Die Geheimnisse der Eisstadt - Clarisse Dani - E-Book

Die Geheimnisse der Eisstadt E-Book

Clarisse Dani

0,0

Beschreibung

Zauberhafte Fantasie für Träumer "Die Geheimnisse der Eisstadt" von Clarisse Dani ist ein schillernder, märchenhafter Fantasy-Roman. Wie eine Blüte entfaltet sich die Geschichte, ein Schicksal führt zum nächsten, alles ist miteinander verflochten. Die Eisstadt selbst erscheint dabei wie ein kostbares, verzaubertes Juwel. Doch hinter ihren Mauern liegen Liebe und Hass, Glück und Neid eng beieinander. Aglaia, die schöne Königin, kämpft verzweifelt gegen die Dunkle Seite, deren Wunsch es schon seit Ewigkeiten ist, die Eisstadt und ihre Bewohner zu unterjochen. Dabei spielt das Böse auf Zeit und verliert auch über Generationen nicht sein Ziel aus den Augen. Eifersucht und Habgier, Angst und Unsicherheit öffnen ihm immer wieder eine Tür in die Eisstadt. Selbst der vom Orakel auserwählte König Erald, Gemahl Aglaias, ist nicht vor diesen Kräften gefeit. Eine Liebe, die einst so stark war, wird auf die Probe gestellt. Alles ist kein Zufall, alles ist durchdacht. Und alles führt zu einem unvermeidbaren Kampf.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 542

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Sammlungen



Inhalt

Prolog

PRINZ EDBERT

Die Bernsteinschatulle

Im Strudel der Gefühle

Das Dienstmädchen

Der Ball

NOELEENS SCHICKSAL

Verlorene Seelen

Fünf Kristalle

VAIDAS WEG

Das gebrochene Herz

Der Jacinthbaum

Die Verblendung

AGLAIA UND ERALD

Im Königreich der Sterne

Der Weg zum Orakel

Scheinbare Liebe

Das Schweigen wird gebrochen

Der Wahrheit auf der Spur

Die Tochter des Orakels

Der Stein des Todes

Ein unerwarteter Tod

OPALIUS, ALRUNA UND DAS BUCH

Das Kind des Opals

Sehnsucht und Begehren

Ein mörderischer Pakt

Menschliche Schwäche

Der neue Meister des Buches

ADRIAN UND AGLAIA

Der Ritter des Mondsteins

Liebe und Neid

Doppeltes Spiel

Ein schicksalhaftes Unglück

Edberts Fluch

Ein neuer Versuch

ERALDA

Die kleine Prinzessin

Die Bedrohung wird sichtbar

Unvermutete Hilfe

Herr Luirwin

Trügerische Hoffnung

Der Fluch der schwarzen Steine

ERALD UND MELANEJA

Verlorene Liebe

Das andere Gesicht der Schönheit

Frau Lucrecia und Herr Elvar

GOSIA UND ODIA

Die vier Töchter der Dunklen Seite

MELANEJAS ENTSCHEIDUNG

Jenseits der Schwelle

Ungehorsam und Bestrafung

MALLORY

Die ungeliebte Tochter

AGLAIA UND NOELEEN

Des Königs Unglück

Wettlauf mit der Zeit

Der Kampf im Dunklen Wald

Noeleens Erlösung

DER SCHLÜSSEL

Der verhexte Altar

Eine böse Überraschung

Der blaue Stein des Lebens

Kampf um Leben und Tod

In Liebe und Hass

Epilog

Prolog

Über den Gewässern eines kalten nordischen Meeres ragte eine Eisstadt mit spitzen Türmen und krummen Gassen empor, die von Menschen mit einer durchsichtigen leuchtenden Haut und blauen Augen bewohnt wurde. Sie trugen schöne, mit Edelsteinen besetzte Mäntel, die im Dunkeln leuchteten. Jeder von ihnen hatte außerdem einige Edelsteine auf seinem rechten Handrücken. Diese Edelsteine waren unterschiedlich angeordnet. Sie strahlten in verschiedensten Farben und jeder von ihnen besaß eine besondere ihm innewohnende Kraft.

Die Eisstadt wurde einst von Königinnen und Königen regiert. Vor einigen Sternjahren verstarb ein König der Eisstadt. Trauer herrschte damals in jedem Eishaus. Sein Leichnam wurde dem tiefen eisigen Meer übergeben und die Wellen trugen ihn langsam zum Horizont, der Sonne entgegen.

Nun war der junge Thronfolger, Prinz Edbert, an der Reihe, die Pflichten gegenüber der Eisstadt, ihren Bewohnern und der Königin, seiner Mutter, zu erfüllen. Koste es, was es wolle. Damit wurde er ein Teil der Geheimnisse der Eisstadt, von denen nun erzählt werden soll.

PRINZ EDBERT

Die Bernsteinschatulle

Eine samtene Dunkelheit bedeckte die Eisstadt und kündigte das Kommen der Nacht an. Immer mehr Sterne funkelten am schier endlosen Himmel und beleuchteten das Eis. Der schnelle schwere Gang Melanejas störte die Ruhe und Stille, in die sich der Eispalast sanft hüllte. Ihr Herz pochte schnell im Rhythmus ihrer Schritte, die zwischen den eisigen Wänden widerhallten. Sie musste unbedingt der Königin etwas erzählen. Bis morgen konnte sie nicht warten. Ihre feinen blonden Locken bebten, als sie ganz und gar in Gedanken versunken in das königliche Zimmer stürzte, völlig außer Atem.

Das Erste, worauf ihr Blick fiel, waren die grazilen Hände ihrer Königin Aglaia. Sie lagen so kraftlos auf ihrem Schoß, als ob sie kein Leben mehr in sich hätten. Melaneja schaute weiter hoch zu ihrem Gesicht. Die Augen der Königin waren geschlossen. Ihre Haut wirkte fein wie zartes Porzellan, war blass wie Schnee und ihre goldenen Haare funkelten im sanften Sternenlicht, das durch eine leicht geöffnete Balkontür hereinfiel. Der weiße Mantel, der die Königin bekleidete, betonte auf dem roten Sessel ihre Schönheit noch mehr.

Melaneja blieb stehen und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, wagte es aber nicht, etwas zu sagen. Sie kratzte sich an der Stirn, dann presste sie beide Hände zusammen, sodass es fast schmerzte. Dabei holte sie tief Luft. Doch schließlich entfuhr ein gewaltiger Redestrom ihrem Munde: »Meine Herrin, verzeiht mir mein stürmisches Eindringen, aber ich habe etwas Merkwürdiges gesehen. Ich war unten in der Küche mit den anderen Bediensteten. Wir haben unsere Arbeit erledigt und die alte Frau Zauberin, so nennen wir sie unter uns, in Wirklichkeit heißt sie Frau Margarete, … also, sie schlug uns vor, ein Spiel zu spielen. Sie nahm sechs Amethyste und warf sie auf den Tisch. So kann sie die Zukunft vorhersagen. Das hat sie jedenfalls behauptet. Wir haben ihr aber nicht geglaubt und sie ausgelacht. Die alte Frau Zauberin sah ihre Steine aufmerksam an, die auf dem Tisch dalagen und plötzlich wie von Geisterhand die Form eines Kreises annahmen. Das fand ich sehr merkwürdig. Wie hat sie das nur so hinbekommen? Also, jedenfalls haben wir aufgehört zu lachen und ihr zugehört. Aber sie hat nur etwas Undeutliches geflüstert. Ich konnte nur »der junge König« und »der Stern« verstehen. Mehr nicht. Und plötzlich wurde es in der Küche ganz hell, als ob die Sonne wieder da wäre. Wir rannten alle zu den Fenstern und sahen, dass das Licht aus dem Zimmer Ihres Sohnes Edbert kam. Wir stürzten zu ihm. Als wir endlich die Treppe zu den Gemächern des jungen Königs überwunden hatten, war von dem Licht aber nichts mehr zu sehen. Und zu unserer Enttäuschung waren die Türen fest verschlossen.«

Melaneja atmete aus und starrte ihre Herrin mit einem gewissen Stolz im Blick an. Sie war alles losgeworden, was in ihr gebrodelt hatte und sie vor lauter Ungeduld fast hätte platzen lassen.

Gleichmütig und wortlos beobachtete die Königin ihr Dienstmädchen. Sie umfasste fest die Armlehnen des Sessels – noch jemand beherrschte also die Geheimnisse der Edelsteine.

Während die Königin noch über diese Darlegungen nachdachte, begann Melaneja vor sich hin zu murmeln: »Der junge König …, der junge König … Aber der junge König ist doch Prinz Edbert! Die alte Frau Zauberin hat in ihrem Spiel ihn gemeint.« Dabei grinste Melaneja von einem Ohr zum anderen und stellte sich aufrecht hin, als wenn sie einen Besen verschluckt hätte.

Nun sprach ihre Herrin mit klarer, melodischer Stimme: »Morgen, wenn am Himmel nur noch sieben Sterne am Ende der Nacht bleiben, möchte ich im Kristallzimmer in Milch baden.«

Melaneja nickte geflissentlich. »Ja, meine Königin, ich werde ein wunderschönes Bad vorbereiten.«

Sie wollte sich schon umdrehen, um in Richtung Tür zu eilen, als die Königin sagte: »Nein, Melaneja, nicht du, sondern Frau Margarete soll mir das Bad bereiten.«

Melaneja sah ihre Königin an und presste die Lippen zusammen. Sie war ein wenig beleidigt, dass die Königin die Badezeremonie nicht ihr anvertraute, sondern einer anderen Bediensteten. Gerade wollte sie noch etwas sagen, doch da senkte die Königin ihre Augenlider. Man konnte von Melaneja nicht gerade sagen, dass sie ein besonders kluges Mädchen war, aber auch sie verstand, dass das Gespräch zu Ende war. Sie wünschte der Königin leise gute Nacht, wackelte aus dem Zimmer und verschloss so behutsam, wie sie es konnte, die Türen. Aber auf dem langen einsamen Weg zur Küche vergoss sie bittere Tränen.

Als die Königin wieder allein war, erhob sie sich vom Sessel und ging zu ihrer Harfe, die einsam in der Ecke des Zimmers stand. Es war schon lange her, seit sie ihre Saiten berührt hatte. Damals, als ihr Herz noch voller Liebe und Freude war und ihre Seele sang, hatte sie für Erald die schönsten Melodien hervorgebracht. Wie viel Zeit seitdem vergangen war, wusste sie nicht mehr genau und wollte es auch nicht wissen.

Mit einer Handbewegung ließ sie die Harfe zur Seite schweben. Mit den Fingern drückte sie leicht gegen die Eiswand. Die Wand fing an zu schmelzen. Das klare Wasser lief langsam herunter, gefror augenblicklich wieder und bildete eine Figur. Die Königin wartete. Sie brauchte dieses Zeichen, um zu wissen, wie sie weiter handeln sollte.

Sie schaute aus dem Fenster zum sternenreichen Himmel empor. Die Nacht schien ruhig und friedlich zu sein. Doch die Königin wusste, dass dies nur eine scheinbare Ruhe war. Sie musste daran denken, was Melaneja ihr gerade erzählt hatte. Das grelle Licht, von dem das Dienstmädchen gesprochen hatte, war nichts anderes als die Vision ihres Sohnes gewesen. Diese Vision sollte ihm seinen eigenen Weg weisen, den er bald zu gehen hatte. Sie war zu ihm geeilt, bevor andere hatten kommen können. Sie seufzte und dachte an ihren Sohn und wie sie ihn vorgefunden hatte …

Edbert war bewusstlos, als sie in seinem Zimmer erschien. Sie fand ihn auf dem Boden liegend, fast ohne Atem. Sein unbeteiligter Gesichtsausdruck bereitete ihr Sorgen, weil sie daran nicht erkennen konnte, was er gerade sah. Sie hatte gewisse Vermutungen, aber war sich nicht sicher.

Außer ihnen beiden war niemand im Zimmer, das in einem sanften blauen Licht erstrahlte. Zumindest konnte sie niemanden sehen, doch sie spürte eine Präsenz. Es war ein Hauch von Leben, der den ganzen Raum um Edbert herum erfüllte.

Sie ließ ihren Sohn liegen, wie sie ihn gefunden hatte. Sie durfte ihn jetzt nicht berühren, um seine Vision nicht zu stören. Schnell stand sie wieder auf, da sie die eilenden Schritte der Dienstboten im Gang hörte. Rasch schwenkte sie ihre Hand und die großen schweren Eistüren verschlossen sich. Niemand sollte Edbert in diesem Zustand sehen.

Als sie gerade unbemerkt aus dem Fenster verschwinden wollte, hörte sie wieder den Hauch eines leisen Atems. Abrupt drehte sie sich um und ging zu einem großen Schrank hinüber. Mit jedem ihrer Schritte hörte sie immer deutlicher das Geräusch des Atems. Sie zögerte, bevor sie die Türen des Schranks öffnete. Aber die immer lauter werdenden Schritte der Dienstboten hielten sie zur Eile an. Ihre Augenbrauen fuhren hoch, als sie mehrere aneinandergelehnte Bilder entdeckte, die Edbert scheinbar heimlich gemalt hatte. Das sanfte Sternenlicht rann durch das große schmale Fenster und traf genau das Bildnis einer jungen Frau, soweit die Königin das erkennen konnte. Ihre Gesichtszüge waren unscharf. Nur die lächelnden großen braunen Augen mit einem sanften Blick stachen bezaubernd hervor. Niemand in der Eisstadt hatte solche dunklen ausdrucksvollen Augen. Gleichzeitig irritiert und fasziniert schaute sie sich ein Bild nach dem anderen an.

Die Dienstboten waren schon sehr nah. Die Königin hörte ihre besorgten Stimmen. Am lautesten war die von Melaneja, die ächzend und schnaufend jammerte. Vorsichtig verschloss die Königin den Schrank mit den Bildern von der geheimnisvollen Fremden und verschwand nun tatsächlich auf ihrer Eisscholle durch das Fenster in die Nacht mit den funkelnden Sternen.

Damit kehrte Königin Aglaia mit ihren Gedanken in die Gegenwart zurück. Als das langsame Tropfen aus der Eiswand aufhörte, musste sie allerdings noch einmal an die Bildnisse der jungen Frau denken. Voller Aufregung, die sich mit Angst, Sorge und Neugier mischte, wandte sie sich der erschienenen Gestalt zu. Ihr Herz schlug schneller und ihr zierlicher Körper spannte sich an, als sich eine Eishand mit sechs Fingern vor ihr bildete. Sie wusste nur allzu gut dieses Zeichen zu deuten: Tod, genauer gesagt Mord. Dann verschwand das Gebilde und die Eiswand wurde durchsichtig. Genau in ihrer Mitte erschien eine Bernsteinschatulle.

Langsam näherte sich die Königin der gefährlich funkelnden Schatulle. Ihre Hand glitt durch die Eiswand hindurch und ergriff das schwere, kostbare Kleinod. Die Königin hatte gehofft, diese Schatulle nie öffnen zu müssen. Doch das Schicksal hatte etwas anderes vor.

Die ganze Nacht konnte die Königin kein Auge schließen. Ständig musterte sie den langsam erwachenden Himmel, an dem immer weniger Sterne zu sehen waren. Schließlich waren nur noch zehn Sterne geblieben – die Zeit war gekommen. Die Königin zog den mit Amethysten geschmückten veilchenblauen Morgenmantel an, blickte ein letztes Mal auf die stille verzauberte Eiswand, ergriff die Bernsteinschatulle und verließ ihr Zimmer mit wachsender Unruhe.

Sie schritt fest und sicher durch den langen schmalen Gang des Eispalastes, der unter dem Schein der letzten acht Sterne am immer heller werdenden Himmel allmählich erwachte. An den Eiswänden, unter dem flachen durchsichtigen Dach des Ganges, hingen von Edbert gemalte Bilder, von denen Blumen in verwunderlicher Form ein sanftes blaues Licht ausstrahlten. Sie zitterten, als die Königin vorbeiging.

Einen Augenblick später befand sie sich bereits am Ziel. Das Badezimmer war groß, hatte hohe Decken, vereiste Fenster und eine große Kristallbadewanne. Auf dem Boden lag ein hellblauer samtener Teppich. Große blaue und gelbe Eiskandelaber hingen an den Wänden.

Schritt für Schritt und fast lautlos näherte sich die Königin langsam der geheimnisvollen Frau, die die Badewanne sorgfältig mit Milch füllte und ihr dabei den Rücken zuwandte. Ihre Bewegungen waren geschickt und flink wie die einer jungen Frau – der Königin entging dies nicht. Sie blickte zu einem geöffneten Fenster: Sieben Sterne waren nun am Himmel zu sehen. Das war der richtige Zeitpunkt, der Anfang, um die Wahrheit zu erfahren.

Mit einem »Guten Morgen« machte die Königin auf ihre Anwesenheit aufmerksam. Augenblicklich veränderte die Dienerin ihre Körperhaltung. Sie drehte sich langsam wie eine alte Frau um und schaute der Königin in die Augen. Ihr Gesicht war faltig, die schwarze Kapuze auf dem Kopf verdeckte ihre Haare, die Augen waren blau wie ein sonnendurchtränkter Himmel und darunter erschienen schöne rosige Lippen. »Willst du mich nicht begrüßen?«, fragte die Königin mit herrschaftlicher Stimme.

Die Dienerin verneigte sich und vollzog mit ihren alten Händen die am Hofe übliche Begrüßungsgeste. Sie hob die Hände kurz und ließ sie dann langsam wieder sinken.

Die Königin nickte und blickte zum geöffneten Fenster, das nun genauso wie die große schwere Eistür wie von unsichtbaren Händen bewegt zuschlug. »Hilf mir aus dem Mantel«, befahl sie dann.

Die Dienerin kam zu ihr, berührte ihre Schulter und streifte ihr den Mantel ab. Der wunderschöne Körper der Königin verbreitete Licht im ganzen Raum und ließ das Kristallzimmer funkeln. Sie machte ein paar Schritte auf die Badewanne zu, drehte sich dann aber um und verlangte: »Bring mir aus meinem Mantel die Bernsteinschatulle.«

Die Dienerin tat, wie es die Königin befohlen hatte.

»Und jetzt öffne sie und lege den Inhalt der Schatulle in die Badewanne«, verlangte die Königin weiter.

Die Alte wurde unruhig, sie zögerte, doch dann ließ sie den königlichen Mantel fallen und ging zur Badewanne. Mit zitternden Händen öffnete sie die Schatulle und da sah sie ihn – den grauen Stein des Todes. Die Schatulle fiel ihr aus der Hand und augenblicklich wurde sie von einer unsichtbaren Kraft in die Kristallbadewanne gezogen. Hunderte Eishände hielten sie fest, sie konnte sich weder bewegen noch atmen. Sie wurde immer tiefer und tiefer hinabgezogen. Als am Himmel nur noch sechs Sterne standen, wurde ihr Körper wieder an die Oberfläche emporgehoben. Es war aber kein alter Körper mehr – es war der einer schönen jungen Frau mit schwarzen langen Haaren und mit einer wunderschönen, fast durchsichtigen Haut, die Bedienstete sonst nicht haben. Nur die Umrandung ihrer Augen färbte sich rot. Sie feixte, was sie auf einmal so hässlich machte. Ihr hasserfüllter Blick traf den der Königin.

»Was willst du?«, fragte die Königin kalt.

Immer noch von Hunderten Eishänden gehalten, versuchte die junge Frau zu sprechen und brachte schließlich hervor: »Ich kam, um dich zu töten. Ich hasse dich. Ich kam, um zu rächen.«

»Du bist mutig. Du weißt, dass dies dein Ende sein könnte und sagst dennoch, dass du mich umbringen wolltest«, erwiderte die Königin ruhig. »Ich weiß, dass du die Geheimnisse der Edelsteine beherrschst, aber du beherrschst nicht alles, du kennst vieles nicht. Warum hasst du mich?«, fragte die Königin nun traurig.

»Ich werde sowieso sterben, du erfährst von mir nichts. Aber ich prophezeie dir, dass du nie glücklich sein wirst und dein Sohn auch nicht. Du weißt selbst, warum, schöne Königin«, sagte die Fremde mit letzter Kraft. Dann schloss sie die Augen, öffnete den Mund und atmete tief aus. Ein schwarzes Gift rann langsam aus ihrem Mund, bis es ihren Körper vollständig bedeckte.

Die Königin streckte ihre Hand aus und berührte die sterbende Frau. Sie spürte, wie eine unsichtbare Kraft in sie hineinströmte. Sie schloss ihre grauen Augen und sah, wer diese Frau einmal gewesen war. Natürlich, ihre Lippen und die Augen – kein Zweifel. Warum hatte sie das nicht früher erkannt?

Nach einer kurzen Weile, als nur noch drei Sterne am Himmel zu sehen waren, verschwand die junge Frau für immer.

Die Königin drehte sich um und sah das Abbild eines alten graubärtigen Mannes am vereisten Fenster. Er schaute ihr direkt in die Augen. Mit erhobenem Kinn und schmalen Augen ballte die Königin ihre Hände zu Fäusten und sprach leise und gefasst: »Du wolltest, dass ich sie töte. Und jetzt, wo sie tot ist, habe ich eine Kraft in mir wie nie zuvor. Ich bin jetzt fähig, das Gedächtnis und die Erinnerungen anderer Menschen auszulöschen. Ich brauche von dir keine Hilfe. Ich brauche von dir nichts! Du bist aus meinem Leben verschwunden. Komm nicht zurück, niemals! Halte dich fern von mir. Du bist in der Zwischenwelt gefangen. Dann bleibe dort und komme nie wieder in die Eisstadt zurück.«

Ein heftiges Trommeln an der Tür unterbrach die zornige Rede der Königin. Melaneja hatte endlich das Kristallzimmer erreicht: »Meine Königin, meine Königin, seid Ihr da? Ist alles in Ordnung? Ich mache die Tür auf.«

Die Königin zog ihren Mantel an und glitt mitten durch die Eiswand in ihr Gemach. Als Melaneja endlich die schwere Eistür öffnen konnte, erblickte sie nur eine leere Badewanne. Niemand war im Kristallzimmer zu sehen.

Im Strudel der Gefühle

Der angebrochene Tag war trostlos und versprach so zu bleiben. Alles war still, wirkte fast wie ausgestorben. Es gab nicht einmal einen sanften Windhauch, der mit dem Schnee spielte, nicht einmal ein gewöhnliches Rauschen der Wellen, das so beruhigend wirkte. Trübsinnig und völlig in Gedanken versunken schlenderte Edbert durch den Eisgarten. Diesen Garten hatte der vor dreihundert Sternjahren regierende König gestalten lassen. Die prachtvollen Eisbäume, Eisblumen und Bänke wurden von blauen Edelsteinen beleuchtet. In der Mitte des Gartens lag ein kleiner Teich, dessen Wasser dunkel und kalt war. Die Fische, die darin zwischen Eispflanzen schwammen, schauten Edbert neugierig an.

Der Prinz schien aber nichts um sich herum wahrzunehmen. Nur sie war in seinen Gedanken: die junge Frau mit den großen braunen Augen. Er versuchte sich zu erinnern, seit wann sie in seinen Träumen erschien, konnte es aber nicht. Jedoch in der letzten Nacht war es ihm gelungen, ihr Gesicht und ihre Hände mit den feinen Fingern klar zu sehen.

Schon der kleinste Gedanke an sie ließ sein Herz schneller schlagen. Sie existierte, sie lebte. Ein träumerisches Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich auf die Eisbank unter den alten ausladenden Baum setzte. Er versuchte zu begreifen, was ihm in der letzten Nacht widerfahren war. Er glaubte sich zu erinnern, wie er vor dem Fenster in seinem Zimmer gestanden und in die Ferne geblickt hatte. Eine Ferne, in der er kaum Sterne erkennen konnte, nur den Dunst von Kälte, der zum Himmel emporstieg. Selbst von Nebel und Dunkelheit bedeckt, sah die Welt, in der Edbert sein ganzes Leben verbracht hatte, wunderschön aus. Er kannte keine andere Welt, er konnte nur ahnen, dass hinter dem Eismeer, hinter dem Horizont, eine andere Welt existierte. Aber er liebte seine Welt, diese samtene Dunkelheit, die Sterne wie funkelnde Diamanten, die seltene Sonne, das edle Eis.

Fasziniert hatte Edbert den Himmel beobachtet. Ein Stern war ihm größer vorgekommen als die anderen. Er hatte geblinzelt und der Stern wurde größer und größer. Edbert hatte seine Augen für einen Moment zusammengekniffen und sie dann wieder geöffnet, aber der Stern war immer noch da und wuchs und wuchs. Daraufhin hatte sich Edbert seine Augen gerieben, doch er schien sich nicht zu täuschen – der Stern näherte sich ihm unaufhaltsam. Edbert hatte sich nicht mehr bewegen können. Sein Körper wurde auf einmal so hell erleuchtet wie der Stern selbst, der nun kein Stern mehr war, sondern eine Kristallkugel, in der Edbert etwas sah: einen alten grauhaarigen, bärtigen Mann mit weißblauen Augen, einer schwarzen Perle und einem Mondstein. Diese Bilder waren sehr schnell aufeinander gefolgt, bis die Finsternis alles verschlang. Edbert hatte noch in der Luft geschwebt, als alles verschwand.

Dann glaubte er, von einer fremden Welt geträumt zu haben. Zuerst hatte er nicht gewusst, wo er sich befand. Seine Füße versanken in einem weichen braungelblichen sandigen Boden. Ein leichter Wind wehte die Sandkörner hoch und ließ sie leicht über dem Boden schweben. Der zuerst durchsichtige Sandzug wurde schließlich von einem pfeifenden Wind zum Meer gejagt.

Verzaubert hatte Edbert das Geschehen beobachtet. Und von einem warmen Gefühl getragen, das direkt in sein Herz drang, wartete er auf sie.

Langsam trat sie aus dem Sandwirbel heraus, der weiter zum Meer, zum Horizont fortjagte, um in Vergessenheit zu geraten. Mit Anmut schwebte sie über dem heißen Sand. Vom Sonnenlicht umhüllt, das ihre Haut sacht berührte, schaute sie Edbert direkt in die Augen. Er sah nur diese großen braunen Augen und hörte seinen eigenen Herzschlag. Die langen braunen Haare, die mit schwarzen Perlen geschmückt waren, bedeckten ihre Schultern. Ihr leichtes braunes Kleid betonte ihre sanft gerundeten Hüften. Die langen nackten Beine machten ihren Körper perfekt. Sie hielt vor ihm an und streckte einen Arm aus, den ein Armband aus schwarzen Perlen schmückte. Edbert hatte den Drang verspürt, sie zu umarmen und festzuhalten, um sie nie wieder loszulassen. Doch ihr Blick, gleichgültig und gleichzeitig tief, zähmte sein Verlangen. Sie ließ ihren Arm wieder sinken und schloss die Augen. So stand sie eine Weile oder eine Ewigkeit vor ihm, so nahe und doch so fern. Es wurde erdrückend still, selbst die Meereswellen hörten auf zu rauschen. Sie atmete nicht mehr und Edbert hörte auch seinen eigenen Atem nicht mehr.

Plötzlich bebte der Boden. Im nächsten Augenblick erhob sich der Sand und verschlang sie beide, um sie dann hochzuheben. Gerade wollte Edbert nach ihr greifen, da verschwand sie im Sturm. »Edbert«, rief sie seinen Namen.

Abrupt drehte er sich um, aber sie war nicht mehr zu sehen. Er streckte seinen Arm aus, um nach ihr zu suchen. Da ergriff irgendeine Hand von jenseits des Sandwirbels seine und versuchte, ihn zu sich zu ziehen. Instinktiv wehrte sich Edbert dagegen. Er steckte bis zu den Knien im Sand, als er losgelassen wurde. Er hob die Augen zum Himmel, der sich schwarz färbte, als ob eine schwarze Flüssigkeit die zerrissenen Wolken verzehren würde. Dann stieg die Schwärze herunter, die Eroberung des Lichts auskostend. Das war das Letzte, woran er sich erinnern konnte.

Damit kehrte Edbert mit seinen Gedanken zurück in die kalte Welt der Eisstadt. Doch diese Reise in eine ihm unbekannte Welt schenkte ihm Hoffnung und lenkte ihn von seiner Einsamkeit ab. Gleichzeitig machte er sich Sorgen um diese junge Frau und außerdem warf das alles bei ihm viele Fragen auf. Jetzt war er sich sicher, dass auf der anderen Seite des Meeres ein anderes Leben existierte, so unterschiedlich zu seinem.

Edbert musste seine schöne Fremde wiedersehen, er wollte, er hoffte. Er musste warten. Und er würde. Er würde auf sie warten bis zu seinem letzten Herzschlag. Mit diesem Gedanken stand er von der Eisbank auf und näherte sich dem Teich in der Mitte des Eisgartens. Sein Spiegelbild schaute ihn traurig an. Mit seinen neunzehn Sternjahren sah er stattlich aus – schlank, mit blonden Haaren, grauen Augen und einer Haut wie feines durchscheinendes Porzellan. Edbert lächelte, der junge Mann auf der anderen Seite blieb traurig. Nun wusste Edbert, dass etwas Unerfreuliches passieren würde. Und er vermutete sogar, wer das verursachen würde. Seine Mutter. Wie immer.

Solange sich Edbert erinnern konnte, hatte er immer das Gefühl, dass die Königin, seine Mutter Aglaia, von deren Schönheit alle geblendet waren, nie wollte, dass er jemals glücklich wird. Als er sieben Sternjahre alt war, hatte er sich einen kleinen Wolf aus Eis und Schnee geformt und ihn mit Amethysten geschmückt. Das kleine Tier stand auf seinen Beinen und schaute mit runden neugierigen Augen in geduckter Haltung zum Himmel hinauf. Alle Bediensteten des Eispalastes bewunderten das Werk des kleinen Prinzen. Er selbst stand stolz da, den Kopf leicht zur Seite geneigt, ein Lächeln auf den Lippen, am Kragen seiner Jacke zupfend. Als die Sonne dann durch die Wolken brach, sah der kleine Wolf noch schöner aus mit all seinen glitzernden Edelsteinen.

Die Königin hatte nicht lange auf sich warten lassen. Wie ein Blitz war sie auf ihrer Eisscholle erschienen, einen gewaltigen Wirbelwind verursachend. Dieser verschlang den kleinen Wolf, hob ihn hoch und trug ihn fort, weit fort zum Horizont über das Eismeer hinaus. Nur die Amethysten waren auf dem weißen Schnee liegengeblieben. Wortlos und ohne jemanden anzublicken, war die Königin auf ihrer Eisscholle wieder verschwunden.

Edbert war damals unendlich traurig und verletzt. Er erinnerte sich, dass es daraufhin dunkel über der Eisstadt wurde, und dass sogar die Sterne am Himmel nicht mehr funkelten. Er bewunderte seine Mutter und dachte immer wieder, dass sie die schönste Mutter der Welt war. Aber so schön, wie sie war, so kaltherzig zeigte sie sich.

Gefangen im Strudel seiner Gedanken hörte Edbert seine Mutter nicht kommen. Aber er spürte sie. Sie kam lautlos und erschien immer plötzlich und unerwartet. Edbert blickte sie nicht einmal an. Er blieb mit dem Rücken zu ihr gewandt stehen.

Geräuschlos setzte sie sich auf die Eisbank und betrachtete ihren Sohn von hinten. Sie sah, wie sich sein Körper anspannte. Aber im nächsten Augenblick ließ die Spannung nach, als ob er kampflos aufgegeben hätte. Die Königin senkte ihren Blick, atmete leise tief durch und erhob ihre Stimme: »Sei gegrüßt.«

Edbert drehte sich langsam um und verbeugte sich leicht. »Guten Tag, schöne Königin«, erwiderte er gleichmütig. Wie außergewöhnlich schön sah sie aus in ihrem grauen Kapuzenmantel, wie ein Stern. Seine Mutter mochte es nicht, wenn er sie Königin nannte.

Sie schaute kurz zu Boden, kreuzte ihre Arme und blickte dann zu Edbert auf. »Ich vermute, du ahnst, was ich dir sagen muss. Ich hatte vor, mit dir den anstehenden Ball zu besprechen. Du darfst sagen, wen du einladen möchtest. Melaneja wird sich um alles kümmern.«

Edbert schien sich in seinen Gedanken zu verlieren und blickte ausdruckslos zur Seite. »Ich hatte einen seltsamen Traum, Mutter«, sagte er leise.

Nach einer schier endlosen Pause erwiderte die Königin: »Ich weiß.«

Hoffnungsvoll schaute Edbert seine Mutter an, um mit ihr all das Geschehene zu teilen, was ihn so bewegte, doch die Königin schnitt seinen Gedankengang ab. »Edbert, du musst den Traum vergessen. Du musst heiraten. Und in zwei Sternwochen wirst du deine Braut kennenlernen.« Sie stand auf, um ihm zu zeigen, dass das Gespräch zu Ende war und es keinen Widerspruch geben durfte. Doch insgeheim war die Königin mehr als irritiert davon, dass Edbert ihr seinen Traum anvertrauen wollte. Das bedeutete vermutlich, dass es kein gewöhnlicher Traum gewesen war. Eine feine Falte bildete sich zwischen ihren Augen. Doch sie spürte, dass die Zeit der Offenbarung dieser Vision noch nicht gekommen war. Sie würde kommen. Später. Oder auch nie. Ja, die Vision sollte ihm den Weg zeigen, den er gehen musste. Aber Edbert war der zukünftige König der Eisstadt, der für das Wohl, den Schutz und letztendlich für die Existenz der Eisstadt verantwortlich sein würde. Die Gesetze der Eisstadt und die Pflichten ihr gegenüber standen über allem.

»Du gönnst mir keine Liebe, Mutter. Warum?«, seufzte Edbert traurig.

»Sie ist ein schönes Mädchen, sie wird dir gefallen. Du wirst sie lieben lernen«, erwiderte die Königin leise.

»Wie war es bei dir und dem König? Habt ihr euch jemals lieben gelernt?«, fragte Edbert und schenkte seiner Mutter einen schwermütigen Blick. Er kannte bereits die Antwort auf diese Frage. Oder er glaubte sie zumindest zu kennen.

Die Königin richtete sich auf und schritt an Edbert vorbei, das Kinn erhoben, nach vorne blickend, in die Zukunft, als ob sie ihre Vergangenheit für immer hinter sich lassen wollte.

Vielleicht hätte Edbert nach ihr rufen, ihre Hand festhalten, ihr in die Augen schauen und vieles sagen sollen. Aber er blieb stehen, in die andere Richtung blickend.

Das Dienstmädchen

An jenem Tag hatten alle im Eispalast zu tun. Die Musiker ließen ihre Fanfaren ertönen – die Einladung zum Ball. Die Boten verteilten eifrig und fröhlich die zahlreichen Einladungen der Königin in der ganzen Eisstadt:

Liebe Freunde, liebe Einwohner,

der heutige Tag ist nicht verloren!

Heute wird etwas Schönes geschehen,

ihr müsst das unbedingt sehen!

Als die Einwohner der Eisstadt die fröhlichen Stimmen der Boten hörten, verließen sie ihre Eishäuser. Voller Vorfreude schauten sie hinter ihren Türen nach und lasen neugierig die Einladung:

Liebe Einwohner der schönen Eisstadt, ihr seid herzlich zum heutigen Ball eingeladen. Prinz Edbert wird heute Abend, wenn neunundvierzig Sterne am Himmel stehen, seine Braut, Fräulein Vaida, kennenlernen. Zu tragen sind: weiße Mäntel ohne Kapuze, mit grünen Edelsteinen besetzt. Frauen stecken sich eine weiße Lilie ins Haar. Männer tragen diese in der linken oberen Brusttasche. Eure Königin.

»Habt ihr gehört? Unser Prinz wird heiraten!« Man konnte die fröhlichen Stimmen der Einwohner überall hören.

»Unser junger Prinz Edbert! Wir hoffen, er wird glücklich sein«, meinten einige.

»Glücklich? Glück ist nichts für ihn. Er läuft immer so traurig herum«, erwiderten andere.

»Es sind schon einunddreißig Sterne am Himmel, wir müssen uns beeilen, um uns schön zu machen. Los! Los!«, sagte jemand laut.

Und endlich, nach all dem Gerede, gingen alle in ihre Häuser zurück und draußen auf den Straßen hörte man nur noch die Musik aus dem Eispalast.

Melaneja, die treue Dienerin der Königin, hatte tüchtig zu tun. Sie rief alle Diener in den Ballsaal und erteilte ihnen Aufgaben. »Alles muss perfekt sein. Nicht jeden Tag lernt unser junger Prinz seine Braut kennen. Aber ich glaube an euch, ihr werdet den Saal wundervoll gestalten. Also, los! Wir haben noch wenige Sternstunden«, verkündete sie stolz.

Melaneja, mit ihrer kleinen Stirn und ihren großen Händen, kontrollierte jeden Handgriff. »Nein, Michej, du machst das falsch, du musst den Boden besser polieren, damit er ordentlich glänzt. So, genau so. Jetzt machst du deine Arbeit gut. Rigeja, schau mal, ein Vorhang ist ein wenig länger als der andere. So, so ist es perfekt. Du hast goldene Händchen. Oh, Linej, du musst noch mehr Lilien bringen. Die Königin liebt es, wenn überall Lilien zu sehen sind. Beeile dich doch. Ich weiß, dass du schneller laufen kannst«, so verteilte Melaneja Bemerkungen nach links und rechts.

Die Königin schaute sich alle Vorbereitungen von ihrer Loge aus an. Manchmal wunderte sie sich, dass Melaneja unter den Dienern so beliebt war. Wahrscheinlich hing es damit zusammen, dass sie gutmütig und nicht boshaft war.

Vor einigen Sternjahren hatte der König Melaneja zu seiner Frau gebracht und sie zu ihrer persönlichen Dienerin erklärt. Die Königin warf damals einen kurzen Blick auf das junge Mädchen, das mit weit geöffnetem Mund dastand und sie begeistert anschaute. Melaneja war klein, gedrungen und hatte ein rundes Gesicht. Sie wirkte freundlich und auf ihre Art sinnlich, doch wirklich schön waren ihre verführerischen roten Lippen. Im Gegensatz zu ihrem kleinen Körper waren ihre Hände kräftig und groß. Es schien, als ob sie mehrere Gegenstände auf einmal damit tragen könnte.

Bei ihrem ersten Treffen hatte Melaneja kein Wort gesprochen. »Wie wirst du genannt?«, hatte die Königin sie gefragt.

»Ihr Name ist Melaneja. Sprich sie mit ihrem Namen an«, hatte der König für sie geantwortet.

Eine Augenbraue der Königin war hochgefahren, als sie fragend zu ihrem Mann aufsah. Zuerst mied der König den Blick seiner Frau und umfasste den Griff seines Schwertes, dann aber schaute er ihr direkt in die Augen und schmunzelte.

Die Königin hatte sich wieder Melaneja zugewandt. »Also, Melaneja, ich brauche deine Dienste morgen. Ich wache auf, wenn elf Sterne am Himmel zu sehen sind. Dann trinke ich im Bett Milch und ziehe mich an. Verspäte dich nicht«, sagte sie, drehte sich ein letztes Mal um, sah, dass Melanejas Augen vor Freude strahlten und verschwand.

Doch was die Königin nicht gesehen hatte, war, dass der König sich Melaneja näherte, ihre Hand nahm, sie küsste und dabei das Amethystarmband betrachtete, das er ihr geschenkt hatte. »Es ist besser, wenn du es nicht trägst«, flüsterte er und ließ ihre Hand los.

Kaum atmend hatte Melaneja den Blick gesenkt und das ihrer Seele so schmeichelnde Geschenk berührt. Der König hatte mit der Hand ihren Kopf wieder leicht nach oben geschoben. »Sie ist wunderschön, nicht wahr? Keiner, der an ihre Schönheit nicht gewöhnt ist, vermag in ihrer Gegenwart ein Wort über die Lippen zu bringen. Für mich aber bist du die schönste Frau der Welt«, flüsterte er in Melanejas Ohr, küsste sie auf ihre verlockenden Lippen und verließ den Raum.

Obwohl der Morgen freundlich angebrochen war, mit einem Himmel voller großer und kleiner Sterne, war Melaneja betrübt und immer noch traurig. Während der ganzen Nacht konnte sie ihre Augen nicht für eine Sternsekunde schließen. Sie war viel zu aufgeregt. Sie lief in ihrem Dienstbotenzimmer von einer Ecke in die andere. Ihre Haare wippten bei jeder Bewegung ihres Kopfes. Dann krempelte sie ihren rechten Ärmel hoch und versuchte, das Armband zu lösen. Es ging jedoch zunächst nicht, aber plötzlich zersprang es und die Steine flogen in alle Himmelsrichtungen davon.

Die halbe Nacht suchte Melaneja die einzelnen Teile des Armbandes überall im Zimmer zusammen. Sie wusste, dass das Armband nicht zufällig zersprungen war, das war ein Zeichen. Sie konnte aber das Ganze nicht verstehen. Noch nicht. Sie versuchte, alle Teile bis zum Morgengrauen wieder zusammenzufügen – vergeblich. Schließlich gab sie auf und legte alles in die Schatulle, die sie von ihrer Großmutter geerbt hatte. Dann war es an der Zeit, in das königliche Zimmer zu gehen.

Die Königin war gut gelaunt erwacht. Kaum öffnete sie ihre schönen grauen Augen, klopfte Melaneja schon leise an ihre Eistür. »Herein«, ließ die Königin vernehmen.

Vorsichtig war Melaneja zum königlichen Bett geschlichen. Sie stellte das Kristalltablett mit dem Milchkrug auf den frostigen Nachttisch ab, immer noch sprachlos. Die Schönheit der Königin machte sie fast atemlos. Mit zitternden Händen schenkte sie die Milch in den königlichen Pokal ein und reichte ihn ihrer Herrin.

Diese hatte den Pokal genommen und dabei wie zufällig die großen Hände der Dienerin berührt. Melaneja erstarrte augenblicklich. »Hab keine Angst vor mir, Melaneja«, flüsterte die Königin. »Ich weiß, du bist ein braves Mädchen. Du wirst meine treue Dienerin sein. Wiederhole: Ich, Melaneja, bin die treue Dienerin der Königin.«

Die Melodie ihrer Stimme war hypnotisch und ließ Melaneja vieles vergessen – die Zeit, das zerborstene Armband, den Krug Milch in ihren Händen … Sie wiederholte: »Ich, Melaneja, bin die treue Dienerin der Königin.«

Die Königin nahm einen kleinen Schluck Milch und setzte sich auf. »Schmeckt hervorragend. Der heutige Morgen verspricht ein schöner Tag zu werden. Hilf mir in den Mantel«, befahl sie und erhob sich.

Ihre Porzellanhaut leuchtete. Ein wunderbares helles Licht ging von ihr aus und durchströmte Melaneja. Geblendet davon wusste sie in diesem Moment, dass sie die Königin nie verraten könnte.

Der Ball

Vierzig Sterne erschienen am klaren Himmel. Bald, sehr bald, würde der Ballsaal voller Menschen sein. Es würde ein herrliches Lachen erschallen und man könnte dem leisen Geflüster in den Ecken lauschen. Man würde Geigen- und Klaviermusik hören. Die Gäste würden sich im Tanz drehen und die Diener mit ihren Tabletts und den Champagnergläsern eifrig hin und her eilen. Der Duft von Tausenden Lilien würde sich in der Luft verbreiten.

Viele würden glücklich sein, aber nicht alle, dachte die Königin, als sie ihr Gesicht im Spiegel in ihrem Ankleidezimmer betrachtete. Tränen füllten ihre Augen. Nicht jetzt, verräterische Tränen, einmal habt ihr mich schon verraten, aber das wird nie wieder passieren, dachte sie, und wischte sie beiseite.

Inzwischen glitzerten neunundvierzig Sterne freundlich über der Eisstadt. Im großen Ballsaal herrschte eine herrliche Stimmung – Zwanglosigkeit und eine pralle Leichtigkeit des Lebens. Die Stimmen der Gäste, die durch den großen Raum hallten, fügten sich zu einer wunderbaren Melodie. Eine junge Dame mit langen Beinen und Armen lud alle in einen Kreis ein und fing an, sich im langsamen Walzer zu drehen. Nach ein paar Tanzrunden packte Herzog de la Ross seine Trompete aus, stellte sich zu den Musikern und spielte eine wundersame Musik, die er selbst komponiert hatte, als er Großvater geworden war. Die Freude zur Geburt seines Enkelkindes kannte damals keine Grenzen. Und so verstand er es, seine Gefühle meisterhaft melodisch umzusetzen. Er nannte sein Werk »Die blühende Eisrosenknospe«. Den Einwohnern der Eisstadt gefiel diese Musik sehr. Sie drehten sich und drehten sich im Einklang mit der Melodie, zuerst langsam, dann schneller und schneller. Nach einem stürmischen Applaus für Herzog de la Ross und die Musiker erschien die Königin. Ihre Schönheit ließ alle Anwesenden verstummen. Sie beugten ihre Köpfe leicht, um die wunderschöne Herrin zu begrüßen. Diese trug ein hellblaues seidenes Kleid, das die Rundungen ihres schlanken Körpers betonte. Ihre Haare waren mit einem kleinen Saphirdiadem geschmückt. An ihrem zierlichen Handgelenk prangte eine leuchtend weiße Lilie. Die Königin erhob ihre grazile Hand und sprach: »Ich freue mich sehr, dass ihr alle gekommen seid, verehrte Einwohner der Eisstadt. Genießt die Zeit und amüsiert euch gut.« Sie gab den Musikern ein Zeichen und setzte sich dann auf den Eisthron.

Die Gäste tanzten und lachten weiter. Melaneja kam zur Königin. »Meine wunderschöne Königin, hier ist Eure treue Dienerin Melaneja. Ich hoffe, Euch gefällt, wie ich alles eingerichtet habe. Ich wollte mich nicht vor dem jungen Fräulein blamieren. Ich wollte zeigen, dass der Eispalast der schönste Ort in der Stadt ist.«

Die Königin lächelte und erwiderte: »Meine treue Melaneja, ich möchte dir ein großes Lob aussprechen.«

Melanejas kurzer Hals schien sich augenblicklich in einen Schwanenhals zu verwandeln. Kerzengerade stand sie vor der Königin und drückte ihre Brust heraus.

Nach einer kurzen Pause schmunzelte die Königin und fügte hinzu: »Aber du hast das Wichtigste vergessen: Prinz Edbert.«

Es dauerte eine Weile, bis Melaneja zu begreifen schien, was ihre Herrin gerade gesagt hatte. Dann gab sie nur ein leises »Oh!« von sich, drehte sich um und sauste so schnell, wie sie konnte, zu den Gemächern des Prinzen.

Edbert saß gedankenverloren in seinem Zimmer vor einem Porträt, auf dem die braunäugige Fremde zu sehen war. Aus einem seiner letzten seltsamen Träume wusste er, dass sie irgendwo hinter dem Horizont wohnte, in einer anderen, ihm völlig fremden Welt. Wenn er keine Verpflichtungen, keine Verantwortung für den Wohlbehalt der Eisstadt hätte, wenn er kein Prinz wäre, wenn er nicht heiraten müsste, würde er sich sofort auf eine abenteuerliche Reise begeben, um sie zu finden. Ach, wenn, wenn, wenn. Ich wurde geboren, um nicht glücklich zu sein, dachte er bitter. Seufzend warf er einen letzten Blick auf das Bild, bevor er es im Schrank verschloss. Und als er dann den blauen Mantel über seine Schultern warf, stürzte Melaneja in sein Zimmer. Sie war atemlos und ihre Frisur, oder vielmehr das, was davon übrig war, verriet, dass sie eine Weile gerannt war. »Alles in Ordnung, Melaneja, ich bin bereits unterwegs. Ich vergesse meine Pflichten nicht. Ich bin der Eisstadt treu ergeben«, sagte Edbert ruhig und legte einen Arm um Melanejas bebende Schulter. »Lass uns ein wenig sitzen.«

Also setzten sie sich Seite an Seite auf eine weiße schimmernde Bank am Fenster. Edbert versuchte, gefasst zu bleiben, doch sein Herz schlug wild. Die Liebesgefühle, die er empfand, raubten ihm den Atem. Er wollte seine Fremde berühren, er wollte sie spüren, er wollte sie sehen, ihren Namen flüstern. Doch es blieb alles wie ein Traum. Und höchstwahrscheinlich würde es auch weiterhin so bleiben und die Realität würde ihn einholen. »Ich muss eine Frau heiraten, die ich nicht liebe. Ich liebe eine andere«, sagte er nun langsam. Dann strich er sich die Haare zur Seite. Er lächelte nervös und schüttelte den Kopf, als hoffte er, so diese Gedanken aus seinem Kopf verjagen zu können.

Es schien, dass Melaneja wieder ihren Atem verloren hatte. Doch schließlich flüsterte sie: »Oh, Prinz Edbert, es ist wunderschön, wenn Ihr jemanden liebt. Das ist das schönste Gefühl im Leben. Leider erlaubt uns das Leben aber nicht immer, dass eine Liebe auch gelebt werden kann. Das ist traurig, aber trotzdem schön.«

Edbert war über Melaneja erstaunt. Diese Seite kannte er noch nicht von ihr. »Hast du jemals jemanden geliebt, Melaneja?«, fragte er nachdenklich.

Melaneja schaute nur traurig auf ihr Handgelenk, an die Stelle, die früher das Amethystarmband geschmückt hatte.

»Du musst nicht antworten, Melaneja«, sagte der Prinz kaum hörbar, als er ihr Zögern bemerkte.

Im großen Ballsaal wurde es dunkler, die Musik wurde leiser, die Gäste hörten auf zu tanzen und bildeten einen Gang zum königlichen Thron. Michej, der Erste Diener im Palast, blies die Trompete und erklärte laut: »Die junge Frau Vaida ist da, in Begleitung ihrer Mutter.«

Die riesigen Eistüren wurden geöffnet und alle Blicke richteten sich neugierig zuerst auf die junge Frau, dann auf ihre Begleitung. Die Einwohner der Eisstadt reckten und streckten sich, damit ihnen kein Detail entgehen konnte. Allein der Anblick tat allen weh, wie kerzengerade und emotionslos die beiden Frauen zum Thron marschierten, ohne jemanden zu begrüßen oder gar freundlich anzulächeln. Die schwarzen Kleider ihrer Mutter passten überhaupt nicht in den Eispalast. Ihre gekrümmten runzeligen Finger schoben ihre Tochter zur Königin.

»Gott sei Dank, dass Prinz Edbert nicht die Mutter, sondern die Tochter heiratet«, flüsterten die einen.

»Sie sieht wie eine Hexe aus dem Märchen aus, so gruselig«, meinten die anderen.

»Was ist mit ihrer Haut? Hoffentlich hat die Tochter sie nicht geerbt, oder noch schlimmer, hoffentlich erben sie nicht die zukünftigen Kinder des Prinzen«, raunte eine ältere, etwas kräftigere Frau ihrer Nachbarin leise zu.

In eben diesem Augenblick drehte sich die schaurige Alte abrupt um und warf den beiden Frauen einen bohrenden Blick zu. Die Armen erschraken sich dermaßen, dass sie sich nicht mehr zu rühren wagten.

Die Einwohner der Eisstadt waren beunruhigt. Ein schlechtes Gefühl beschlich sie. Endlich erreichten Mutter und Tochter den Thron der Königin. Die alte Frau streckte ihre beiden Hände aus, um die königliche Hand zu drücken. Die Königin wies mit einer leichten Handbewegung zu den Stühlen, die für die beiden vorgesehen waren und sprach: »Herzlich willkommen im Eispalast. Ich hoffe, dass ihr eine gute Reise hattet.«

Vaida war von der Schönheit der Königin so beeindruckt, dass sie kein Wort über die Lippen bringen konnte. Sie setzte sich stumm und starrte die Königin an, ohne mit den Augen zu zwinkern. Die Alte ergriff statt ihrer Tochter das Wort und antwortete mit einer krähenhaften Stimme: »Danke, gnädige Königin, wir sind gut angekommen.«

Die Gäste flüsterten einander zu: »Oh, heiliges Licht, ihre Stimme ist genauso unheimlich wie ihr Aussehen.«

Die Alte redete weiter: »Wo ist der Bräutigam? Meine Tochter hat sich lange auf das Treffen vorbereitet. Ich hoffe, Euer Sohn, gnädige Königin, will Vaida nicht beleidigen.«

Die Königin wollte gerade etwas antworten, aber in diesem Augenblick erschien schon Prinz Edbert. Im Saal hörte man ein Raunen. Dann begrüßten ihn die Einwohner herzlich und riefen im Chor: »Prinz Edbert, Prinz Edbert!«

Er kam auf Vaida zu und lud sie zum Tanz ein. »Spielt uns etwas Fröhliches«, bat er und drehte sich dann mit der aufgeregten jungen Dame im schnellen Rhythmus.

Alle Gäste folgten dem Paar und bald herrschte wieder gute Laune und das Lachen der Einwohner erschallte im ganzen Ballsaal. Selbst die Alte war zufrieden. Sie versuchte, auf ihrem Gesicht eine Art von Freude in Form eines Lächelns auszudrücken und zeigte dabei unbedacht ihre dunklen krummen Zähne. Mit ihren runzeligen Fingern fuhr sie sich über das faltige Gesicht und wandte sich der Königin zu. »Es läuft besser, als ich dachte«, zischelte sie.

Ohne sie anzuschauen, fragte die Königin ruhig: »Ich habe euch hier nie gesehen. Ich hoffe nur, dass mein verstorbener Mann euch nicht aus dem Dunklen Wald her eingeladen hat.«

Die Alte wirkte angespannt, der Anflug von Freude verschwand augenblicklich wieder aus ihrem Gesicht und die dunklen Ringe um ihre kleinen Augen schienen noch dunkler und größer zu werden.

Die Königin fuhr fort: »Ich weiß nicht, ob du von Rosalija gehört hast. Eigentlich sollte sie die Frau meines Sohnes werden. Leider verstarb sie vor fünf Sternjahren plötzlich an einer unbekannten Krankheit. Unbekannt für die Ärzte und die Einwohner. Rosalija war ein schönes, braves Mädchen und ich bedauere ihren plötzlichen Tod sehr. Weißt du vielleicht, was die Ursache für ihren Tod gewesen sein könnte?«

Die Augen der Alten wurden schmal, aber sie versuchte gleichgültig zu antworten: »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«

Eine Weile sagte die Königin nichts, sie dachte an die zierliche Rosalija, die lebensfreudig und gutherzig gewesen war. An einem Abend war Rosalija zum Markt gegangen. Sie war zur Geburtstagsfeier ihrer Großmutter eingeladen. Sie hatte für sie einen feinen weißen Schal gestrickt und wollte noch ein paar schöne Eisblumen kaufen. Unterwegs begegnete ihr eine schöne schlanke Frau mit einer Krähe auf der linken Schulter. Die Krähe schien zu schlafen, da sie die Augen geschlossen hielt und ihr Kopf fast leblos herunterhing. Doch was Rosalija nicht sehen konnte, war, dass die Frau einen Ring am rechten Zeigefinger trug, einen großen Rubinring. Die Frau sprach Rosalija an: »Schöne junge Frau, können Sie mir helfen? Mein Vogel hat großen Durst, er hat lange nichts getrunken.«

Rosalija war froh, dieser schönen Frau helfen zu können. »Ja, hier in der Nähe ist ein Brunnen. Kommen Sie, ich begleite Sie gerne dorthin«, antwortete sie.

Sie waren gemeinsam weitergegangen. Als sie den Brunnen erreicht hatten, nahm Rosalija den Eimer mit dem Wasser und hob ihn zum Vogel empor. Doch plötzlich öffnete die Krähe ihre Augen – sie waren gefährlich rot. Ihr Blick ließ die junge Rosalija nicht mehr los. Der Eimer glitt aus ihren Händen und fiel auf den Boden. Das Wasser ergoss sich zu ihren Füßen. Im selben Moment erstarb jegliche Regung in ihr. Augenblicklich wurde aus dem lebensfreudigen Mädchen eine feine Eisstatue. Dann verwandelte sich die schöne Frau in eine hässliche, laut lachende Alte, die sich in Gestalt einer Krähe aufschwang und mit der anderen Krähe am Himmel verschwand.

Die Königin seufzte tief. »Und so soll Vaida meinen Sohn heiraten. Gemäß dem Auftrag meines verstorbenen Mannes. Seltsam«, fügte sie hinzu. »Wenn du meinem Sohn etwas Böses antust, vernichte ich dich«, schloss die Königin und stand auf.

NOELEENS SCHICKSAL

Verlorene Seelen

Vaidas Mutter Noeleen saß bewegungslos da und starrte vor sich hin. Es gefiel ihr überhaupt nicht, dass die Königin so viel wusste. Vor neunzehn Sternjahren, als der junge Prinz Edbert im Eispalast geboren wurde, hatte König Erald ihren Mann, Herzog Dagomar, in den Dunklen Wald verbannt.

Der Herzog war ein sehr ansehnlicher Mann gewesen, aber auch geizig und kleinlich. Seinen Bart hatte er immer akkurat geschnitten und die Haare elegant gekämmt. Auch Noeleen glich damals einem Juwel. Die Bewohner der Eisstadt hatten die Erscheinung des jungen Ehepaares stets bewundert. Sie waren ein Traumpaar, das der Königin und dem König äußerlich in nichts nachstand. Dem Herzog, ein geborener Herzensbrecher, verlangte es zudem dringend nach Anerkennung und Anbetung der Leute. Aber nicht jeder durfte ihn ansprechen, da die Dummheit der Leute seine Intelligenz beleidigen könnte. Er war der festen Überzeugung, dass er der einzig Wahre war, dass er der König der Eisstadt sein musste. Außer sich selbst liebte er kaum etwas oder jemanden. Vielleicht die Königin, da er dachte, dass nur sie ihm ebenbürtig war und deshalb seine Ehefrau sein müsste. Manchmal hatte die Königin ihn dafür bemitleidet, dass in seiner Seele dieses schwarze Leiden saß, dieses Bedürfnis, besser als die anderen zu sein. Langsam, immer mehr und mehr waren der Neid und der Hass in das Herz des Herzogs gekrochen.

Eines Tages war er an der Seite von Noeleen erwacht, rasch aufgestanden und wortlos für drei Sterntage verschwunden. Noeleen machte sich Sorgen und weinte Tage und Nächte. Nach der dritten dunklen Nacht tauchte er wieder zu Hause auf. Seine Augen leuchteten rot und an seinem rechten Zeigefinger trug er einen großen Rubinring, der aber den Augen der Einwohner der Eisstadt verborgen blieb. Noeleen war erschrocken. Sie verkroch sich in einer Ecke. Sie wusste nicht, was sie nun erwartete. Ihr Mann lachte nur laut, mit einer grässlichen fremden Stimme. Kurz darauf verschwand er wieder, dieses Mal, um dem neugeborenen Prinzen Edbert einen Besuch abzustatten.

»Zuerst werde ich mit dir fertig und dann mit dem König«, brüllte er voller Hass, als er das kleine Kind im Kinderzimmer in der Luft hochhielt.

Im selben Augenblick stürzte der König ins Zimmer. »Lass das Kind los. Ich bin hier, du willst doch mich töten. Lass einen von uns im ehrlichen Kampf gewinnen«, rief er und blieb dabei so ruhig wie möglich.

Der Herzog lachte. »Der ach so würdige König ist wie immer anständig. Aber ich bin der Einzige, dem es gebührt, König zu sein«, sagte er und legte das Kind wieder in seine Wiege. »Ich töte dich später und dann mache ich die Königin zu meiner Frau.« Dann streckte er plötzlich seine rechte Hand aus – und ein roter Lichtstrahl traf den König. Seine Kraft warf ihn ein paar Meter zurück. Der König lag auf dem Eisboden und konnte sich nicht mehr bewegen.

Plötzlich flog Aglaia auf ihrer Eisscholle durch das Fenster herein und sprang zwischen die beiden Männer. Sie holte aus ihren weiten Ärmeln neun Diamanten und warf sie in die Luft. Die funkelnden Edelsteine bildeten einen in Weiß leuchtenden Kreis, der den Herzog umschloss. Er schrie vor Schmerzen auf. Es schien ihm, als ob ihn unzählige scharfe Nadeln durchbohren würden.

»Niemand darf meinen Sohn bedrohen«, rief daraufhin die Königin mit einer zornigen dunklen Stimme.

Am nächsten Tag wurden alle Einwohner der Eisstadt auf den Vorplatz des Eispalastes gerufen. Herzog Dagomar, immer noch in dem leuchtenden Kreis der Diamanten gefangen, wurde in Begleitung von den sieben königlichen Rittern in die Mitte des Platzes gebracht. Seine Arme wurden von einer unsichtbaren Kraft nach unten gezogen, sodass er sie nicht hochheben und damit die Kraft des unsichtbaren Ringes an seinem Finger benutzen konnte. Er schwebte leicht über den Boden. So war er nicht fähig, sich zu bewegen oder gar zu fliehen. Das Einzige, was er machen konnte, war mit den Zähnen zu knirschen, seltsam entrückt zu feixen und die Fäuste zu ballen. Die Einwohner standen still da und warteten, völlig entsetzt, und doch gespannt, was weiter geschehen würde. Der Herzog schaute niemanden an, nicht einmal seine Frau Noeleen, die aus der Menschenmenge langsam heraustrat und sich ihm näherte. Zitternd hielt sie an und sah, voller Verzweiflung, ihren Mann von der Seite her an. Durch ihren Kopf strömten so viele Gedanken auf einmal. Sie fragte sich, wer dieser Mann, an dessen Seite sie all die Jahre verbracht hatte, gewesen sein mochte. Ob ihre Ehe von Anfang an hoffnungslos gewesen war. Ob jemals Liebe zwischen ihnen existiert hatte. Den Zug ihrer Gedanken unterbrach eine schrille Trompete, die das Erscheinen des Königs und der Königin kundgab.

Der Blick des Herzogs richtete sich voller Hass auf das königliche Paar oben auf dem Balkon. Es wurde noch stiller auf dem Platz, als ob die Einwohner den Atem angehalten hätten. Endlich, nach einer schier endlosen Stille, erklärte der König: »Herzog Dagomar hat gestern versucht, den kleinen Prinzen zu töten. Deshalb muss er nun sofort die Eisstadt verlassen. Niemand darf mit ihm sprechen oder jemals wieder mit ihm in Verbindung treten. Laut den Gesetzen der Eisstadt darf der Verbrecher nur eine Sache mitnehmen.«

Ein böses Lächeln erschien auf dem schönen Gesicht des Herzogs. »Wenn das so ist, dann nehme ich meine Frau mit. Sie soll mich in den Dunklen Wald begleiten«, hatte er hinterhältig geantwortet.

Auf den Gesichtern des Königspaares und der Einwohner konnte man das Entsetzen erkennen. Es wurde augenblicklich wieder totenstill. Der Herzog, mit dem Ende des Richterspruches wieder befreit, ergriff Noeleens Hand und verschwand ohne ein Zögern sofort mit ihr aus der Stadt.

Danach zog die Königin einen großen Diamanten aus dem linken Ärmel ihres Mantels und bildete damit einen unsichtbaren Schutz um die Eisstadt herum, um die Einwohner vor dem Herzog zu schützen.

Bis zum Tag der Hochzeit, zum Tanz von Edbert und Vaida, geschah vieles. Und das hatte Noeleen zu der gemacht, die sie nun war, als sie neben der Königin saß. Noeleen und der Herzog hatten alleine von allen verstoßen, in einer dunklen Hütte tief im Wald hausen müssen. Die Wut des Herzogs kannte keine Grenzen. Mehrmals versuchte er, den Schutz der Königin um die Eisstadt herum zu durchbrechen – vergeblich. Je mehr er sich als Verlierer fühlte, desto mehr ließ er dies seine Frau spüren. Er quälte sie, schlug sie in seinen mit Wut getränkten Momenten voller Wahn. Ihr Körper schmerzte an vielen Stellen und sie verlor beinahe die Hoffnung, dieser Hölle jemals entfliehen zu können. Beinah hätte sie sich ihrem Schicksal ergeben, wenn da nicht ihre Schwangerschaft gewesen wäre. Nach zwei Sternjahren an diesem dunklen Ort brachte sie ein Mädchen zur Welt. Von da an hatte sie wieder etwas, wofür es sich lohnte, zu leben: Vaida. Sie musste ihre Tochter vor der dunklen Seite ihres Mannes beschützen.

Der Herzog trug ständig seinen Rubinring am rechten Zeigefinger. Er schien ihm außergewöhnliche Kräfte zu verleihen. Er schlief mit dem Ring, aß mit ihm und ging mit ihm zur Jagd. Nur wenn er im See baden wollte, ließ er den Ring in einer schwarzen Schatulle in der Hütte zurück.

Eines dunklen Tages wartete Noeleen auf den Moment, da der Herzog wieder baden ging. Kaum hatte er die Hütte in Richtung See verlassen, stürzte sie zu der Schatulle und nahm den Ring an sich. Sofort schmerzten ihre Augen, die Welt um sie herum färbte sich rot, ihre Nägel wuchsen, wurden lang und scharf. Sie schaute sich ihre rechte Hand an, an der sie von Geburt an zwei Edelsteine trug – einen Onyx und einen Fluorit. Sie wurden immer blasser in diesem höllischen roten Licht, das ihre Kraft auszusaugen schien. Dabei spürte sie, wie sich eine mächtige Kraft in ihrem Inneren ausbreitete.

Wild entschlossen verließ sie hastig die Hütte und rannte dem See entgegen. Wie erwartet fand sie dort ihren Mann, der nichts ahnend im dunklen Wasser badete. Kaum hatte er seine Frau gesehen, befahl er ihr, sich zu entkleiden und ins Wasser zu kommen. Er wusste, dass Noeleen es hasste, im See zu baden, da sie nicht schwimmen konnte.

Unbeschreiblicher Zorn stieg in Noeleen auf. Niemals durfte er ihre Tochter zwingen, Dinge zu machen, die sie nicht wollte. Sie selbst hatte lange diese Qualen erdulden müssen. Nun dachte sie nur an ihre kleine, hilflose Tochter. Sie musste sie vor diesem grausamen Tyrannen beschützen. Bewegungslos stand sie am Ufer, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.

»Komm her, sofort! Was habe ich dir gesagt?«, brüllte der Herzog aus dem Wasser.

Ohne den Bruchteil einer Sekunde zu zögern, streckte Noeleen nun ihren rechten Arm aus. Der tödliche rote Strahl des Rubins verfehlte den Herzog nur knapp. Blitzschnell tauchte er unter. Noeleen ließ suchend ihre Hand langsam sinken.

Plötzlich erschien der Herzog hinter ihr, nass und schön, mit roten Augen und einem wütenden Gesichtsausdruck. Er umschlang sie fest und versuchte, ihr den Ring zu entreißen. Noeleen konnte sich kaum seiner Kraft widersetzen. Ein lauter Schrei entfuhr ihr, tief aus ihrem Inneren: »Ich hasse dich, ich hasse dich! Ich wünsche deinen Tod.« Da fing der Rubin wieder an zu strahlen. Noeleen nahm alle Kraft zusammen und es gelang ihr, den Arm zu heben. Der Strahl traf seine Augen. Brüllend vor Schmerz ließ der Herzog Noeleen los und fiel zu Boden. Blitzschnell drehte sie sich um und richtete die volle Macht des Ringes auf ihren Mann. Mit ersterbender Kraft hob der Herzog seine Hände, um sich zu schützen.

Als der rote Strahl seine noch nassen Handflächen berührte, wurde er für den Bruchteil eines Augenblickes auf Noeleen zurückgeworfen. »Sei verflucht, Noeleen«, röchelte der sterbende Herzog. Dann zerfiel sein Körper zu Staub.

Noeleen brach zusammen und hockte sich auf den Boden. Sie fühlte sich schwach und entkräftet. Gedankenverloren betrachtete sie ihre rechte Hand – sie sah wie die Hand einer alten Frau aus. Und am nächsten Tag sah ihre linke Hand genauso aus. Und nach einer Weile ihr ganzer Körper. Das war also der Fluch – sie verlor ihre Schönheit. Das war der Preis, den sie für ihre Freiheit und den Tod des Herzogs zu zahlen hatte.

Ihre Tochter Vaida sollte nicht das gleiche Schicksal erleiden – ein Leben im Dunklen Wald, in Abgeschiedenheit, voll zahlloser Entbehrungen. Noeleen war aber zu stolz, um zurück in den königlichen Palast zu gehen und um Fürsprache zu bitten. Nein, letztlich hatte ihr damals niemand geholfen, niemand hatte den Herzog daran gehindert, sie in den Wald zu verschleppen. Das konnte sie den Menschen nicht verzeihen. Und es war der König selbst gewesen, der sie schonungslos dem unbarmherzigen Herzog ausgeliefert hatte. Nein, sie hatte einen anderen Plan: Vaida, ihre Tochter, sollte eines Tages die Eisstadt regieren.

So lebten Mutter und Tochter die nächsten dreizehn Sternjahre in der kleinen Hütte im dunklen Eiswald. Vaida verwandelte sich langsam von einem Kind in eine schöne Frau. Sie hatte die edle Schönheit ihrer Eltern geerbt, ihre Haut spiegelte die ganze Vornehmheit ihrer Herkunft wider. Ihre zierlichen Hände verrieten das Noble in ihren Adern. So wuchs sie heran, behütet und beschützt von ihrer alten, hässlichen Mutter, außer der sie niemanden im Leben kannte. In ihrer Abgeschiedenheit fiel ihr nicht im Geringsten ein, dass es außerhalb des Dunklen Waldes eine andere Welt geben könnte. Meistens schwieg sie und konnte stundenlang vor sich hinschauen. Ihre Mutter redete auch nicht viel mit ihr, manchmal tagelang nicht, da sie ihre eigene grässliche Stimme nicht ertragen konnte.

In einer sehr dunklen Nacht konnte Noeleen nicht einschlafen, sie stand auf, zog ihren schwarzen Mantel an und ging hinaus. Draußen herrschte eine unheimliche Stille und Dunkelheit. Sie hob den Kopf und flüsterte: »Gib mir ein Zeichen, Heiliges Licht, sende mir deine Hilfe.« Sie wiederholte diese Worte immer schneller und schneller. Wie in Trance fing sie an, sich im Kreis zu drehen. Da nahm sie plötzlich ein Geräusch wie von Flügelschlägen in ihrer Nähe wahr. Es wurde immer lauter und deutlicher. Dann spürte Noeleen einen stechenden Schmerz an ihrer linken Schulter. Er war von den Krallen eines Vogels – einer Krähe. Der schwarze Vogel ergriff sie und schwang sich mit der erschrockenen Noeleen in die Luft und flog mit ihr über den Wald. Noeleens rote Augen ließen sie in der Dunkelheit den Weg und die furchterregenden Eisbäume erkennen. Sie spürte, wie eine unheimliche Kraft ihren Körper und ihre Lungen durchströmte. Sie schrie aus voller Kehle und lachte glücklich. Für sie bedeutete diese Kraft die Erlösung von ihrem jammervollen kleinen Leben im Wald – und vor allem – eine verheißungsvolle Chance für ihre Tochter. Endlich wurden ihre Gebete erhört, zwar nicht von dem Heiligen Licht, sondern von etwas Dunklem. Nein, sie hatte kein schlechtes Gewissen. Das Heilige Licht hatte sie im Stich gelassen, es hatte ihr nicht geholfen, zurück in den Eispalast zu kommen, zu den lichtdurchfluteten Sälen, zu den prachtvollen Kleidern und üppigen Mahlzeiten. Sie griff jetzt nach der erstbesten Hilfe, die sich ihr bot.

In der darauffolgenden Sternwoche studierte Noeleen die Fähigkeiten, die sich aus ihrer neuen Macht ergaben, und wie sie diese einsetzen konnte. Am frühen dunklen Morgen ging sie in den Wald und kam am späten dunklen Abend zurück, um nach Vaida zu sehen. Die Krähe war immer da und saß auf ihrer linken Schulter. Sie und der Vogel konnten sich in einer eigenen Sprache verständigen. Mit roten Augen sahen sie einander an und ihre gemeinsame Kraft wuchs mit der Zeit. Noeleen war glücklich über das Geschenk der Dunklen Seite. Sie war umso glücklicher, als sie feststellte, dass sie sich nach Belieben für zwei Sternstunden täglich in eine schöne Frau verwandeln konnte. Zufrieden und fröhlich flog sie nach Hause zu ihrer Tochter. Seitdem arbeitete Noeleen an ihrem Plan, Vaida mit Prinz Edbert zu verheiraten. Jeden Sterntag brachte Noeleen ihrer Tochter Tanzen bei und unterrichtete sie in den Regeln bzw. der Etikette, die am Hofe üblich waren.

Mit der Zeit lernte die junge Vaida vom Eispalast zu träumen, von den schönen Kleidern und den Menschen – vor allem aber von dem wundervollen Prinzen. Allmählich begann sie alles um sich herum zu hassen. Die Hütte war zu schäbig für sie, die Mutter zu hässlich, abgesehen natürlich von den zwei Sternstunden täglich. Und die Stille des Waldes war unerträglich. Sie wollte nur tanzen und ihre Zeit mit dem schönen Prinzen verbringen.

»Wenn ich Prinzessin werde und ein schönes weißgoldenes Diadem trage, lasse ich dich auszeichnen, Mutter. Du bekommst dein eigenes Zimmer, wo dich außer mir keiner sehen darf, da du so furchtbar aussiehst. Der Prinz darf mich aber wegen dir nicht verlassen. Und wenn er es doch tut, werde ich dich noch mehr hassen«, entfuhr es Vaida eines Tages. Von ihren eigenen Worten erschreckt, bedeckte sie ihren schönen Mund mit ihrer zierlichen Hand.