschickt, und von da kommen sie erst im Augenblick der Abfahrt wieder heraus...

– Ja, aber morgen... bei hellem Tage, Balt?

– O, morgen wird sie schon die Furcht, der Polizei in die Hände zu fallen, hier zurückhalten.

– Nun also, auf morgen,« antwortete Gibson beruhigter.

Die Nacht verstrich; jedenfalls war es aber unnötig gewesen, Len Cannon und seine Kameraden einzusperren, denn sie dachten gar nicht daran, sich zu erheben und schliefen den Totenschlaf der Betrunkenen.

Mit Anbruch des nächsten Tages traf der Kapitän Gibson die erforderlichen Vorbereitungen zur Abfahrt. Seine Schiffspapiere waren schon in Ordnung, so daß er nicht noch einmal ans Land zu gehen brauchte. Jetzt mußten die Neuangeworbenen aufs Deck gerufen werden.

Vin Mod öffnete die große Luke, und völlig ernüchtert kamen die vier Matrosen herauf und gingen an die Arbeit ohne das geringste Anzeichen dafür, daß sie vielleicht wieder fliehen möchten.

Als sie da vor dem Kapitän erschienen, erhielt dieser von ihnen zwar einen höchst ungünstigen Eindruck, er wußte das aber nicht sichtbar werden zu lassen, betrachtete sie nur aufmerksam und fragte schließlich nach ihren Namen, um diese in die Mannschaftsrolle einzutragen.

Bei der Namensnennung gaben sie gleichzeitig ihre Nationalität an: es waren zwei Engländer, ein Irländer und ein Amerikaner. Eigene Wohnungen hatten sie nicht, ihr Heim waren die Spelunken beim Hafen, deren Wirte meist gleichzeitig Nachtgäste aufnehmen. Ihre Habseligkeiten, das heißt das, was der Matrose an unumgänglichen Bedürfnissen in seinem Sacke mitzubringen pflegt, hatten sie nicht mitnehmen können. Flig Balt stellte ihnen dafür die Kleidungsstücke, die Leibwäsche und die sonstigen Gegenstände der früher Desertierten zur Verfügung, da diese ihr Eigentum doch niemals zurückfordern würden. Dadurch wurde es unnötig, sie erst noch nach ihren eigenen Reisesäcken zu schicken, und den Leuten schien das auch sehr recht zu sein.

Als Len Cannon, Sexton, Kyle und Bryce sich nach dem Vorderdeck begeben hatten, sagte Gibson achselzuckend:

»Eine verdächtige Gesellschaft, Balt! Ich glaube kaum, daß Ihr dabei eine glückliche Hand gehabt habt. Man muß die Burschen im Auge behalten, und zwar sehr scharf...

– Ja... natürlich, Kapitän. Übrigens sollen sie ihre Sache recht gut verstehen, wie mir ein Offizier vom ›West-Pound‹, der auch hier still liegt, mitteilte – Sie hatten diese Leute also schon vorher ins Auge gefaßt?

– Ja... das heißt, erst seit wenigen Tagen...

– Und jener Offizier kannte sie?...

– Er hat sie auf langer Fahrt unter sich gehabt, und seiner Aussage nach sind es tüchtige Seeleute.«

Der Bootsmann log hier in unverschämtester Weise. Kein Offizier hatte ihm von den vier Männern ein Wort gesprochen; seine Aussage konnte aber nicht weiter kontrolliert werden, und Gibson hatte keine Ursache, an ihrem Werte zu zweifeln.

»Es wird jedenfalls zu verhüten sein, daß alle vier gleichzeitig Wache haben, sagte der Kapitän. Bringen Sie mir immer die beiden Engländer mit Hobbes und Wickley, und den Irländer und den Amerikaner mit Burnes und Vin Mod zusammen. Das dürfte sicherer sein...

– Wie Sie wünschen, Kapitän; ich wiederhole Ihnen aber: einmal draußen auf hoher See, werden sie schon ihre Schuldigkeit tun. Nur beim Aufenthalt in einem Hafen, und vorzüglich in Wellington, müssen die Leute streng überwacht werden. Jedenfalls dürfen sie keinen Landurlaub bekommen, sonst kehrten sie vielleicht nicht wieder an Bord zurück!

– Mag sein, Balt, Vertrauen flößen sie mir aber nicht ein, und wenn ich in Wellington für sie andere einstellen kann...

– So werden sie abgemustert,« stimmte der Bootsmann ein.

Flig Balt wollte nicht widersprechen, um nicht den Schein zu erwecken, daß ihm an diesen »Gelegenheits-Matrosen« besonders gelegen wäre.

»Ich kann Ihnen nur versichern, Kapitän, setzte er noch hinzu, daß ich mein Bestes getan habe, und große Auswahl hatte ich ja auch nicht!«

Gibson begab sich nach dem Hinterdeck zu dem Manne am Ruder, während Flig Balt nach dem Vorderdeck ging, um den Anker aufwinden und am Deck festlegen zu lassen, sobald die Segel in Ordnung wären.

Der Kapitän beobachtete den Kompaß in der Messingumhüllung, der auf einer Art Säule frei vor dem Steuer stand, sah dann nach dem Wimpel am Top des Großmastes und hierauf nach der britischen Flagge, die an der Gaffel des Briggsegels im Winde flatterte.

Noch schwankte der »James-Cook« an seiner Kette inmitten des Hafens. Der von Nordwesten wehende Wind mußte sein Auslaufen begünstigen. Wenn das Schiff durch den Kanal bis zum Chalmershafen gekommen war, fand es auch eine günstige Brise, längs der Ostküste Neuseelands bis zu der, die beiden Inseln trennenden Meerenge hinabzusegeln. Einige vor dem Kanal verankerte Fahrzeuge nötigten es jedoch, erst seitwärts zu steuern, wodurch es sehr in die Nähe des Kais kam, der, von ihm zur Rechten, den Hafen begrenzte.

Gibson erteilte seine Befehle. Nach einander wurden die beiden Marssegel, dann das Focksegel, hierauf die Klüver- und das Briggsegel gehißt. Dabei zeigte es sich überall, daß Len Cannon und seine Kameraden ihre Sache verstanden, und wenn sie nach den Stengen der Bramsegel hinaufzusteigen hatten, geschah das in einer Weise, die deutlich zeigte, daß sie für den Dienst als Marsgasten nichts mehr zu lernen brauchten.

Der schon aufgerichtete Anker wurde in dem Augenblick aufgewunden, wo man die Schoten anzog, um der Brigg die gewünschte Richtung zu geben. Flig Balt und Vin Mod konnten während dieses Manövers einige Worte wechseln.

»Na, sagte der zweite, unsere Neuen machen ja ihre Sache gut...

– Ganz wie sich's gehört, Mod...

– Noch drei solche Burschen, und wir hätten die Mannschaft, die wir brauchen...

– Und das Schiff, das wir brauchen, obendrein, setzte Flig Balt halblaut hinzu.

– Und auch den Kapitän, den wir brauchen!« er klärte Vin Mod, der die Hand an die Mütze legte, als stände er vor seinem Vorgesetzten.

Flig Balt bedeutete ihm, zu schweigen, aus Furcht, daß die Worte von dem Schiffsjungen verstanden werden könnten, der eben beschäftigt war, die Schote des kleinen Klüversegels umzulegen. Der Bootsmann schickte sich schon an, nach dem Volkslogis zu gehen, als Vin Mod ihn noch fragte, wie die vier Stammgäste der»Three-Magpies« dem Kapitän denn gefallen hätten.

»O, nicht besonders, antwortete Flig Balt.

– Ja freilich, äußerlich machen sie gerade keinen einnehmenden Eindruck, gab Vin Mod zu.

– Es würde mich gar nicht wundern, wenn er sie schon in Wellington ablohnte, sagte Flig Balt.

– Um in Wellington vor Anker zu gehen, meinte Vin Mod, die Achseln zuckend, müßte man freilich nach Wellington steuern. Ich hoffe aber, wir kommen überhaupt nicht dahin und es wird dort niemand ausgesetzt.

– Keine Unklugheiten, Mod...

– Nun also... Flig Balt, der Kapitän ist nicht zufrieden?

– Nein.

– Was tut das, wenn wir's nur sind?«

Der Bootsmann begab sich nach dem Hinterdeck.

»Nun... ist alles in Ordnung? fragte ihn Gibson.

– Alles, Herr Kapitän.«

Der »James-Cook« schlug nun eine Richtung ein, mit der er sich dem Kai näherte, dessen Kopf er in kaum einer halben Kabellänge Entfernung umschiffen mußte.

Hier hatte sich eine Gruppe von Seeleuten und müßigen Zuschauern gesammelt, für die ein Fahrzeug unter Segel allemal ein gewisses Interesse haben... Seit mehreren Wochen war man dieses Anblickes beraubt gewesen, da die Schiffe hier ihren Ankerplatz nicht hatten verlassen können.

In der Gruppe befanden sich aber auch einige Polizisten, deren Aufmerksamkeit dem »James-Cook« ganz besonders gewidmet schien, das zeigte sich in ihrer Haltung und in ihren Bewegungen. Zwei oder drei der Beamten liefen sogar ganz vorn nach dem Kopfende des Kais, wo die Brigg ganz nahe vorbeikommen mußte.

Offenbar gehörten diese Polizisten – Flig Balt und Vin Mod konnten sich darüber gar nicht täuschen – zu denen, die sie gestern in der Schenke Adam Frys gesehen hatten. Len Cannon und seine Kameraden liefen also Gefahr, erkannt zu werden, und wer weiß, ob der »James-Cook«, wenn er angerufen und ihm befohlen wurde, beizudrehen, nicht in die Lage kam, die Matrosen aus den »Three-Magpies« wieder auszuliefern.

Der Kapitän Gibson jedoch, der nun einmal entschlossen war, die neuen Leute streng zu beobachten, fand es zweckmäßiger, sie zu behalten, was es ihm wenigstens ermöglichte, in See zu gehen, und er wäre ja in die größte Verlegenheit gekommen, wenn er die Matrosen wieder der Polizei überlassen müßte. Nach wenigen Worten, die ihm Flig Balt hastig zuflüsterte, stimmte er auch zu, daß Vin Mod sofort, und ehe sie bemerkt würden, Len Cannon, Sexton, Kyle und Bryce vom Deck wegschickte.

»Hinunter!... Hinunter!« rief Vin Mod ihnen zu.

Die Matrosen warfen einen flüchtigen Blick nach dem Kai, sie erkannten sofort die Lage der Dinge und verschwanden eiligst durch die Treppenkappe. Am Deck wurden sie gerade jetzt nicht mehr gebraucht, denn der Steuermann konnte den »James-Cook« ohne weitere Veränderung der Segelstellung nach dem Kanale führen.

Die Brigg näherte sich dem Ende des Kais immer mehr und fuhr sogar noch dichter, als es die Schiffe sonst tun, an dieses heran, da sie eben noch einem amerikanischen Dampfer ausweichen mußte, der ihr unter den kreischenden Tönen seiner Heulpfeife entgegenkam.

Die Polizisten konnten sich also die Matrosen an Bord leicht genau ansehen, und wenn Len Cannon und die übrigen sich nicht versteckt hätten, wären sie gewiß erkannt und auf der Stelle abgeführt worden.

Die Beamten sahen sie jedoch nicht, und die Brigg konnte in den Kanal einlaufen, sobald der Dampfer den Eingang freigegeben hatte.

Jetzt war nichts mehr zu fürchten; die vier Matrosen kamen wieder zum Vorschein.

Ihre Hilfe war auch wieder nötig. Der sich von Südwesten nach Nordosten hinziehende Kanal macht mehrere Windungen, so daß bei jeder solchen die Schoten angezogen oder nachgelassen werden müssen.

Von einer günstigen Brise getrieben, segelte die Brigg ohne Schwierigkeiten zwischen den grünen, mit Villen und Landhäusern übersäten Ufern hin, auf deren einem die Eisenbahn verläuft, die Dunedin mit dem Chalmershafen verbindet.

Es war kaum acht Uhr, als die Brigg diesen Außenhafen passierte und nun aufs offene Meer hinauskam. Dann steuerte sie mit Backbordhalsen, den Leuchtturm von Otago und das Kap Sanders im Süden liegen lassend, rasch längs der Ostküste Neuseelands hin.

Drittes Kapitel.

Vin Mod am Werke.

Inhaltsverzeichnis

Die Strecke zwischen Dunedin und Wellington, mit Einschluß der Meerenge, die die beiden großen Inseln trennt, beträgt kaum vierhundert Seemeilen. Hielt der Nordwestwind an, so stand an der Küste auch weiter eine freundliche See, und bei zehn Knoten konnte der »James-Cook« dann am zweitfolgenden Tage in Wellington eintreffen.

Ob es während dieser kurzen Fahrt Flig Balt wohl gelingen sollte, seinen schändlichen Plan auszuführen, sich des Kapitäns und der anderen Mannschaft zu entledigen, um die Brigg in seine Gewalt zu bekommen und sie weit hinaus nach dem Stillen Ozean zu steuern, wo ihm Sicherheit und Straflosigkeit winkte?...

Wie Vin Mod zu Werke gehen wollte, ist dem Leser bereits bekannt: Gibson und die Leute von der Mannschaft, die treu zu diesem hielten, sollten überrascht, gepackt und über Bord geworfen werden, ehe sie dazu kämen, sich zu verteidigen. Zunächst war es freilich nötig, Len Cannon und dessen Kameraden in das Komplott einzuweihen – was voraussichtlich keine Schwierigkeiten machte – bei ihnen sozusagen vorsichtig anzuklopfen und sich ihren Beistand zu sichern. Das gedachte Vin Mod gleich am ersten Reisetage zu tun, um schon in der nächsten Nacht seine Pläne ausführen zu können. Nach achtundvierzig Stunden sollte die Brigg ja in Wellington die Herren Hawkins und Nat Gibson an Bord nehmen; es war also notwendig, daß der »James-Cook« schon in der nächsten oder spätestens in der zweitfolgenden Nacht Flig Balt und seinen Helfershelfern in die Hände fiel, da sich sonst die Aussicht auf Erfolg nicht wenig verminderte und eine gleichgute Gelegenheit sich wahrscheinlich niemals wieder darbot.

Was die Zustimmung Len Cannons, Sextons, Kyles und Bryces betraf, glaubte Vin Mod, daß das gar nicht in Frage kommen könne bei Leuten ohne Glauben und ohne Achtung vor dem Gesetz, ohne Gewissen und Skrupel, denen es doch verlockend genug erscheinen mußte, im Stillen Ozean, wo der Arm der Gerechtigkeit sie nicht mehr erreichte, einträgliche Fahrten auf gemeinsame Rechnung zu unternehmen.

Der südliche Teil Neuseelands, die Insel Tawai-Pounamon, zeigt die Gestalt eines in seiner Mitte etwas ausgedehnten, länglichen Viereckes, dessen Achse von Nordost nach Südwest verläuft. Der nördliche Teil der Insel Ikana-Maoui dagegen erscheint als ein unregelmäßiges Dreieck mit einer schmalen Landzunge, die in das Kap Nord ausläuft.

Die Küste, der die Brigg folgte, ist vielfach zerrissen und mit gewaltigen, sonderbar geformten Felsblöcken gesäumt, die aus der Ferne fast riesigen Mastodons gleichen, welche daran gestrandet wären. Da und dort täuscht eine Reihe von Bogen den Kreuzgang eines Klosters vor, und donnernd braust die Flut selbst bei schönem Wetter zwischen die Pfeiler hinein. Ein Schiff, das geradenwegs auf diese Küste zuliefe, wäre rettungslos verloren, und drei oder vier anstürmende Wogen würden hinreichen, es zu zertrümmern. Glücklicherweise können Schiffe, die von einem Sturme aus Osten oder aus Westen überfallen werden, die äußersten Vorgebirge Neuseelands allemal leicht umschiffen. Außerdem finden sie, bei der Unmöglichkeit, in einen Hafen einzulaufen, guten Schutz in zwei Meerengen: in der Cookstraße, die beide Inseln trennt, und in dem Foveauxsunde zwischen Tawai-Pounamou und der Insel Stewart ganz im Süden des Landes. Hier gilt es nur den gefährlichen Riffen von Snares auszuweichen, wo die Wogen aus dem Indischen und Stillen Ozean aufeinander prallen, eine Stelle, die schon viele schreckliche Schiffsunfälle gesehen hat.

Hinter dem Ufer steigt eine mächtige Bergkette auf, die zahlreiche Krater enthält und von der aus mehrere herabstürzende Wasserfälle verschiedene, trotz ihrer Kürze doch recht ansehnliche Flüsse speisen. Auf dem Bergabhange erheben sich Waldungen mit oft außerordentlich hohen Bäumen, wie Fichten von hundert Fuß Höhe und zwanzig Fuß Duchmesser, eine Zedernart mit Blättern gleich denen der Olive, mit dem harzreichen »Kudy«, dem »Kaïkatea« mit sehr zäher Belaubung und roten Beeren, dessen Stamm zwischen Fuß und Gipfel keine Äste hat.

Kann Ika-na-Maoui sich brüsten mit dem Reichtum seines Bodens, mit seiner fast unerschöpflichen Fruchtbarkeit und einer Pflanzenwelt, die an manchen Stellen der der prächtigsten Erzeugnisse der Tropenflora gleichkommt, so ist Tawai-Pounamou dagegen von der Natur entschieden weniger begünstigt. Kaum der zehnte Teil seines Gebietes hat kulturfähigen Boden. In den bevorzugteren Bezirken können die Eingebornen aber immer noch etwas Mais, mancherlei krautartige Nutzpflanzen und eine große Menge Kartoffeln erbauen, abgesehen von der sehr reichlichen Ernte an einer Farrenkrautwurzel, der Pteris esculenta, die einen Hauptbestandteil ihrer Nahrung bildet.

Der »James-Cook« näherte sich der Küste, deren Wassertiefen Harry Gibson genau kannte, zuweilen so weit, daß der Gesang verschiedener Vögel, darunter als melodiösester der des »Pou«, an Bord deutlich gehört werden konnte. Dazwischen vernahm man die Gaumenlaute von mancherlei Papageien, den Schrei von Enten mit scharlachrotem Schnabel und ebenso gefärbten Beinen und Füßen, ohne von zahlreichem anderen Wassergeflügel zu reden, von dem einzelne kühne Vertreter sogar durch die Takelage des Fahrzeuges flatterten. Und wenn dessen Kiel ihre Kreise störte, wie hastig entwichen da die Cetaceen, diese Elefanten, diese Löwen der Weltmeere, wie stoben da die wegen ihres Fettes und ihres Pelzfelles so geschätzten Robben auseinander, von denen zweihundert genügen, hundert Barrels mit Öl zu füllen!

Die Witterung blieb beständig. Wenn der Wind abflaute, konnte das erst gegen Abend der Fall sein, da er dann vom Lande her wehte und sich an der Bergkette im Inneren brach. Bei dem herrschenden klaren Sonnenscheine wehte er in den höheren Luftschichten und trieb auch die Brigg, die ihre Stag- und Leesegel führte, schnell vorwärts. Kaum je brauchte man die Schoten nachschießen zu lassen oder das Steuer umzulegen. Die Neuangeworbenen verstanden auch als Seeleute die guten nautischen Eigenschaften des »James-Cook« zu würdigen.

Gegen elf Uhr zeigte kurz vor dem Hafen von Oamaru der Herbertberg seinen kugelähnlichen Gipfel, der fünftausend Fuß über die Meeresfläche emporragt.

Vergebens versuchte Vin Mod im Laufe des Vormittages mit Len Cannon zu sprechen, den er für den gewecktesten und einflußreichsten der vier Matrosen aus Dunedin ansah. Gibson hatte, wie erwähnt, angeordnet, daß diese Leute eine Wache niemals gemeinsam übernehmen sollten, denn jedenfalls war es ratsamer, sie von einander getrennt zu halten. Da übrigens mit der Segelführung nichts zu tun war, überließ der Kapitän dem Bootsmanne die Aufsicht über das Schiff und beschäftigte sich in seiner Kabine mit der Ordnung und dem Abschluß verschiedener Rechnungen.

Eben jetzt stand Hobbes am Steuer. Vin Mod ging, abwechselnd an jeder Seite des Volkslogis, zwischen Großmast und Heck hin und her. Zwei andere Matrosen, Burnes und Bryce, schlenderten an der Schanzkleidung hin, ohne ein Wort zu wechseln. Vin Mod und Len Cannon standen beide unter dem Winde, so daß ein Gespräch zwischen ihnen jetzt von niemand gehört werden konnte.

Als der Schiffsjunge Jim in ihre Nähe kam, wiesen sie ihn barsch weg, und aus Vorsicht beauftragte ihn Balt auch noch, das Kompaßgehäuse zu putzen.

Die beiden anderen Kameraden Len Cannons, Sexton und Kyle, die jetzt keine Wache hatten, zogen die frische Seeluft der dunstigen, warmen Atmosphäre des Volkslogis vor. Vorn am Bug belustigte sie der Koch Koa mit seinen groben Scherzen und abscheulichen Grimassen. Man mußte es sehen, wie stolz sich dieser Eingeborne auf die Tätowierung seines Gesichtes, seines Rumpfes und seiner Glieder zeigte, auf den »Moko« der Neuseeländer, der die Haut tief einfurcht, statt sie nur zu ritzen, wie das bei den meisten Völkerschaften der Inseln des Stillen Ozeans Gebrauch ist. Alle Eingebornen werden der Ausführung des »Moko« nicht unterzogen. Die Koukis oder Sklaven würdigt man dieser »Verschönerung« nicht, überhaupt nicht die Leute der niederen Kasten, wenn sie sich nicht durch hervorragende Kriegstaten besonders ausgezeichnet haben Deshalb war Koa auf seinen Hautschmuck auch nicht wenig eitel.

Er verstand es – was Sexton und Kyle stark zu interessieren schien – diesen seine Tätowierungen gründlich zu erklären, er erzählte, unter welchen Umständen seine Brust mit der und jener Zeichnung geschmückt worden war, und wies auf seine Stirn, die seinen Namen in unverwischbaren Schriftzeichen aufwies, die er auch am alles in der Welt nicht verwischt gesehen hätte.

Infolge dieser Operationen, die sich meist über den ganzen Körper erstrecken, gewinnt die Haut der Eingebornen ansehnlich an Dicke und Festigkeit. Die Leute erlangen dadurch eine vermehrte Widerstandsfähigkeit gegen die Unbill des Winterklimas und... gegen die Stiche der Moskitos, so daß viele Europäer sich beglückwünschen würden, wenn sie um den gleichen Preis der Plage durch jene unausstehlichen Insekten entgehen könnten.

Während nun Koa, instinktiv getrieben durch eine natürliche Sympathie für Sexton und dessen Kameraden, den Grund zu einem engeren Freundschaftsbündnis legte, »bearbeitete« Vin Mod selbst Len Cannon, der wiederum nur auf diesen zu warten schien.

»Na, Freund Cannon, begann Vin Mod, da wärst du ja an Bord des ›James-Cook‹!... Ein hübsches Schiff, nicht wahr?... Und eins, das seine elf Knoten läuft, ohne daß man die Hand zu rühren braucht...

– Ja wohl, Mod...

– Und mit einer schönen Ladung im Bauche... einer kostbaren Fracht...

– Desto besser für den Reeder.

– Für den Reeder... hm... oder für einen anderen! Indes... wir haben ja nur die Arme zu kreuzen, während die Brigg flott dahinsegelt...

– Heute... ja, heute ist alles gut und schön, antwortete Len Cannon, doch morgen... wer weiß...

– Morgen... übermorgen... immerfort! rief Vin Mod, indem er Len Cannon auf die Schulter klopfte. Ist es so nicht weit schöner, als am Lande kleben geblieben zu sein? Wo wäret ihr denn, deine Kameraden und du, wenn ihr jetzt nicht auf dem Deck hier ständet?

– Wo?... Natürlich in den »Three-Magpies«, Mod...

– Nein... nach dem, wie ihr dort aufgetreten seid, hätte euch Adam Fry vor die Türe gesetzt. Dann wären die Polizisten gekommen, hätten euch alle vier zum Mitgehen eingeladen, und da ihr allem Anscheine nach nicht die Leute dazu seid, euch vor dem Polizeigericht reinzuwaschen... na, da hätte man euch eben Gelegenheit gegeben, im Gefängnis von Dunedin euch so ein paar Monate lang zu erholen...

– Ach was... so eine Zelle in der Stadt und ein Schiff auf dem Meere, das kommt ja doch auf eins hinaus, erwiderte Len Cannon, der mit seinem Geschick noch immer zu hadern schien.

– Was? rief Vin Mod, eine Teerjacke, die solches Zeug schwätzt!