Die großen Western 128 - Duff Howard - E-Book

Die großen Western 128 E-Book

Howard Duff

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). "Wir hätten das nicht allein tun sollen", meldet sich der alte Horseshoe Niggels heiser. "Das ist zu gefährlich." Don Kent sieht sich nur kurz um. "Halt den Mund", sagt er finster. "Was gefährlich ist, bestimme ich hier." Horseshoe schweigt, weil es doch keinen Sinn hat, etwas zu sagen, wenn sich Don Kent etwas vorgenommen hat. Was er jetzt aber tun will, das ist wirklich gefährlich. Man könnte das Einbruch nennen.

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Die grossen Western –128–

Todesstaub

Roman von Duff Howard

»Wir hätten das nicht allein tun sollen«, meldet sich der alte Horseshoe Niggels heiser. »Das ist zu gefährlich.«

Don Kent sieht sich nur kurz um.

»Halt den Mund«, sagt er finster. »Was gefährlich ist, bestimme ich hier.«

Horseshoe schweigt, weil es doch keinen Sinn hat, etwas zu sagen, wenn sich Don Kent etwas vorgenommen hat. Was er jetzt aber tun will, das ist wirklich gefährlich. Man könnte das Einbruch nennen.

Kent bückt sich am Bachufer. Dann knetet er einen Klumpen Lehm und hebt ihn hoch. Die Finger dreckig, einen entschlossenen Zug um den Mund, legt Kent die drei Schritte bis an den Stall zurück. Dort presst er den Klumpen Lehm gegen die Scheibe des Stallfensters.

»Hör zu, Horseshoe«, sagt er dabei finster. »Wenn jemand die Tür von innen verriegelt und dazu noch abschließt, dann muss man durch das Fenster einsteigen. Und damit man keinen Lärm macht, presst man Lehm gegen die Scheibe. Danach zerschlägt man das Glas.«

Während er redet, pappt er den Lehm sauber vor die Scheibe. Schließlich zieht er mit schmutzigen Fingern seinen Colt, nimmt den Kolben und schlägt.

Im Lehm klafft nun ein Loch. Man kann die Dunkelheit des Stalls ahnen und den Geruch nach Pferdemist einsaugen, der aus dem Loch dringt.

Don Kent nimmt sein Halstuch ab, und Horseshoe Niggels beobachtet den Jungen mit wachsendem Staunen. Wenn Don Kent auch erst zwanzig Jahre wird, er benimmt sich wie ein alter Einsteigdieb, für den ein Fenster das geringste Hindernis bedeutet.

»Na?« Kent grinst. Er wickelt ein Tuch um die Hand und bricht die Fensterscheibentrümmer heraus. »Was sagst du jetzt, Alter?«

Horseshoe Niggels sperrt nur den Mund weit auf. Dann schiebt er sich den Hut nach hinten und murmelt: »Hol’s der Teufel, wer hat dir das beigebracht?«

»Na, soll ich weniger können als mein großer Bruder?«, knurrt Don gereizt. »Der kann das alles. Ich mache heute mal selbst was, klar?«

Das Herausbrechen des Glases ist eine Arbeit von drei Minuten. Danach greift Kent mit der Hand durch das Loch, findet den Fensterriegel und öffnet das Fenster.

»He, hilf mal«, zischelt Kent. »Aber halte mich fest. Ich weiß nicht, wie tief es innen heruntergeht. Vielleicht steht auch ein Wassereimer oder sonst etwas unter dem Fenster, was? Dann mache ich noch Lärm.«

»Du hast den Teufel im Bauch, Kid«, japst der Alte. »Das geht nicht gut. Du kannst nicht einfach …«

»Ich brauche meinen großen Bruder Joe dazu nicht, wirst es sehen«, versichert Don Kent. »Was ich haben will, das hole ich mir selbst, verstanden? Pack mich schon an den Hüften und stemme mich hoch. Und dann halt fest.«

Horseshoe Niggels schüttelt den Kopf, gehorcht aber. Er hebt Don hoch. Der Junge schiebt die Beine durch das Fensterloch, rutscht langsam innen abwärts und wird von Horseshoe gehalten. Einmal poltert es leicht. Sie zucken beide zusammen. Doch im Hof und im Haus rührt sich nichts. Lediglich die Geräusche der Stadt dringen bis zu ihnen hin.

»Ist was, Horseshoe?«, flüstert Kent etwas erschrocken. »Rührt sich jemand im Haus?«

»Nichts, alles ruhig. Soll ich dich loslassen?«

»Ja. Ich stehe.«

Es schabt gleich darauf im Stall, dann knackt es. Der alte Horseshoe steht draußen und lauscht zum Haus hinüber, bis es an der Tür schurrt.

Er hat den Teufel in den Adern, denkt Horseshoe beklommen. Wenn Joe davon hört, zieht er ihm das Fell über die Ohren. Wäre Joe hier, nun gut, aber allein?

Einen Moment knarrt es an der Tür, dann klickt etwas. Und die Tür geht auf.

»Komm herein«, sagt Kent kichernd. »So leicht hätte ich es mir nicht vorgestellt. Die schlafen doch, die Narren, was? Man könnte ihnen alles stehlen, wetten?«

Der alte Horseshoe sagt nichts. Er tastet sich in den dunklen Stall und sieht dann vorn die beiden Fenster. Durch sie fällt matt das Licht in den Gang zwischen den Boxen.

»Hier sind Decken«, kommt Don Kents Stimme irgendwoher aus der Finsternis. »Warte mal, bleib stehen. Ich hänge sie vor die Fenster. Dann sehen sie nichts, wenn sie doch mal aufwachen und zum Stall blicken.«

»Kid, du bringst dich noch mal hinter Gitter«, murmelt der Alte warnend. »Willst du etwa Licht machen?«

»Kann ich sonst etwas sehen?«, erkundigt sich Don Kent spöttisch. »Ich sage dir, ich finde alles allein, ich brauche Joe nicht.«

Es knirscht gleich darauf vorn, etwas schabt an der Wand entlang und schlägt dumpf gegen sie.

Das helle Viereck des einen Fensters gleicht sich wenig später dem dunklen Umriss der Wand an. Keine zwei Minuten darauf hat Kent auch das zweite Fenster zugestopft und lacht leise, als er ein Streichholz anreißt und die Flamme den Gang zwischen den Boxen beleuchtet.

»Da ist ja eine Laterne.«

»Du bist verrückt«, stößt der Alte, entsetzt über so viel Unverfrorenheit, heraus. »Wenn ein Lichtschimmer aus den Türritzen fällt und Baines merkt was, gibt es Ärger.«

Kid Kent steckt die Laterne an und hält sie hoch. Dann sieht er sich im Stall um.

»Die Pest, nichts zu finden. Horseshoe, was sagst du dazu?«

»Ich hab es geahnt«, sagt der Alte unterdrückt. »Lass uns verschwinden. Morgen früh entdecken sie die zerschlagene Scheibe. Wenn sie wirklich …«

Kent bleibt plötzlich stehen. In diesem Augenblick wirkt er auf den alten Niggels wie ein Mann, der einen Geist gesehen hat.

»Da«, sagt Kent heiser und zu laut. »Alle Teufel, was ist das?«

Er leuchtet den Boden an, geht dann Schritt für Schritt auf eine Holztür zu und macht sie auf. In der nächsten Sekunde fällt der Laternenschein in einen Anbau des Stalls und auf zwei Pferde.

»Na?«, fragt Kent mit vor Zorn heiserer Stimme. »Und was ist das hier, Horseshoe?«

Der alte Pferdezureiter der Kent Ranch bleibt mit offenem Mund und aufgerissenen Augen neben der Tür stehen. Er braucht gar nicht erst nach dem Brandzeichen der Pferde zu sehen, er kennt seine Pferde schließlich.

In dem Anbau des Stalls stehen der Fuchswallach und der Grauschecke.

Der Kid, dieser Teufelsbraten, denkt Horseshoe Niggels verstört, das hätte ich nicht gedacht. Die Spur war doch schon vier Tage alt. Sieh einer den Jungen an. Hat von seinem großen Bruder nicht nur die Wildheit geerbt. Vier Tage sind wir herumgeritten und haben überall nachgefragt, herumgeschnüffelt wie zwei Spürhunde, und er hat zuletzt doch die richtige Idee gehabt. Alle Teufel, da stehen unsere Pferde.

»Habe ich es dir nicht gesagt?«, hört er Kid Kent tuscheln. »Wenn eine Spur zur Grenze führt und löst sich plötzlich in Luft auf, dann ist man mit zwei gestohlenen Gäulen niemals über die Grenze entwischt, klar? Die Kerle haben sie hier verkauft und gleich Geld bekommen. Ich halte jede Wette, dass Baines sie erst umbrennen wollte, ehe er sie in den Handel brachte. Man muss nur wissen, welcher verdammte Pferdehändler krumme Geschäfte macht, siehst du, Horseshoe?«

Er hat recht behalten, der Kid. Eigentlich ist es seine Schuld, dass man die beiden Pferde aus dem Corral der Ranch gestohlen hat. Schließlich waren nur Horseshoe und Don auf der Ranch geblieben. Und hätte der Junge nicht geschlafen, statt zweimal in der Nacht seine Runde zu machen, würde er den Diebstahl verhindert haben.

»Baines, ich werde verrückt«, zischt Horseshoe leise. »Kid, der Kerl kennt Joe doch schließlich und würde sich hüten, ausgerechnet Joes Pferde anzukaufen.«

»Na und?«, fragt Don Kent grimmig. »Meinst du, er weiß nicht, dass Joe alle Hände voll zu tun hat, eine Mannschaft für den Viehtrieb zusammenzubringen und die Herde aufzutreiben? Der weiß genau, dass Joe nicht zu Haus, sondern dauernd unterwegs ist. Folglich kann Joe auch keine Pferdediebe verfolgen. Für Baines bin ich nur ein Junge, was?«

»Natürlich bist du für alle Leute nur der kleine Don Kent. Vor deinem großen Bruder rennen sie weg.«

»Mir traut keiner etwas zu.«

»Was willst du nun machen?«

Kid Kent streicht sich das blonde Haar zurück. Er ist nicht groß, der Junge, er ist mehr nach seiner Mutter geraten. Aber er hat diesen harten Zug um den Mund, der seinem Vater und seinem älteren Bruder angeboren ist, blickt den alten Horseshoe an.

»Was ich machen will?«, fragt Don Kent grimmig. »Ich werde diesen verdammten Halunken Baines fragen, und das gleich!«

»Kid, er ist im Haus, er schläft sicher.«

»Na und?«, knirscht der Kid. »Dann mache ich den Kerl munter. Und seinen Gehilfen, den Bullen Charlie Long, gleich dazu. Hast du etwa Angst, Horseshoe?«

»Kid, wir könnten den Sheriff …«

Kid starrt ihn an wie einen Narren.

»Was? Seit wann braucht ein Kent einen Sheriff? Los, gehen wir hinten raus, Horseshoe. Baines soll seinen Spaß bekommen. Der kauft nie wieder einen von unserer Weide gestohlenen Gaul, das verspreche ich dir.«

Genauso, denkt Horseshoe, hätte Joe gesprochen, und nicht anders ihr Vater.

Don schnappt sich Baines auch ohne Hilfe.

*

Horseshoe Niggels zieht sich Sprosse für Sprosse die Leiter höher. Über ihm steht der eine Fensterflügel offen. Und aus dem Fenster dringt das Geschnarche eines Mannes.

Über Horseshoe hakt Don Kent in diesem Moment den Fensterriegel hoch. Ganz sacht lässt er den Riegel sinken. Dann zieht er den Fensterflügel ganz auf und sieht sich nach dem Alten um. Kid Kent winkt einmal kurz. Er neigt sich jetzt über das Fensterbrett in den Raum, aus dem das Geschnarche des Mannes kommt und tastet an der Wand entlang. Doch hier steht kein Stuhl. Lautlos – sie haben beide die Stiefel ausgezogen – zieht sich Kent dann über das Fensterbrett.

Du Hundesohn, denkt Kent voller Grimm, schnarch nur. Wenn du aufwachst, wirst du reden. Im vorigen Jahr haben sie uns zwei Braune abgetrailt, und ich möchte wetten, du hast die auch gekauft, denn da war Joe unterwegs nach Norden. Bildest du dir ein, ich könnte nicht auch eine Fährte verfolgen?

Kents Augen haben sich an die Dunkelheit des Raumes gewöhnt. Kaum hat Kent das Fußende des Bettgestells erreicht, als er irgendein schabendes Geräusch im Geschnarche zu hören glaubt. Blitzschnell sieht er hoch.

Baines muss Schlafwandler sein, denkt Kent entgeistert. Was, zum Teufel, macht ein schlafender Hehler mit der Hand an der Nachttischschublade? Der Kerl zieht ja die Schublade auf und greift hinein. Er wird doch nicht etwa einen Revolver nehmen?

Don Kent springt mit einem wilden Satz los. Er macht es keine Sekunde zu spät.

Baines Schnarchkonzert verstummt jäh. Der dicke, große Kerl im Bett ist aufgewacht, hat irgendetwas bemerkt und schon die Hand in der Schublade. Als Kent auf den Nachttisch zufliegt, reißt der dicke Baines auch schon das Maul auf und brüllt los, während er versucht, die Hand aus der Schublade zu bekommen.

»Charlie! Hilfe, Einbrecher! Charlie, komm schnell!«

Don sieht nur den nackten Unterarm des dicken Mannes, denkt an den Revolver und springt. Im nächsten Moment prallt Kent mit vorgestreckten Händen gegen die Schublade. Das Ding fährt wieder in den Nachtschrank und klemmt dabei Baines Unterarm ein. Aus Baines Mund dringt nun kein Hilfeschrei mehr, sondern ein infernalisches Geheul.

Brüllend versucht Baines, sich herumzuwälzen. Seine linke Hand greift nach dem schlanken Kid Kent, doch in diesem Augenblick stürzt Horseshoe auf das Bett zu. Horseshoe weiß genau, dass Charlie Long unten im Haus schläft.

»Die Pest«, knirscht Horseshoe. Er wirft sich über das Bett und packt das Bettzeug, um es über Baines Kopf zu pressen und den Kerl am Gebrüll zu hindern. Kaum aber landet Horseshoe auf dem alten, wurmstichigen Bettgestell, als es einen donnernden Krach gibt.

Horseshoe spürt noch, dass das Bett unter ihm nachgibt. In der nächsten Sekunde donnert er mit dem urig brüllenden Baines zu Boden.

Es gibt ein Gepolter, als fiele das Haus um. Baines wird nach rechts geschleudert und reißt dabei den Nachtschrank mit. Seine Hand lässt den Kolben des Revolvers fahren. Der Schmerz jagt durch sein Handgelenk, die Haut wird ihm aufgeschrammt. Und während er die Hand aus dem umgestürzten Nachtschrank reißen kann, schleudert Horseshoe das Zudeck hoch. Die in einem bunt gewürfelten Bezug steckenden zwei Wolldecken fallen über Baines Kopf und Arme. Blitzschnell wirft sich der alte Horseshoe hoch. Er ist nicht umsonst sein ganzes Leben Zureiter gewesen. Mit seinen krummen Beinen landet Horseshoe Niggels mitten auf Baines dickem Bauch. Baines stößt nur noch ein Gegurgel aus. Horseshoe aber rutscht von seinem Bauch rechts und links mit den Knien ab und drückt mit der linken Hand die Decken fest auf Baines Gesicht. In der nächsten Sekunde steckt Horseshoe, den dicken Kerl unter sich wie einen störrischen Gaul, dem er mit den Knien die Luft abzwängen muss, Baines den Zeigefinger in die Rippen.

»Rühr dich, und ich drücke ab«, zischt er so laut, dass Baines es hören muss. »Ich schieße dich tot, Kerl, wenn du dich rührst.«

Baines wird augenblicklich steif wie ein Brett.

An der Treppe zum Untergeschoss poltert es. Irgendwo unten im Haus klappt eine Tür.

»Boss?«

»Charlie«, keucht Horseshoe entsetzt. »Die Wendeltreppe, Kid. Charlie der Ochse kommt.«

Horseshoe kann Baines nicht loslassen und Don helfen. Wird der Junge das schaffen?

Das schwere Gepolter beim Zusammenbrechen des Bettgestells hat Charlie Long hochgeschreckt. Charlie wird kommen, und wenn er nicht gerade einen Revolver auf sich gerichtet sieht, wird er mit seinen gewaltigen Fäusten zuschlagen.

Das ist es, was Horseshoe besorgt denkt, als er Don aufspringen und zur Tür stürzen sieht. Charlie Long kommt die Treppe herauf, während Kid Kent die Tür erreicht und sie aufstößt. Die Tür öffnet sich in den Flur. Direkt vor der Tür ist nur ein kleiner Absatz, dann beginnt die Treppe schon. Stufen verschwimmen in der satten Finsternis des Wendeltreppenaufgangs. Hinter der Biegung ist das schwere Trampeln von Charlies Riesenfüßen zu hören. Charlie Long, Mischblut und Gauner, Gehilfe Baines’, rast die Treppe hoch.

Gerechter Moses, denkt Don Kent, und in diesem Moment wird ihm wirklich übel bei der Aussicht, von Charlie Long die Faust in den Bauch zu bekommen, der kommt. Was tu ich nur? Neben die Tür stellen, warten, bis er hereinstürmt, und dann mit dem Colt zuschlagen?

Er macht die Tür wieder zu, hält die Klinke unschlüssig in der Hand.

»Boss, was ist los? Boss, was ist passiert?«, brüllt Charlie Long im Heraufstürmen. »Boss?«

Jetzt, denk Kid Kent und hört das Tapsen unmittelbar vor der Tür, jetzt ist er auf dem Absatz.

Kent wirft sich mit aller Macht gegen die Tür. Dass Charlie Long in diesem Augenblick gerade nach der Klinke greifen will, kann Kent nicht ahnen. Charlie Long, das stiernackige, schwergewichtige Halbblut, steht auf der letzten Stufe, als die Tür plötzlich auf ihn zuschnellt.

Er verliert den Halt und saust die Treppe rücklings hinunter.

Totenstille danach unten.

Kein Laut mehr aus dem Flur und Treppenaufgang, nichts rührt sich. Kid Kent steht oben und sperrt die Augen auf. Charlie ist verschwunden, als sei er nie heraufgestürmt. Hinter Don die heisere, scharfe Stimme des alten Horseshoe: »Sieh nach, was mit ihm ist, schnell, mach Licht.«

Kent reißt ein Streichholz an und sieht die Flurlampe an der Wand über dem Treppenknick. Als er herunterhastet und sie ansteckt, erkennt er

den zusammengekrümmt daliegenden Charlie Long.

Vorsichtig geht Kid Kent die Stufen hinab, in der einen Hand die Flurlampe, in der anderen seinen Revolver. Er stößt Long an, doch der regt sich nicht. Etwas Blut an Longs Kopf, aber er atmet.

»Was ist, Kid?«

»Der ist fertig«, schnauft Kid heiser. Er zerrt Charlie hoch, lehnt ihn gegen das Geländer und lässt die Lampe stehen. Dann wuchtet er sich Charlie Long auf den Rücken und schleppt ihn nach oben.

»Hol die Lampe.«

Sie haben gleich darauf Helligkeit genug, um zu sehen, wie Baines, einem dicken Fass gleich, reglos auf dem Bett liegt.

»Kid, pass auf, dass der Kerl nichts anstellt«, knurrt Horseshoe Niggels finster. »Sieh an, da ist ja Baines’ Hose, was?«

Der Alte springt von dem dicken Pferdehehler herunter, reißt den Hosenriemen aus dessen Hose und schlingt ihn um Charlie Longs Handgelenke. Auf dem Bauch lässt er ihn liegen, kehrt zu Baines zurück und reißt dem mit einem Ruck die Decke herunter.

Jetzt kann Baines sehen. Er scheint nicht gewusst zu haben, wer ihn überfallen hat. Nun zucken seine Augen heftig. Sein keuchender Atem versiegt. Plötzlich schließt er die Augen, presst die Lippen zusammen und wendet den Kopf der anderen Wand zu.

»Na?«, fragt Horseshoe Niggels grimmig. »Freund Baines, auch wenn du uns nicht sehen willst, wir sind hier. Willst du nicht besser gleich reden? Also, wer hat die Pferde gebracht?«

Baines schweigt verbissen. Er ist blass geworden, scheint jedoch fest entschlossen, kein Wort zu sagen.

»Mensch, mach das Maul auf«, zischt Don Kent wild. »Ich schwöre dir, du redest. Von wem hast du die Pferde gekauft, Baines? Redest du bald, Baines?«

»Er will nicht, denkt er«, murmelt Horseshoe da träge. »Nicht doch, Don, nicht den Revolver nehmen. Der Kerl überlegt jetzt, was er uns für Lügen erzählen kann. Vielleicht sagt er gleich, er hätte keine Ahnung von den Pferden. Ich kenne ihn zu gut. Seit fünfzehn Jahren haust dieser Strolch hier und macht krumme Geschäfte. Vielleicht hat er gedacht, die Kent Ranch sei zu weit entfernt, und wir würden niemals darauf kommen, dass er mit Pferdedieben Geschäfte machen könnte. Lass mich machen.«

Horseshoes faltiges, grinsendes Gesicht beugt sich über die Lampe. Horseshoe greift in seine Hemdtasche, zieht eine halb gerauchte Zigarre heraus und steckt sie an. Dann saugt er heftig.

Baines muss Tabakduft riechen. Er öffnet, als er Horseshoe kommen hört, langsam die Augen. Im nächsten Moment reißt er sie entsetzt auf. Horseshoe bleibt neben seinem zusammengekrachten Bett stehen. Er saugt immer heftiger, Tabakwolken wogen um die Laterne, bis die Spitze der Zigarre rot glüht.

»Mal sehen, was er aushält«, sagt Horseshoe und kichert wie ein alter Teufel. »Ich kenne einen, der konnte vier Wochen nicht gehen oder sitzen. Nun, mein Freund?«

»Du – du verdammter, alter Schurke«, knirscht Baines. »Das wagst du nicht, Mensch. Ich werde es dem Sheriff sagen.«