Die Havarie der STEPHEN HAWKING - Johannes Anders - E-Book

Die Havarie der STEPHEN HAWKING E-Book

Johannes Anders

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Beschreibung

Dies ist das Abenteuer eines Forschungsraumschiffes. Der Diskus von 700 Metern Durchmesser beherbergt vier Forschungskreuzer der Orion-Klasse. Fernab des heimatlichen Sonnensystems soll es die Galaxis nach den Frog-Kriegen neu erkunden. Die Besatzung des Raumschiffes der Orion-Klasse, eines der vier Forschungskreuzer, steht dabei immer wieder im Mittelpunkt spannender Abenteuer.

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Johannes Anders

Sternenlicht 13

Die Havarie der STEPHEN HAWKING

Saphir im Stahl

Sternenlicht 13

Die Havarie der STEPHEN HAWKING

Erste Auflage 01.11.2022

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Thomas Budach

Lektorat: Joachim Stahl / Rita Blotz

Vertrieb: neobooks

Inhaltsverzeichnis

1 Morgendämmerung

2 Hüllenbruch

3 Bewerbungsgespräche

4 Perforationen

5 Verbotene Liebe

6 Sehr alte Post

7 Das Katastrophenszenario

8 Flucht nach vorn

9 Havarie der Liebe

10 Das leidende Universum

11 Der Retter des Universums

12 Verhörraum 6

13 Mission Impossible

14 Vatersturz

15 Inselträume

Biographie

1

Morgendämmerung

Jo Rosen gab Gas und der Speedster raste der aufgehenden Sonne entgegen. Seine schwarzen Haare flatterten im Wind, kalte Luft schlug ihm ins Gesicht und machte ihn wach. Hinter ihm wirbelten Staubwolken auf. Industrieanlagen flogen vorbei.

Yes! Was für ein Ritt!

Das dumpfe Wummern des Scooters weckte Erinnerungen an die Party, die Jo am Abend zuvor besucht hatte: Blondierte Schönheiten waren mit Bierflaschen in der Hand in das Zimmer gestürmt, als die Band Whisky in the Jar anstimmte. Der Sänger hatte den Gurt so weit gestellt, dass die Gitarre fast auf seinem Knie hing. Rhythmisch prügelte er auf das Instrument ein und sang mit rauer Stimme den klassischen Heavy-Metal-Song:

As I was goin' over

The Cork and Kerry Mountains

I saw Captain Farrell

And his money, he was countin'

Zwei Ladys stolperten mit Getränken in der Hand eine Treppe herunter, sprangen über einen Tisch und landeten vor dem Sänger auf dem Boden, wobei sie den Alkohol über seine Jeans vergossen. Zwei andere fütterten sich gegenseitig Hi-Hat-Pillen. Eine trank Wasser aus einem Sektkühler statt des Sektes. Joints kreisten. Es war eine ausgelassene Stimmung.

Jo wedelte den Rauch beiseite und genehmigte sich einen weiteren Whisky. Das besoffene Publikum streckte die Hände in die Luft, tanzte durch das Zimmer und sang den Text mit. Jo zog Marin zu sich und schwankte mit ihr die Treppe hinauf. Auf den Stufen warfen sie ihre Kleider von sich und fielen übereinander her. Die anderen ließen ihre Hüllen auf der Tanzfläche fallen. Jo zog Marin an den Händen auf die Beine und ver-schwand mit ihr im Schlafzimmer, wo sie sich auf das Bett fallen ließen. Aber sie fanden keine Ruhe, weil ein besoffener Kerl ins Zimmer stürmte und sie mit dem Feuerlöscher besprühte. Scheiße, nichts wie raus hier!

Während sie die Treppe hinunterstolperten, heizte die Band ungerührt weiter ein. In der Küche wurden Bauchtänze aufgeführt. Eine betrunkene Lady schrieb mit einem permanenten Filzstift obszöne Worte auf die nackten Bäuche der Tänzerinnen. Eine andere sprühte mit Rasierschaum Genitalien auf die Fensterscheiben.

Das Wissen über die Musik der prästellaren Epoche der Menschheit war nur lückenhaft überliefert worden, aber es lag auf der Hand, warum Heavy Metal seit Jahrhunderten verboten war. Genauso klar war Jo allerdings auch, warum das Verbot nur den Spaß an den Exzessen gesteigert hatte. Die Gäste führten sich auf, als wäre es der letzte Tag der Welt. Ein Tänzer stolperte und kippte Flaschen um. Jemand wollte ihn übertreffen und wischte alle Flaschen und Getränke vom Küchentisch. Andere machten sich einen Spaß und schlitterten über den alkoholgetränkten Teppich. Ein summendes Holophon wurde aus dem Fenster geworfen und ging zu Bruch. Dem Schlagzeuger wurde eine Trommel entwendet und hinterhergeworfen. Das Mischpult folgte. Der Sänger warf seine Gitarre hinterher und sang dabei a capella weiter.

Am Ende büßten die meisten auf dem vollgekotzten Klo für die Ekstase. Eine junge Frau war dort halbnackt in ihrem Erbrochenen eingeschlafen. Ein Typ schnarchte in der Badewanne daneben, mit einer Flasche in der Hand.

Die noch durchgehalten hatten, schlugen sich aufgeplatzte Kissen um die Ohren, deren Federn an ihren nassgeschwitzten Körpern kleben blieben. Aber das bekam Jo Rosen nur noch im Halbschlaf mit.

Als er am Morgen auf dem stinkenden, feuchten Boden aufwachte, lag Marin in seinen Armen. Die junge Frau schlummerte selig und träumte, hoffentlich von ihm. Vorsichtig zog er seinen Arm weg und bettete ihren Kopf auf ein aufgeplatztes Kissen. Überall lagen Leute auf dem Boden und schliefen ihren Rausch aus. Vorsichtig stieg er über die Schlafenden hinweg und suchte seine Lederhose. Auf der Treppe fand er sie. Leider war der Schlüssel nicht in der Hosentasche. Wo hatte er ihn verloren?

Da fiel es ihm wieder ein: Marin hatte ihm den Schlüssel am Abend weggenommen, damit er nicht betrunken losfuhr. Hingerissen betrachtete er die nackt vor ihm liegende Schönheit. Wo mochte sie den Schlüssel versteckt haben? Einer Eingebung folgend öffnete er ihre Hand und entwand ihn ihr.

„Gehst du schon?“, flüsterte sie.

„Ich muss. Leider! Leider!“

„Sehen wir uns wieder?“

„Bestimmt!“

Jo Rosen hätte nichts dagegen gehabt, die süße, schlanke Frau wiederzusehen, aber das böswillige Schicksal hatte anderes mit ihm vor.

Er gab noch mehr Gas. Der Speedster machte einen Satz nach vorne. Kleine Insekten prallten auf sein Gesicht, sodass er die Augen zusammenkneifen musste.

Die unangenehme Wahrheit war, dass er Marin eigentlich gar nicht hätte treffen dürfen. Die Party hatte mehr als 700 km südlich von Neu Paris stattgefunden, viel zu weit weg, um jetzt noch pünktlich zurückzukommen. Nun stand ihm eine unangenehme Begegnung mit seinem alten Herrn bevor. Admiral Rosen hasste Unpünktlichkeit, besonders bei seinem Sohn.

Verdammter Mist! Jo fingerte eine Sonnenbrille aus einer Tasche seiner Motorradjacke, um sich vor den Insekten zu schützen, und gab Vollgas. Auf der kleinen Astroscheibe zwischen der Lenkergabel blinkte eine Warnung. Hinter dem Speedster bildete sich ein tornadoartiger Wirbel. Sand wurde in großer Menge angesaugt.

Die getöteten Insekten fingen an, eine Kruste auf seinem Gesicht zu bilden. Hätte er sich bloß den Helm aufgezogen!

Plötzlich ein Leistungsabfall! Der Speedster wurde langsamer und sank kontrolliert zu Boden. Was war los, war der Antrieb überhitzt? – Unwahrscheinlich!

Jo Rosen stieg ab und fand sich auf einem Feldweg zwischen Weizenfeldern und Weinbergen wieder. Zwei kleine Punkte erschienen am Himmel.

„Scheiße! Die Bullen!“ Verärgert schlug er auf die Astroscheibe. „Wozu habe ich den teuren Patch gekauft, der angeblich alle Polizeifallen anzeigt? Die Mistkerle haben mich reingelegt!“, schimpfte er lauthals.

Die beiden Polizisten landeten ihre Scooter links und rechts von ihm. Der eine zog sich den Helm ab und baute sich vor ihm auf. Der andere sicherte von hinten.

„Officer, was habe ich verbrochen?“, erkundigte Jo sich.

Der Polizist grinste schief. „Dass Sie das noch fragen!“

„Okay, ich war ein bisschen schnell. Zugegeben. Ich fliege die Dinger sonst nur im Weltraum, da gibt es keine Geschwindig- keitsbeschränkungen. Habe für einen Moment vergessen, wo ich bin.“

„Fliegen Sie im Weltraum auch ohne Helm?“ Breiter als der Polizist konnte man nicht grinsen.

„Gut, Mann, Asche über mein Haupt. Ich wollte den Wind im Gesicht zu spüren. Können Sie das verstehen?“

„Können wir. Aber alles hat seinen Preis.“

„Kein Problem, ich bezahle gerne. Was muss ich drauflegen, damit das nicht im System verbucht wird? Mein alter Herr macht mich so klein mit Hut, wenn er das erfährt!“ Jo deutete mit zwei Fingern in etwa die Größe an, auf welche er zusammengestaucht werden würde.

„Das ist schon automatisch verbucht, Junge!“, grinste der Polizist. „Tut mir leid. – Oder vielmehr: Tut mir nicht leid, das hast du dir verdient. Zieh den verdammten Helm auf, wenn du weiterfliegst!“ Dem Polizisten wich das Grinsen nicht aus dem Gesicht, während Jo sich ärgerte, seinen Vater ins Spiel gebracht zu haben. Jetzt behandelten sie ihn wie einen dummen Jungen.

Der Polizist setzte sich seinen Helm wieder auf, und die Streife flog davon.

„Sadistische Mistkerle!“, schimpfte Jo, während er seinen Speedster wieder startete. Wenigstens hatten sie die Flugsperre aufgehoben. Einmal hatten die Bullen ihn schon mit deaktiviertem Fahrzeug zurückgelassen und er musste sehen, wie er in bewohnte Gegenden zurückfand.

Während das Fluggerät an Höhe gewann, sah er sich nervös um. Zwei kleine Punkte folgten ihm mit großer Distanz. Die Polizisten waren misstrauisch.

Jetzt muss ich mit Kriechgeschwindigkeit über die Felder dümpeln und komme erst recht zu spät, ärgerte er sich.

2

Hüllenbruch

„Leutnant Gael Klein auf die Brücke, bitte!“

Zaya Karan musste Ruhe bewahren, das erwartete man von ihr als Kommandantin des Erkundungskreuzers MCLANE. Innerlich raufte sie sich aber die Haare.

„Swo, übernimm bitte die Navigation!“

„Sofort, Kommandantin!“

Schon stand der Bordingenieur vor Gaels Konsole und erwartete weitere Befehle.

Würde das denn nie aufhören? Kaum hatte Zaya ihre widerspenstige Armierungsoffizierin gebändigt, da tanzte die Navigatorin aus der Reihe. Storm hatte Zaya bis aufs letzte blamiert, selbst in Anwesenheit eines Botschafters war sie einfach nicht zum Dienst erschienen. Und nun auch noch Gael?

Der Lift öffnete sich und Major Blum stolperte heraus. Er glättete seine Frisur und rückte seinen Uniformkragen zurecht. „Leutnant Klein wird sofort da sein!“, versicherte er.

Man war das von Gael Klein nicht gewohnt, denn sie neigte zur Zwanghaftigkeit und hatte ihren Dienst bislang überkorrekt versehen.

Die Astroscheibe zeigte an, dass sie das Ziel so gut wie erreicht hatten. Der Sprung über die Einstein-Rosen-Brücke würde in einer knappen Minute enden.

Da fuhr die Tür des Lifts ein weiteres Mal beiseite. Gael steckte ihren Lippenstift weg und spazierte heraus, als wäre nichts gewesen.

Alle schauten sie an wie ein Alien, während sie zu ihrem Arbeitsplatz tänzelte.

„Was denn?“, fragte sie und zuckte die Schultern. „Ich kann nichts dafür. Es war eine Alphaorder!“

Zaya hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut lachen zu müssen. Währenddessen tauschte Gael heimliche Blicke mit Major Blum.

Dann beendete die MCLANE ihren Sprung.

Das Holo über der Astroscheibe zeigte den Sternenschweifnebel an. Silbern glitzernd reflektierte er das Licht umliegender Sterne.

*

Das Workoutholo lief bereits eine gute halbe Stunde. Mit stoischer Gelassenheit folgte Zaya den Vorgaben des Models: eine halbe Minute Sit-ups. Pause. Eine halbe Minute Planke. Pause. Die sphärische Hintergrundmusik trug ihre Gedanken fort.

Ihre Suche nach der STEPHEN HAWKING begann mit Warterei. Erst in zwei Tagen würde die JAGELLOVSK am Treffpunkt ankommen und Major Blum übernehmen. Danach würde endlich wieder Ruhe an Bord einkehren. Einerseits tat es Zaya leid für Gael, aber andererseits war sie froh, dass Gaels Liebesaffäre die Bordroutine nicht länger durcheinander bringen würde.

Oder mischte sich da auch eine Prise Neid in ihre Gefühle? Sie selbst hatte ihren Mr. Right noch nicht gefunden. Sie redete sich ein, dass sie ja noch jung war. In der Akademie hatte sie alles gegeben, um Jahrgangsbeste zu werden, da blieb keine Zeit, geeigneten Kandidaten eine Chance zu geben. Und an Bord der MCLANE? - Nun, Swo brachte ihr großes Interesse entgegen, aber der fiel definitiv nicht in ihr Beuteschema. Außerdem sollte man sowieso nicht mit Arbeitskollegen anbandeln, was dabei herauskam, sah man ja am Fall Gael …

„Alarm! Alarm!“, schrie Pamela Schleif, das virtuelle Workoutmodel. Sie hatte das Vorturnen eingestellt und brüllte in Zayas Richtung: „Druckabfall im Frachtraumdeck! Das Frachtraumdeck wurde verriegelt! Ich wiederhole: Das Frachtraumdeck wurde verriegelt!“

Zaya ließ das Model stehen und rannte zur Brücke. „Was genau ist passiert?“

„Hüllenbruch!“, erklärte ALLISTER. „Die Hülle der MCLANE wurde beschädigt.“

„Wie kann das passieren? Sind wir von etwas getroffen worden?“

„Unbekannt.“

Zaya sah sich um. „Eden in den Kampfstand, falls es ein Angriff ist. Swo, du kommst mit mir. Wir brauchen Raumanzüge.“

Gael Klein sah die Kommandantin verdattert an und deutete auf Zayas verschwitzten Fitnessanzug.

„Was spricht dagegen, jetzt sofort das Schiff zu retten?“, murmelte Zaya. „Man kann auch verschwitzt in einen Raumanzug steigen!“

„Ach so. Ja. Natürlich.“

Man sah der Astrogatorin an, dass sie innerlich schauderte. In ihrer Welt kamen Kommandantinnen, die verschwitzt in Raumanzüge stiegen, nicht vor. Aber auf Gaels Befindlichkeiten konnte Zaya keine Rücksicht nehmen. Swo war schon losgeflitzt und sie stürmte hinterher.

Im Frachtraumdeck wurde keine Atmosphäre mehr angemessen. Es stellte sich die Frage, wie sie hineinkamen, ohne auch im angrenzenden Maschinendeck die Luft zu verlieren.

Zaya nahm über ihren Armcomputer Verbindung mit der Brücke auf: „Eden, ist die Steuerung beschädigt oder kannst du den Frachtraum nach außen hin öffnen?“

„Nein, alles in Ordnung, das geht.“

„Gut, dann gehen wir durch eine Schleuse raus und kommen von außen.“

Das Schott befand sich in der Decke des Frachtraums. Als sie von oben einschwebten, schien auf den ersten Blick hin alles in Ordnung zu sein. Der Raum war weitgehend leer und übersichtlich, da sie bei ihrer letzten Mission fast alle Ersatzteile an die SUN TSU abgegeben hatten, die bei einem Gefecht schwer beschädigt worden war. Trotzdem konnten sie das Leck nicht finden.

„Eden, Frachtraum bitte schließen und Atmosphäre wiederherstellen!“

Langsam schlossen sich die Schotte, durch die der Frachtraum üblicherweise beladen wurde. Luft zischte herein und verschwand gleich wieder.

„Atmosphäre stopp!“, rief Swo. „Da, das Loch ist im Schott!“ Er deutete ungläubig auf die Stelle, an der ein mehr als handgroßes Stück Metall fehlte.

„Himmel, wie konnte das passieren?“, wunderte sich auch Zaya. „Kannst du das reparieren?“

„Natürlich. Aber mein Werkzeugkasten reicht dazu nicht aus. Ich muss in meiner Bastelstube ein passendes Teil anfertigen.“

Er machte aus verschiedenen Winkeln Aufnahmen, mit denen sein Armcomputer eine dreidimensionale Darstellung errechnen konnte. Dann betätigte er einen virtuellen Schalter. „Habe es an den Drucker geschickt, wenn wir zurück sind, müsste das Teil schon fertig sein.“

*

Als Zaya wieder auf der Brücke eintraf, meldete sich Swo aus dem Frachtraum. „Halt dich fest, du glaubst nicht, was gerade passiert ist!“ Seine Helmkamera war auf seine Hände gerichtet. In jeder Hand hielt er ein genau gleich aussehendes Teil, das auf das Loch im Schott passte.

„Warum hast du denn zwei Flicken angefertigt?“, erkundigte sich Zaya.

„Hab ich nicht!“, beteuerte Swo. „Als ich mit dem Flicken hier ankam, lag das Originalteil auf dem Boden vor dem Loch!“

„Aber das war doch vorhin noch nicht da, als wir das Loch entdeckt haben? Das hätten wir doch gesehen!“

„Eben!“

„Und wo kommt es jetzt her?“

„Frag mich nicht!“ Swo zuckte völlig ratlos die Schultern.

3

Bewerbungsgespräche

Jo Rosen kratzte sich die verstorbenen Insekten aus dem Gesicht und brachte es mit Seife auf Vordermann, bevor er die Toilette im Wissenschaftsministerium verließ, um sich seinem alten Herrn zu stellen. Vor Admiral Rosens Büro warteten eine ganze Reihe Bewerber, darunter eine bildschöne Frau. Jo beschloss, ihr einen Moment Gesellschaft zu leisten, da er das laufende Bewerbungsgespräch nicht stören wollte.

„Hallo, ich bin Jo“, stellte er sich vor und reichte ihr die Hand.

„Karla Want“, sagte sie, ohne seine Hand anzunehmen. „Von Moran.“

Jo grinste. Dieses wunderhübsche Geschöpf stammte also von einer Welt, auf der man von Wissenschaft und Forschung wenig hielt. Wie kam sie dazu, sich für die fortschrittlichste Mission zu bewerben, die die Sternenlichtvereinigung je auf den Weg gebracht hatte?

„Machen Sie jetzt keine Moranerwitze!“, verlangte Karla. „Ich kenne sie alle.“

„Sie meinen zum Beispiel den, wo die Moraner ihre Daten im Koffer durch die Gegend tragen?“

Karla schaute erbost. „Wir sind nicht alle so!“

„Natürlich nicht!“, pflichtete Jo ihr bei, weil er ja ihr Herz gewinnen wollte. „Das sind nur dumme Vorurteile. Aber bereiten Sie sich innerlich darauf vor, dass Admiral Rosen Moraner nicht besonders mag. Am besten, Sie gehen mit einem dicken Fell in das Gespräch und ignorieren sein dummes Gerede.“

Karla sah erstaunt auf. „Kennen Sie Admiral Rosen persönlich? – Ich dachte, Sie bewerben sich auch um einen Job auf der STEPHEN HAWKING …?“

In diesem Moment öffnete sich die Tür zu Admiral Rosens Büro. Ein unglücklich aussehender Bewerber trat heraus und suchte schnell das Weite.

„Nummer 137“, erscholl es aus einem Lautsprecher.

Ein rundlich wirkender Typ stand auf.

Jo Rosen erhob sich ebenfalls und zwinkerte der erstaunten Karla Want zu. Dann betrat er mit dem rundlichen Typen zusammen das Büro seines Vaters.

Eine steile Falte bildete sich auf der Stirn des Admirals, als er seinen Sohn sah. „Wir reden später noch!“, bestimmte er mit eisigem Ton und deutete auf einen Stuhl, der sich neben ihm hinter dem Schreibtisch befand. Dann fuhr er sich mit der Hand durch den gepflegten, braun melierten Bart und wies dem Bewerber einen Platz vor dem Schreibtisch an. „Sie sind …?“ Er wühlte in dem Holo, das über seinen Schreibtisch projiziert wurde.

„Bartram Zax.“

„Ah, der Sohn von Harold Zax, dem Industriellen?“

„Ja, genau.“

Jo Rosen wusste nicht viel über das Zax-Imperium, lediglich, dass die Familie seit Generationen in den Waffenhandel verwickelt war.

„Steht Ihr Vater auch auf der Gehaltsliste von Gen-X?“, erkundigte sich der Admiral und unterstellte damit, dass er sich von der Veteranenorganisation bestechen ließ.

„Ich weiß nicht, was mein Vater alles treibt, ich habe mich für die Wissenschaft entschieden und will mit Waffen nichts zu tun haben.“

Admiral Rosen strich sich ein weiteres Mal durch den Bart. „Nun gut. Sie haben sich auf den Job eines Lichtingenieurs beworben. Warum? Was wollen Sie in Ihrem Leben als Lichtingenieur erreichen?“

„Ich will, weil, wegen … äh. Licht ist unheimlich wichtig für die Menschheit!“

Admiral Rosen lächelte ein Raubtierlächeln. Jo Rosen hielt sich zurück, um nicht lauthals loslachen zu müssen. Schon die erste Frage brachte den Bewerber aus der Fassung.

„Gut“, fuhr der Admiral fort. „Nehmen wir an, ich gebe Ihnen den Job. Dann müssten Sie ja ihren Lebenslauf in der Astropedia ändern. Nicht wahr?“

„Ja … ja, natürlich“, stotterte Bartram verunsichert.

„Wenn Sie Ihren potenziellen neuen Posten als Lichtingenieur jetzt hinzufügen würden, wann würde Ihre Freundin auf Jaimbaliz das mitbekommen?“

„Ich, äh, habe gar keine Freundin …“

„Nehmen wir an, Sie hätten eine.“

„Gut, also dann … ein Lichtspruch nach Jaimbaliz dauert etwa 20 Minuten.“

Admiral Rosen lachte. „Sehr gut, da erkennt man den angehenden Lichtingenieur. Jaimbaliz ist ja auch 60 Lichtjahre von Tyros entfernt, nicht wahr? - Dann passt es genau. Oder?“

Bartram Zax schaute verunsichert. Etwas an der Rechnung verwirrte ihn.

„Gut“, schloss der Admiral das Gespräch und stand auf. „Sie hören von uns.“

„Hab ich den Job, können Sie mir schon etwas sagen?“, fragte der Bewerber aufgeregt.

„Nur Geduld“, beschwichtigte der Admiral. „Sie werden es bald erfahren.“

Als Bartram den Raum verlassen hatte, atmete Admiral Rosen tief durch.

„Das war ja überhaupt nichts“, befand Jo Rosen.

„Nein, und dazu war er noch illoyal gegenüber seinem Vater. Er sagte, es sei ihm egal, was sein Vater treibt. So etwas kann ich überhaupt nicht leiden.“

Jo Rosen hielt lieber den Mund. Zwar war es ihm nicht egal, was Admiral Rosen trieb, aber er reizte ihn mit seinen Eskapaden auch so mächtig.

Admiral Rosen strich sich ein weiteres Mal durch den Bart. Dann wischte er Bartrams Mappe auf den Stapel mit den abgelehnten Bewerbungen.

Das passt zu ihm, dachte Jo. Er lässt nur die allerbesten Leute an Bord. Dafür legt er sich sogar mit reichen und mächtigen Familien an, wenn ihre Sprösslinge nichts taugen. Ihm fiel auf, dass sein Vater ihn nachdenklich ansah. Verglich er ihn etwa mit diesem Bartram Zax? Jo wollte empört aufbegehren, aber dann drückte der Admiral schon den Knopf und ließ den nächsten Bewerber hereinbitten. Der zu erwartende Anschiss war noch einmal aufgeschoben, aber er schwebte wie ein Damoklesschwert über Jo Rosens Kopf.

Karla Want betrat das Büro. Auf den zweiten Blick gefiel sie Jo noch besser als auf den ersten. Sie hatte wundervolles lockiges schwarzes Haar und ausdrucksvolle Züge mit leuchtenden Augen. Zwischen ihren verführerisch geschwungenen Hüften wollte Jo gerne sein Gesicht vergraben.

Admiral Rosen blätterte im Holo und fand ihre Akte. „Ah, eine Moranerin“, stellte er fest. „Was gibt es Neues aus Nabukoland?“

Jo Rosens Magen verkrampfte sich, als hätte sein Vater ihm einen rechten Haken verpasst. Karla Want musste diesen Job bekommen, damit er sie wiedersehen konnte. Aber wie sollte das gelingen, wenn sein Vater das Gespräch gleich mit einer Beleidigung begann? Ben Nabuko, der Industriemagnat, hielt die moranische Regierung durch Korruption in Geiselhaft. Auf Moran wurde nur geforscht, was Nabuko in den Kram passte. Echter Fortschritt war so nicht möglich.

„Keine Ahnung, was gerade auf Moran los ist“, antwortete Karla. „Ich lebe seit Jahren auf Tyros. Ich habe ein Stipendium.“

„Von der Nabuko-Stiftung?“

„Nein, vom Wissenschaftsrat.“

„Dann können Sie sich glücklich schätzen und die Freiheit der Forschung genießen. Daran ist man ja auf Moran weniger interessiert. Lieber trägt man seine Daten in Koffern umher.“

Karla Want verzog den Mund. Aber sie beherzigte Jo Rosens Rat und reagierte unaufgeregt. „Wissen Sie, warum die Astropedia auf Moran mittags um halb zwölf stockt?“, fragte sie.

Der Admiral schaute irritiert.

„Weil die Briefträger in der Mittagspause keine Datenpakete ausliefern.“

Admiral Rosen lachte. „Den kannte ich noch nicht“, gab er zu.

„Wollen wir uns Moranerwitze erzählen, oder geht es hier auch um ein Bewerbungsgespräch?“, erkundigte sich die junge Dame selbstbewusst mit einem Seitenblick auf Jo Rosen.

Jo erschauerte, als sich ihre Blicke trafen.

Etwas pikiert rutschte der Admiral in seinem Sessel zurecht. „Gut. Was können Sie mir über interstellare Echtzeitkommunikation erzählen?“

„Es gibt keine interstellare Echtzeitkommunikation.“

„Warum nicht?“

„Nichts ist schneller als das Licht. Und das legt nun einmal nur 300.000 km in der Sekunde zurück.“

„Warum können wir dann mit nur 20 Minuten Verzögerung mit Jaimbaliz kommunizieren? Der Planet ist immerhin 60 Lichtjahre von uns entfernt. Da müsste die Kommunikation doch mindestens 60 Jahre dauern, oder?“

„Wir kommunizieren über eine Relaiskette, die aus Funkbojen gebildet wird. Jede Boje verstärkt den Lichtspruch und sendet ihn durch den gefalteten Raum über die Einstein-Rosen-Brücke. Dabei entsteht eine Verzögerung von nur 20 Sekunden pro Lichtjahr. Das Ganze nennt man Hyperspruch. Aber ich nehme an, dass ich Ihnen als Nachkomme des berühmten Wissenschaftlers Nathan Rosen nichts neues erzähle.“

Jo Rosen war beeindruckt. Die junge Frau war nicht nur technisch fit, sie schmierte seinem alten Herrn auch noch Honig in den Bart.

Admiral Rosen traktierte seinen Bart, als wolle er den Honig herauswringen. Die Bewerberin schien ihm nicht mehr geheuer zu sein.

„Was wissen Sie über verschränkte Photonen?“

„Die können durch nichtlineare optische Kristalle erzeugt werden. Dabei wird aus einem Photon höherer Energie ein verschränktes Photonenpaar mit je halber Energie erzeugt.“

„Erzählen Sie mir etwas über den Geistereffekt!“

„Zwei verschränkte Photonen werden an unterschiedliche Orte transportiert. Durch einen Filter entscheidet sich ein Photon für eine Polarisation. Das andere hat dann dieselbe Polarisation. Man könnte also sagen, die Information über die Polarisation wird in Nullzeit übertragen. Das allerdings widerspricht der Relativitätstheorie, nach der die höchste Geschwindigkeit die des Lichts ist. Albert Einstein sprach deshalb von einer spukhaften Fernwirkung“.

„Und? Handelt es sich wirklich um einen Spuk?“

„Nein, natürlich nicht. Heute wissen wir, dass das Photon bei dem Experiment nicht wirklich aufgespalten wird. Es befindet sich nur an zwei Orten gleichzeitig.“