Wir sind die Roboter - Johannes Anders - E-Book

Wir sind die Roboter E-Book

Johannes Anders

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Beschreibung

Dies ist das Abenteuer eines Forschungsraumschiffes. Der Diskus von 700 Metern Durchmesser beherbergt vier Forschungskreuzer der Orion-Klasse. Fernab des heimatlichen Sonnensystems soll es die Galaxis nach den Frog-Kriegen neu erkunden. Die Besatzung des Raumschiffes der Orion-Klasse, eines der vier Forschungskreuzer, steht dabei immer wieder im Mittelpunkt spannender Abenteuer.

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Seitenzahl: 162

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Peter R. Krüger

und

Johannes Anders

Sternenlicht 12

Wir sind die Roboter

Saphir im Stahl

Sternenlicht 12

Wir sind die Roboter

Erste Auflage 01.09.2022

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Thomas Budach

Lektorat: Joachim Stahl

Vertrieb: neobooks

Inhaltsverzeichnis

1 Die Geister der Verstorbenen

2 Diebische Freuden

3 Das verlorene Schiff

4 Liebesentzug

5 Der Außeneinsatz

6 Die geheime Botschaft

7 Alles hat seine Zeit

8 Notfallplan Hades

9 Unglücklich verliebt

10 Aufstand der Roboter

11 Die Nachricht

12 Einfache Wahrheiten

13 Befehlsnotstand

14 Die neue Mission

Biographie

1

Die Geister der Verstorbenen

Gedankenverloren trottete Poul die Gänge der JAGELLOVSK entlang. Landurlaub. Der Begriff schwirrte in seinem Kopf umher, seit er an diesem Morgen aufgestanden war. Rechtlich gesehen stand ihm und dem Rest der Besatzung nach all den Strapazen Landurlaub zu. Wenigstens eine Woche.

Auf dem Weg zu seiner Station auf der Brücke kam ihm Professor Okan entgegen, der genauso aussah, wie Poul sich fühlte. Bis auf ein müdes „Morgen!“ brachten beide nicht mehr an Konversation zustande, wofür der Armierungsoffizier insgeheim dankbar war. Bloß nicht weiter nachfragen, dachte er sich. Wenn der Professor schon so mürrisch aussah, konnte ein Gespräch mit ihm nur die Laune verderben. Zumal seine eigene Laune nicht in Bestform war.

Er hatte sich darauf gefreut, endlich auf SIGMA-3 ausspannen zu können. Sich ein paar Tage lang einfach mal richtig zu langweilen. Doch der SSD hatte andere Pläne und denen musste Walt folgen, und damit auch der Rest der Mannschaft.

Poul betrat den Lift, der ihn zur Brücke bringen sollte. Als sich die Tür schloss, schimpfte er leise vor sich hin. „Nur ein paar Tage. Ist das denn zu viel verlangt?“

Nach GJ 3021 b, den verrückten Robotern am Rande des Silberschweifnebels und dann auch noch dem astronomischen Flackern auf Soliamit hätten die Bürohengste auf Tyros ruhig mal ein anderes Schiff schicken können. Aber nein … es musste ja die ramponierte JAGELLOVSK sein, deren Zentrallift nur notdürftig zusammengeschustert worden war und deren jüngst installierter Bordcomputer TAMARA eine Kontrollneurose hatte, weil seine Bugfixes erst nach der Rückkehr eingespielt werden sollten.

Als der Lift seine Fahrt beendete, richtete Poul sich auf. Die Tür öffnete sich und Walt, Liane und Carl begrüßten ihn knapp.

„Leutnant Artos, beim Betreten der Brücke ist stets darauf zu achten, dass die Uniform im vorschriftsmäßigen Zustand ist.“ Die ungewöhnliche Begrüßung kam von TAMARA. „Ihr Kragen sitzt nicht, wie in der Anweisung 87, Abschnitt B, der Kleiderordnung für Angehörige des Sternenlicht-Sicherheitsdienstes vorgesehen, zweieinhalb Zentimeter unter dem Haaransatz des Nackens, sondern …“

„TAMARA“, unterbrach Walt mit ruhigem, aber bestimmten Tonfall, woraufhin der Bordcomputer seine Litanei über Dienstvorschriften der Kleiderordnung unverzüglich beendete. „Wir wollen uns auf wichtige Dinge konzentrieren. Die Anweisung 87 hat jetzt nicht die höchste Priorität.“

Poul nickte Walt dankend zu und nahm seine Position an den Kontrollen ein, als auch Fayola die Brücke betrat.

„Wir haben den Rendezvouspunkt erreicht“, stellte Walt fest. „Carl, alle Sendefrequenzen kontrollieren. Wir müssten ein Signal der MCLANE erhalten.“

Während Carl Ruyther knapp bestätigte, wandte er sich dem Bordcomputer zu. „TAMARA?“

Der Computer antwortete. „Zu Ihren Diensten, Major Kargon.“

„Es muss hier nicht so förmlich zugehen, TAMARA. Wie schon gesagt, konzentrieren wir uns bitte auf das Wesentliche. Bist du mit unserem Missionsziel vertraut?“

Poul fand, dass die Frage nur rein rhetorischer Natur sein konnte. Der Computer war mit allerhand Informationen gefüttert worden, nachdem klar geworden war, dass sich die JAGELLOVSK umgehend auf die nächste Mission zu begeben hatte. Das Missionsziel musste Bestandteil des Updates gewesen sein.

„Aber natürlich, Major.“

Obwohl die Antwort weniger förmlich war, klang sie dennoch irgendwie distanziert. Poul fragte sich insgeheim, ob der Bordcomputer so trainiert worden war, dass er eine abweisende, unterkühlte Persönlichkeit erhielt. Zumindest machte es den Anschein.

Walt ließ sich offenbar nicht beirren, denn er führte den Dialog ohne Umschweife fort.

„Dann bitte ein kurzes Briefing für die Mannschaft.“

„Der Generalstab des SSD hat der JAGELLOVSK die Alphaorder erteilt, den SSD Offizier Major Sidney Blum an den erreichten Koordinaten am Rande des Sternenschweifnebels umgehend nach dem Rendezvous mit der MCLANE von diesem Schiff aufzunehmen und auf direktem Wege zur SSD Basis SIGMA-3 zu geleiten. Diese Mission duldet keinen Aufschub und keine Verzögerungen. Die Grundlage für diese Alphaorder basiert auf der Gesetzgebung von Tyros im Weltraumflottenkommandogesetz von Tyros in Verbindung mit …“

„Danke, TAMARA, das reicht!“ Walts Worte führten dazu, dass sich der Bordcomputer nicht weiter äußerte.

Poul hatte fast den Eindruck, dass der Computer eingeschnappt wäre, doch das kam ihm sogleich ziemlich albern vor.

Walt richtete sich nun an die anderen. „Ihr habt in den letzten Tagen schon viel über unseren Auftrag spekuliert und mir Löcher in den Bauch gefragt. Es tut mir leid, dass ich euch bisher keine Einzelheiten nennen durfte, doch der Befehl war hier eindeutig. Bis zur Ankunft am Rendezvouspunkt musste ich absolutes Stillschweigen bewahren, auch euch gegenüber.“

Poul lag eine Erwiderung zum Thema Befehl und Vertrauen auf der Zunge, doch schluckte er sie hinunter. Einige Besatzungsmitglieder hatten sich in den letzten Tagen hinter vorgehaltener Hand über die Zusatzmission beschwert, und nun brach sich ihr Unmut Bahn.

„Warum muss es ausgerechnet die JAGELLOVSK sein?“, fragte sich Carl. „Es gibt doch unbeschädigte Schiffe. Ein Transporter hätte es ja auch getan. Dann hätte man die JAGELLOVSK erst mal reparieren können.“

„Und unter einer Alphaorder machen sie es wohl auch nicht mehr“, nörgelte Liane. „Hätte ein einfacher Befehlt für die Taxifahrt nicht ausgereicht?“

„Sind wir jetzt Kindermädchen oder was?“, wunderte sich Dr. Smith.

„Ihr habt gehört, worum es geht. Jetzt darf ich euch gegenüber ergänzen, dass Major Blum Informationen bei sich hat, die für den SSD von größter Wichtigkeit sind. Die Alphaorder, die besagt, dass wir den Major eskortieren sollen, beruht auf einer Kette besonderer Vertrauensverhältnisse. Hierzu gehört auch, dass wir …“

Carl unterbrach Walt in diesem Moment. „Entschuldige, Walt. Aber die MCLANE ist nicht wie verabredet hier!“

„Was meinst du damit? Hat sie sich verspätet?“

Der Kommunikationsoffizier schüttelte seinen Kopf. „Wir haben uns verspätet, das weißt du doch. Und die sind wohl schon wieder weg.“

„WAS?“ Walts Augen weiteten sich.

„Aber sie haben uns eine Nachrichtensonde dagelassen.“

„Auf die Astroscheibe!“

Über der Astroscheibe baute sich das Holo der Kommandantin der MCLANE auf. Major Zaya Karan trug braune Haare zu einem Zopf geflochten seitlich über der Schulter. Sie mochte erst Mitte zwanzig sein. Poul war erstaunt, dass man schon in jungen Jahren so weit in der Flotte aufsteigen konnte.

„Hier Major Karan vom Erkundungskreuzer MCLANE. Grüße an die JAGELLOVSK! Hallo Walt! Wir haben zwei Wochen auf euch gewartet. Es tut uns leid, aber auf Empfehlung von SSD-Offizier Sidney Blum werden wir nun unsere dringende Mission aufnehmen und zum letzten bekannten Standpunkt der STEPHEN HAWKING vorstoßen.“

Das Holo wechselte und das Gesicht eines gutaussehenden schwarzhaarigen Mannes erschien. „Major Blum hier. Die STEPHEN HAWKING ist das wertvollste Schiff der Sternenlichtflotte und die Mission der MCLANE duldet keinen weiteren Aufschub. Wir bitten die JAGELLOVSK, auf weitere Nachrichten der MCLANE zu warten und diese an die zuständigen Stellen weiterzuleiten. Viele Schiffe sind schon auf der Suche nach der HAWKING verschollen. Unsere Mission ist deshalb höchst gefährlich, im Notfall hoffen wir auf eure Unterstützung!“

Zaya Karan meldete sich noch einmal: „In der Nähe des Sternenschweifnebels kommt es verstärkt zu Temporalverzerrungen, die sogar Raumschiffe beschädigen können. Unsere künftigen Nachrichten schicken wir deshalb zu einem Punkt mit größerer Distanz zum Nebel. Die neuen Koordinaten befinden sich im Anhang dieser Nachricht. Karan Ende.“

„Koordinaten empfangen?“, fragte Walt.

„Aye, Commander. Kurs gesetzt.“ Liane hatte wie immer alles pfeilschnell und sicher im Griff.

„Was fällt denen ein?“, polterte Carl Ruyther. „Die können uns hier doch nicht als Nachrichtenboje missbrauchen! Wie lange, glauben die, dass wir hier auf einen Pups von ihnen warten?“

„Beruhige dich, Carl“, empfahl Walt. „Wir haben sie ja auch zwei Wochen warten lassen.“

„Außerdem ist es ein guter Gedanke von Major Blum, noch ein Schiff in der Hinterhand zu haben, das im Notfall eingreifen kann. Zu viele Schiffe sind schon verlorengegangen!“

Carl brummelte etwas davon, deswegen noch seine Lieblingsholoserie Missiles in Action zu verpassen, und wandte sich seinen Konsolen zu.

„Hast du ihn dir angesehen?“, flüsterte Liane.

„Wen?“, fragte Fayola. „Major Blum?“

„Natürlich! Findest du, er sieht wirklich so sexy aus, wie alle sagen?“

Fayola schwieg einen Moment.

„Na ja“, antwortete sie schließlich. „Schon nicht schlecht. Aber nicht mein Typ.“

„Das sagen alle“, grinste Liane.

Poul war währenddessen mit den Gedanken ganz woanders. „Höchst gefährlich“, hatte Major Blum gesagt. Nervös kontrollierte er die Bereitschaft seiner Waffen. In ihm wuchs das ungute Gefühl, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging.

Nur eine halbe Stunde später winkte Carl Walt zu sich. Poul bemerkte den besorgten Ausdruck im Gesicht des Kommunikationsoffiziers, was ihn hellhörig werden ließ.

„Walt, hier stimmt etwas ganz und gar nicht. Ich bekomme unzählige Funksprüche rein, die keinen Sinn ergeben.“

„Inwiefern?“, wollte Walt wissen. Auch Poul war aufmerksam geworden. Er rückte näher zu den beiden anderen.

„Hilferufe“, erklärte Carl dann. „Viele der Funksprüche sind Hilferufe. Aber die sind alle so durcheinander, dass ich nicht herausfiltern kann, worum es überhaupt geht. In manchen geht es um einen Angriff, dann wieder um Havarien, Abstürze, das ganze Programm an Katastrophen.“

Poul schluckte.

„Und das ist noch nicht alles“, fuhr Carl fort. „Mindestens ein Funkspruch stammt von einem Schiff, das es gar nicht gibt! Hier, ein Eintrag für den Schnellen Kreuzer MCBRIDE ist im Flottenverzeichnis nicht vorhanden.

„Das ist allerdings rätselhaft“, stimmte der Kommandant zu.

Poul beugte sich mit großen Augen über Carls Schulter, um die Informationen aus erster Hand einzusehen. Carl blieb das natürlich nicht verborgen. „Na, Junior“, sagte er und wandte sich um. „Klingt das für dich nicht nach einer Geschichte aus dem Silberschweifnebel? Ein Geisterschiff, das es gar nicht gibt?“

Poul hatte plötzlich einen Kloß im Hals und konnte nicht antworten. Ja, doch! Die Angelegenheit machte ihm Angst!

Liane mischte sich ein. „Unser Kleiner wünscht sich bestimmt, dass er an Bord der SHUBASHI geblieben wäre. Obwohl da ja die gruseligen Gamma-9-Roboter ihr Unwesen treiben. Uhhhh!“

„Ach, hört doch auf, ihr!“ Unerwartet stellte sich Fay hinter Poul. „Langsam reicht es ja mal mit eurer albernen Frotzelei. Silberschweif, Sternenschweif … blablabla. Wollt ihr etwa behaupten, dass das alles normal ist? Denkt mal an Nachteule!“

„Ja, stimmt schon“, räumte Liane ein, „das war seltsam, als der in unserem Schiff herumgeisterte. Aber bitte: Das Weltraumfahrergarn um den Silberschweifnebel ist doch wirklich Kinderkram und …“

„Liane, jetzt langt es!“

Erstaunt nahm Poul zur Kenntnis, dass sich die Ingenieurin wie eine Löwin vor ihn stellte. Das beeindruckte ihn. Er war es gewohnt, dass sich alle lustig darüber machten, dass er den Geschichten um diesen mysteriösen Nebel mehr Bedeutung schenkte als die meisten anderen Menschen. In der Regel war er schon froh darüber, wenn Walt sich zurückhielt und dafür sorgte, dass die anderen nicht über die Stränge schlugen, wenn es darum ging, seine Ansichten ins Lächerliche zu ziehen. Doch das, was Fayola da gerade machte, sorgte bei ihm für Herzklopfen.

„Schluss damit“, beendete Walt die Diskussion. „Fay hat Recht. Wir sollten uns nicht gegenseitig auf den Schlips treten. Man mag von den Geschichten halten, was man will, aber eines steht eindeutig fest: Die Funksprüche sind verwirrend und alles andere als normal. Oder würdest du das anders einstufen, Carl?“

Der Kommunikationsoffizier schien sich ertappt zu fühlen. Das belustigte Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, als er zögernd zugab: „Ja … doch … Das ist definitiv ungewöhnlich.“

„Schau dir die Funksprüche noch mal an, Carl! Ich will wissen, ob da auch eine Nachricht von der MCLANE dabei ist!“

Fayola wandte sich von Walt und Carl ab, drehte sich zu Poul um und zwinkerte ihm wissend und mit einem Ausdruck des Erfolgs in ihrem Gesicht zu.

Es traf ihn wie ein Schlag und sein Herz schlug höher. Warum war ihm in all der Zeit nie aufgefallen, wie bezaubernd sie lächeln konnte? Und das Einzige, was er in diesem Moment machen konnte, war, wie ein dummer Junge zu grinsen.

Schnell schüttelte er den Ausdruck in seinem Gesicht ab und hoffte, dass ihn niemand bemerkt hatte. Als ob er etwas Wichtiges zu tun hätte, widmete er sich wieder seinen Anzeigen, ohne sie wirklich zu betrachten.

Vielmehr kreisten seine Gedanken gerade um die hübsche Ingenieurin, die ihn schwer beeindruckt und fasziniert hatte.

Ich glaube, ich habe mich gerade heftig verliebt! Der Gedanke ging ihm den ganzen Tag durch den Kopf. Wie ist das nur möglich, nach all der Zeit, die sie schon zusammenarbeiteten?

2

Diebische Freuden

Regen tropfte auf Hiros schwarzen Kampfanzug herab. Die Tropfen perlten über seine Schulter. Er sah an der Fassade des Hochhauses hinab. In der belebten Hauptstraße von Neu Paris kreuzte sich der Verkehr auf mehreren Ebenen, nur selten tat sich eine Lücke zwischen den Gleitern auf. Hiro hob den Blick und genoss für einen Moment den Anblick der Skyline. Die Nachbildung des Eiffelturms zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Man hatte sie zum Gedenken an die Erde errichtet, die schon lange niemand mehr gesehen hatte. Die alten Geschichten über sie wurden über die Jahrhunderte hinweg beständig ausgeschmückt, sodass sie immer mehr zum Mythos wurde.

Genug der Ablenkung. Hiro musste sich konzentrieren.

„Alle bereit?“, fragte er über das Mikrophon.

„Check!“, antwortete Lisa Kraft ohne Verzögerung. Er wusste, dass er sich auf sie bedingungslos verlassen konnte.

„Check! Check! Check!“, bestätigten auch die anderen.

„Auf mein Zeichen!“

Schon der erste Schritt der Mission war extrem schwierig: Wenn die Lücke im Verkehr nicht groß genug war, würde einer der Gleiter sie oder ihre Seile erwischen und sie plattmachen. Dabei konnten sie froh sein, wenn sich überhaupt eine Lücke im Feierabendverkehr ergab.

„Jetzt!“, schrie er in sein Mikrofon und stürmte los. Der Schwung trug ihn gut sechs Meter über die Kante des Hochhausdaches, wobei die Schwerkraft ihn unweigerlich steil nach unten zog. Ein Gleiter hupte und konnte gerade noch ausweichen, wobei er fast mit einem anderen zusammengestoßen wäre. Von nun an lief die Zeit. Der Fahrer würde den Beinaheunfall melden und die Polizei würde bald aufkreuzen. Sicher würden die Cops schnell ihre Schlüsse ziehen und für die Bank Alarm auslösen.

Das Seil straffte sich und zog ihn zum Gebäude zurück. Mit den Beinen federte er den Sturz auf die Fassade ab und sah, wie die anderen vier neben ihm eintrafen. Mit den Füßen wanderte er zum Fenster und setzte den Glasschneider an.

„Bist du sicher, dass das Büro leer steht?“, fragte Carlos. „Wenn die Angestellten nun den Joghurt nicht gegessen haben?“

„Dann haben ihn ihre Angehörigen verspeist. Das Haltbarkeitsdatum ist gestern abgelaufen. Irgendwer hat jetzt das Brechmittel abbekommen und braucht Pflege.“

„Mussten wir die Familien da mit reinziehen?“, brummte Carlos.

„Du weißt, dass das Artefakt alles rechtfertigt!“, wies Lisa ihn zurecht. „Wirklich alles!“

Hiro hatte währenddessen ein Loch in das Fenster geschnitten und war in den Raum gesprungen. Unvermittelt stand er vor einer schockierten Putzfrau, die er mit seiner HM-6 betäubte, noch ehe sie schreien konnte.

Die Türen verriegelten automatisch, wenn der letzte Mitarbeiter abends das Büro verließ. Da die Putzfrau das Büro wieder geöffnet hatte, brauchten sie den Code nicht zu brechen und sparten Zeit. Hiro hielt die anderen zurück. „Wartet! Wir haben 20 Sekunden für das Codebrechen eingeplant.“

„Die können wir später bestimmt noch brauchen!“, wandte Carlos ein.

„Nichts da! Der Plan wird genauestens eingehalten!“

Die Zeit war um. Kaum hatten sie das Büro verlassen, als auch schon der Alarm losging. Der Sicherheitsdienst hatte schneller reagiert als erwartet. Aber das kostete sie nur drei Sekunden, denn die Flurkameras hätten ihn jetzt sowieso ausgelöst. Schnellstmöglich sprinteten sie zum Aufzug. Während die anderen sicherten, hatte Carlos schon seinen Armcomputer verbunden, um die Elektronik des Aufzugs zu übersteuern.

„Warum dauert das so lange?“, fragte Hiro nervös. Er wusste, dass sie die drei Sekunden aufholen mussten. Claire Wanderberg, die verfluchte Chefin des Sicherheitsdienstes würde, die drei Sekunden nutzen, um sie fertig zu machen.

„Hab’s schon“, meldete Carlos und trennte die Verbindung.

„Dann los!“

Sie stürmten in den Aufzug, der sich viel zu langsam hinter ihnen schloss. Hiro drückte die Taste für das unterste Stockwerk. Der Aufzug begann ungebremst zu fallen, was bei ihnen ein Gefühl der Schwerelosigkeit verursachte. Lisa hatte bereits die Deckenplatte abgeschraubt. Ihnen blieben nur wenige Sekunden, bis der Aufzug im Keller der 256 Stockwerke zerschellen würde. Schon zwängte sich Lisa durch das Loch. Als sie oben angekommen war, reichte sie ihre Hand herunter und half Carlos hinauf.

„Schneller, verdammt, schneller!“, trieb Hiro seine Kumpane an. „Wir hängen immer noch drei Sekunden hinterher! Wir haben das oft genug simuliert, so wird es nicht reichen!“ Hiro wusste, dass die drei Sekunden ein tödliches Ende bedeuteten.

Auf ihren Magnetfeldern schwebten sie im Aufzugsschacht, während die Kabine unten zerschellte und ihnen Trümmer und Staub entgegenwarf.

„Los jetzt! Wir fallen früher, um die drei Sekunden aufzuholen!“

Der Staub hatte sich noch nicht gelegt, als sie sich der Kabine hinterherstürzten.

Die Magnetkissen fingen sie auf der vorletzten Etage ein. Lisa schweißte mit ihrer HM-6 die Tür nach draußen auf. Schon waren sie hindurch und stürzten die Nottreppe hinunter. Unten hatte die Explosion die Aufzugtür weggesprengt. Der Sicherheitsdienst war noch nicht da, er würde einen Moment brauchen, bis er herausfand, dass niemand in der Kabine war, auch das war einkalkuliert.

Sie stürmten am zerstörten Aufzug vorbei, rannten um zwei Ecken und standen vor einem Stahlschott.

„Spiel das Holo ab!“, forderte Lisa ihn auf.

Hiro betätigte seinen Armcomputer und ließ die Holoaufnahme Claire Wanderbergs erscheinen. Der Zugangscomputer maß die biometrischen Daten und fuhr das Schott auf. Zusammen mit dem Holo überquerten sie die Linie zum besonders geschützten Bereich. Als das Schott wieder geschlossen war, zerstörte Hiro den Zugangscomputer mit einem Schuss aus seiner HM-6. „Ab jetzt sind wir unter uns!“, behauptete er.

Befriedigt stelle er fest, dass sie durch den vorgezogenen Sturz zwei Sekunden aufgeholt hatten. Dafür hatte sein Anzug durch die umherfliegenden Teile einige Kratzer abbekommen, was aber nicht viel schaden sollte.

„Die Kombination im Irrgarten ist 5-2-4-7-1!“, rief er noch einmal in Erinnerung, während sie weiter rannten. „Ab jetzt!“

Er ging fünf Schritte geradeaus, zwei nach rechts, vier geradeaus und sieben nach links, als er hinter sich einen Schrei hörte. Erschrocken drehte er sich um. „Was hat der Idiot falsch gemacht?“, schrie er.

„Er ist nach links gegangen statt nach rechts!“, antwortete Lisa.

„Verdammt, wir dürfen keine Zeit verlieren, sonst teilen wir sein Schicksal!“

Hiro sprang den letzten Schritt nach vorne und erreichte die Tür zum nächsten Raum. Lisa war knapp hinter ihm. „Aber Carlos …“, flüsterte sie.

„Er wusste, worauf er sich einließ!“

In dem Moment feuerte der Sicherheitsdienst aus dem anderen Raum heraus auf die geöffnete Tür. Mindestens vier Beamte hatten sich dort verschnazt. Lisa riss Hiro beiseite und fing sich dafür selbst einen Treffer ein. Sie blutete aus einer Wunde oberhalb des Herzens.

„Nein, Lisa, nicht du!“, schrie Hiro entsetzt auf.

Lisa lag am Boden und atmete schnell. „Ihr müsst weiter …“, stammelte sie, „sonst … verliert ihr zu viele Sekunden …“

„Nein!“, lehnte Hiro ab. „Nicht ohne dich! Was ist das verfluchte Artefakt wert, wenn ich dich nicht mehr habe? - Ich werden den Cheat einspielen!“

„Nein!“, keuchte Lisa. „Nicht den Cheat! Du brauchst ihn für dich! Für den Endkampf!“

„Zu spät, ich hab ihn schon drin.“

Hiro stand plötzlich wieder am Anfang des Irrgartens. „Die Kombination ist 5-2-links-4-7-rechts-1!“, rief er diesmal ganz genau, während sie weiter rannten. „Ab jetzt!“