Die gestohlenen Zeichnungen - Sir Arthur Conan Doyle - E-Book

Die gestohlenen Zeichnungen E-Book

Sir Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Ein Toter neben den Gleisen mit geheimen U-Boot-Plänen in seinen Taschen – Holmes, sein Bruder Mycroft und Dr. Watson haben es mal wieder mit einem sehr schwierigen Fall zu tun. Der junge Regierungsangestellte, der im Arsenal von Woolwich arbeitete, hat scheinbar sieben der zehn U-Boot-Zeichnungen gestohlen – oder sollte man das nur glauben? Doch dann findet Holmes heraus, dass der Mann gar nicht auf den Gleisen, sondern woanders ums Leben kam...-

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Sir Arthur Conan Doyle

Die gestohlenen Zeichnungen

Saga

Die gestohlenen Zeichnungen ÜbersetztJohannes Hartmann Copyright © 1908, 2019 Arthur Conan Doyle und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726372274

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

Die gestohlenen Zeichnungen

In der dritten Woche des November senkte sich ein dichter gelber Nebel auf London herunter. Vom Montag bis Donnerstag konnten wir nicht die Giebel der gegenüberliegenden Häuser in der Bakerstrasse erkennen. Am ersten Tage verbrachte Holmes die Zeit mit Blättern in seinen verschiedenen Notizen. Den zweiten und dritten Tag widmete er seinem neuesten Steckenpferd, der Musik des frühen Mittelalters. Aber als wir dann zum viertenmal beim Frühstück jene schmierige gelbbraune Masse vor dem Fenster sahen, die ölige Tropfen am Fensterglas bildete, konnte die ungeduldige aktive Natur meines Freundes dieses graue Dasein nicht länger mehr ertragen. In einem Fieber unterdrückter Energie lief er in unserm Wohnzimmer hin und her, biss sich in die Fingerknöchel, beklopfte die Möbel und stiess Verwünschungen aus gegen die Untätigkeit, zu der er verdammt sei.

„Nichts Interessantes in der Zeitung, Watson?“ fragte er.

Ich wusste, dass mit etwas „Interessantem“ Holmes stets etwas kriminalistisch Interessantes meinte. In der Zeitung standen: eine Revolution, ein sehr wahrscheinlicher Krieg auf dem Balkan und ein Ministerwechsel. Aber dergleichen kam für meinen Freund nicht in Betracht. Etwas Kriminelles konnte ich aber in keiner Form entdecken, wenn ich von den üblichen Belanglosigkeiten des Polizeiberichtes absah. Holmes seufzte laut und nahm seine ruhelose Wanderung wieder auf.

„Der Londoner Verbrecher ist nachgerade ein stumpfsinniger Bursche“, schalt er mit der verdriesslichen Stimme eines Sportsmannes, der das Spiel verloren hat. „Schau bloss aus dem Fenster, Watson. Wie hier die Gestalten aus dem Trüben auftauchen, vorüberhuschen und wieder untertauchen im Trüben. Der Dieb oder Mörder könnte an solch einem Tage in London herumschweifen wie der Tiger im Dschungel, unsichtbar, bis er springt, und dann nur wie ein Schatten sichtbar für sein Opfer.“

„Da sind zahlreiche kleine Diebstähle verübt worden, wie die Polizei berichtet.“

Holmes machte voller Verachtung „pah“.

„Diese grossartig düstere Bühne verlangt nach etwas anderem als solch elendem Besitzwechsel“, sagte er. „Es ist wahrhaftig ein Glück für diese Stadt, dass ich kein Verbrecher bin.“

„Da hast du recht!“ rief ich aufrichtig.

„Nimm an, ich wäre Brooks oder Woodhouse, oder irgendeiner von den fünfzig Männern, die guten Grund haben, mir nach dem Leben zu trachten – wie lange könnte ich wohl gegen meine eigene Verfolgung am Leben bleiben? Eine Finte, eine Verabredung unter falschem Namen und Vorwand, und alles wäre zu Ende. Es ist gut, dass sie in den romanischen Ländern keinen solchen Nebel haben, – in den Mordländern. Beim Himmel, hier kommt ja etwas, um endlich diese furchtbare Eintönigkeit zu unterbrechen.“

Es war das Mädchen mit einem Telegramm. Holmes riss es auf und brach in Lachen aus.

„Das ist ja – das ist ja – hahaha, das schlägt alles“, rief er belustigt. „Mein Bruder Mycroft kommt uns besuchen.“

„Warum nicht?“ fragte ich.

„Warum nicht? Das ist gerade so, wie wenn du auf einem Waldpfad einem Strassenbahnwagen begegnetest. Mycroft hat seine Schienen, und in denen läuft er. Seine Wohnung in Pall Mall, der Diogenes-Club, Whitehall, – das ist sein Kreislauf. Einmal, ein einziges Mal, ist er hier bei mir gewesen. Was für ein Erdbeben mag ihn aus dem Gleis geworfen haben?“

„Gibt er keinen Grund an?“

Holmes reichte mir seines Bruders Telegramm.

„Muss dich wegen Cadogan West sprechen. Komme sofort. Mycroft.“

„Cadogan West? Den Namen habe ich doch schon gehört.“

„Mir sagt er gar nichts. Keine Erinnerung. Aber dass Mycroft auf solch erratische Weise ausbrechen kann! Ein Planet könnte ebenso gut seine Bahn verlassen. Weisst du übrigens, was Mycroft ist?“

Ich hatte eine dürftige Erinnerung, dass Holmes mir aus Anlass des Abenteuers mit dem griechischen Dolmetscher davon gesprochen hatte.

„Du sagtest mir, er hätte, glaube ich, eine kleine Anstellung bei der englischen Regierung.“

Holmes lachte.

„Damals kannte ich dich noch nicht so gut, mein lieber Watson, und man muss diskret sein, wenn es sich um hohe Staatsangelegenheiten handelt. Du hast recht, er ist bei der englischen Regierung. Du würdest gelegentlich aber auch recht haben, wenn du sagtest: er ist die englische Regierung.“

„Mein bester Holmes!“

„Ich wusste, dass dich das überraschen würde. Mycroft bezieht vierhundertfünfzig Pfund Sterling jährliches Gehalt, bleibt in abhängiger Stellung, hat keinerlei Ehrgeiz, will weder Titel noch Orden, aber er bleibt der unentbehrlichste Mann im Lande.“

„Aber wie das?“

„Nun, seine Stellung ist einzigartig. Er hat sie sich extra geschaffen. Etwas Ähnliches hat es nie vorher gegeben, noch wird es das später je wieder geben. Er hat das bestgeordnete, übersichtlichste Hirn, das heutzutage existiert, mit der denkbar grössten Aufnahmefähigkeit für Tatsachen, die es sauber registriert und aufbewahrt. Dieselben besonderen Eigenschaften, die mich zum erfolgreichsten Detektiv machten, haben ihn in seinem Amte zum unentbehrlichsten Mann gemacht. Die Entschliessungen usw. jeder Abteilung gehen ihm zu, und er ist die Ausgleichsbörse, das Clearinghouse sozusagen, das den Saldo zieht. Alle anderen hohen Staatsbeamten sind Spezialisten, aber seine Spezialität ist Allwissenheit. Nehmen wir an, ein Minister benötigt eine Information in bezug auf irgend etwas, das zugleich die Marine angeht, sowie Indien, Kanada und die Silberwährung. Er könnte von den einzelnen Abteilungen je einen Sonderbericht erhalten, aber nur Mycroft allein kann diese alle in seinem Hirn zusammenfassen, mit einem Blick überschauen und ohne weiteres sagen, wie ein jeder Faktor den anderen beeinflussen würde. In seinem Hirn muss es aussehen wie in einer grossen Kartothek; jede Einzelheit aller Regierungsfragen steht ihm sofort zur Verfügung. Oft und oft hat sein Wort unsere englische Politik entschieden. Er lebt in ihr und für sie. Er denkt nichts anderes, ausgenommen wenn er einmal ausspannt und als eine Art geistiger Gymnastik sich mit meinen Detektivproblemen befasst, worum ich ihn gelegentlich bitte. Aber Jupiter begibt sich heute zu den Sterblichen hernieder. Was mag da los sein? Wer ist Cadogan West und was bedeutet er meinem Bruder Mycroft?“

„Ich hab’s“, rief ich und warf mich über den Haufen Zeitungen auf dem Sofa. – „Ja, hier steht es; ganz richtig, Cadogan West ist der Name des jungen Mannes, der am Dienstag früh tot auf der Untergrundbahn gefunden wurde.“

Holmes straffte sich wie ein Hühnerhund, der sein Wild wittert, und seine Hand hielt die Pfeife zwischen Tisch und Lippe, in ihrer Bewegung plötzlich erstarrt.