Die große Wildkräuter-Kochschule - Susanne Hansch - E-Book

Die große Wildkräuter-Kochschule E-Book

Susanne Hansch

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Beschreibung

Wildkräuter haben tolle Aromen, sind natürlich, supergesund, bio, regional, ressourcenschonend und dann auch noch gratis. Es will aber gelernt sein, sie gekonnt und genussvoll zu nutzen, sonst wird es schnell mühsam oder wenig schmackhaft. In ihrer einzigartig bebilderten Wildkräuter-Kochschule zeigt die Bestseller-Autorin, wie essbare Wildpflanzen unkompliziert und lecker in die eigene Alltagsküche einbezogen werden: clever sammeln, schonend transportieren, richtig putzen, köstlich zubereiten. Mit vielen Tipps und Tricks für die Küche, 180 klassischen und neuen Rezepten aus aller Welt und über 60 Wildpflanzen in detailreichen Porträts.

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Seitenzahl: 310

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Susanne Hansch

Die große

WILD KRÄUTERKOCH SCHULE

PFLANZENWISSEN, KÜCHENPRAXIS

UND 180 WILDE REZEPTIDEEN

INHALT

Einige Worte vorab

Die Wildkräuter-Kochschule

WILDPFLANZEN SAMMELN

Sammeln mit Bedacht

Gute Orte zum Sammeln

Gute Zeiten – schlechte Zeiten

Der Sammelkalender

[ SPEZIAL ] Meine liebsten Wildkräuter

Die „wilde“ Werkzeugkiste

[ SPEZIAL ] Selber machen: Bienenwachstücher

Sammeltipps

Verschiedenene Pflanzenteile richtig ernten

DIE WILDKRÄUTER

Ab in die Botanik!

[ SPEZIAL ] Pflanzen bestimmen mit allen Sinnen

Die Pflanzenporträts

Wildpflanzen von A bis Z – aus vielen Familien

Doldenblütler – Sellerie- und Möhrenverwandte

Knöterichgewächse – Rhabarber- und Buchweizenverwandte

Korbblütler – Salat- und Artischockenverwandte

Kreuzblütler – Kohl- und Rettichverwandte

Lippenblütler – Thymian- und Rosmarinverwandte

Schmetterlingsblütler – Bohnen- und Erbsenverwandte

IN DER KÜCHE

Gesammelte Wildkräuter frisch halten

Waschen oder nicht waschen?

Die Wildkräuter schälen und schneiden

Wilde Vorräte

[ SPEZIAL ] Blanchieren

[ SPEZIAL ] Microgreens – wildes Grün aus Samen

DIE REZEPTE

EINFACH …

IN SOLCHEN „EINFACH …“-KÄSTCHEN FINDEN SIE DIE EINFACHSTEN UND SCHNELLSTEN REZEPTIDEEN.

An die Töpfe, fertig, los!

„Gebrauchsanweisung“ für die Rezepte

[ SPEZIAL ] Rezepte für Einsteiger

SERVICE

Die Inhaltsstoffe der wilden Pflanzen

Deutsche und botanische Namen der im Buch vorkommenden Wildpflanzen

Literatur und Webseiten

Die Autorin

EINIGE WORTE VORAB

Von der ersten Idee zur Wildkräuter-Kochschule bis zu deren Erscheinen sind doch tatsächlich sieben Jahre vergangen. In dieser langen Zeit hat mich dieses Buch, sei es in Gedanken oder aktiv beim Sammeln, Kochen, Schreiben und Fotografieren, beschäftigt und begleitet. Es war nicht immer leicht, den Faden zu halten, denn längere Unterbrechungen durch Krankheit, Einschränkungen durch die Pandemie und ein erfreuliches Intermezzo namens „Der Giersch muss weg!“ drohten immer mal wieder, ihn zu zerreißen.

Der große Erfolg des Giersch-Buches – es kletterte in der Bestsellerliste von „Spiegel Wissen“ auf Platz 3 und gewann den 1. Preis als Garten-Kochbuch des Jahres 2019 – hat meiner Arbeit an der Kochschule dann aber einen gewaltigen Schub gegeben.

Die nötige Energie haben mir in dieser Zeit auch die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Wildkräuter-Wanderungen und -Kochkurse verliehen. Ihr Interesse und ihre Begeisterung haben in mir immer wieder das wilde Feuer neu entfacht, mich inspiriert und motiviert. Ihnen gilt ein großes „Dankeschön“, verbunden mit einer Entschuldigung, denn nicht immer konnte ich genug Zeit für die gemeinsamen Wanderungen und Kochkurse finden.

Eine weitere ewig sprudelnde Quelle an Kraft waren und sind die wilden Pflanzen selbst.

Sie haben mich im wahrsten Sinne des Wortes auf Schritt und Tritt begleitet, auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, in meinem Garten, beim Wandern und Spazierengehen.

Ihre Genügsamkeit und Vitalität, mit der sie in der kleinsten Spalte und Fuge wachsen, aber auch ihre verschwenderische Üppigkeit, mit der sie Waldränder, Wiesen, Flussufer und jeden neu aufgeschütteten Erdhaufen besiedeln, berühren mich immer wieder tief und motivieren mich stets von Neuem, sie ins allgemeine Bewusstsein zu holen.

Eine dieser Wildpflanzen, die ich besonders liebe, ist der Gute Heinrich. War er früher neben der Brennnessel eine typische, weit verbreitete „Dorfpflanze“, ist er heute kaum noch zu finden. Er ist ein Opfer der zunehmenden Bodenversiegelung in den Dörfern und den landwirtschaftlichen Betrieben. Ein Ausdruck des Bedürfnisses unter anderem nach „Sauberkeit und Ordnung“ ist die Initiative „Unser Dorf soll schöner werden“, die seit 1961 im dörflichen Umfeld den Wildkräutern im wahrsten Sinne des Wortes den Boden entzieht. In Regionen, die noch von der traditionellen Viehwirtschaft geprägt sind, wie etwa Südtirol, hat der Gute Heinrich noch ein Zuhause. Umso größer die Freude, wenn ich ihn in meiner Nähe zufällig in einer vernachlässigten Ecke finde. Dort lasse ich ihn dann weiterwachsen, denn für die Küche habe ich ihn in meinem Garten angesiedelt.

Ich wünsche mir, dass viele Menschen Freude an der Großen Wildkräuter-Kochschule haben und dass sie das Wissen aus diesem Buch nicht für Notzeiten nutzen müssen, sondern für die Bereicherung und Verbesserung der alltäglichen Ernährung mit Wildkräutern. Und es wäre schön, wenn die Wildkräuter-Kochschule dazu beitragen könnte, die Wertschätzung für die vielen Pflanzen wachsen zu lassen, die die Grundlage unseres Lebens sind und die es dennoch so schwer haben, in den Nischen, die wir ihnen lassen, zu bestehen.

DIE WILDKRÄUTER-KOCHSCHULE

Mit meiner Wildkräuter-Kochschule möchte ich die wild wachsenden essbaren Pflanzen und die Menschen, die sich für sie als Lebewesen und als wertvolle Ergänzung unserer täglichen Ernährung interessieren, zusammenbringen.

Richtig gesammelt, schonend in die Küche gebracht und frisch gehalten, vor allem aber lecker zubereitet sind die Wildkräuter eine gesundheitliche und kulinarische Bereicherung. Nicht zuletzt das Erlebnis, selbst Gesammeltes auf den Tisch zu bringen, ist es wert, ihnen ein wenig mehr Aufmerksamkeit und etwas Zeit zu schenken.

Ohne Pflanzen kein Essen

Pflanzen sind die Basis unsere Ernährung. Salate, Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide sind aus unseren Küchen nicht wegzudenken. Wenn es darum geht, die Ernährungsweise zu verbessern, geht es immer darum, ihren Anteil im Speiseplan zu erhöhen und den Anteil von tierischen und denaturierten Produkten zu reduzieren. Dass auch alle tierischen Produkte letztlich auf Pflanzen basieren, muss erwähnt werden, um die wahre Bedeutung der Pflanzen für unser Leben wenigstens anzudeuten.

Die wild wachsenden Pflanzen spielen dabei oft (noch) keine Rolle. Mit diesem Buch möchte ich sie ein wenig mehr ins allgemeine Bewusstsein bringen, denn sie haben ein enormes Potenzial, unsere Ernährung zu verbessern: Sie haben eine höhere Dichte an wichtigen Nährstoffen als unsere gezüchteten Gemüse, bedingt durch ihre Artenvielfalt liefern sie uns auch eine Vielfalt an Inhaltsstoffen, und nicht zuletzt bringen sie neue Geschmäcker in unsere kulinarische Welt.

Ich möchte die „Unkultivierten“ aus dem Schatten holen, in dem viele von ihnen leben müssen. Verunglimpft als Unkraut, verfolgt und oft vernichtet, werden sie in Randbereiche zurückgedrängt, die sie sich oft mit dem Müll unserer Wegwerfgesellschaft teilen müssen. Und das, obwohl sie es sind, die uns über Zehntausende von Jahren ernährt haben, bis wir vor einer vergleichsweise kurzen Zeit anfingen, einige von ihnen anzubauen und ergiebigere Kultursorten zu züchten.

Gewöhnliche Kratzdistel auf einer Baustelle

Doch noch sie sind da, die Wilden, haben in ihren Nischen überlebt und sich immer neue Lebensräume gesucht. Sie haben dabei die Kontinente gewechselt und dafür immer auch die modernsten Verkehrsmittel für ihre Version von Globalisierung genutzt. Einheimische und Zuwanderer, „echte“ Wilde und verwilderte Pflanzen, die irgendwo und irgendwann einmal kultiviert worden waren, wachsen auf unseren Wiesen, in unseren Gärten, in Parks und Wäldern, auf Brachen und an Flussufern, entlang unserer Spazierwege und entlang von Bahnschienen und Autobahnen.

Sie begegnen uns jeden Tag, wir müssen nur hinsehen. Wer einmal damit begonnen hat, sie wahrzunehmen und ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, der kann nicht mehr zurück, der sieht sie überall.

Die Helden dieses Buches: die Wildkräuter

Frei nach Herbert Grönemeyer könnte man fragen: „Wann ist ein Kraut ein Kraaaut?“ Oder weniger tiefgründig: Warum nennen wir manche Pflanzen Un-Kraut? Und verorten sie damit in der Welt des Bösen, wo die Un-Geheuer und die Un-Holde ihr Un-wesen treiben? Stark vereinfacht kann man antworten: Kraut ist erwünscht, also gut, Unkraut ist unerwünscht, also böse.

Und unerwünscht ist es immer dann, wenn es an einer Stelle wächst, wo wir es nicht haben wollen.

Begonnen hat diese Unterscheidung in frühgeschichtlicher Zeit mit dem Ackerbau. Davor gab es einfach Pflanzen, essbare und nichtessbare. Sie wuchsen wild, ohne dass Arbeit nötig war. Die essbaren unter ihnen wurden gesammelt und gegessen. So einfach war das. Erst auf dem angelegten und gepflegten Getreide- oder Gemüseacker wurden diejenigen Pflanzen, die von selbst dort wuchsen, zu „Störenfrieden“, denn sie nahmen den kultivierten Pflanzen Wasser, Nahrung und Licht weg.

Zu Unkräutern werden Pflanzen also, wenn sie nicht an ihrem Platze wachsen, sondern auf den vermeintlich unseren: in unseren Gärten, unseren Gemüse- und Blumenbeeten und auf unseren Feldern.

Wachsen sie im Wald und auf den Wiesen, an den Ufern der Flüsse und Bäche, dann gönnen wir ihnen ihren Platz, ja, dann erwarten wir geradezu, dass sie uns dort eine schöne „natürliche“ Umwelt gestalten, damit wir uns dort erholen können.

Auf unserem Land aber müssen sie weichen, um den Ertrag nicht zu mindern oder die Optik nicht zu stören. Die Methode, mit der sie entfernt werden, ergibt sich aus der gärtnerischen, ja, aus der weltanschaulichen Grundhaltung des Balkon-, Garten- oder Landbesitzers und bewegt sich zwischen radikaler Bekämpfung und Ausrottung durch Gift – mit all ihren Folgen auch für die Täter – und dem Bemühen um friedliche Koexistenz.

Die Bewertung einer Pflanze als „wild“ oder „kultiviert“ hat sich im Laufe der Jahrtausende dabei immer wieder geändert. So werden heute manche Pflanzen als Wildpflanzen bezeichnet, die zu anderen Zeiten angebaut oder zumindest geerntet wurden, weil sie gut essbar sind. Manche von ihnen verraten sich durch ihren Namen. Das sind etwa diejenigen, die das Wort „Kohl-“ im Namen tragen, wie die Kohlgänsedistel oder die Kohldistel. Auch im botanischen Namen kann die Vergangenheit ersichtlich sein, etwa durch den Bestandteil oleraceum, der mit „gemüseartig“ oder „küchengebräuchlich“ übersetzt werden kann. So ist der botanische Name der Kohlgänsedistel Sonchus oleraceus und der der Kohldistel Cirsium oleraceum.

Brennnesseln im Abendlicht

Die Bewertung einer Pflanze kann sich aber auch mit dem Ort ändern, in einem anderen, einem globaleren Sinn. So werden manche Pflanzen in einem Teil der Welt als wertvolle Nahrung betrachtet, woanders dagegen als Unkraut. Zum Beispiel dem Franzosenkraut ist es auf seiner Reise um die Welt so ergangen. In seiner Heimat Kolumbien und Peru wird es als Nahrungspflanze geschätzt, bei uns wird es meist als überaus lästiges Unkraut angesehen.

Das Ringen um Worte

Um die wild wachsenden Pflanzen von ihrem Makel des Bösen und Störenden zu befreien und die Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen, wird heute versucht, ihnen einen „schöneren“ Namen zu geben. Man nennt sie Beikraut oder Acker-Begleitkräuter oder auch Spontanvegetation. Ich persönlich nenne sie aber gerne ganz liebevoll Unkraut, denn dann weiß jeder, von was oder wem die Rede ist, und wichtiger als die Worte finde ich die Haltung, die dahintersteht.

Hier im Buch nenne ich sie „Wildkräuter“ oder „Essbare Wildpflanzen“. Beim Wort „Kräuter“ denkt man sofort an schmackhafte, würzige, gesunde Pflanzen, die unsere Küche bereichern, allerdings ist doch meist im engeren Sinn das Grün der Pflanzen gemeint.

„Essbare Wildpflanzen“ hingegen meinen die ganzen Pflanzen, mit all ihren über- und unterirdischen Teilen.

Warum soll ich Unkraut essen?

Auf diese Frage gibt es eine ganze Reihe guter Antworten:

—Weil uns Unkraut gut nährtWildpflanzen entsprechen in perfekter Weise den Anforderungen einer zeitgemäßen Ernährung, die im Gegensatz zur industriellen, globalisierten Massenproduktion von denaturierten Pseudolebensmitteln steht: Sie sind bio, saisonal und regional im höchstmöglichen Maß. Sie haben eine relativ hohe Dichte an Inhaltsstoffen und decken, wenn wir ihre Vielfalt nutzen, auch den Bedarf an selteneren Inhaltsstoffen, wie zum Beispiel dem Spurenelement Selen. Besser geht’s nicht. Dabei gilt es aber, auf die einzelnen Inhaltsstoffe zu achten, denn manche sind in größeren Mengen oder für bestimmte Gruppen von Konsumenten nicht gesund und können schaden. Hinweise dazu finden Sie im Abschnitt „Die Inhaltsstoffe der wilden Pflanzen“ (Seite 277) sowie bei den einzelnen Pflanzenporträts.

HINWEIS

WILDPFLANZEN HABEN EINE HOHE NÄHRSTOFF-DICHTE, AN DIE SICH UNSER KÖRPER ERST MAL GEWÖHNEN MUSS. FANGEN SIE DAHER MIT KLEINEN MENGEN AN UND STEIGERN SIE DIESE LANGSAM.

—Weil Unkraut uns unser Umfeld wieder näherbringtWenn wir einmal auf die wild wachsenden Pflanzen aufmerksam geworden sind und von manchen sogar den Namen kennen, dann sehen wir sie überall. Wir gehen unsere täglichen Wege mit anderen Augen und entdecken die Wildpflanzen am Straßenrand, auf den Parkplätzen, um die Stadtbäume herum und neben den Glascontainern, denn sie wachsen in jeder kleinen Fuge und Ritze, auf jedem Zentimeterchen Erde, das sie finden können. Sie flankieren auch unsere Spaziergänge und Wanderungen im Urlaub und geben uns, fast egal, wo wir grad unterwegs sind, immer das Gefühl, von Vertrauten umgeben zu sein.

—Weil Unkraut nichts kostet„Was nichts kostet, ist nichts wert.“ Dieses Sprichwort wird hier ad absurdum geführt. Was nichts kostet, ist in diesem Fall viel wert, denn es ist erschwinglich, und zwar für jeden. Wildpflanzen sind damit auch für diejenigen, die wenig Geld haben, eine Möglichkeit, gesünder zu essen. Das Ansehen der Wilden wächst gewöhnlich in Notzeiten, um mit deren Ende leider schnell wieder auf das vorherige niedrige Niveau abzusinken. Ein wenig aber kostet es doch, möchte man die wertvollen Pflanzen nutzen: Es kostet Mühe. Einerseits die – zum Glück – meist Freude bringende Mühe des Sammelns, denn in vielen von uns steckt irgendwie noch immer der alte Sammeltrieb aus der Zeit der Vor- und Frühgeschichte. Es kostet aber auch die Mühe des Lernens. Denn wer Wildpflanzen essen möchte, muss die giftigen und ungenießbaren unter ihnen kennen und auch wissen, welche von ihnen erst durch die Verarbeitung, zum Beispiel durch Erhitzen, verträglich werden.

Vogelmiere unter einem Gartenzaun

Wilde Warenkunde

Beim Kennenlernen der essbaren Wildpflanzen und ihrer Zubereitung zu schmackhaften Rezepten ist dieses Buch ein wertvoller Begleiter. Mehr als 60 Pflanzenarten werden in gut bebilderten Porträts beschrieben, ihre wichtigsten Kennzeichen und ihre typischen Inhaltsstoffe genannt. Weil mit den Pflanzen ja gekocht wird, sind die Charakterisierung des Geschmacks und die Möglichkeiten ihrer Verwendung in der Küche immer Teil der Beschreibung. So erfüllen die Pflanzenporträts den Zweck einer „Warenkunde“. Unter dem Punkt „Leicht zu verwechseln mit“ sind essbare und giftige Pflanzen genannt, die der vorgestellten Art „zum Verwechseln“ ähnlich sehen. Damit eindeutig ist, welche Arten genau gemeint sind, findet sich im Serviceteil dieses Buchs eine Liste mit den botanischen Bezeichnungen aller genannten Pflanzenarten (Seite 281).

Sommerportulak zwischen Betonsteinen

Dieses Buch ist eine Kochschule

Die Große Wildkräuter-Kochschule bündelt das Wissen für die Nutzung der Wildpflanzen als Nahrungs- und Lebensmittel. Neben der „Warenkunde“, also den Pflanzenporträts, werden im Kapitel „Wildpflanzen sammeln“ viele Techniken und Tipps für den „Einkauf“ der wilden Waren vermittelt, will sagen: für das geschickte Sammeln, den schonenden Transport und gut geeignete Methoden zum Frischhalten der Ernte. Im Kapitel „In der Küche“ geht es dann um die Arbeitsschritte vor dem eigentlichen Kochen, etwa dem Putzen und Waschen des Sammelguts. Es enthält Tipps zum Schälen und Zerkleinern der Pflanzen, Methoden, um Samen zu gewinnen, und schließt ab mit verschiedenen Möglichkeiten zur Bevorratung.

Dieses Buch ist ein Kochbuch

Sind Pflanzenwissen und Küchenpraxis der „Kopf“ dieses Buches, so sind die vielen Rezepte sein „Herz“. Ich habe eine Vielfalt neuer Rezepte entwickelt und vertraute Alltagsgerichte und Klassiker „verwildert“. Besonders spannend fand ich es, mich in den Kochtraditionen anderer Länder auf die Suche nach Wildkräuterrezepten zu begeben. Denn, anders als bei uns, werden die wild wachsenden Pflanzen in manchen anderen Ländern noch selbstverständlicher für die Zubereitung von Mahlzeiten genutzt. In der Türkei kommt eine Handvoll Brennnesseln in den Spinat und in Südtirol in die Knödel. Die griechische Chorta ist traditionell ein Mix aus Garten- und Wildgemüse, in Ligurien werden im Frühling wilde Hopfenspitzen für Risotto und Spaghetti gesammelt, und das Franzosenkraut kommt in seinem Heimatkontinent Südamerika, aber auch in Teilen Asiens und Afrikas, die es als Einwanderer erobert hat, ganz selbstverständlich in den Topf. Und wie bei uns gibt es auch in vielen anderen Ländern eine Rückbesinnung auf die Verwendung von Wildpflanzen in der Küche, was sich in einer Vielzahl von Internetseiten niederschlägt. Meine Auswahl der Rezepte ist dabei undogmatisch. Es gibt vegetarische Gerichte und vegane, aber auch Gerichte mit Fleisch und Fisch, denn die wild wachsenden Pflanzen bereichern jede Art zu kochen und zu essen, und ich möchte allen die Küchentür für sie öffnen.

Dieses Buch ist jedoch kein „Heilkräuterbuch“, daher gibt es keine Anleitungen für Tinkturen, Salben oder heilende Tees, und in den Porträts sind die heilenden Wirkungen nicht explizit beschrieben. Natürlich sind die vielen wertvollen Inhaltsstoffe der Wildpflanzen gut für unsere Gesundheit – das ist ja einer der Gründe, warum wir sie ernten – und der Übergang zur „heilenden“ Pflanze ist fließend. Der Fokus der Kochschule aber liegt auf dem Zubereiten vielfältiger, schmackhafter und alltagstauglicher Gerichte mit den gesunden Wildpflanzen.

Eine Pflanze – viele Teile mit eigenem Charakter

Würde eine Pflanze sich nach Richard David Precht fragen: „Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?“, so könnte sie sich im Geiste in die Persönlichkeiten Blätter, Stängel, Blüten, Knospen, Früchte, Samen und Wurzeln aufspalten. All diese Teile haben ganz unterschiedliche Aufgaben, die ihr Aussehen und ihre Beschaffenheit bestimmen.

Die einen sind zart und weich, andere fest und stabil, die einen grün und die anderen farbig, die einen sind wasserhaltig und saftig, die anderen trocken und hart, und sie alle verändern sich im Laufe ihres Lebens.

Jede von ihnen braucht eine Behandlung, die ihrem Charakter und ihren Eigenarten entspricht. In den Kapiteln „Wildpflanzen sammeln“ und „In der Küche“ wird darum immer speziell auf die verschiedenen Pflanzenteile eingegangen, auf die Besonderheiten beim Sammeln, beim Transport und Frischhalten, beim Aufbewahren und bei den Vorbereitungen in der Küche.

Auch der Rezeptteil ist in diesem Sinne nach den verschiedenen Pflanzenteilen gegliedert. So finden Sie schnell und gezielte die Rezepte für die leckere Zubereitung Ihrer wilden Ernte, wenn Sie stolz mit einem Korb voll saftigem wilden Grün, einem Strauß duftender Blüten, einem Döschen voller knackiger Knospen oder einem Beutel, gefüllt mit wilden Wurzeln, nach Hause kommen.

Appetitliche Wiesenbärenklau-Knospen

SAMMELN MIT BEDACHT

Die ersten Schritte auf dem Weg zur leckeren und gesunden Wildpflanzenküche führen uns nach draußen. Hier stellt sich die Frage, wo man sammeln darf und wo nicht und wie viel oder wenig man ernten darf oder sollte, um die Bestände der Wildpflanzen zu schonen und Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

Lebensgrundlage für Tiere

Für uns stellen die essbaren Wildpflanzen eine wunderbare Bereicherung unserer Ernährung und unseres kulinarischen Spektrums dar. Für viele Tiere aber sind sie die Grundlage ihrer Existenz.

Viele Pflanzenarten, zum Beispiel die Brennnesseln, dienen als Futterpflanzen für die Raupen der unterschiedlichsten Schmetterlinge. Pollen und Nektar von Blüten ernähren unzählige Insekten, Samen bilden die Nahrungsgrundlage vieler Vögel und Wurzeln sind Futter für Käferlarven und so manchen Nager.

Pflanzen fungieren aber auch als Jagdrevier, etwa von Marienkäfern und Spinnen, dienen als Unterschlupf und Kinderstube. Beim Ernten ist es darum wichtig, auf Bewohner zu achten und Pflanzen auch mal stehen zu lassen. Bei Blüten hat man manchmal keine Chance, insektenfreie zu finden. In diesem Fall lässt man die Tierchen rauskrabbeln oder schüttelt sie sanft ab.

Ein Drittel ist genug

Die Haltung beim Sammeln von Wildpflanzen ist die der Nachhaltigkeit. Dieser Grundsatz, der im frühen 18. Jahrhundert in der Forstwirtschaft entstanden ist, meint, dass nicht mehr geerntet wird als nachwachsen kann.

In der Welt der Wildpflanzen-Sammlerinnen und -Sammler hat sich als Richtschnur für das nachhaltige Sammeln die „Drittel-Regel“ etabliert: Geerntet wird jeweils höchstens ein Drittel, also maximal ein Drittel einer Vogelmierekolonie, ein Drittel der Blätter einer Bärlauchpflanze oder maximal ein Drittel der Blüten vom Wiesensalbei. Vereinzelt wachsende Pflanzen dürfen stehen bleiben, geerntet wird stattdessen in größeren Beständen der Art, die manchmal gleich um die nächste Wegbiegung stehen. Vor allem bei der Ernte von Wurzeln und Zwiebeln gilt es bescheiden und bedacht zu sein, denn ist die Wurzel geerntet, dann ist die Pflanze weg.

Brennnessel mit Früchten und tierischen Besuchern

Was sagt das Gesetz

Darf man Wildpflanzen in der Natur eigentlich sammeln? Zusammenfassend kann man sagen: Im Prinzip ja, allerdings mit Ausnahme geschützter Pflanzen und bestimmter Orte. Geregelt ist das Sammeln von Wildpflanzen im Bundesnaturschutzgesetz. Laut § 39, Absatz 1 Nummer 2 ist es verboten, …

„wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten.“ Das Sammeln von Wildpflanzen für den persönlichen Bedarf wird vom Gesetzgeber dabei als „vernünftiger Grund“ gewertet. Und so heißt es im Abschnitt 3: „Jeder darf abweichend von Absatz 1 Nummer 2 wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.“ (Den vollständigen Text können Sie in der einschlägigen Webseite nachlesen, siehe Seite 283.)

Die im Gesetz erwähnten „geringen Mengen“ werden oft auch mit dem Wort „Handstrauß“ umschrieben, um dem Sammler eine gewisse Vorstellung von der erlaubten Menge zu geben.

Das Sammeln auf privatem Gelände, also zum Beispiel auf Privatgrundstücken, in Gärten, Äckern und Streuobstwiesen, ist nur mit Genehmigung des Besitzers erlaubt. Auch eingezäunte Bereiche in Wäldern, sogenannte Schonungen, sind tabu.

In gesetzlich geschützten Gebieten, also Naturschutzgebieten, Landschaftsschutzgebieten oder geschützten Landschaftsbestandteilen, darf grundsätzlich nicht gesammelt werden, da das Habitat als Ganzes unter Schutz gestellt ist. Mit eingeschlossen sind hier auch die häufigen „Allerweltspflanzen“ wie Brennnessel oder Löwenzahn. Entsprechende Schilder weisen darauf hin und regeln Details.

Geschützte und bedrohte Arten

Nirgends gesammelt werden dürfen geschützte Pflanzen, die in der Bundesartenschutzverordnung gelistet sind.

Auf den „Roten Listen“ werden diejenigen Arten aufgeführt, deren Verbreitung stark rückläufig ist und die unwiederbringlich zu verschwinden drohen. Die bedrohten Arten sollten darum zum Erhalt der Artenvielfalt nicht gesammelt werden. (Die aktuellen Roten Listen können Sie im Internet einsehen, Webseite siehe Seite 283.)

Hier beginnt ein Naturschutzgebiet.

Un-Orte

Orte, die potenziell durch chemische Gifte belastet sind, sollte man beim Sammeln unbedingt meiden. Das sind vor allem:

— Bahndämme (Metallabrieb, giftige Holzschutzmittel für Bahnschwellen, glyphosathaltige Pestizide)

— Ehemalige Militärgelände (Munition, Kampfstoffe, Altöl)

— Straßenränder (Abrieb von Bremsen, Niederschlag von Abgasen, Motoröl)

— Konventionell bewirtschaftete Äcker (Agrargifte)

— Industrie- und Hafenanlagen (Altöl, Schweröl und andere Gifte).

Zwar nicht giftig, aber doch unappetitlich ist das Sammeln …

— an Gassi-Wegen in Parks und vielgenutzten Spazierwegen

— auf Grünflächen um „Pinkelbäume“, auch wenn die gut gedüngte Vogelmiere hier noch so grün leuchtet.

GUTE ORTE ZUM SAMMELN

Wo kann man gut Wildkräuter sammeln? Im Grunde überall dort, wo die Pflanzen sich wohlfühlen, die richtige Temperatur haben und die richtige Menge an Wasser, Nährstoffen und Licht. Die „richtige Menge“ ist dabei ganz von der Pflanzenart abhängig, denn was die einen üppig wachsen lässt, bringt die anderen um. Oder andersherum gesagt: An (fast) jedem Ort kann man essbare Wildpflanzen finden. Es gibt aber Habitate, in denen die Vielfalt der Arten und die Bestände besonders groß sind.

Der Garten

Ein Garten ist ein wunderbarer Ort für die Ernte von essbaren Wildpflanzen. Ganz von selbst finden sich die essbaren Wilden hier ein, man muss sie nur lassen. Schauen Sie einfach, was sich von selbst ansiedelt, und ernten Sie es zur besten Zeit. So kann man den Löwenzahn bis zur Wurzelerntezeit dort lassen, wo er nicht stört. Die Gänseblümchen sticht man erst im Laufe des Winters aus dem Rasen und die verblühten Triebe von Nachtkerze und Knoblauchsrauke schneidet man, wenn die Samenernte ansteht.

Weitere Wildpflanzenarten lassen sich durch Samen oder junge Pflanzen, sei es gesammelt oder gekauft, leicht ansiedeln. Dabei gilt es auf den richtigen Standort zu achten. Durchsetzungsstarke Pflanzen muss man im Auge behalten und auch mal durch eine größere Ernte in ihre Schranken weisen.

Der „wilde“ Garten der Autorin

Unkraut neben Lauch auf dem Acker der SoLaWiR in Kareth

Äcker und Solawis

Viele unserer Wildkräuter sind klassische Ackerbegleitkräuter. Auf konventionell bewirtschafteten Äckern werden sie immer weniger, doch wo man sie leben lässt, ist die Vielfalt groß. Hier findet man Hirtentäschel, Ackerhellerkraut, Franzosenkraut, Fuchsschwanz, Gänsefuß, Gänsedisteln, Klatschmohn, Rotklee und Vogelmiere. Eine wahre Goldgrube für Wildkräuter sind häufig die sogenannten Solawis (Kurzwort für Solidarische Landwirtschaft), also solidarisch in Gemeinschaften bestellte Äcker und Gemüsefelder, denn hier wird aus Prinzip ökologisch und naturnah gearbeitet. Informieren Sie sich, ob es in Ihrem Heimatort eine Solawi gibt, und fragen Sie einfach, ob Sie Unkraut „ernten“ dürfen – oder machen Sie einfach mit (z. B. hier: www.solidarische-landwirtschaft.org).

Auch Biogärtnereien und Biolandwirtschaften sind eine gute Adresse zum Fragen. Ein weiterer Trend, der zu mehr Lebensraum für essbare Wildpflanzen führt, sind Streuobstwiesen, die allen offenstehen.

Wiesen

Denkt man an die Wiese, denkt man – neben Gras – meist an Blumen und Blüten. Die größte Vielfalt an blühenden Pflanzen bieten die immer seltener werdenden Magerwiesen. In ihnen sind Wiesensalbei, Dost, Echtes Labkraut und der Kleine Wiesenknopf zu Hause.

Auf nährstoffreichen Wiesen, den sogenannten Fettwiesen, fühlt sich der Löwenzahn wohl, aber auch der Wiesenbärenklau.

Sieht man schon von Weitem die grünen Köpfe der Kohldistel aus der Wiese herausspitzen, dann weiß man, dass dort eine Feuchtwiese ist. In ihrer Pflanzengesellschaft wachsen Beinwell und Großer Wiesenknopf.

Rotklee auf der Wiese

Am Ufer und im Wasser

Beinwell und Großer Wiesenknopf siedeln sich auch gerne an sonnigen Wasserläufen an. Hier treffen sie dann auf das Mädesüß, das entlang von Bächen und Gräben wächst und einem ganzen Habitat, der Mädesüßflur, seinen Namen gibt.

An Flussufern nimmt der hohe Japanische Riesenknöterich immer mehr Raum ein, denn er nutzt das fließende Wasser für seine Verbreitung. Er gehört zu den Neophyten, also den „neuen“ Pflanzenarten, die nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus in die „Alte Welt“ eingewandert sind bzw. eingeschleppt wurden.

Bis ins Wasser hinein breitet sich das Bittere Schaumkraut aus, und dies oft teppichartig. Bei ihm ist fast das ganze Jahr über Erntezeit.

Mädesüß am Donauufer

Auwald

Im Auwald ist der Boden stets mehr oder weniger wasserdurchtränkt. Auwälder leben davon, dass das Wasser des Baches oder Flusses, an dem sie sich entlangziehen, immer wieder über die Ufer tritt und sie mit neuen Nährstoffen und Wasser versorgt. Nah am Ufer ist der Lebensraum des Bitteren Schaumkrautes, das gerne nasse Füße hat.

Standorte „in der zweiten Reihe“ werden seltener überflutet, sind aber immer noch feucht und nährstoffreich. Sie stellen eines der ergiebigsten Sammelgebiete dar und weisen eine große Artenvielfalt auf. Hier wachsen Knoblauchsrauke, Giersch, Taubnesseln, Brennnesseln, Wiesenbärenklau, Scharbockskraut, Nelkenwurz, Gundermann und der Wilde Hopfen.

Taubnessel-Blütenteppich im Auwald

Sauerklee am Waldboden

Wald und Waldrand

Im Frühling, vor dem Blattaustrieb der Bäume, findet im Wald das intensivste Wachstum in der „Krautschicht“ statt. Vielerorts prägen Kolonien von weißen Buschwindröschen und hellblauen Leberblümchen das Bild – die beide für uns allerdings giftig sind. Aber auch der leckere Sauerklee hat jetzt Hochsaison. Wenn das dichte Blätterdach dann den Waldboden verdunkelt, sind Waldränder, Lichtungen, bewachsene abgelegene Wege und Wegränder hervorragende Sammelgebiete. Sie sind besiedelt von Großer Klette, Knoblauchsrauke, Taubnesseln, Brennnesseln, Rainkohl, Klettenlabkraut, Beinwell und Wiesenbärenklau. Besonders fruchtbar sind die Gräben entlang der Forstwege, denn hier hält sich die Feuchtigkeit lange. In ihnen wuchern Rossminze, Beinwell und die Kohldistel. In den tiefen Fahrspuren der schweren Forstfahrzeuge, in denen das Wasser durch den verdichteten Boden lange steht, können Waldschaumkraut, Pfefferknöterich und Vogelmiere trockene Zeiten gut überstehen.

Ruderalflächen und Brachen

Ruderalflächen, abgeleitet vom lateinischen Wort ruderalis für „schuttliebend“, und Brachen sind Areale, die nicht mehr genutzt werden. Das können landwirtschaftliche Flächen sein, die sich regenerieren sollen, oder (ehemals) bebaute Grundstücke, die oft schnell verwahrlosen. Solch vergessene Plätze sind großartige Sammelgebiete für Wildkräuter, die hier niemanden stören. Je nach Kleinklima wachsen hier Große Klette, Brennnesseln, Guter Heinrich, Sommerportulak, Wilde Möhre, Franzosenkraut, Fuchsschwanz oder Klatschmohn. Auf brachliegenden Äckern siedeln sich schnell Wildkräuter an, wobei sich deren Zusammensetzung mit der Zeit verändert. Zu finden sind etwa Echtes Labkraut, Malven, Spitzwegerich und Wilde Möhre.

Erdhügel

Eines der interessantesten Habitate von Wildpflanzen sind Erdhügel, wie sie beispielsweise auf Baustellen aufgeschüttet werden. Hier kommen die Pionierpflanzen zum Zuge, deren Samen oft viele Jahre in der dunklen Erde geruht haben, bis sie durch Erdbewegungen ans Licht geworfen wurden. In kurzer Zeit haben Franzosenkraut und Gänsefuß, Gänsedisteln, Windenknöterich und Klatschmohn die Hügel zugewuchert. Leider verschwindet jede Baustelle früher oder später wieder, doch zum Glück entstehen auch immer wieder neue, die nicht abgesperrt und daher frei zugänglich sind.

Ein dicht bewachsener Erdhügel auf einer Baustelle

GUTE ZEITEN – SCHLECHTE ZEITEN

Oft werde ich auf meinen Wildkräuterführungen gefragt, wann denn die beste Tageszeit zum Sammeln sei. Meine Antwort darauf ist: „Machen Sie es sich nicht zu kompliziert und sammeln Sie dann, wenn Sie die Zeit dafür haben. Unsere Tage sind voll mit Verpflichtungen und Terminen, wenn wir auch noch die Ernte der Pflanzen planen müssen, dann werden wir vermutlich bald wieder mit dem Sammeln aufhören.“

Ein paar einfache Punkte gibt es aber doch, die es sich lohnt zu beachten, wenn man die wilden Pflanzen schonend und in guter Qualität sammeln möchte:

DIE WICHTIGSTEN SAMMEL-TIPPS

— FÜR MÖGLICHST VIEL AROMA WÜRZKRÄUTER WIE DOST ODER SALBEI BEI TROCKENEM, SONNIGEM WETTER AM SPÄTEN VORMITTAG SAMMELN, DANN SIND SIE NICHT MEHR FEUCHT VOM TAU, ABER DIE FLÜCHTIGEN ÄTHERISCHEN ÖLE WURDEN DURCH DIE MITTAGSSONNE NOCH NICHT REDUZIERT. VOR ALLEM WENN MAN FÜR DEN JAHRESVORRAT SAMMELT, LOHNT ES SICH, DAS ZU BEACHTEN.

— BLÜTEN WERDEN BRAUN UND FAULEN LEICHT, WENN SIE NASS GEERNTET WERDEN. ES FEHLT IHNEN DANN AUCH AN AROMA. DARUM NACH DEM REGEN ODER DEM MORGENTAU WARTEN, BIS SIE ABGETROCKNET SIND.

— BEI WÜRZKRÄUTERN UND BLÜTEN, DIE MAN WEGEN IHRES AROMAS SAMMELT, IDEALERWEISE NACH ZWEI BIS DREI SONNIGEN TAGEN ERNTEN, DANN SIND MEHR AROMATISCHE INHALTSSTOFFE ENTHALTEN.

— BEI GROSSER HITZE ZU SAMMELN IST PROBLEMATISCH, DA DIE PFLANZEN, SOBALD SIE ABGESCHNITTEN SIND, SEHR SCHNELL SCHLAPP MACHEN. WENN ES ZEITLICH NICHT ANDERS GEHT, DIE ERNTE RASCH IN FEUCHTE TÜCHER WICKELN.

— NITRATHALTIGE PFLANZEN WIE GÄNSEFUSS ODER BRENNNESSELN NICHT BEI LÄNGER BEDECKTEM HIMMEL ODER REGNERISCHEM WETTER SAMMELN, SONDERN AN SONNIGEN TAGEN. DANN IST IHR NITRATGEHALT GERINGER.

Das ganze Jahr ist Wildkräutersaison

Der Frühling gilt als die Hoch-Zeit der Wildkräuterernte, denn überall sprießen junge, zarte und nährstoffreiche Wildkräuter. Doch auch alle anderen Jahreszeiten haben ihre Highlights.

Noch im Frühling bilden viele Pflanzen ihre Triebe mit Knospen aus, die etwas später den Frühsommer in ein Blütenmeer verwandeln, während die frostempfindlichen Pflanzen wie Gänsefuß und Fuchsschwanz jetzt durch die zunehmende Wärme keimen und viel wildes Grün bilden. Mit dem Hochsommer reifen dann die Früchte heran und bald darauf beginnt die Samenernte. Der Herbst läutet die Erntezeit für die Wurzeln ein, die jetzt prall gefüllt sind mit Speicher- und Nährstoffen.

An frostfreien Tagen ist auch der Winter Erntezeit für Wurzeln. Letzterer hat aber auch erstaunlich viel Grünes zu bieten, denn einige Arten überwintern mit grünen Blättern. Zudem erscheinen im Zuge des Klimawandels die Frühjahrsboten oft schon in den kalendarischen Wintermonaten. Im Jahr 2022 habe ich die ersten grünen Blättchen des Scharbockskrautes bei mir in der Oberpfalz, die nicht grad zu den mildesten Gegenden Deutschlands zählt, bereits im Januar gesehen. So wird der Winter wohl bald der neue Frühling sein.

Scharbockskraut im Januar

DER SAMMELKALENDER

Jede Pflanzenart hat ihren eigenen Wachstumsrhythmus. Er ist genetisch bestimmt und wiederholt sich Jahr für Jahr. Wetter und Klima beeinflussen den Rhythmus, verlangsamen ihn oder schieben kräftig an. Und da das Klima regional sehr unterschiedlich ist, variiert auch der Zeitpunkt von Austrieb, Blüte und Samenreife entsprechend. Auch durch die globale Klimaveränderung kann es in den nächsten Jahren durchaus Schwankungen von zwei bis drei Wochen nach vorne oder hinten geben, wie wir es im Zeitraum 2018–2022 erlebt haben. Dennoch gibt der Sammelkalender auf den folgenden Seiten eine zeitliche Orientierung, was in den verschiedenen Jahreszeiten gesammelt werden kann.

Bei allen Pflanzen werden die Erntezeiten für die unterschiedlichen Pflanzenteile angegeben. Die Daten dafür stammen aus den einschlägigen Wildkräuterbüchern (siehe Literatur, Seite 283), ich habe sie noch durch Daten aus eigener Beobachtung ergänzt. Berücksichtigt habe ich auch Erntefenster, die sich durch neue Pflanzengenerationen öffnen. Dennoch erhebt diese Tabelle keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Es geht noch mehr

Auch außerhalb der im Kalender angegebenen Sammelzeiten kann man von vielen der dort genannten Wildpflanzen etwas ernten.

Wiesen und Parks, Weg- und Waldränder werden einmal oder mehrfach im Jahr gemäht. Nach jeder Mahd treiben viele Pflanzen neu aus. So kann man etwa von den Brennnesseln bis in den späten Herbst junge Spitzen pflücken und zur gleichen Zeit an anderer Stelle die reifen Früchte von kräftigen Stängeln abstreifen.

Bei manchen Arten, wie den Gänsedisteln, bilden sich bei blühenden Pflanzen in den Blattachseln zarte Seitentriebe, und im Spätsommer und Herbst wächst oft eine neue Generation junger Pflanzen heran. Frisch ausgetriebene Gänsedisteln, Rainkohl und Hirtentäschel stehen dann oft direkt neben den Senioren ihrer Art.

Die Sammeluhren

In den Pflanzenporträts wird eine ganze Reihe schmackhafter Wildpflanzen ausführlich vorgestellt (ab Seite 58). Für jede von ihnen werden die Sammelzeiten für die verschiedenen Pflanzenteile anschaulich in einer

„Sammeluhr“ dargestellt.

Legende zum Sammelkalender und zu den Sammeluhren

junge Pflanzen

Früchte und Samen

Wurzeln und Zwiebeln

MEINE LIEBSTEN WILDKRÄUTER

Ich freue mich auf jede Jahreszeit, denn jede von ihnen hat köstliche Wildpflanzen zu bieten. Folgen Sie mir durchs Jahr. Frühling, Sommer und Herbst sind jeweils in eine Früh-, Hoch- und Spätphase unterteilt, angelehnt an den phänologischen Kalender, nach dem eine Jahreszeit beginnt, wenn bestimmte Pflanzen erscheinen. Für jede der zehn phänologischen Jahreszeiten verrate ich Ihnen meine Favoriten, dabei wechselt der Fokus im Jahreslauf von Blättern über Triebe zu Knospen und Blüten, Früchten und Samen bis letztlich zu den Wurzeln.

Klettenlabkraut im Winter

Winter

Unsere Winter werden immer milder. Die Pflanzen, die uns bisher den Beginn des Frühlings angezeigt haben, sind immer öfter auch schon in den Wintermonaten zu finden.

Die zarte Vogelmiere [1] ist erstaunlich robust und wächst auch im Winter. Auch die Rote Taubnessel [2] und das Gänseblümchen [3] halten der Kälte stand, ja, die Taubnessel blüht jetzt manchmal sogar schon. Ihre Verwandte, die Goldnessel [4], ist eine typische „Wintergrüne“. Das Hirtentäschel [5] versorgt uns in der kalten Zeit mit Vitamin C und antibakteriellen Senfölen.

Vorfrühling

Das Scharbockskraut [1] ist für mich die typische Vorfrühlingspflanze. Inzwischen erscheint sie auch schon mal im Dezember oder Januar. Dann keimt auch der Efeublättriger Ehrenpreis [2], um offene Stellen bald völlig zu bedecken. Die Knoblauchsrauke [3] treibt nach ihrer Winterruhe frische Blätter. In milderen, frostfreien Phasen wachsen auch das Waldschaumkraut [4] und das Klettenlabkraut immer ein wenig weiter [5 und großes Bild links].

Erstfrühling

Frische Triebe und erste duftende Blüten prägen den Erstfrühling.

Wilder Hopfen [1] und Riesenknöterich [2] sind zwei der absoluten Wildpflanzen-Köstlichkeiten, der Bärlauch ist einer der bekanntesten [großes Bild rechts]. Der würzige Gundermann [3] zeigt sich von seiner bunten Seite und ähnelt in der Farbe dem Echten Veilchen [4], das uns mit seinen entzückenden Blüten, vor allem aber mit seinem wunderbaren Duft endgültig im Frühling ankommen lässt.

Vollfrühling

Der Höhepunkt des Frühlings, der Vollfrühling, wird deutlich markiert von den gelben Blüten des Löwenzahns [1]. Die Brennnesseln [2] sind jetzt zu stattlichen Pflanzen herangewachsen, und wie beim Giersch [3 und großes Bild rechts] beginnt nun die Haupterntezeit ihrer Blätter, während die Knoblauchsrauke [4] schon ihre knospigen Triebe Richtung Sonne schiebt. Auch der Spitzwegerich [5] lockt jetzt mit zartem, üppigem Grün. In den Buchenwäldern schickt sich der Waldmeister [6] an, in Blüte zu gehen – höchste Zeit, das aromatische Kraut zu ernten.

Bärlauch und Giersch

Frühsommer

Die Eisheiligen sind vorbei – oder ausgefallen – und jetzt wagen sich auch die Wärme liebenden Pflanzen ans Licht. Gänsefuß [1] und Fuchsschwanz [2] beginnen mit der Entwicklung ihrer saftigen, ergiebigen Blätter. Bei Giersch [3], Klette [4] und Wiesenbärenklau [5] hingegen ist jetzt die Zeit, Stängel und Knospen auszubilden, und die Ernte dieser Köstlichkeiten kann beginnen. Die Walderdbeere [6] ist schon ein Stück weiter, denn bei ihr sind schon die leuchtenden aromatischen Früchtchen erntereif.

Hochsommer

Jetzt blüht es überall und in allen Farben. Der leuchtend rote Klatschmohn [1] zeigt auch dem Letzten, dass der Sommer da ist. Das Mädesüß [2] blüht entlang von Ufern und in Gräben, Dost [3], Echtes Labkraut [4] und Wilde Möhre [großes Bild rechts] blühen auf den sonnigen Magerwiesen. Auch die Nachtkerze [5] liebt es sonnig, öffnet ihre Blüten aber erst am Abend. Die Früchte der Brennnessel [6] und der Knoblauchsrauke [7] reifen nun heran. Sie stehen am Anfang der Sammelzeit für Samen, die bis in den späten Herbst dauern kann.

Wilde Möhre

Spätsommer

Die Samen der Wilden Möhre [1] sind mein Highlight im auslaufenden Sommer, aber auch die Samenkapseln vom Klatschmohn [2] und die Dolden der hocharomatischen Pastinake [3] kommen in den Sammelkorb. Die Wilde Malve [4] bietet noch Gelegenheiten zum Sammeln bunter Blüten. Der Sommerportulak [5] hat sich in der Sommerwärme kräftig entwickelt und sorgt zusammen mit der Wegmalve [6], die jetzt noch mal üppig wächst, für gesundes wildes Grün.

Frühherbst

Die Samenernte geht im Frühherbst mit den Samen von Breitwegerich [1] und Weißem Gänsefuß [2] weiter. Das Ackerhellerkraut [3] trägt nach dem Sommer viele saftige Schoten zum Frischessen oder zum Trocknen für die Samengewinnung. Es beginnt nun die Zeit der Wurzelernte, die bis ins Frühjahr dauern wird. Die Wilde Möhre [4] und die Gänsedisteln [5] sind gute Kandidaten, um damit zu beginnen. Bei beiden kann auch das zarte Grün geerntet und in der Küche genutzt werden.

Vollherbst

Der Höhepunkt des Herbstes zeigt sich auch von seiner grünen Seite. Das Franzosenkraut [1] hat seinen letzten Wachstumsschub für dieses Jahr, seine Samen werden den Winter im Boden überdauern. Mit grünen Blättchen überwintert der Rainkohl [2 und Bild Seite 34]. Bis der harte Frost beginnt, kann man an schattigen, feuchten Stellen auch wieder die kressescharfen Rosetten des Waldschaumkrautes [3] mit nach Hause nehmen. Auch nach Samen kann man noch Ausschau halten. Luzerne [4], Fuchsschwanz [5] und Nachtkerze [6] reifen jetzt aus.

Spätherbst

Jetzt wird es kühl und feucht. Rostpilze und Mehltau zeigen an, dass die Zeit des Grüns für viele Pflanzen vorbei ist. Es ist Zeit, sich auf das Erdreich zu konzentrieren. Jetzt sind es vor allem die Wurzeln, die geerntet werden. Die Auswahl ist groß. Meine Lieblingswurzel ist die Nelkenwurz [1], von der ich immer einen Jahresvorrat ernte. Aber auch die scharfen, weißen Wurzeln der Knoblauchsrauke [2] nehme ich gerne mit. Für herbstliche Gemüsegerichte eignen sich Löwenzahn- [3], Gänsedistel- [4] und Nachtkerzenwurzeln [5]. Die „Harten“ unter den Wildpflanzen bereiten sich auf das Überwintern vor. Sie schließen die Versorgungslücke mit frischem Grün zumindest an schneefreien Tagen.

Junger Rainkohl im späten Herbst

DIE „WILDE“ WERKZEUGKISTE