Die gläserne Unendlichkeit eines Milliardärs - Kate D. Evans - E-Book

Die gläserne Unendlichkeit eines Milliardärs E-Book

Kate D. Evans

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Beschreibung

Bei einem Vorstellungsgespräch lernt die zurückhaltende Laurent Adams den gutaussehenden Milliardärssohn Adrian Bates kennen, der sich unerklärlicherweise sofort für sie zu interessieren scheint. Hals über Kopf verliebt sich die junge Frau in ihn, was ihr komplettes Leben auf den Kopf stellt. Jedoch ahnt sie zunächst nicht, dass sich hinter der Fassade des charmanten Businessman ein dunkles Familiengeheimnis und eine tragische Vergangenheit verbergen.   Genre: Modern Vampire / Dark Fantasy Romance Novel.

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Kate D. Evans

Die gläserne Unendlichkeit eines Milliardärs

Eiskalte Berührung

Liebe macht süchtig. Und jeder weiß, dass uns jede Sucht am Ende zerstört. — Laura Chouette BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Vorwort

Liebe macht süchtig. Und jeder weiß, dass

uns jede Sucht am Ende zerstört.

— Laura Chouette

When a writer falls in love with you...

 

Es war Anfang November. Die grauen dichten Nebelschwaden zogen sich auf den Straßen Londons gespenstisch dahin. Die wenigen Passanten, die unterwegs waren, hüllte das schweigende Grau bis zu den Knien ein. Es herrschte eine unheimliche Atmosphäre an diesem trüben Herbstmorgen. Ich erreichte den Piccadilly Circus als es neun Uhr schlug und schlang meinen dunkelblauen Mantel fester um meinen Körper. Hastig betrat ich die U-Bahn Station Oxford Circus Station und eilte die Treppen hinunter.

 

Ich durfte zu meinem Vorstellungsgespräch nicht zu spät kommen, ermahnte ich mich. Während ich schweigend am Bahnsteig stand,nippte ich an meinem Kaffee. Es war ungewöhnlich kalt an diesem Morgen und meine halb erfrorenen Finger schmiegten sich um den warmen Becher. Als die U-Bahn nach wenigen Minuten einfuhr, seufzte ich leise. Es war ein gewöhnlicher Montagmorgen und halb London schien wie immer auf die öffentlichen Verkehrsmittel zurückzugreifen.

 

Ich könnte mein Glück herausfordern und auf die nächste warten, dachte ich, doch ich musste pünktlich sein. Also zwängte ich mich halbherzig in das Gedränge, bestehend aus Männern in Anzügen, quengelnden Kleinkindern und schnatternden Frauen. Ich konnte an einer der gelben Stangen halt finden, kurz bevor sich die U-Bahn mit einem Ruck in Gang setzte. Nur zwei Stationen, dachte ich erleichtert. Während ich aus dem Fenster in die vorbeirasende Dunkelheit hinaus starrte, kroch die Nervosität wieder in meinen Bauch.

 

Es war mein erstes Vorstellungsgespräch, noch dazu bei einem der einflussreichsten Männer Europas: dem Chef der International Bank of England. Ich bewarb mich dort nicht als Sekretärin, dafür war ich viel zu jung. Um ehrlich zu sein, betraf es die Bank gar nicht, sondern eher das Privatleben von Mr. Asbury. Er suchte ein Kindermädchen für seine siebenjährige Tochter. Die U-Bahn fuhr in der Westminster Station ein. Als sich die Türen nach einem kurzen Signalton öffneten, stieg ich erleichtert aus. Ich sah instinktiv auf meine Armbanduhr, die mir verriet, dass ich noch fünf Minuten hatte.

 

Während ich die Treppe hochlief, wurde das leichte Kribbeln in meinem Bauch zu einem schmerzhaften Ziehen. Oben angelangt, nahm ich eilig einen Schluck von meinem Kaffee. Ich verließ die stickige Station, überquerte die Straße und steuerte siegessicher, dass ich es pünktlich schaffen würde, auf die Westminster Bridge zu. Selbst über der Themse hatten sich solche Nebelfelder gebildet und schwebten still über dem dunklen Wasser. Die wenigen Touristen, die zu dieser Jahreszeit London besuchten, machten begeistert von dieser unheimlichen Atmosphäre Fotos. Als ich die Brücke überquert hatte, bog ich nach rechts ab und folgte einer Treppe nach unten zum Ufer der Themse.

 

Nach wenigen Metern sah ich das Hochhaus, das mit seinen unzähligen Fenstern, nur aus Glas zu bestehen schien. Bei Sonnenschein wäre es sogar noch ein reizvollerer Anblick, dachte ich gedankenversunken. Mein Blick wanderte weiter nach oben, anstatt auf den Gehweg gerichtet zu sein. Wie aus dem Nichts heraus stieß ich plötzlich mit einem vorbei eilenden jungen Mann zusammen. Erschrocken zuckte ich zusammen und spürte den lauwarmen Kaffee, der meinen Mantel durchtränkte. Der junge Mann wich zurück.

 

»Es ... es tut mir leid, Miss«, stammelte er vor Peinlichkeit ergriffen und starrte auf den zerdrückten Kaffeebecher, den ich fallen gelassen hatte.

 

Ich gab darauf nur ein höfliches »Ist schon gut, es war meine Schuld«, zurück.

 

»Ich kaufe Ihnen einen neuen Kaffee«, bestand er stur und reichte mir ein Taschentuch. Erst, als ich danach griff, wagten ich es, ihm ins Gesicht zu sehen. Seine ungewöhnlich hellblauen Augen sahen mich schuldig an. Auf seinen Wangen lag eine leichte Röte, die recht auffällig war, wegen seines blassen Gesichts. Ein paar Strähnen, seines blonden Haares, hingen ihm wirr ins Gesicht und verliehen ihm einen rebellischen Eindruck, der jedoch nicht so recht zu seinem Outfit zu passen schien. Er trug einen schwarzen, maßgeschneiderten Anzug, der seinem muskulösen Körper schmeichelte. Ich rang nach Worten, doch ich war wie versteinert. Die Bauchschmerzen hatten sich wieder in ein harmloses Kribbeln verwandelt.

 

»Nein, das müssen sie nicht.«

 

»Ich bestehe darauf.« Er ließ nicht locker.

 

 Ich schüttelte den Kopf und widersprach ihm »Ich muss gehen.« Der junge Mann nickte ein wenig enttäuscht und setzte seinen Weg nach einer weiteren Entschuldigung fort. Ich wandte mich um und sah ihm zu wie er in seinen schwarzen Porsche stieg. Ich begann zu lächeln.

 

Zögerlich betrat ich das Foyer durch die Glastür und ließ meinen Blick suchend umherschweifen. Alles in dem Raum wirkte elegant und teuer, sogar die Menschen. Der weiße Marmorboden war makellos, die grauen Sitzgelegenheiten schienen unberührt und die Blumen am Empfang schienen frisch gepflückt worden zu sein. Die Angestellten trugen teure Kleidung und musterten mich im Vorbeigehen mit steinernen Mienen. Ich fühlte mich sichtlich unwohl hier im Hauptsitz der International Bank of England.

 

Aber wie vorhin erwähnt, bewarb ich mich um eine Stelle, die das Privatleben von Mr. Asbury betraf, und das hieß: Ich arbeitete auf seinem Anwesen und nicht hier. Ich musste diese missbilligenden Blicke also nur heute in Kauf nehmen. Ich nahm mein ganzes Selbstvertrauen zusammen und redete mir ein, dass der Kaffeefleck kaum auf dem dunkelblauen Wollstoff zu sehen sei. Ich trat an den Empfang. Völlig überzeugt von mir selbst. Doch kaum traf mich der seriöse Blick einer der drei Empfangsdamen, schwand meine Zuversicht binnen Sekunden.

 

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie mit einem aufgesetzten Lächeln, das ihre roten Lippen umspielte.

 

»Ich habe ein Vorstellungsgespräch bei Mr. Asbury.« Sie wirkte skeptisch.

 

»Unter welchem Namen haben sie den Termin vereinbart?«, erkundigte sie sich und legte die Finger auf die Tastatur ihres Computers. Mit trockenem Hals antwortete ich.

 

»Laurent Adams.« Die zarten Finger mit den knallrot lackierten Nägel der Empfangsdame flogen mit irrwitziger Geschwindigkeit über die Tasten. Sie las kurz etwas und runzelte dann die Augenbrauen.

 

»Sie sind zu spät.« Ich biss mir auf die Unterlippe.Den Job konnte ich jetzt vergessen. Die Frau tippte wieder etwas in den Computer ein. Die Falten auf ihrer Stirn verschwanden. Sie trat hinter dem Empfang hervor. »Folgen Sie mir bitte. Mr. Asbury will Sie dennoch sehen.«

 

Ich rang mir ein müdes Lächeln ab, hoffentlich würde das nicht zu sehr meine Bewerbung beeinflussen. Ich folgte der Frau, die mit ihren hohen schwarzen Schuhe, erstaunlich schnell gehen konnte. Ich folgte ihr zu einem der zwei geräumigen Aufzüge die innen mit dunklem Teakholz getäfelt waren. Während der Fahrt nach oben standen wir beide schweigend im Aufzug, der schließlich im 25. Stockwerk anhielt. Wir gingen einen breiten Gang mit unzähligen Türen entlang bis zum Ende, wo die Frau mich vor einer großen Doppeltür zurückließ.

 

Geduldig wartete ich und betrachtete die Bilder an den Wänden. Ich schloss nicht aus, dass jedes dieser Kunstwerke das Original war. Nach einer Minute kam sie zurück und deutete mit einer einladenden Geste auf eine Gruppe grauer Sessel.

 

»Bitte nehmen Sie Platz. Mr. Asbury empfängt Sie gleich, er muss nur noch ein wichtiges Telefonat beenden.« Ich folgte ihrer Bitte und setzte mich. Die Empfangsdame ging durch eine der Türen in einen leeren Konferenzraum. Ich öffnete meinen Mantel und atmete einmal tief aus. Jeden Moment könnte es soweit sein, dachte ich nervös. Ich zupfte unsicher an meinem Rock herum. Ich wandte meinen Blick nach vorn und sah mich selbst in einem großen goldenen Spiegel.

 

Unzufrieden fuhr ich durch mein lockiges Haar, der Wind hatte ganze Arbeit geleistet. Von dem Friseur Termin gestern Morgen war nichts mehr zu erkennen. Mein Blick wanderte zu meinem Dekolleté. Der Kaffee war zum Glück nicht bis zu meinem weißen Spitzentop durchgedrungen. Die Frau kam wieder aus dem Raum mit einer Karaffe voll Wasser und brachte sie Mr. Asbury. Ich versuchte einen Blick in sein Büro zu erhaschen, doch die Frau schloss die Tür zu schnell. Ich lehnte mich zurück und versuchte mich zu beruhigen. Der Job als Kindermädchen war viel zu gut bezahlt, um wahr zu sein.

 

Ich musste diesen Job einfach kriegen.

 

Die Tür ging auf.

 

»Miss Adams, Sie werden erwartet.«

 

Mein Puls beschleunigte sich als ich mich aus dem gemütlichen Sessel erhob. Noch einmal warf ich einen flüchtigen Blick in den riesigen Spiegel, um sicherzugehen, dass mein Äußeres passte. Ich war unnatürlich groß für mein Alter und ziemlich dünn, trotz meines üppigen Schokoladenkonsums. Mein Gesicht war rund geformt und vor Aufregung ganz rot. Im Großen und Ganzen war ich mehr oder weniger zufrieden mit meinem Aussehen. Aber das wechselte ständig. Mit zittrigen Knien ging ich an der Empfangsdame vorbei in den Raum. Es war ein geräumiges Büro mit riesigen Fensterfronten, die das wenige Licht des ewig bewölkten Londons hereinließen. Als ich meinen Blick zum Schreibtisch wandte, erschrak ich. Den Job konnte ich nun wirklich vergessen: Der blonde junge Mann von vorhin musterte mich amüsiert.

 

Das konnte nicht sein! Er war viel zu jung um eine internationale Bank zu leiten. Geschweige denn, eine siebenjährige Tochter zu haben. Völlig überrascht von seiner Anwesenheit sah ich ihn beschämt an. Selbstzufrieden stand er dort an dem schweren Eichenholz Schreibtisch und wandte seinen starrenden Blick nicht von mir ab. Selbst als er mit der Frau sprach, ruhten seine eisblauen Augen auf mir.

 

»Catalina, Sie können jetzt gehen.« Seine Stimme war melodisch und beruhigend.

Doch sein Tonfall war ernst, als wäre er nicht Anfang zwanzig, sondern um einiges älter. Stumm schloss Catalina beim Hinausgehen hinter sich die Tür. Jetzt war ich mit ihm allein.

 

»Setzen Sie sich«, forderte der junge Mann mich höflich auf. Zögerlich nahm ich auf einem der beiden Sessel vor dem Schreibtisch Platz. Er jedoch, blieb wie angewurzelt auf seinem Platz stehen und sah zu mir hinunter. Ich wusste nicht viel von Geschäftsleuten und ihren Tricks, aber das war eindeutig eine Einschüchterungstaktik.

 

»Sie sind also Mr. Asbury«, sagte ich mit trockenem Hals. Der junge Mann lachte.

 

»Nein, ich bin sein Sohn.« Verblüfft sah ich ihn an.

 

»Ich habe nicht gewusst, dass er einen Sohn hat ... ich dachte nur eine Tochter ...«

 

Der junge Mann streckte mir seine rechte Hand entgegen. »Dann wissen Sie es jetzt. Ich bin Adrian Bates.«

 

Erleichtert griff ich nach seiner Hand. Sie war eiskalt. Adrian schien meine Gedanken erraten zu haben und zog sie, folge dessen, rasch wieder weg. Ich hörte hinter mir Schritte. Ich wandte mich um und sah einen Mann, um die Mitte vierzig, den Raum durch eine andere Tür betreten.

 

»Ich hoffe ihr habt nicht ohne mich angefangen«, sagte dieser und begrüßte mich ohne auf eine Antwort zu warten. »Ich bin Mr. Asbury.« Er nahm hinter dem Schreibtisch Platz. »Sie sind also Miss Adams.« Er nahm meine Bewerbungsmappe zur Hand, die bis jetzt auf dem Schreibtisch gelegen war.

 

Er überflog die ersten Zeilen, um sich die wichtigsten Details wieder in Erinnerung zu rufen. Danach reichte er sie an Adrian weiter. »Ihr Notendurchschnitt ist hervorragend und Ihre Interessen zeichnen Sie für den Job aus«, erklärte Mr. Asbury. »Aber eine Frage habe ich trotzdem.«

 

»Ja?« Ich verspürte einen Hauch von Hoffnung. »Laurent ist für gewöhnlich ein Jungenname, wie kamen Ihre Eltern darauf Sie so zu nennen?« Ich war überrascht wegen der Frage im Bezug auf den Job, aber nicht im Allgemeinen. Leute fragten sich das ständig.

 

Als ich es erklärte, begann ich zu lächeln. »Er gefiel ihnen so gut, dass sie über die Tatsache, dass ich ein Mädchen bin, hinweg sahen.« Mr. Asbury nickte verständnisvoll.

 

»Ich finde es interessant«, wandte sich Adrian zu Wort. Die Nervositäts-Röte, auf meinen Wangen, war inzwischen abgeklungen, doch nun wurde ich wegen Adrian wieder ein wenig rot. Ich wandte mich wieder Mr. Asbury zu, erst jetzt fiel mir auf, dass er die gleiche ungewöhnliche Augenfarbe hatte, wie Adrian. Das eisige Blau hätte mir spätestens jetzt verraten, das sie verwandt sind. Adrian legte die Mappe auf den Tisch.

 

»Ich denke sie ist perfekt, um Ellys Kindermädchen zu sein.« Mr. Asbury schien überrascht.

 

»Aber wir haben noch nicht alle Bewerberinnen gesehen.« Adrian lächelte siegessicher in meine Richtung.

 

»Ich will Miss Adams und sonst keine.«

 

Nachdem wir ein paar Einzelheiten geklärt hatten, verabschiedete sich Mr. Asbury und bat Adrian mich nach unten zu bringen. Adrians Sturheit machte mich zur momentanen Favoritin. Auch wenn Mr. Asbury ihm Nahe legte sich auch die anderen Bewerberinnen anzusehen, wusste ich, dass ich auch bei seinem Vater, in den Erwartungen, ganz vorne lag. Während wir also den Gang entlang zum Aufzug schlenderten, lud mich Adrian auf eine Tasse Kaffee ein.

 

»Wir sollten Ihr gelungenes Bewerbungsgespräch feiern«, erklärte er.

 

»Ist es wirklich wegen dem Bewerbungsgespräch oder weil Sie mir ohne hin noch einen schulden?« Er musste grinsen und drückte den Knopf des Aufzugs. Ich schielte zu ihm hinüber.

 

»Nehmen Sie meine Einladung an?«

 

»Ja«, erwiderte ich und wir betraten den Aufzug. Als sich die Türen geschlossen hatten, entstand plötzlich eine komische Atmosphäre.

 

Mein Bauch kribbelte wie wild. Der Aufzug blieb im 19. Stock stehen und eine ganze Gruppe von Bankern stieg ein. Adrian trat zur Seite, um ihnen Platz zu machen und drückte sich leicht an mich. Durch den Stoff seines Anzuges spürte ich seine kalte Haut. Es war mir in keinster Weise unangenehm, dass ich ihm so nah war. Als wir alle im Foyer ausgestiegen waren, half mir Adrian in meinen Kaffee getränkten Mantel.

 

»Ich komme natürlich für den Schaden auf«, sagte er und starrte den dunklen Fleck auf meiner Brust an.

 

»Das müssen Sie wirklich nicht«, widersprach ich und folgte ihm durch das Foyer zum Ausgang. Er hielt mir höflich die Tür auf.

 

Seine ersten Worten zu mir, als wir draußen waren, lauteten: »Außerhalb der Bank können Sie mich Adrian nennen.«

 

»Und Sie mich Laurent.«

 

Wir gingen den Gehsteig zu seinem Porsche entlang während er von einem Café in der Altstadt zu schwärmen begann. »Ich kenne eines der besten Cafés Londons. Es liegt nahe der St. Pauls Cathedral und es gibt dort die besten Kuchen Englands.«

 

»Welche zum Beispiel?«, wollte ich wissen.

 

»Den besten Apfelkuchen der letzten hundert Jahre«, antwortete Adrian und schloss seinen Wagen auf. Als wir beide eingestiegen waren, wurde mir erst bewusst in welcher Situation ich mich eigentlich befand. Erstens, saß ich zum aller ersten Mal in meinem Leben in einem Auto das mehr als dreißigtausend Pfund gekostet hatte. Zweitens, hatte mich Adrian, der Sohn von einem der reichsten Männer des Landes, eingeladen. Und drittens, bekam ich den besten Apfelkuchen Englands.

 

»Der letzten hundert Jahre?«, stieg ich, nach meiner kurzen Überlegung, wieder in unser Gespräch ein.

 

Adrian startete den Motor und das Armaturenbrett leuchtete in einem kühlen Blau auf. »Woher willst du das wissen?«

 

»Vertrau mir, Laurent.« Er lächelte mich an, als ob es eine Pointe in dieser Tatsache gab, die ich nicht kannte, aber für ihn ziemlich amüsant war. Als er nach der Kupplung griff, um auszuparken, berührte er aus Versehen meine Hand. Eine Gänsehaut sträubte sich über meinen Arm hinauf bis zu meinem Nacken. Doch nicht, weil es unangenehm war, nein. Es fühlte sich sogar unglaublich gut an, seine Nähe zu spüren.

 

Man setzt nur ein Komma nach der wörtlichen Rede, wenn der Begleitsatz eine Inquitformel beinhaltet, z.B. _sagte er_, _fragte er_ usw. Wenn, wie hier, eine Handlung folgt, beginnt damit ein neuer Satz und man setzt einen Punkt _in_ die wörtliche Rede.

Zimtgeschmack

 

Adrian lenkte den Porsche geschickt durch den morgendlichen Londoner Verkehr. Er mied große Kreuzungen und bekannte Plätze und fuhr auf wenig befahrenen Straßen, als ob er jeden versteckten Winkel der Metropole kannte. Er parkte hinter einem kleinen Park, entfernt von dem Gedrängel der Touristen. Wir schlenderten eine kleine, schattige Gasse entlang. Ich blickte nach oben und sah die goldene Spitze der Kathedrale hinter den Häuserdächern hervorblitzen. Selbst bei dem trüben Licht das herrschte, glänzte das Gold in einer warmen Farbe. Ich sah schüchtern zu Adrian hinüber. Seine ungewöhnliche Blässe schien noch intensiver geworden zu sein. Aber das lag bestimmt nur an dem Licht, dachte ich und wandte meinen Blick nach vorne.

 

Als wir das Ende der Gasse erreichten und die riesige Kathedrale vor uns in den bewölkten Himmel empor ragte, deutete Adrian nach rechts.

 

»Da vorne ist es.«

 

Die Fassade des Cafés war im viktorianischen Stil gebaut. In goldener, geschwungener Schrift stand über der Tür The Old Diary. Ich folgte Adrian in das Innere. Es war gut besucht und es herrschte eine gemütliche Atmosphäre. Adrian sah sich nach einem freien Tisch um, ich warf währenddessen einen Blick auf die Kuchen in der Glasvitrine. Ich fand jedes Stück verlockend, vom Zitronentörtchen bis zum Blaubeercupcake. Schließlich wurde Adrian fündig. Von dem Tisch aus, wo wir uns niederließen, konnte man durch ein großes Fenster genau auf die Kathedrale sehen.

 

Doch bevor ich mich setzte, zog ich meinen Mantel aus, Adrian nahm ihn mir im nächsten Moment ab und hing das blaue Kleidungsstück in die Garderobe. Das alles ging so schnell, dass ich mich nicht einmal bedanken konnte. Erst nachdem Adrian sich mir gegenüber hinsetzte, fand ich Gelegenheit dazu.

 

»Bist du immer so höflich?«, fragte ich neugierig.

 

»Nur wenn ich in Begleitung einer hübschen Dame bin«, gab er schmeichelnd zurück. Adrians eisblaue Augen fixierten mich. Es war Zeit, dass auch ich ihm ein Kompliment machte.

 

»Ich finde deine Augenfarbe unheimlich schön. Ich wünschte, ich hätte auch so eine.« Adrian musste daraufhin lächeln.

 

»Du bist genau wie meine Schwester«, erzählte er.

 

»Hat sie den nicht dieselbe Augenfarbe?«, fragte ich verwundert.

 

»Nein, ihre sind dunkelbraun.«

 

Die Kellnerin, eine junge Brünette, kam an unseren Tisch. Ich bestellte mir den von Adrian angepriesenen Apfelkuchen und einen Kaffee. Adrian selbst nahm eine Tasse Tee und etwas Kaffeegebäck dazu. Er bediente das geläufige Klischee des Engländers. Während wir auf unsere Bestellung warteten, sah ich aus dem Fenster. Die Wolkendecke lichtete sich ein wenig, das Weiß der Kathedrale strahlte dadurch noch mehr.

 

»Die St. Paul Cathedral ist mein Lieblingsbauwerk hier in London«, erzählte Adrian.

 

»Wieso?«, wollte ich interessiert wissen.

 

»Sie war früher im 17. Jahrhundert zum größten Teil zerfallen und einer der  beliebtesten Versammlungsplätze. Du musst dir vorstellen wie in den Seitenschiffen die Händler ihre Waren verkaufen. Bunte Teppiche aus dem fernen Orient, wertvolle Seide aus China und auch heimische Sachen. An den Säulen treffen sich Anwälte mit ihren Klienten und Arbeitslose halten Ausschau nach einer Beschäftigung. Und erst der Kirchhof: Er war das damalige Zentrum des Buchhandels in London. Dieser Ort hier erlebte soviel Wandel und Geschichte. Selbst nach all den Kriegen und dem großen Feuer, steht die Kathedrale immer noch dort, wo sie vor mehr als vierhundert Jahren errichtet wurde.« Adrians Augen funkelten begeistert. Er beschrieb es so bildhaft und lebendig, als ob er die Vergangenheit dieses Ortes mit eigenen Augen gesehen hatte.

 

Die Kellnerin stellte das silberne Tablett auf unseren Tisch. Nachdem ich ein Stück von meinem Kuchen probiert hatte, stimmte ich Adrian zu.

 

»Ich habe es dir doch gesagt.« Er nahm einen Schluck von seinem Tee. Nach einer Weile des Schweigens sagte er: »Falls du den Job bekommen solltest«, er lächelte mich an, »und ich bin mir ganz sicher, dass du ihn bekommen wirst, solltest du wissen, dass unsere Familie etwas kompliziert ist.«

 

Ich nippte an meinem Kaffee. »Das ist doch jede Familie.«

 

Adrian presste die Lippen zusammen. »Auf unserem Anwesen wohnt nicht nur meine Familie ... es ist so, dass mein Vater eine Art ... naja ... eine Gruppe von wichtigen Männern dort wohnen lässt. Es ist wie der private Hauptsitz der Bank.«

 

»Ich verstehe.« Ich nahm noch ein Stück von dem Kuchen.

 

»Ich selbst lebe nicht dort, ich habe ein eigenes Haus hier in London.«

 

»Also werde ich dich nicht sehen, wenn ich arbeite?«, sagte ich absichtlich etwas beleidigt.

 

»Doch, ich bin meistens nachmittags dort und besuche meine Schwester.« Ich war erleichtert.

 

Wir unterhielten uns noch lange über alle möglichen Dinge. Als wir fertig waren, bezahlte natürlich Adrian die Rechnung und half mir in meinen Mantel. Wir spazierten zurück zu seinem Wagen. Die Wolkendecke hatte sich nun fast zu Gänze gelichtet und ließ die frühe Nachtmittagssonne ungehindert vom blauen Himmel strahlen. Erst jetzt fiel mir auf, dass Adrian, trotz der kühlen Temperatur, gar keinen Mantel trug. Ich sprach ihn nicht darauf an.

 

 »Soll ich dich nach Hause fahren?«, bot er mir an, als wir losgefahren waren.

 

»Wenn es dir nicht zu viele Umstände macht«, entgegnete ich. »Meine Adresse ist ...«

 

»Warwick Way 134«, vollendete er meinen Satz.

 

»Woher weißt du das?«

 

»Es stand in deinem Bewerbungsschreiben«, erklärte Adrian lächelnd. »Wenn es dir nichts aus machen würde, könnten wir dann kurz bei mir vorbeischauen? Ich muss ein paar Unterlagen von Zuhause holen damit ich dann gleich zu einem Meeting fahren kann.«

 

»Das ist kein Problem«, sagte ich. »Ich wollte schon immer sehen, wie ein Millionär wohnt.«

 

Nach wenigen Minuten bog der Porsche in eine der besseren Wohngegenden Londons ein. Die weißen, großen Häuser, die alle gleich aussahen, reihten sich die Straße entlang. Adrian parkte am Straßenrand. Wir stiegen aus und gingen die Treppe hoch zur Haustür.

 

»Ich hätte gedacht du lebst in einem Penthouse«, scherzte ich und folgte ihm hinein.

»Das bevorzuge ich nur im Sommer, wenn das Wetter besser ist und man auf die Stadt hinuntersehen kann.« Er brachte mich ins Wohnzimmer. Es war viel größer als unseres und in grau und weiß Tönen eingerichtet. In der Ecke am Fenster stand ein schwarzer Flügel.

»Du spielst Klavier?«, erkundigte ich mich und setzte mich auf die Couch. Der Stoff fühlte sich unglaublich weich an, genau wie die unzähligen Kissen darauf. Adrian ging hinüber zu einem Bücherregal und zog eine Mappe heraus.

 

»Ja«, antwortete er knapp.

 

»Wie lange schon?«

 

»Seit einer halben Ewigkeit.«

 

Ich musste lachen. »Und wie definierst du eine halbe Ewigkeit?«

 

Adrian setzte sich neben mich und öffnete die schwarze Mappe. »Solange ich schon denken kann.«

 

Neugierig lugte ich in die Unterlagen. Adrian bemerkte es und ermahnte mich freundlich während er sie weiter durchblätterte. »Das sind geheime Geschäftsbriefe«, erklärte er.

 

Als ich meinen Blick immer noch auf die Unterlagen geheftet hatte, hielt Adrian inne und sah mich an. Doch es lag keine Wut in seinem Ausdruck. Er legte die Mappe beiseite, ohne den Blick von mir abzuwenden. Ich bemerkte erst jetzt, wie nah wir uns eigentlich waren. Wir sahen uns gegenseitig tief in die Augen. Es kam wie es kommen musste: Wir küssten uns.

 

Ich ließ von seinen kalten Lippen ab und sah in seine eisblauen Augen.

 

»Ich liebe dich«, hauchte Adrian und strich mit seinen kalten Fingern über meine linke Wange. Ich verlor mich in seinen Augen, sie hatten das sehnsüchtige Blau eines rauschenden Gebirgsbaches. Ich lehnte mich zurück in die weichen Kissen und spürte, wie er seine Hand auf meine Taille legte.

 

Als er sich nach vorne über mich beugte, erwiderte ich flüsternd »Ich liebe dich auch, Adrian.«

 

Unsere Lippen trafen wieder aufeinander, doch dieses Mal nicht so zögerlich. Vorsichtig schob er seine kalte Hand unter mein Spitzentop. Sein Mund wanderte zu meinem Hals, den er mit Küssen überhäufte. Ich strich durch sein blondes Haar. Ich erschauderte als seine Hand immer weiter meinen Bauch hinauf wanderte. Seine Finger fühlten sich an wie Samt. Seine Berührungen waren so sanft, das ich glaubte, er hätte Angst mich zu verletzen. Adrians zarte Küsse waren inzwischen auf meiner rechten Schulter zu spüren. Schließlich erreichte Adrian meinen BH. Ich wusste nicht, ob er es wagen würde diese letzte Grenze zu überschreiten. Er hielt mit seinen Küssen inne.

 

»Soll ich dir mein Schlafzimmer zeigen?«, fragte er verführerisch und strich mir eine braune Locke hinters Ohr. Sein Gesicht war ganz nah an meinem.

 

»Adrian ...«, stammelte ich verlegen. »Ich bin erst sechzehn.« Seine eisigen blauen Augen musterten mich fragend.

 

»Ich bin auch erst neunzehn.« Er zog seine Hand unter meinem Top hervor, die durch meine Körperwärme nun angenehm warm war.

 

»Was ist, wenn jemand kommt?« Ich runzelte besorgt meine Augenbrauen.

 

»Laurent, ich lebe alleine.«

 

Ich legte Adrian zärtlich meine Hand auf die linke Wange. »Denkst du nicht, dass wir das ganze überstürzen?« Mit einem Ruck zog er mich an sich heran.

 

»Also soll ich dich auf ein weiteres Date einladen?« Ich konnte darauf nichts antworten. Ich wollte ihn einfach nur küssen. »Wir kennen uns kaum.« Ich war überrascht, dass diese Tatsache aus seinem Mund kam. »Aber selbst wenn ich dich hundertmal ausführe, dich tausendmal küsse und dir Millionen Geschenke mache, werde ich dir fremd sein.«

Ich war verwirrt.

 

»Wieso?«

 

Adrian ließ mich los. »Das würdest du nicht verstehen.« Er stand auf und strich sein weißes Hemd zurecht.

 

»Vielleicht kann ich es nicht verstehen, aber ich würde es akzeptieren«, gab ich zurück und sah ihn flehend an.

 

»Ich liebe dich, Laurent.« Adrian küsste meine Stirn. »Aber selbst wenn du es versuchen würdest, wirst du scheitern.«

 

Enttäuscht wandte ich meinen Blick zu Boden. »Wenn ich schon nicht dein Leben mit dir teilen darf, dann wenigstens dein Bett.« Nach meinen Worten legte Adrian seinen Zeigefinger unter mein Kinn und drückte meinen Kopf hoch, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. Auf seine Lippen lag ein müdes Lächeln.

 

»Du weißt gar nicht wie lange, ich auf dich gewartet habe.«

 

Ich stand von der Couch auf und blickte ihm tief in die Augen. »Was meinst du damit?«

 

»Das ich unter den Millionen Mädchen nur nach dir gesucht habe.« Er nahm mich bei der Hand. »Du bist vielleicht nicht meine erste Freundin, aber dafür meine erste wahre Liebe.«

 

Ich folgte Adrian die Treppe hinauf, vorbei an seinem Arbeitszimmer und in sein Schlafzimmer. Es war geräumig, mit zwei großen Fenstern und einem riesigen Doppelbett. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er jede Nacht alleine darin schlief. Adrian drückte mich zärtlich gegen die Wand und strich die linken Träger meines Tops und meines BHs beiseite. Ich seufzte leise, als er meine Schultern küsste und mit seinen Lippen weiter hinunterwanderte. Nur wenige Zentimeter über meinen Brüsten blieb er stehen. Ich biss mir auf die Unterlippe, so fest, dass ich Blut schmeckte. Adrian richtete sich auf und beugte sich über mich. Er küsste meine blutigen Lippen, als wäre es ihm egal, dass sie mit der dunkelroten Flüssigkeit benetzt waren.

 

Plötzlich hob er mich hoch. Adrian musste ziemlich stark sein, da ich fast einen Meter achtzig groß war und er es mit Leichtigkeit fertigbrachte mich auf das Bett zu legen. Er zog die Jacke seines teuren Anzugs aus und warf sie achtlos auf den Boden. Danach krabbelte er zu mir auf das Bett und beugte sich über mich. Während wir uns innig küssten, begann ich, sein Hemd aufzuknöpfen. Als dies geschafft war, staunte ich über seinen muskulösen Körper. Adrian war von Kopf bis Fuß makellos. Auch das Hemd landete auf dem Fußboden.

 

»Es wäre fair, wenn du dich auch ausziehen würdest, Laurent«, murmelte er grinsend und half mir mein Top auszuziehen. Auch das warf er einfach vor das Bett.

 

Der schwarze Spitzen-BH, den ich noch anhatte, war schon abgetragen, aber das war mir egal. Adrian begann an dem Reißverschluss meines Rocks herumzuzerren. Als ich nur noch in Unterwäsche vor ihm lag, bemerkte ich das wilde Glitzern in seinen Augen. Es glich dem eines Raubtiers, dessen Beute greifbar nah war. Als er seinen Kopf nach vorne beugte, dachte ich, er würde mich auf den Mund küssen, doch stattdessen spürte in seinen kalten Atem an meiner Kehle. Ein kurzes schmerzhaftes Stechen durchfuhr meinen zitternden Körper. Ich schrie gedämpft auf. Ich spürte wie etwas Warmes meinen Hals hinunterran und in die Bettdecke sickerte. Mir wurde plötzlich schwindelig. Alles drehte sich um mich herum.

 

»Adrian ...«, hauchte ich schwach und fühlte seine kalten Lippen an meinen Hals gepresst.

 

Mein Blickfeld wurde plötzlich in tiefschwarze Dunkelheit gehüllt.

Eisige Berührung

 

Ich erwachte aus meinem traumlosen Komazustand. Das gelbliche Licht der Straßenlaternen fiel in schwachen Streifen durch die Fenster auf den Boden. Ich lag noch immer in dem Bett von Adrian. Mein Kopf, der leicht schmerzte, war auf die weichen Kissen gebetet.  Ich spielte mit dem Gedanken, dass ich das alles hier nur träumte. Doch als ich mit meinen Fingern über die Bettdecke strich, die meinen halbnackten Körper bedeckte, und jede einzelne Faser genau spürte, wusste ich, dass ich tatsächlich hellwach war.

 

Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit und ich konnte schemenhafte Umrisse wahrnehmen. Ich tastete nach der Nachttischlampe, deren undeutliche Silhouette rechts von mir zu erahnen war. Das warme, gedämpfte Licht erhellte das Schlafzimmer. Ich setzte mich auf und sah mich neugierig um. Mein Blick schweifte in dem halb leeren Raum umher. Die wenigen Bilder an der Wand waren alte schwarzweiß Fotografien von London. Auf allen hüllte der silbrige Nebel die Menschen und Gebäude ein. Auf dem dunkelgrauen Sessel, der zum Fenster hin ausgerichtet war, lagen Adrians Hemd und Jacke, sowie meine Anziehsachen. Doch im Gegensatz zu seinen Kleidungsstücken, waren meine fein säuberliche zusammengelegt worden. Adrian, schoss es mir durch den Kopf.

 

 Ich erinnerte mich noch an den Kuss und wie er mich in das Schlafzimmer führte, doch nicht an das, was kurz vor meinem Blackout passiert war. Ich versuchte anstrengt mich daran zu erinnern. Doch anstatt eines klaren Bildes sah ich nur verschwommene Schatten vor meinem inneren Auge. Ich versuchte irgendwelche Anhaltspunkte zu finden, die meinem Gedächtnis etwas auf die Sprünge helfen konnten. Ich scheiterte kläglich daran.

 

 Es war wie ein plötzlicher Cut in meinen Erinnerungen. Im ersten Moment sah ich Adrian über mir, ganz deutlich und klar, und dann kam diese plötzliche Schwärze aus dem Nichts heraus. Das machte mich verrückt. Hatten ich und Adrian es zu Ende gebracht? Oder war ich einfach während seines Kusses ohnmächtig geworden?

 

Oh Gott, dachte ich beschämt. Wie stand ich jetzt nur da? Ich kletterte aus dem Bett und holte meine Sachen. Hastig zog ich mich an und warf einen Blick in den Spiegel, der über der schwarzen Kommode hing. Mein von Natur aus gelocktes braunes Haar, stand in alle Richtungen ab.

 

Langsam verzweifelte ich. Ich versuchte es, ohne Kamm, zu bändigen. Während ich eifrig dabei war, fiel mir eine gerötete Stelle an meinem Hals auf. Verwundert strich ich meine Haare beiseite und musterte die Stelle im Spiegel genau. In dem dämmrigen Licht konnte ich nicht viel ausmachen. Ich griff an meine Kehle und spürte deutliche Vernarbungen.

 

Erschrocken zog ich meine Hand weg und schaltete das Deckenlicht ein. Nun konnte ich ihn deutlich sehen. Auf meinem blassen Schwanenhals zischen den braunen Locken stach er deutlich hervor: Adrians Biss.

 

Auf Zehenspitzen schlich ich im halbdunklen die Treppe hinunter. Aus dem Wohnzimmer drang traurige, schwermütige Klaviermusik. Als ich den Raum betrat, sah ich Adrian mit dem Rücken zu mir gewandt, am Konzertflügel sitzen. Zögerlich trat ich näher an ihn heran. Ich wollte Adrian nicht stören. Das Klavierstück war viel zu schön, um nicht zu Ende gespielt zu werden. Er bemerkte mich, als ich mich auf der Couch niederließ. Seine Finger froren in der Luft  über den Tasten ein.

 

»Spiel bitte weiter, es ist wunderschön«, bat ich ihn. Adrian kam meiner Bitte wortlos nach und setzte die Melodie fort.

 

Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten. Ich beobachtete ihn verstohlen. Wie in Trance schlug er die weißen und schwarzen Tasten an, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Meine rechte Hand ruhte auf dem Bissmal. Die Wunde schien zum Glück nur ein Bluterguss zu sein. Aber trotzdem warf sie tausende Fragen auf, warum zum Teufel Adrian mich gebissen hatte. Ich wusste, dass manche Männer gewisse Vorlieben hatten, aber für Adrian schien das völlig untypisch.

 

Er beendete das Stück und blieb danach eine Weile ruhig am Klavier sitzen, als wolle er jederzeit ein neues Stück beginnen. Doch das Klavier blieb stumm. Gerade wollte ich etwas sagen, um die unangenehme Stille zu brechen, doch Adrian kam mir zuvor. Er sprach leise aber dennoch deutlich.

 

»Laurent ... es tut mir leid ... ich wollte dich nicht verletzen.« Er wandte sich nach rechts. In seinen Augen lag tiefe Reue.

 

»Ich kann mich an nichts erinnern«, beruhigte ich ihn. »Und der Biss wird abheilen.«

Adrians schuldiger Ausdruck wich dennoch nicht. Seine harten Gesichtszüge schienen wie aus weißem Marmor gemeißelt. Adrian wirkte dadurch um einiges älter. Selbst seine Augen strahlten nicht mehr, sondern wirkten trübe und emotionslos. »Ich bringe dich nach Hause«, murmelte er monoton.

 

Adrian stand auf und holte seine Autoschlüssel, die auf einem kleinen Beistelltisch neben der Garderobe, lagen. Seine abweisende Art verletzte mich. Entmutigt stand ich von der Couch auf und zog meinen Mantel an. Ich spürte Adrians Blick auf mir. Er wollte nicht das ich ging, aber die Vernunft widersprach ihm. Du musst Laurent gehen lassen, flüsterte diese gewissenhafte Stimme. Nachdem ich den Mantel zugeknöpft hatte, wandte ich mich zu Adrian um.

 

Er durfte nicht vernünftig sein. Nicht heute. In der naiven Hoffnung, dass er mich bat zu bleiben, trat ich auf ihn zu.  So nah, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten.

 

»Laurent, du musst gehen ...«

 

»Warum?« Ich legte meine beiden Hände auf seine Schultern.

 

»Ich habe dich verletzt«, erklärte er schwermütig.

 

»Du meinst den Biss?« Er neigte seinen Blick zu Boden. »Du verletzt mich mehr, wenn du so kalt zu mir bist.«

 

»Du verstehst es nicht«, flüsterte Adrian.

 

»Was verstehe ich nicht?«

 

»Alles.« Ich kam seinen Lippen immer näher.

 

»Dann erkläre es mir«, hauchte ich bittend. Adrians kalter Atem streifte meine Haut.

 

»Die Wahrheit ist zu gefährlich, um dich mit ihr zu belasten.«

 

Ich zog seinen Körper näher an mich heran. »Wenn du sie mir nicht erzählst, werde ich sie rausfinden. Und wenn ich mein ganzes Leben lang dafür brauche.«

 

Adrian zog meine rechte Hand von seinen Schultern.  Seine eisigen Finger umschlossen meine. Mit flehenden Augen sah ich ihn an.

 

»Bitte verlass mich nicht.«

 

Plötzlich spürte ich seine Lippen auf meinen. Ich vergaß die Welt um mich herum und konzentrierte mich nur auf diesen einen Kuss. Ich hätte die Ewigkeit mit beiden Händen umfangen können, so glücklich war ich in seiner Nähe. Ich lernte Adrian an nur einem einzigen Tag kennen, doch ich war verrückt genug, um mich unsterblich in ihn zu verlieben. Es fiel uns beiden unbegreiflich schwer, voneinander loszukommen.

 

»Ich liebe dich, Adrian.« Er trat auf meine Worte hin einen Schritt zurück.

 

 »Ich bringe dich jetzt nach Hause.« Er öffnete die Tür. Mit gesenkten Blick huschte ich an ihm vorbei, die Treppe hinunter und stieg in seinen Porsche. Wir wechselten kein Wort während der Fahrt. Ich saß einfach nur da und sah auf die nächtliche Stadt hinaus. Zwei Blocks vor meiner Straße entfernt, brachte ich endlich ein paar Worte hervor.

 

»Ich wünschte du wärst wieder der Adrian, den ich heute Vormittag kennengelernt habe.« Keine Reaktion. Er bog in meine Straße ein. »Aber ich denke, dass du nur mit mir gespielt hast. Warst nett zu mir und hast auch schließlich bekommen was du wolltest.  Ich habe mit dir geschlafen.«

 

Er parkte den Wagen. Ich war jedoch noch lange nicht fertig. Meine Traurigkeit, nährte sich nun von purer Wut. »Und dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob wir es überhaupt getan haben.«

 

Er stellte den Motor ab. »Laurent ...«

 

»Aber ich verstehe das, welcher Junge würde auch ernsthaft an mir Interesse haben.« Ich stieg aus. Heiße Tränen stiegen mir in die Augen. Ich schlug die Beifahrertür mit voller Wucht zu und eilte zur Haustür. Ich holte hastig meinen Schlüssel hervor und sperrte auf.

 

 Im Augenwinkel sah ich Adrian, der aus dem Wagen stieg. Stur warf ich hinter mir die Tür zu. Die ersten Tränen rannen mein Gesicht hinunter, als ich meinen Mantel auszog. Ich rannte hinauf in mein Zimmer, meine Eltern schliefen bereits. Ich betrat mein Zimmer und schaltete die Schreibtischlampe ein. Frustriert warf ich meine Handtasche auf den Boden. Ich wusste nicht, ob ich weinen oder über meine eigene Dummheit lachen sollte. Ich ging ins Bad, der heiße Wasserstrahl der Dusche wusch meine salzigen Tränen fort. Ich griff unbewusst an meinen Hals, die Vernarbungen waren kaum noch zu spüren. Als ich aus der Dusche stieg, wickelte ich ein Handtuch um meinen Körper und befreite den Spiegel von dem dichten Wasserdampf. Die Bisswunde schien nicht so drastisch zu sein, wie vorhin angenommen. Ich war froh, dass man sie kaum sehen konnte.

 

Immer noch in das Handtuch gewickelt, ging ich zurück in mein Zimmer. Ich blieb im Türrahmen wie angewurzelt stehen. Hatte ich bevor ich duschen ging, das Fenster geöffnet? Die kalte Herbstluft strömte ungehindert in den Raum. Hastig schloss ich es und zog die Vorhänge zu. Ich ließ das Handtuch zu Boden fallen. Ein kalter Hauch streifte meine linke Schulter. Ich fröstelte. Adrian, schoss es mir durch den Kopf.

 

Seine kalten Finger strichen zärtlich über meine Haut. Mein Blick haftete an dem Handtuch am Boden. Ich stand völlig unbekleidet vor ihm. Sein kalter Atem streifte über meinen Nacken.

 

»Adrian ...«, stotterte ich perplex. »Was machst du hier?«

 

Ich blickte über meine rechte Schulter hinter mich und direkt in seine eisblauen Augen.

»Ich will es wieder gut machen«, flüsterte er.

 

»Könntest ... könntest du ... könntest du dich bitte kurz umdrehen, damit ich mir etwas anziehen kann?«, forderte ich ihn verärgert auf, auch wenn ich froh war, dass er mich immer noch liebte.

 

Adrian hörte auf meine Worte und wandte sich um. Hastig zog ich die Schrankschublade auf. Ich holte voller Absicht die aufreizendste Unterwäsche heraus, die ich besaß. Der dunkelrote Stoff bedeckte nur knapp meinen Körper. Um es jedoch nicht zu übertreiben, schlüpfte ich noch schnell in ein Hemd, dass über dem Bettpfosten hing. Ich ließ die Knöpfe offen, so das man den BH sehen konnte.

 

Schließlich hüpfte ich auf das Bett und sah ihn heimlich eine Weile an, bevor ich ihm die Erlaubnis gab, sich umzudrehen. Adrian lächelte begeistert und trat an mein Bett heran. Ich legte meine Hand auf seinen Nacken und küsste ihn. Ich spürte wie er das Hemd langsam beiseite schob. Doch ich hielt ihn auf.

 

»Du musst gehen. Meine Eltern sind zu Hause.«

 

Adrian sah mich verwirrt an. »Aber ich dachte, du willst ...«

 

»Ich will dich nur ärgern«, unterbrach ich ihn frech. Ich zog das Hemd aus und schlüpfte unter die Bettdecke.

 

»Das ist deine Rache?«, wollte er wissen und setzte sich an den Bettrand.

 

»Ich bin müde«, rechtfertigte ich mich.

 

»Du hast den ganzen Nachmittag verschlafen.« Adrian zog seine Jacke aus und warf sie auf meinen Schreibtisch.

 

»Was wird das?«, fragte ich überrascht. Ich sah zu wie er seine Schuhe auszog und sich neben mich legte.

 

»Wonach sieht es denn aus?«, antwortete er und legte seinen Arm um mich. »Ich will bei dir sein.«

Eleonoras Augen

 

Ich erwachte in einem Meer aus Rosen. Die blutroten Blumen, es waren sicher mehr als hundert, übersäten mein Bett. Ich setzte mich auf. Die tiefroten Blüten glichen Blutstropfen. Die Dornen waren alle von den Stängeln entfernt worden. Ich hob eine Rose auf und roch an ihr. Der süßliche Duft drang in meine Nase. Adrian war verrückt, war mein erster Gedanke, den ich zu dem Anblick fassen konnte. Ich wusste nicht einmal, wie ich aus dem Bett kommen sollte. Ich begann sorgfältig die Blumen zu Sträußen zusammenzulegen. Ich hatte die Hälfte geschafft, als ich mit den Fingern etwas Hartes berührte. Ich schob die Rosen beiseite und fand eine kleine schwarze Schachtel.

 

Verwundert nahm ich sie an mich. Sie war nicht besonders groß. Neugierig nahm ich den Deckel ab. Zum Vorschein kam ein kleiner Zettel mit den Worten: Du hast den Job. Ich hole dich heute um zehn Uhr zu deinem ersten Arbeitstag ab. Adrian. Ich nahm den Zettel heraus und legte ihn auf meinen Nachttisch. Der Wecker darauf zeigte neun Uhr an. Ich wandte meinen Blick wieder der Schachtel zu. Beim Anblick des restlichen Inhalts, setzte mein Herz kurz aus. Adrian war wirklich verrückt. Auf tiefschwarzem Samt gebetet, lag ein diamantenes Armband. Es glitzerte im trüben Licht majestätisch, wie die Sterne am nächtlichen Himmel. Mit angehaltenem Atem nahm ich es heraus.

 

Ich konnte es unmöglich behalten. Wie viel hatte es wohl gekostet? Dreißigtausend, fünfzigtausend oder vielleicht sogar mehr als sechzigtausend Pfund? Die kalten Steine berührten meine Haut, als ich es anlegte. Es schmiegte sich an meinen Arm, als wäre es extra für mich angefertigt worden.

 

Ich kämmte meine lockigen Haare und sah zufrieden auf die acht Vasen mit Rosensträußen auf meiner Fensterbank. Es war kurz vor zehn und ich wartete darauf das Adrian mich abholte. Ich legte den Kamm beiseite. Ich musste lächeln, als ich auf das Armband auf meinen Arm hinuntersah. Es ergänzte mein Outfit perfekt. Ich trug eine enge schwarze Jeans, ein dunkelrotes Spitzenshirt und eine hellgraue Strickjacke. Im Großen und Ganzen war es nicht zu vornehm, aber auch nicht zu alltäglich. Ich war ein Kindermädchen in einem vornehmen Haus, das hieß: Du sollst dich in deinen Sachen frei bewegen können und dabei aussehen, als gehörst du zu ihnen. Ich warf einen flüchtigen Blick auf mein zerwühltes Bett.

 

Wie lange war Adrian wohl gestern Nacht geblieben? Ich hörte ein Auto vor dem Haus parken. Hastig stand ich auf und zog meinen Parka an, weil der Kaffee getränkte Mantel unten in der Garderobe dringend in die Reinigung musste. Ich eilte die Treppe hinunter und verabschiedete mich im Vorbeigehen bei meiner Mutter.

 

»Wo willst du hin, Laurent?«, fing sie mich an der Haustür ab. Ich wandte mich grinsend zu ihr um.

 

»Ich habe den Job. Adrian, der Sohn von Mr. Asbury holt mich ab.« Es klingelte.

 

»Wann bist du voraussichtlich wieder zurück?«

 

»Ich weiß es nicht. Ich nehme aber an das wir heute über die Arbeitszeiten reden werden. Also dann, bis später,« Ich öffnete die Tür und sah Adrian direkt in die Augen. Er trug überraschenderweise einen grauen Mantel.

 

»Bist du erkältet?«, feixte ich gut gelaunt und schloss hinter mir die Tür.

 

 Adrian sah mich verwundert an. »Wie kommst du den darauf?«

 

»Weil du gestern bei diesem Wetter ohne Mantel rumgelaufen bist.« Ich öffnete die Beifahrertür seines Porsches. »Und heute rennst du sogar mit einem Schal herum.« Adrian startete den Motor.

 

»Ich bin nicht kälteempfindlich, musst du wissen. Ich übersehe es daher manchmal, etwas anzuziehen bevor ich rausgehe.« Bevor er ausparkte, reichte er mir noch einen Kaffee, der im Getränkehalter gesteckt hatte. »Für dich. Ich bin heute extra noch bei Starbucks gewesen, bevor ich dich abgeholt habe.«

Ich nahm den heißen Becher an und dankte Adrian. Ich nahm einen kleinen Schluck von der wärmenden Flüssigkeit.

 

»Wo liegt das Anwesen?«, fragte ich neugierig.

 

»Du bewirbst dich für einen Job und weißt nicht einmal, wo dein Arbeitsplatz ist?« Adrian sah grinsend zu mir herüber. »Ich sollte dich dafür feuern.«

 

Wir fuhren über die Westminsterbridge. Über dem trüben Wasser der Themse hingen vereinzelt Nebelfelder.

 

»Es tut mir leid, dass ich deine Familie nicht gestalkt habe.«

 

»Das fällt nicht unter Stalking, sondern unter informieren«, entgegnete er. »Es liegt am Rande von London. Kennst du die Ortschaft Highgate?«

 

»Natürlich! Das ist die teuerste Wohngegend Londons.« Ich nahm einen Schluck von meinem Kaffee. »Weil wir gerade von teuer reden«, wechselte ich das Thema »Dieses Armband kann ich unmöglich annehmen.«

 

Der Porsche bog in die Straße Richtung Camden Market ein.

 

»Laurent, ich bitte dich. Behalt es als Entschuldigung für den Biss.«

 

»Jetzt fang nicht schon wieder mit diesem Biss an! Hast du eigentlich schon einmal daran gedacht, dass er mir sogar gefällt?«

 

Adrian sah mich ungläubig an. »Du lügst.«

 

Ich musste lachen und warf meine Haare auf meine linke Schulter, sodsas der Biss deutlich zu sehen war. »Ich würde dich nie anlügen.« Adrian schüttelte den Kopf als ich ihm drohte »Ich werde den Biss mit Stolz tragen.«

 

Wir fuhren eine Zeit lang durch die vornehme Wohngegend Highgate. Als wir einen kleinen Wald erreichten, lenkte Adrian den Porsche auf eine Straße, die mehr einem einfachen Weg glich. An einem verwaschenen Stein, der schon von dichtem Efeu überwuchert war, stand Asbury. Das dichte Blattwerk aus dunklem Grün schlug über uns wie ein Dach zusammen. Nach kurzer Zeit erreichten wir unser Ziel. Der Porsche hielt vor einem schmiedeeisernen Tor. Nach wenigen Sekunden öffnete es sich von allein und Adrian parkte den Wagen auf einem großen Vorplatz aus weißem Kies. Das riesige Anwesen lag mit dunklen Fenstern vor mir, umgeben von zwei Meter hohen Steinmauern im Schatten der hohen Bäume. Der dichte Efeu wucherte an den steinernen Mauern empor. Wir stiegen aus. Die Steine knirschten unter meinen Füßen, die bei jedem Schritt etwas einsanken. Die Äste knarrten leise im Wind und gingen fast im Rauschen der wenigen Blätter unter. Das Anwesen wirkte verlassen.

 

»Wirklich sehr einladend«, murmelte ich sarkastisch in Adrians Richtung.

»Das Herrenhaus ist über sechshundert Jahre alt, was erwartest du?«, konterte er lächelnd. »Etwa einen Swimmingpool?«

 

Ich folgte ihm zur Eingangstür, die aus schwerem dunklen Eichenholz bestand. »Um ehrlich zu sein, ja. Ich hätte mir eine moderne Villa vorgestellt.«

 

Wir betraten die Eingangshalle. Auf dem Boden lag ein dunkelroter schwerer Teppich. Ein prachtvoller Treppenaufgang führte nach oben. Die Decke war aus Stuck, das Gelände aus Eichenholz war kunstvoll geschnitzt und ein Kronleuchter hing von der Decke. Die Tapete war dunkelblau und übersät mit lauter winzigen Ranken. Ich konnte gar nicht genug von dem Prunk bekommen, der in jedem Zentimeter des Raumes hervorstrahlte. Jedes Mal wieder fiel ein neues Detail ins Auge.

 

»Mein Vater wartet oben in seinem Arbeitszimmer auf uns.« Ich folgte Adrian die geräumige Treppe nach oben. Wir durchquerten eine Galerie, die mit Sonnenlicht durchflutet war. »Ab hier beginnt der Privatbereich. In diesem Flügel sind die Schlafzimmer, ein Badezimmer und das Arbeitszimmer meines Vaters«, erklärte Adrian. Ohne anzuklopfen, öffnete er eine Tür auf der rechten Seite. »Laurent ist hier«, kündigte er mich bei seinem Vater an.

 

Ich trat zögerlich ein, da in dem Raum nicht nur Mr. Asbury war. Zwei weitere Personen stand schweigend neben seinem Schreibtisch.

 

Der eine, um die dreißig, war ziemlich groß und wandte seinen Blick zu Boden, als ich eintrat. Der zweite, ein Junge um die siebzehn, mit lockigen dunklem Haar und hellgrünen Augen starrte mich abweisend an. Mr. Asbury erhob sich aus seinem Sessel und begrüßte mich.

 

»Laurent, ich bin froh, dass du so kurzfristig anfangen konntest«, fügte er noch hinzu ehe er mir die beiden schweigenden Gestalten vorstellte. »Stephan Harrison ...«, er deutete auf den großen Mann, »ist meine helfende Hand. Falls du mich einmal nicht finden kannst, wende dich an ihn.« Stephan nickte zustimmend. »Und das ist Sebastian Cartwright, einer meiner Adoptivsöhne und Leiter der finanziellen Abteilung der Bank.«

 

 Ich war überrascht. Sebastian sah viel zu jung aus, um überhaupt irgendeinen Job auszuüben. Außerdem fiel mir auf, dass weder Adrian noch Sebastian den Nachnamen Asbury trugen. Da ihr Vater einer meiner Adoptivsöhne gesagt hatte, fing ich an zu zweifeln, dass Adrian sein leiblicher Sohn war. Aber das unnatürliche Blau der Augen ließ mich stutzig zurück.

 

Sebastian murmelte nur ein unfreundliches Hallo und verließ dann den Raum. Er schien nicht gerade begeistert über meine Anwesenheit zu sein. Als man seine Schritte nicht mehr hören konnte, entschuldigte sich Mr. Asbury für sein Benehmen. »Sebastian ist zwar zu den meisten Menschen unfreundlich, aber dafür sehr ehrgeizig.«

 

 Adrian schmunzelte über die Worte seines Vaters. »Du versuchst nur das Wort Egoist zu umschreiben.« Mr. Asbury ignorierte seine Bemerkung und bot mir etwas zu trinken an. Doch mitten in der Frage brach er ab und sah entsetzt Richtung Tür. Ich wandte mich im selben Moment wie Adrian um.