Die Haut meiner Seele - Muna Aikins - E-Book

Die Haut meiner Seele E-Book

Muna Aikins

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Beschreibung

Als sechsjähriges Mädchen wird AnNisa von der Großmutter einem Schlepper überantwortet und mit dem Flugzeug nach Deutschland geschickt, um dem kriegerischen Wüten in ihrem Herkunftsland zu entkommen. Die Zerrissenheit zwischen der kaum erinnerbaren Heimat und dem Erleben in Deutschland, der Suche nach Heimat und Zugehörigkeit prägen ihr Werk. AnNisas Leben ist ein Leben »dazwischen«: »Ich lächele mit dem Gewicht zweier Welten auf meinen Schultern und versuche, nicht zusammenzubrechen.« Das Leben im kalten Deutschland, zehn Jahre lang mit einer Kettenduldung und viele Jahre in einer Flüchtlingsunterkunft, ist geprägt von Enge, menschlicher Kälte und Rassismus. AnNisa fragt: Wie verdient man sich das »Recht hierherzugehören«? Ihre Identitäten werden durch die gesellschaftliche Vereinnahmung geprägt, durch Zuschreibung, durch Entfremdung. Wer darf sie sein und wer nicht? AnNisa hat den Mut, sich auf den Weg zu sich selbst zu machen und keine Grenzen zu akzeptieren, die andere ziehen. Indem sie den Frieden sucht und die Freiheit findet, zu sich selbst zu stehen, baut AnNisa Brücken zwischen Krieg und Frieden, zwischen Schmerz und Heilung: »Wir sind unsere eigenen Brücken zum Frieden. – Ich möchte Dich einladen in eine Welt über Meeresbrücken hinaus.«

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Seitenzahl: 113

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Muna AnNisa Aikins ist Schwarze Sozialwissenschaftlerin, die sich in die Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession vertieft hat. Sie arbeitet als Beraterin in flucht- und migrationsspezifischen Projekten und in der Forschung. Ihr Fokus liegt insbesondere auf den Empowerment-Bedarfen von

Menschen mit Rassismuserfahrungen. Als freie Dozentin und Trainerin der Antidiskriminierungspädagogik begleitet sie – mit intersektionalem Ansatz – verschiedene Organisationen und Institutionen. Muna AnNisa

Aikins ist Autorin und engagiert sich für die Agency von Migranten-Selbst-Organisationen.

Muna AnNisa Aikins

DIE HAUT MEINER SEELE

Eine Erzählung in Lyrik und Prosa

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

Muna AnNisa Aikins:

Die Haut meiner Seele

2. Auflage, Januar 2022

Insurrection Notes, Vol. 12

eBook UNRAST Verlag, März 2022

ISBN 978-3-95405-103-8

© UNRAST-Verlag, Münster

www.unrast-verlag.de | [email protected]

Mitglied in der assoziation Linker Verlage (aLiVe)

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung

sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner

Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter

Verwendung elektronischer Systeme vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: David Hellgermann, Münster

Satz: Andreas Hollender, Köln

Für

Meano und Nayo,

Nana-Yaa und Jonathan

Gewiss

meine Seele liebt euch

Freimütig und gelassen

Friedselig

ohne zu eilen

Gewiss

mein Herz blüht

für euch

Gärten voller Sommer

Gewiss

meine Liebe gepflanzt

für euch

zum Verweilen.

Für all jene, die diese Reise nicht überleben.

Für all jene, die diese Kämpfe verlieren.

Für all jene, die vergessen sein werden.

Für all jene, die unbenannt bleiben.

DANKESWORTE

an Mekka,

danke für die Liebe, die du mir als Großmutter vermacht hast.

Danke für die Erinnerungen, die mein Zuhause geworden sind.

an Jonathan und Ulrike,

danke für das Zusammensein und Entfalten,

für die neuen Leben und Freuden.

an Ayaan, Elena, Marie, Pelin,

Dzenana, Lena und Riham,

danke für die Verbundenheit und Zuversicht,

für all euren Seelenschein.

an Marion, Iris, Tugba und Saraya,

danke für’s Dasein,

für das Sehen und Ermutigen.

an meine Lektorin Usch Schmitz,

danke für die Würdigung meines Schreibens,

für deine Zeit und dein Feingefühl.

Inhalt

Moralischer Kompass

Schriftzüge meines Wesens

Sechzehn

Vierundzwanzig

Dreiundzwanzig Halb

Sechs

Fünfundzwanzig

Zwischen jetzt und Neun

Zwischen Vierzehn und Vierundzwanzig

Einundzwanzig

Zwischen Fünfundzwanzig und Fünf

Zwischen Vier und Zwanzig

Zwanzig

Acht

Spuren von Gestern

Im Licht von Morgen

MORALISCHER KOMPASS

Zwischen den Welten habe ich gelernt

richtig und falsch – Verwirrung ich ernt‹

des einen Ehre, dem anderen Schand‹

diesem Lob, des anderen Abgrunds Rand

Selbstgerechte Wahrnehmung

Menschlichkeit nach Stimmung

überall Leichtsinn spricht

blind des Leides Gewicht

wechselhaft das Gute

wild, laut jede Rute

Oft wundere ich mich über die Kälte mancher Menschen, über die Fremde mancher Gefährten, über die Stille mancher Diebe.

Doch Bewunderung jenen, die Kälte überwinden, die Fremde umarmen und Gestohlenes ersetzen. Sie bauen Brücken über Meere, die Brücken der Menschlichkeit. Unser Menschsein schwimmt, unser Menschsein sinkt, zusammen.

Ich sitze auf dem Floß der Hoffnung

und schaue nach Dir.

Es ertränkt mich das Sein ohne Wir,

so sterbe ich mit Dir.

Hier, auf der anderen Seite des Meeres, wo Menschlichkeit Ware ist, Moral Illusion, eine Fata Morgana des Menschen Selbstgefälligkeit, die mensch am Horizont seiner Wüste erblickt. Durstig nach dem Begehren, sich durch seine Wahrheit und Wertung über andere zu erheben. Unachtsam der Moral teuerstes Gut, der Unversehrtheit der Würde eines jeden Individuums, wird er die Oase der Gerechtigkeit nie finden. Doch schreibt er sich Menschlichkeit zu und verdurstet, wird zu Staub und verweht. Im Sinn, was das eigene Gewissen befriedet, aller Klagen und Bitten der Menschlichkeit taub.

Moralische Taubheit, überall.

Hier, wo Gewissenlos führt,

das Herz sich taktlos rührt,

die moralische Verpflichtung tatenlos,

die Menschlichkeit nur Trugbild, gestaltlos.

Meine Schrift,

für jeden Namen,

Schmerz andächtig.

Ohne Leid zu mehren,

mit Gefühl beseelt.

Der Menschlichkeit ein Gesicht,

dem Einzelnen ein Gericht,

seines Leides Treue,

des Fehlens Reue.

Dem, dessen Welt ich nicht erblicke

Dir, dessen Leid ich nicht ersticke

Dem, dessen Last ich nicht trage,

nur zu schreiben ich wage

Dir diese Gedanken schenke

Menschlichkeit zu dir lenke

Meine Seele dich berührt

uns beiden Frieden gebührt

SCHRIFTZÜGE MEINES WESENS

Ich schreibe. Ich schreibe mir, ich schreibe dir. Ich schreibe, um mich zu finden, um zu verstehen, um mein Sein begreifen zu können. Um mich frei zu machen und um mich einzufangen. Ich streife die Oberflächen meiner Erfahrungen und erkenne die Dichtungen meiner Tiefen. Ich schreibe, weil es drängt, weil es mich bestärkt, weil es mich rührt. Ich schreibe und gleite über dem, was mich bestimmt, über die Worte, die meine Seele wählt, über Jahre, über den Verlust, über das Finden und Wahrwerden. Beginnend, schließend, verwundet, wunderbar. Vor zehn, fünf, zwei Jahren. Gestern. Heute. Lebendig und wirklich, vergangen und bestehend. Mir selbst darin zu begegnen. Ich schreibe, um zu sein, um bei mir zu sein. Ich schreibe, um zu sein, um mit dir zu sein.

Das Schreiben ist das Erwachen zu mir selbst. Durch meine Worte kann ich meine Kindheit fühlen. Ich kann meine Vermissten mit deren Kraft umarmen. Ich kann sie hinausschicken und mit anderen vereinen. Ich kann zwischen den Zeilen atmen. Bei jedem Punkt in dessen Stille ruhen. Zu einem Ende kommen und neu anfangen, loslassen und festhalten. Mir selbst begegnen und mich wieder verabschieden. Ich kann sinken in den Schmerz und in der Heilung auftauchen.

Ich weiß, du wirst manches von meinem Schmerz nicht verstehen. Du wirst, wenn ich es erlaube, die Rillen meiner Narben sehen, doch ihre Tiefen nie erkunden. Ich kann dir all das Zerbrochene in mir dichten, meine Wunden offenbaren, doch wirst du diese Bruchstücke nicht fassen können. Du wirst voller Mut versuchen, sie zusammenzufügen, doch kennst du das ursprüngliche Bild nicht, jene Unversehrtheit meines Wesens. Dieses unangetastete Sein meines Wesens. Oft fühle ich mich beraubt, verlasse mich, wie die Sonne untergeht, im Schatten meines Selbst, glaube, in mir zu ertrinken und suche das Ufer. Um zu atmen. Um mich frei zu atmen.

Da ist so viel Schmerz in meinem Wesen, so viel Trauer in meiner Seele, so viel Last auf meinem Geist. Wie mir die Fremde legte diesen Felsen auf die Brust, ich hörte ihn meine Knochen brechen. Mich spalten. Im Zwischenraum des Überlebens mich erhaltend, wachse ich. Dieser Spalt wird zum Tor meiner seelischen Freiheit werden, bestimmt. Mein Leben wird blühen aus allen Rissen. Ich dichte, dichte mir den Druck zusammen und werde ihn lösen. Ich dichte, sammele meine Kräfte, um zu werden, um frei zu werden.

Ich lächele, lächele mich sanft an. Noch fällt mir jede anmutige Bewegung schwer, mir scheint der Frieden weit her. Meinen Tränen habe ich einen Damm errichtet. Ihre noch warmen Spuren fühle ich auf meines Gesichts Gedächtnis. Die Haut meiner Seele fühlt sich kühl an. In Begleitung der Kälte streife ich umher, durch meine Gassen, mir anders zuredend, fühle ich mich fremd, verlassen.

All diese Fremde, ihre Peitschenhiebe auf meiner Seele. Sie haben sich tief eingegraben, sie fesseln mich. Wenn ich die Luft anhalte, glaube ich, es zu beherrschen, doch nimmt das Leben seinen Lauf. Ich muss loslassen, atmen, bestehen.

Da ist so viel Liebe in meinem Wesen, so viel Frieden in meiner Seele, so viel Licht in meinem Geist. Ich werde bei mir sein, mich mit erhobenem Haupt ansehen, auch wenn mein Körper kniet, der Fremde niedrig, der Realität unterwürfig. Jedem Ursprung fern, wird meine Erde vergehen. Frei, losgelöst. Wie oft habe ich mich getröstet, flüsternd zu meinem Selbst: »Meine Seele, trauere nicht, verzage nicht und hasse nicht. – Meine Seele, sei dienlich dem Frieden und der Freiheit, verbanne nicht und bestrafe nicht. – Meine Seele, vergelte nicht, blühe und vergebe. – Auch wenn der Damm bricht und die Flut dich ertränkt, so sei dein Wesen klar. Du weinst die Erlösung und wirst deinem Frieden wahr.«

Schwach erinnere ich mich an das Gemälde, das meiner Beschaffenheit. Ganz schwach an die Wurzeln meiner Unbeschwertheit. Gott hat mehr für mich gedacht, das höre ich im Echo meiner Existenz. Nach einer Weile vergeht der Stillstand. Ganz sachte lausche ich den Gräsern, wie sie im Winde tanzen. Auch sie bedeckte einst Erde, Schlamm und Schmutz. Oft reißt sie der Sturm fast heraus und doch stehen sie verankert und gleiten mit Leichtigkeit. Sanft, so wie ich die Freiheit höre, im Wind zu mir flüstern.

Ich glaube, ich begreife mich, meine Würde achtend, auf dem Wege zu mir selbst. Ich sehe mich, dasitzend, nach Verstand besinnend. Atme die Luft schwer. Karge Atemzüge. Bewege meinen Blick im Stillleben. Kein Elan der Rührung, mehr das Sein als Werden, wie ich oft den Augenblick verlebe.

Jedes Erlebnis ist mir eine Quelle, das Schöpfertum meines Werdens, jede Empfindung einzigartig, vielschichtig, tief, Fluch und Segen zugleich, Zerstörung und Erschaffung wechselnd. Im Reichtum meiner Erinnerung erkenne ich, was mich bestimmt, bemühend ehrlich mit dem, was mein Wesen vernimmt. Der Staub meines Sturms wird sich langsam legen, meine Erde wird bald ruhen. Die Klarheit wird wiederkehren, ich spüre Hoffnung, in mir Regen.

Wie kann ich wachsen – ohne Wurzeln.

Wie kann ich blühen – ohne Würde.

MEIN ERSTES FUNDAMENT

Schmerz

wirft

lange

Schatten

SECHZEHN

Dasitzend, wartend

im Verlust vergangen

im Schmerz gefangen

Dasitzend, wartend

auf die Rückkehr meines Ichs

in der Dunkelheit meines Lichts.

Ich sehe. In den Spiegel meiner Seele. Die Lippen, die Hände, die Füße, die Haut, die Augen voller Spuren von Sehnsucht. Ich spüre die Prägungen meiner Wahrheiten. Ich sehe mich aufblühen im Aufbruch zur Heilung.

Wie ich da liege, hilflos. Ich kann mich nicht mehr rühren, flehen und für mich kämpfen. Ich vermisse den klaren Blick, dafür muss ich mir die Tränen aus dem Gesicht, von den Augen wischen, aber ich bin erschöpft. Schon lange über meine Grenzen, jetzt machen die Schläge keinen Unterschied mehr. Ich bin Vertriebene meines Wesens, wie mir die Seele aus dem Körper flieht. Ich habe mich längst verlassen, kann mich von außen sehen.

Wie ich da liege, zusammengekauert, zitternd, mit Rissen auf der Haut. Diese Narben werden bleiben, später mache ich sie mir zur Zierde meiner Selbstliebe, zu den Gedichten meines Körpers, zu den Ruinen meiner Selbstachtung.

»Hör bitte auf!«, möchte ich sagen. Ich möchte mich aufrichten, doch fühle ich mich zerbrochen, sie hat meine Verbindungen gebrochen.

Gestehen? Mich für etwas entschuldigen und rechtfertigen, das nicht wahr ist?

»Ich bin keine Lügnerin«, hallt immer wieder durch meinen Kopf. – »Tue es nicht!«, schreie ich mich lautlos an. »Lass ihr nicht ihren Willen!«

Stundenlang geht es schon so. Ich bin so müde. Und es wird schlimmer. Sie spuckt mich an, so ohne Wert fühle ich mich. Dreht mich mit einem Tritt, setzt sich auf mich drauf. Ich glaube, jetzt ist es soweit, jetzt gleich hört es auf. Irgendwann stirbt mensch doch. Irgendwann ist genug.

Und doch starb ich nicht. Ich würde einfach nicht sterben. Ich zerbrach lebend, riss in mir ein Stück tiefer, über mich hinaus. – Wie konnte sie mich so brechen, ohne dabei selbst zu vergehen?

Wie ich da liege, wird meine Seele zurückkehren, mit meinem Körper wieder eins werden. Dann, wenn ich meinen Körper nicht mehr beobachte, bedauere. Bevor es vorbei ist, spüre ich noch, wie sie mir ihren Fuß auf die Kehle drückt, mir die Luft nimmt. Ich verliere, ich falle tief und habe Angst, nicht anzukommen. Für eine Weile bin ich abwesend, flüchtig.

Als ich die Augen wieder öffne, kann ich mich nicht mehr sehen. Ich schätze, ich bin wieder hier, in meinem Körper. Fühle das Leben in mir zittern, den Atem durch mich durch beben, mein Herz rasen. Ich bewege mich in Zeitlupe. Meine Sicht ist getrübt. Wie durch das Milchglas eines dreckigen Fensters, sehe ich diese tiefe Wunde an meinem rechten Unterarm – das Kabel mehrfach in mich hineingeprägt. Es sieht schlimm aus, fühlt sich aber nicht so an. Schmerzen spüre ich erst später. Ich versuche, alle Gefühle wegzublinzeln.

Jetzt ist nicht die Zeit für Gefühle, ich muss mich besinnen, eine wichtige Entscheidung treffen. »Darf ich lügen, um mich zu retten? Welche Konsequenzen hat das? Wird sie von mir ablassen? – Es gibt doch schlimmere Sachen als zuzugeben, dass mensch geraucht hat, zum Beispiel lügen, um sich zu verteidigen.« Nichts ergibt hier einen Sinn.

Doch geht es nicht um meine Moral. Ihre Verletzungsmacht bestimmt mich. Ich lüge, füge mich. Das, was danach kommt, ist Routine. Sie will hören, dass ich unverschämt bin, ihre Ehre verletze, weil ich rauche. Doch weil ich gestehe, wird mir vergeben, sie wird mir erklären, wie sehr ich unserem Ansehen schade. Sie ist gnädig, deshalb wird sie mir auch vergeben, dass sie mich erst den ganzen Tag lang foltern und mein Ego brechen musste, damit ich mich zu ihrer Wahrheit bekenne.

»Habe ich denn keine Ehre?«, werde ich angeschrien. »Wenn die Tochter raucht, so hurt sie auch, gewiss!«

Ich will sie ansehen, hochsehen, aber wage es nicht. – Weshalb zerbrach ich hier so? In ihrer Blindheit, in ihrem Zorn. In ihrer Angst. Gewiss, all das hier knechtete sie. Ich weiß, sie hatte ihre Wut nicht im Griff. Wir waren hier sowieso fast unsichtbar und nun hatte ich das einzige Bild ruiniert, das andere von uns haben konnten. Wir pflegten ein Ansehen, ohne uns anzusehen. Wir sahen uns an, ohne einander zu sehen.

Ich möchte ihr sagen: »Du musst das nicht. Du musst nicht so sein. Du kannst diesen Schmerz beenden, lass ihn verwelken, damit Neues, Gesundes entsteht. Ein Ende mit Anfang, ein Anfang mit Heilung. Willst du es denn nicht versuchen?« – Doch was würde ich dann hören: »Sei still, wie kannst du es wagen, mich derart zu belehren?«