Die Inbesitznahme - Björn Buxbaum-Conradi - E-Book

Die Inbesitznahme E-Book

Björn Buxbaum-Conradi

4,7

Beschreibung

Dieses Buch wird vielleicht nur dem gefallen, der sich insgeheim nach hartem Schaffen unter der Sonne sehnt, der hin und wieder der Stadt den Rücken zukehrt und mit aller Kraft nach Freiheit drängt, das echte Leben im Blick. Es sei verraten, dass die Aufzeichnungen eines Malers den Kern der Erzählung bilden. Antoine Battesti geht in den Bergen Korsikas auf die einsame Suche nach neuen Empfindungen und Sehweisen. Seine Farben mischt er im Schweiße seines Angesichts. Zwischen Disteln und Dornen gedeiht sein Garten. In zeitlicher Distanz ziehen die Brüder Marc und David ihre Bahn um Fiuminale – jenen rätselhaften Ort, der alle Akteure verbindet.

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Für Annette und Peter

et JMB.

INHALTSVERZEICHNIS

Personen

Vorwort

Präludium

Entdeckung

Hinterlassenschaft

Rückkehr

Addenda

Anmerkungen

ÜBER DEN AUTOR

Björn Buxbaum-Conradi wurde 1981 in Kassel geboren. Nach Abitur und Zivildienst zunächst Studium der Biologie in Münster. Ab 2003 Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte in Trier, später in Frankfurt am Main. 2008 Magisterabschluss mit einer Arbeit über Robert Musil. Mehr über bbc auf der Seite idio10.net

PERSONEN

Marc Leytmund

David Leytmund - älterer Bruder Marcs

Antoine Battesti

Orsu - Großvater Antoines, geb. in Fiuminale

Tante Fiora - Cousine von Orsu, lebt in Mezzana

Éveline - französische Großmutter Antoines

Carla - Urgroßmutter Antoines, geb. in Fiuminale

Jean - Maler und Freund von Antoine

Francescu - Hirte, geb. in Fiuminale

Lucia - Mutter Francescus

Aus der Fremde komme ich hierher;

allein steige ich hinauf,

querfeldein zum hohen Garten,

im Rücken leuchtend – das Meer.

Frei ist das Herz an diesem Ort,

die Landschaft wild und schön.

Jeder Tag ein Tag in Eden.

Wer hier ist, will nicht mehr fort.

Unter einem Apfelbaum

raste ich an heißen Tagen.

Ich blicke hinab zur See,

wünsche, den Moment zu teilen.

Es fehlt ein Freund in meinem Traum.

Antoine Battesti

VORWORT

Dieses Buch wird vielleicht nur dem gefallen, der sich insgeheim nach hartem Schaffen unter der Sonne sehnt, der hin und wieder der Stadt den Rücken zukehrt und mit aller Kraft nach Freiheit drängt, das echte Leben im Blick.

Es sei verraten, dass die Aufzeichnungen eines Malers den Kern der Erzählung bilden. Antoine Battesti geht in den Bergen Korsikas auf die einsame Suche nach neuen Empfindungen und Sehweisen. Seine Farben mischt er im Schweiße seines Angesichts. Zwischen Disteln und Dornen gedeiht sein Garten.

In zeitlicher Distanz ziehen die Brüder Marc und David ihre Bahn um Fiuminale – jenen rätselhaften Ort, der alle Akteure verbindet.

Der Zweck des Buches wäre erreicht, wenn es über kurzweiliges Lesen hinaus eine stille Sehnsucht nach Korsika weckte. Die verborgenen Schätze der Insel können schließlich nur mit eigenem Auge gehoben werden.

Wenn der Verfasser nun preisgibt, dass die Erzählung von wahren Begebenheiten angeregt ist, so tut er dies im Gedenken an die Menschen, denen Fiumiale einst Heimat gewesen ist. Möge dieser Ort mit all seinen Geschichten, auch den dunklen und abgründigen, nicht in Vergessenheit geraten.

bbc im Nov. 2014

PRÄLUDIUM

S ommer 2004.

Die Brüder Marc und David Leytmund waren unterwegs nach Korsika. Zugfahrt bis Nizza, dann die Fähre nach Bastia, mit Wind in den Haaren und Salz auf den Lippen.

Sie planten, den nördlichen Teil der Insel zu erschließen, zu Fuß in zehn Tagen. David war routiniert. Er hatte schon einen Viertausender bezwungen. Die abgeschiedenen Berge Korsikas kannte er aber noch nicht.

Als die Insel aus dem Dunst auftauchte, fühlte sich Marc wie ihr Entdecker, obwohl es für ihn eine Wiederbegegnung war. Nach dem Ende der Schulzeit hatte er einen Monat an der Westküste verbracht. Damals fühlte er sich frei. Weit wie das Meer lag das Leben vor ihm. Doch vom Grund drängte schon der quälende Zwang hinauf, sich entscheiden zu müssen.

Der erste Tag in den Bergen brachte Ernüchterung. Es herrschte dichter Nebel, die Luft war kalt und unbewegt, Wegzeichen wurden verschluckt, Stille lag über dem Wald. Gegen Mittag erreichten sie die Baumgrenze. Marc war erschöpft. Schweiß brannte in seinen Augen. "Du trägst zu schwer", sagte David.

Marc weigerte sich, etwas zurückzulassen. Er kämpfte wie ein Tier. Erst als er beim Schultern des Rucksacks in die Knie ging, besann er sich und legte Sandalen, Taucherbrille und ein Survival-Handbuch am Wegrand ab. Obwohl die Erleichterung gering ausfiel, folgte Marc fortan dem Gebot des Sich-Entledigens. Nach einem weiteren Kilometer war er drauf und dran, einen halben Liter Schnaps in die Büsche zu kippen. Doch David hinderte ihn daran und nahm die Flasche an sich. Der Alkohol würde ihnen das Einschlafen im klammen Zelt erträglicher machen.

Schritt für Schritt ging es höher hinauf. Es war ein blindes, keuchendes Vorwärtstasten, das vom Knirschen der Steine unter den Schuhen begleitet wurde. Sie hofften bald die Oberfläche des Nebelmeeres zu erblicken. Aber sie wurden enttäuscht. Die Schwaden umspülten selbst die höchsten Gipfel. Ständig stellte sich die Frage, ob sie noch auf Kurs waren. Die archaischen Wegzeichen, Steinmännchen genannt, trugen Tarnfarbe. Bei schlechter Sicht waren sie vor fremden Blicken geschützt. Weiter erschwert wurde die Navigation durch den kleinen Maßstab ihrer Karte.

"Schon seltsam, im Nebel zu wandern", raunte Marc.

Am höchsten Punkt der Strecke rasteten die zwei. Ihre Kleidung klebte nass auf der Haut, die Kehlen brannten. Sie tranken und aßen gierig, während ihre Körper noch dampften. Doch schon nach Minuten waren sie ausgekühlt. Sie überwanden sich, standen auf, hoben das Gepäck unter Schmerzen, um sich weiter, immer weiter durch den trüben Ozean zu bewegen, der sie umgab.

Mit dem Abstieg sank auch die Sonne. Sie mussten sich beeilen, wollten sie vor der Dunkelheit die Herberge erreichen. Doch schon beim Eintritt in die bewaldete Zone begann das Licht zu verkümmern. In der Nähe hörten sie Wildschweine durchs Unterholz laufen. Marc bewaffnete sich mit einem Stein, David ging stur weiter.

Als sie schließlich die aufgeschlagenen Zelte vor der Berghütte erblickten, fielen sie sich johlend in die Arme. Die erste Etappe war geschafft.

Die Lage der korsischen Kapellen in den Bergen ist oft be

zaubernd schön und kühn. Sie liegen eigentlich schon im

Himmel: Öffnet man die Türen, können Wolken wie Engel

hineintreten.

nach Ferdinand Gregorovius

I. ENTDECKUNG

S ie hatten bereits zwei weitere Etappen hinter sich, als sie in eine verlassene Siedlung kamen, auf ihrer Karte bloß ein roter Fleck ohne Namen. Sie lag oberhalb eines Baches, inmitten alter Kastanienhaine. Viele Gebäude waren bereits verfallen, nur eine kleine Kapelle schien unbeschädigt zu sein. Sie wurde von einer schweren Tür verschlossen, in die die Losung sempre fidati gekerbt war.1

Die Entbehrungen der letzten Tage hatten Marc berauscht. Der Schauplatz, der aus der Zeit gefallen schien, regte seine Fantasie unmittelbar an. Er fragte sich, ob der Ort je von Touristen betreten worden war. Immerhin hatten sie an diesem Tag einen weit abseits liegenden Weg gewählt, auf dem ihnen bloß einige Ziegen begegnet waren. Sicher schien, dass die Grundstücke seit Jahrzehnten brach lagen. Hitze, Kälte, Wasser und Wind nagten unaufhörlich an Mauern und Dächern; Pflanzen eroberten sich ihr Terrain zurück. Nur für den Erhalt der Kapelle wurde offenbar gesorgt.

Die Brüder entschieden sich dazu, im Schatten einer Hauswand zu rasten. Nachdem sie etwas gegessen hatten, erkundeten sie den Ort genauer. Marc fotografierte die Gebäude mit einer Digitalkamera.

"Warum die Siedlung wohl aufgegeben wurde?", fragte Marc.

David dachte nach. Marc bewunderte den Scharfsinn seines älteren Bruders, dessen entschiedene Verneinung alles Irrationalen fasste er hingegen als Starrsinn auf. In dieser Hinsicht waren sie einander ungleich.