Die hohe Kunst, eine Freundschaft zu beenden - Matthias Debureaux - E-Book

Die hohe Kunst, eine Freundschaft zu beenden E-Book

Matthias Debureaux

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Beschreibung

Wie wird man einen Freund los, der kein Freund mehr ist? Der wohl einfachste und effizienteste Cut ist der Streit. Dass dieser weder groß sein muss noch schwerwiegende Motive braucht, zeigen prominente Feindespaare wie Steve Jobs und Bill Gates, Jean-Paul Sartre und Albert Camus, Keith Richards und Mick Jagger. Lässt sich partout kein Streit vom Zaun brechen, gibt es zum Glück immer noch genug andere Mittel und Wege, eine Freundschaft zu beenden.
Debureaux zeigt aus jeder Sackgasse einen Fluchtweg auf – ein Büchlein voll halbernster Tipps, das zum Schmökern und Schmunzeln einlädt.

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Nagel & Kimche E-Book

Matthias Debureaux

Die hohe Kunst, eine Freundschaft zu beenden

Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky

Für Suzanne und Lucie

Freundschaft ist nur eine Vorstufe der Entzweiung.

Robert de Montesquiou

 

Jede Entzweiung ist ein Scheitern, sagte Edgar Faure gern. Dabei liegt es an Ihnen, einen Erfolg daraus zu machen. Vor allem einen dauerhaften. Viel zu oft entpuppt sich eine Entzweiung als flüchtiges Schmollen, vorübergehende Abkühlung, kurzlebige Kabbelei, kindischerZank, leichte Kränkung oder kleine Unstimmigkeit. Viel zu oft endet ein Schlagabtausch kläglich mit einer Versöhnung. Einem falschen Streit fehlt es an richtigen Werten, wusste schon Shakespeare. Wie soll man den Groll also schüren, auf dass sein Feuer ewig brenne und höchstens mit dem Tod ende? Und warum sollte man ihn nicht einfach an seine Kinder weitervererben, wie die unerbittlichen Blutrachen, die im Kaukasus Familienklans über Jahrhunderte gegeneinander aufbringen? Zugegeben, für die alten Griechen war Freundschaft die höchste aller Tugenden: die philia, kosmische Verbindung und gegenseitige Anziehung zweier Wesen. Lykurg, der bedeutende Gesetzgeber von Sparta, hatte allen Bürgern ab dem zwanzigsten Lebensjahr untersagt, ihre Mahlzeiten allein zu Hause einzunehmen, und sie so gezwungen, Freundschaften zu schließen. Etwa zur gleichen Zeit gebot ein skythisches Gesetz, einen Freund zu haben, erlaubte zwei, verbot jedoch drei. Im Mittelalter konnten zwei Ritter einander vor einem Priester lebenslange Treue geloben. Bis zum Tod sollten sie aus demselben Becher trinken, dasselbe Bett teilen und sich sogar auf den Mund küssen, bevor man sie Seite an Seite bestattete. Wer den anderen überlebte, musste dessen Grab ausheben. Das entbehrt nicht eines gewissen Reizes. Und bei einer Lebenserwartung von neunzehn Jahren kinderleicht. Inzwischen sind die hygienischen Verhältnisse und die Medizin weit fortgeschritten, istdie moderne Welt so komplex, dass lebenslange Freundschaft zum Wüstenmarathon wird.

In Orson Welles’ Film Herr Satan persönlich erzählt einer der Protagonisten von einem seltsamen Traum. Er habe einen Friedhof mit eigenartigen Inschriften gesehen: 1822 – 1826, 1891 – 1902, 1930 – 1934 … und gesagt: »Hier stirbt man aber jung.« Keineswegs, antwortete sein Gegenüber, nur zählten hier als Lebenszeit lediglich die Jahre, die eine Freundschaft gehalten habe. Einer Studie der Universität von Utrecht zufolge hält eine Freundschaft im Schnitt sieben Jahre. Aber wenn die Freundschaft nur noch aus einem Austausch von Unfreundlichkeiten besteht, wenn der Freund einen nervös macht, muss dieser Abwärtsstrudel aus Krach und Wut bald ein Ende finden. Wozu eine sieche Beziehung aufrechterhalten, die nur noch unter künstlicher Beatmung fortlebt? Wozu noch sizilianische Freundschaft vortäuschen, wenn der Freund die Saiten der Sympathie nicht mehr zum Klingen bringt? Alfred Hitchcock hatte sich in Bezug auf das übermäßig starke Suchtmittel Freundschaft gesunde Zurückhaltung auferlegt. Sobald er sich auch nur ansatzweise von jemandem aus seinem näheren Umfeld gestört fühlte, brach er sämtliche Brücken für immer ab, ohne die geringste Erklärung abzugeben. Eine Volksweisheit besagt, dass man einen Tag braucht, um einen Freund zu gewinnen, eine Sekunde, um ihn zu verlieren, und ein ganzes Leben, um ihn zu vergessen. Laut Freud ist bekanntlich kein Freund unersetzbar.

Das Leben ist wie ein Fahrstuhl. An manchen Stockwerken muss man Leute aussteigen lassen. Der Science-Fiction-Autor H.G.Wells sagtees ohne Umschweife: »Der Weg des sozialen Aufstiegs ist mit zerbrochenen Freundschaften gepflastert.« Einst galt es sogar als strahlende Belobigung, als schillernde Auszeichnung, wenn man sich im Lauf seiner Karriere als Denker mit Prominenten wie André Breton, Guy Debord oder Jean-Paul Sartre überwarf, gleichsam als Verdienstkreuz, das vom Mut und heldenhaften Ausreißversuch des Einzelgängers zeugt. Die Entzweiung ist ein vollkommen legales Mittel, jemanden verschwinden zu lassen. Ein friedliches Duell, bei dem kein einziger Tropfen Blut vergossen wird und das dennoch seine Regeln und Gebräuche kennt. Diese Art des Abschiednehmens erfordert Schneid und Schärfe, als machte ein Soldat mit knallenden Absätzen kehrt, um das Büro seines Offiziers zu verlassen. Die Entzweiung ad vitam ist eine überaus vornehme Kunst, die ein eigenes Handbuch verdient.

Wie kann man seine Freunde loswerden? In seiner utopischen Idealstadt wollte der Revolutionär Saint-Just Freundschaft regulieren, und so hätte man jedes Jahr angeben müssen, mit wem man befreundet war. Wer eine Freundschaft kündigte, sollte dem Volk in einem der Tempel seine Gründe darlegen, sobald ihn ein Bürger oder der Älteste dazu aufrief. Wer sich weigerte, sollte verbannt werden. Seltsamerweise wird die Frage, wie man eine Freundschaft auflöst, in Ratgebern kaum behandelt. Oder nur am Rande, wie in den Usages du monde der liebenswürdigen Baronin Staffe, einem Bestseller des ausgehenden 19. Jahrhunderts: »Sähe man sich bemüßigt, mit Personen zu brechen, denen man mehr oder weniger nahesteht, sollte man sich davor hüten, das offen anzusprechen oder beleidigend zu werden. Vielmehr sollte man diese immer seltener aufsuchen, sodass die Bande sich ganz langsam und sachte lösen und beiden Seiten ein Konflikt erspart bleibt.« Eine Art natürlicher Tod der Freundschaft. Das mutet erstaunlich feige an zu einer Zeit, in der man sich noch – wenn auch gesetzeswidrig – duellierte.

Über Freundschaft sind schon unzählige Bücher erschienen, aber noch keins über die Herausforderungen, eine solche zu beenden. Im Lauf eines Lebens kommt es zu rund vierhundert Freundschaften. Und zu fast ebenso vielen Entzweiungen. Dabei helfen weder magische Rituale noch Zaubertränke. Nur der gesunde Menschenverstand. Diese kurze Abhandlung zeigt, wie man seinen Freunden dauerhaft den Rücken kehrt und sie beherzt abhängt, und enthält auch Ratschläge einiger Schriftsteller, Künstler und historischer Persönlichkeiten, die sich auf diesem Gebiet hervorgetan haben. Nicht aufgenommen wurden die zahllosen Zerwürfnisse von »Stars« oder Fernsehmoderatoren, ob echt oder fake, weil sie entweder zu PR-Zwecken von A bis Z erfunden oder in den sozialen Netzwerken bis zur Unkenntlichkeit aufgeblasen wurden.

Die Kündigung einer Freundschaft ist als Thema inzwischen fast so heikel wie das Beenden einer Liebesbeziehung. Und so beginne ich mit einem visionären Ratschlag von Kardinal Richelieu, einem wahren Experten, um nicht zu sagen Orakel auf diesem Gebiet: »Die Liebe muss man zerreißen, die Freundschaft hingegen sollte man auftrennen.« Möge dieses Werk Ihnen dabei Trost schenken und Halt geben, wenn Sie diese entsetzliche Trauer verspüren, die man nichtmit anderen teilt, sondern ganz allein bewältigt. Fangen wir mit der Begriffsklärung an: Was ist eine Entzweiung? Über jene mit Camus schrieb Sartre, sie bedeute nichts, »selbst wenn man sich nie mehr sehen sollte«, sie sei »lediglich eine andere Art, miteinander zu leben«.

*

Vor der Entzweiung muss man die Aufgabe meistern, seine Freunde richtig auszuwählen. Freunde, die aus dem trockenen, knackenden Holz des kommenden Krachs geschnitzt sind. Doch hören wir zunächst, wie das stolze und aufrechte Volk der Maori darüber denkt: »Beginnt die Freundschaft als Blitzschlag, muss sie im Donner enden.« Dieser Blitzschlag ist also die erste Voraussetzung für unser kleines Seminar. Bestimmt werden Sie einwenden, dass dabei geheime Kräfte eine Rolle spielen und man so etwas nicht planen kann. Gehen Sie also gleich auf Tuchfühlung, äußern Sie lautstark Ihre Begeisterung, setzen Sie auf verbindende Gesten, um die Anziehungskraft zu intensivieren (hug, high five, Rückenmassage …).

Sie und Ihr Gegenüber unterscheiden sich in allem radikal. Wie Schwarz und Weiß, Feuer und Eis, Nord- und Südpol. Zwei Supernovas, deren Synergie vom ersten Moment Ihrer freundschaftlichen Eroberung an genauso vorprogrammiert ist wie deren Zusammenprall. Optimal wäre natürlich die Verbindung eines toxischen Perverslings mit einem durchgeknallten Narzissten, aber die kommt nur sehr selten zustande. Fangen Sie also lieber klein an. Suchen Sie sich zunächst eine Persönlichkeit mit einem ganz anderen sozialen und geografischen Hintergrund (Stalin&Trotzki), die bei Ihnen das Gefühl totaler Faszination und Minderwertigkeit auslöst und somit für später eine spektakuläre Kehrtwende verspricht. Fressen Sie einen Narren an jemandem, dessen Maße stark von Ihren eigenen abweichen, empfohlen wird ein Größenunterschied von mindestens zwanzig Zentimetern (Simon&Garfunkel), ein Komplex, der das langsam wirkende Gift des Neides destilliert und nach und nach zu Missverständnissen und dem kommunikativen Aus führt. Lassen Sie sich von einem Erscheinungsbild betören, das dem Ihren ganz fern ist (Danton&Robespierre