Die Jagd nach dem verborgenen Leuchter - Monika Tworuschka - E-Book

Die Jagd nach dem verborgenen Leuchter E-Book

Monika Tworuschka

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Beschreibung

Die Jagd nach dem verborgenen Leuchter Eine Fantasy-Geschichte gegen Antisemitismus für Jugendliche ab 12 Jahren Dabei sollte es nur ein entspanntes Wochenende für die Freunde werden! Doch dann verwandeln unheimliche Ereignisse ihr Leben in einen Albtraum. Ein geheimnisvoller Rabbi beauftragt sie mit einer gefährlichen Mission: Der Jagd nach einem geraubten Chanukka- Leuchter, bewacht von Dämonen auf einem unheimlichen Berg. Ihnen bleibt keine andere Wahl, als den Aufstieg zu wagen... Unterwegs erfahren sie Wichtiges über jüdische Geschichte und Religion. Aber die Zeit ist knapp, und überall lauern Gefahren. Finden sie den Leuchter, bevor ihre Frist abgelaufen ist?

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Inhalt

Vor sehr langer Zeit

Kapitel 1: Das Schulprojekt

Kapitel 2: Samstagmorgen

Wer erfüllt die Mission?

Kapitel 3: Treffen bei Jana

Kapitel 4: Der geheimnisvolle Rabbi

Kapitel 5: Der verwandelte Garten

Kapitel 6: Die Ausrüstung

Kapitel 7: Der Beginn des Aufstiegs

Kapitel 8: Der Fluss der Gefahren

Kapitel 9: Die geheimnisvolle Höhle

Kapitel 10: Eine unheimliche Begegnung

Kapitel 11: Eine fantastische Melodie

Kapitel 12: In luftigen Höhen

Kapitel 13: Die Wolfsschlucht

Kapitel 14 In der Judengasse

Kapitel 15: Raubvögel

Kapitel 16: Dämonen der Finsternis

Kapitel 17: Windböen

Kapitel 18: Im Auge des Sturms

Kapitel 19: In der Drachenhöhle

Kapitel 20: Im blühenden Garten

Kapitel 21: Michaela in der Falle

Kapitel 22: Mission beendet?

Kapitel 23: Wissen bedeutet Macht

Kapitel 24: Im Schatten der Festung

Kapitel 25: Nebel des Grauens

Kapitel 26: Purim

Kapitel 27: Verloren in der Festung

Kapitel 28: Der Leuchter

Kapitel 29: Die Rückkehr

Kapitel 30: Wieder zu Hause

Glossar

Vor sehr langer Zeit

Die vertrauten Gassen sind ihm fremd und unheimlich geworden. Obwohl ihn nur noch wenige Meter von seinem Ziel trennen, wächst seine Angst unaufhörlich. Zu viel Schreckliches hat er in den letzten Tagen erlebt.

In seinen Ohren gellen die Schreie gequälter und verfolgter Menschen. Immer wieder vernimmt er das Geklapper von Hufen, das Klirren der Waffen, das Gegröle des aufgebrachten Pöbels, der ihn und seine Glaubensgeschwister unbarmherzig verfolgt. In den Gassen drängen sich wild gestikulierende Menschenhorden. Steine fliegen. Direkt hinter ihm bricht sein bester Freund tödlich getroffen zusammen.

Er rennt wie die anderen auch durch die engen Gassen, um den Verfolgern zu entrinnen. Die ihm anvertraute Kostbarkeit lässt er nicht für einen Augenblick aus den Augen. Heute muss er seine Mission erfüllen, das wertvolle Kleinod in Sicherheit bringen. Sonst würde noch mehr Unheil geschehen.

Immer wieder holt das Feuer die Fliehenden ein, die sich schließlich zum Fluss wenden. Überall versperren Flammen die Fluchtwege. Die Brücken sind berstend voll. Er kann sich mit einem kleinen Boot vorübergehend in Sicherheit bringen. Doch gebannt ist die Gefahr damit nicht.

Bald müsste er die Synagoge erreicht haben. Nach der Legende sollen Engel zu ihrem Bau Steine vom Jerusalemer Tempel herbei-getragen haben. Das macht sie zu einem sicheren Ort der Zuflucht.

Schwer atmend bleibt er stehen. Waren da nicht Schritte? Er hätte schwören können, dass ihn jemand verfolgt. Er lauscht in die Finsternis. Hat er sich geirrt? In der Dunkelheit kann er niemanden erkennen. Nur ein Windhauch ist zu spüren. Hört er nicht ein leises Räuspern, den Hauch eines Atems? Fieberhaft sucht er in der Tasche nach seiner Waffe. Vorsichtig will er sich umdrehen. Ein Luftzug streift ihn.

Dann verspürt er einen dumpfen Schlag gegen seine Stirn. Er taumelt, stürzt. Im Fallen erkennt er noch, wie der Angreifer einen Dolch aus seinem Umhang zieht.

Sein letzter Gedanke gilt dem heiligen Schatz. Und dem sicheren Ort, wohin er ihn bringen will.

Ungefähr 700 Jahre später

Kapitel 1: Das Schulprojekt

„Ich weiß, dass ihr alle mit euren Gedanken schon im Wochenende seid.“ Dr. Funke klopft energisch auf das Pult. „Aber trotzdem bitte ich um eure Aufmerksamkeit. Gerade weil ihr wegen des Feiertages mehrere Tage frei habt, müssen wir vorher die Projektgruppen aufteilen.“ Er blickt fragend in die Runde. „Einige Gruppen und Themen stehen bereits fest. Uns fehlen aber noch Freiwillige zu jüdischer Religion und Geschichte.“

Daniel verdreht genervt die Augen. Eigentlich wollte er die freien Tagen am Computer verbringen. „Ausgerechnet Judentum. Wen interessiert das schon?“, murmelt er. Tim hat ebenfalls das Wochenende schon verplant. Er hat seinem Vater versprochen zu helfen, weil er gerade besonders viele Aufträge hereinbekommen hat. Sein Vater ist Landschaftsgärtner und hat einem großen Betrieb.

„Also?“ Dr. Funke räuspert sich. „Jana, Sarah, Michaela, ich bin mir sicher, dass ihr euch mit dem Thema schon einmal beschäftigt habt, oder?“

„Stimmt“, bestätigt Sarah. „Am besten kommen wir zu dir Jana, oder?“ Jana nickt. „Wir können uns bei mir zu Hause treffen, bei schönem Wetter im Garten.“ Janas Eltern würden vermutlich erlauben, dass die Freunde bei ihrer Tochter übernachten, obwohl sie erst spät in der Nacht vom Kongress zurückkommen. Sie kennen Janas Freunde fast alle und wissen, dass ihre Tochter die Situation nicht ausnützen würde.

Michaela hat ein Problem. Ihre Mutter will am Wochenende die Oma besuchen. Da soll sie mitkommen. Außerdem hat sie im letzten Augenblick Konzertkarten für Maja Taube mit ihrer Jazzharfe ergattert. Aber das hätten ihre Eltern

bestimmt nicht erlaubt. Dafür war die letzte Mathearbeit zu schlecht ausgefallen. Michaela findet das unfair; denn die bekannte Musikerin kommt schließlich nicht alle Tage in ihre Stadt.

„Wie sieht es mit dir aus, Jens?“, erkundigt sich Dr. Funke. „Und wenn sich Tim und Daniel entschließen könnten, fände ich das geradezu perfekt.“ Jana ist sich nicht sicher, ob er das ironisch meint.

Jens schreckt hoch. Glücklicherweise finden am Wochenende keine Handballspiele statt. Da hätte er nicht gut fehlenkönnen. Aber planen seine Eltern und die große Schwester nicht einen Ausflug?

Das Projekttreffen bei Jana ist wichtiger. Denn Sarah würde auch kommen. Und die ist ihm seit ein paar Wochen alles andere als gleichgültig. Eigentlich hat er sich fest vorgenommen, sich von ihr fernzuhalten. Aus Angst, knallrot zu werden und dummes Zeug zu stammeln. Aber jetzt würde er sie bei der Projektarbeit treffen und da kann er ihr nicht aus dem Weg gehen. „Ja, ich bin dabei!“, erklärt er sich bereit.

Tim wird rot. Er weiß, dass die Projektarbeiten anstehen. Aber gerade für dieses Wochenende hat er seinem Vater zugesagt zu helfen. Seine Freunde will er aber auch nicht im Stich lassen. „Tim, wir haben nicht ewig Zeit!“, drängt Dr. Funke.

„Na gut.“ Tim nickt. Das war Mist. Er ist gern bei Jana mit dem tollen Haus, das ihr Architekten-Vater selbst entworfen hat. Den fantastischen Garten hat sein Vater gestaltet. Darauf ist er besonders stolz. Hier verbringt er gern viele Stunden. Tims Vater hat vorwiegend einheimische Wildpflanzen verwendet. So war ein Naturgarten mit buntem Eigenleben entstanden, in dem sich Insekten, Pflanzen und Vögel entfalten konnten. Dadurch hatte sich eine erstaunliche Farbenpracht entwickelt, und man konnte Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge, Zitronenfalter und Taubenschwänzchen bewundern. In den Sträuchern und Hecken findet auch eine bunte Vogelvielfalt Nahrung und Nistplätze: Neben Feldsperling und Amseln zwitschern Blaumeisen, Kohlmeisen, Buntspechte, Kleiber und Grünfink. Aber wie würde er seinem Vater erklären, dass er weg musste?

Die Schulglocke klingelt. In das Stühlerücken und Drängeln der Schülerinnen und Schüler ruft der Lehrer: „Moment mal, Daniel. Dieses Mal drückst du dich nicht! Ich verlasse mich darauf, dass du auch mitmachst.“ Daniel zieht eine Grimasse.

Jana verzieht das Gesicht. Mit Typen wie Daniel würden sie vermutlich nicht ernsthaft genug arbeiten. Und Tim träumt oft und interessiert sich eigentlich nur für Pflanzen. Jana ist es wichtig, durch die Projektarbeit ihre Note zu verbessern. Sie ist sehr ehrgeizig. Im Gegensatz zu den anderen denkt sie jetzt schon an das Abi in ein paar Jahren und wo und was sie studieren möchte.

Ihr graut davor, den ganzen Nachmittag herumzualbern und zu wenig zu schaffen. Aber das darf sie nicht zeigen; denn viele halten sie sowieso für eine Streberin.

Kapitel 2: Samstragmorgen

Energisch klopft Frau Schneider an Daniels Zimmertür. Kurz drückt sie die Klinke herunter. Vergeblich. Ihr Sohn hat vorgesorgt. „Heute kommst du bitte pünktlich zum Frühstück“, ruft sie. „Du weißt, dass Papa Wert darauflegt, wenigstens am Wochenende zusammen zu frühstücken.“ Daniel dreht sich genervt im Bett um. Das frühe Aufstehen stört ihn weniger. Aber auf das gemeinsame Frühstück kann er gut verzichten. Er weiß jetzt schon, wie es ablaufen wird: unangenehme Fragen über die Schule und wohlwollende, aber unerwünschte Vorschläge für den Umgang mit seinen Freunden.

„Nun komm schon! Warum geht die Tür nicht auf?“ Das Klopfen wird heftiger. Gut, dass Daniel das Schuhregal unter die Klinke geschoben hat. Nun ist er vor bösen Überraschungen sicher. „Mir ist nicht gut, vielleicht später.“ Aufatmend hört er, wie sich die Schritte entfernen. Dass ihm schlecht ist, stimmt natürlich nicht. Wie jeden Freitag war er am Vorabend in die Küche geschlichen und hatte sich mit nötigem Proviant für zwei Tage eingedeckt. Außerdem hat er jede Menge Chips und Cola gekauft, war also für ein entspanntes Wochenende gut versorgt.

Einen Moment später sitzt er am Rechner. Und genießt es, in virtuelle Welten einzutauchen. In den vergangenen Monaten ist er immer geschickter geworden und hat in seinem Spielen Level um Level erklommen. In seinen besten Momenten verschmilzt er mit seinen Helden. An das Projekttreffen denkt er erstmal gar nicht.

Die Sommersonne wirft ihre ersten Strahlen auf die Stadt. Die zartgrün gefärbten Blätter der Bäume rund um den Friedhof und die bunt schillernden Fenster der St. Gertrud Kirche verbinden sich mit dem Rot des Sonnenlichts. Es ist noch früh am Samstagmorgen, gerade einmal sieben Uhr, als Sarah die Tür hinter sich schließt und zu ihrem morgendlichen Lauf aufbricht. Ganz zaghaft erwacht die Stadt zum Leben.

Sarah liebt die frühen Morgenstunden. Ihre Joggingstrecke führt sie von ihrem Wohnhaus durch den Park und etwas später an der Kirche und dann an der Einkaufsstraße vorbei wieder nach Hause.

Entspannt trabt Sarah durch den Vorgarten, während ihr die taufeuchten, kalten Grashalme gegen die Beine schlagen. Regelmäßig eine bestimmte Strecke zu laufen, gehört zu dem Programm, das sie für sich selbst entwickelt hat. In ein paar Jahren möchte sie die Aufnahmeprüfung für die Sporthochschule schaffen.

Etwa zur gleichen Zeit bindet Jens sich die Schuhe zu. Er will die Hundeleine nehmen, als er die Spinne sieht. Sie ist schwarz, groß und klettert aus dem Korb mit dem Hundezubehör. Jens versetzt dem Korb einen Tritt, doch die Spinne krabbelt ungerührt auf ihn zu. Jens ist froh, dass niemand in seiner Klasse weiß, wie sehr er sich vor Spinnen ekelt. Das wäre ihm sehr peinlich, insbesondere vor Sarah, die er toll findet und die ihn nicht für ein Weichei halten soll. Eigentlich müsste er ein Tuch holen und die Spinne nach draußen befördern. Aber dazu kann er sich nicht überwinden. Stattdessen läuft er in sein Zimmer und holt eine andere Leine.

Wie jeden Samstag will er eine lange Runde mit Bandit drehen. Später will er dann noch ein paar Notizen für das Projekt machen. Das würde er zeitlich locker schaffen.

Jana hat vorgeschlagen, dass sie alle über Nacht bleiben sollten. Eigentlich ist das super; denn Sarah würde bestimmt auch übernachten. Und sie würden ja nicht nur arbeiten, vielleicht eine DVD gucken und Chips essen und, ja, er freute sich schon auf das leckere Essen.

In diesem Augenblick vibriert Sarahs Smartphone. Stirnrunzelnd schaut sie auf das Display. Jana, na klar. Nach kurzem Zögern bleibt sie stehen und lauscht der Stimme des Anrufers.

Nein, sie hatte das vereinbarte Treffen natürlich nicht vergessen. Sie hatten lange über einen Termin diskutiert, der allen passt. Und wenn Sarah ehrlich ist, so hat sie fast jeden Tag irgendeinen Termin. Da muss man aus Fairnessgründen auch einmal auf Sport verzichten, auch wenn es schwerfällt.

In Gedanken stellt sie schon mal einen Salat zusammen, den sie mitbringen will. Und einen Kuchen möchte sie auch backen. Ach, ja und einmal kurz in die Notizen über Judentum zu gucken, wäre auch nicht verkehrt. Schließlich haben sie vereinbart, dass sich jeder vorab informiert.

Doch das ist leichter gesagt als getan. Sie hat ihrer jüngeren Schwester versprochen, noch einmal die Voltigier-Kür für das Doppel beim nächsten Turnier zu verbessern. Ganz zu schweigen davon, dass sie ihre Bruder zur Judo-Gürtelprüfung begleiten will und mit ihrer großen Schwester shoppen gehen. Und die Zutaten für Kuchen und Salat muss sie auch noch besorgen. Wieder einmal ist der Tag zu kurz!

In diesem Augenblick sieht sie Jens mit seinem Hund vorbeilaufen. Fröhlich winkt sie ihm zu. Sarah lächelt, als sie weiterläuft. Jana ist eine ihrer besten Freundinnen. Aber manchmal nimmt sie die Schule für ihren Geschmack etwas zu wichtig. Trotzdem freut sie sich auf den Nachmittag und Abend; denn sie ist sich sicher: neben der ganzen Büffelei würden sie auch jede Menge Spaß haben.

Als Daniel eine kurze Pause am Computer macht, um einen Chipstüte zu öffnen und einen Schluck zu trinken, zeigt ein Geräusch auf dem Smartphone den Eingang einer Nachricht an. Hätte er es sich doch denken können, dass Jens ihn an das Projekttreffen erinnern würde! Statt die ganze Zeit zu spielen, würde er sich nun wohl oder übel einige Infos zum Judentum aus dem Netz ziehen.

Wieder wird seine Türklinke vorsichtig heruntergedrückt. „Geht es dir besser? Kommst du noch?“, erkundigt sich seine Mutter. „Nein, ja doch“, antwortet Daniel.

In diesem Moment klingelt es an der Haustür. Daniel hört, wie seine Mutter mit jemandem spricht. Als sie wieder vor seiner Zimmertür steht, klingt sie enttäuscht: „Das war Sarah. Ihr trefft euch noch für die Projektarbeit. Ich soll dich erinnern.“ „Ja. Aus dem Frühstück wird leider nichts!“, ruft Daniel. „Das wird ein ödes Wochenende!“, seufzt er.

Doch da irrt er sich gewaltig!

Wer erfüllt die Mission?

Irgendjemand hat ihn in diesen düsteren feuchten Kerker geworfen. Der Boden ist mit großen schimmernden Pfützen bedeckt. Die Luft riecht nach Schimmel und Verfall. Eine Ratte kauert auf den Überresten eines Körpers, der einem Tier oder einem früheren Gefangenen gehört. Spinnen und andere Insekten krabbeln über sein Gesicht. Er kann sie nicht abwehren, weil seine Hände gefesselt sind. Als seine Augen sich endlich an die Beleuchtung gewöhnt haben, beobachtet er mit Grauen, dass der Raum mit Knochen gefüllt ist. Er kann den Gestank kaum ertragen. Ganz oben an der Kerkerwand befindet sich ein winziges Fenster

Er greift neben sich, sucht lange auf dem Boden. Nichts. Der ihm anvertraute heilige Schatz ist verschwunden: das wertvolle Kleinod, dessen bloße Existenz Sicherheit und Leben seiner Glaubensschwestern und -brüder immer garantiert hatte!

Fieberhaft überlegt er, wieviel Zeit vergangen ist. Stunden, Tage, Wochen, Monate … vielleicht sogar Jahre?

Plötzlich fällt ihm etwas Seltsames auf. Aus dem Boden ragt der Schaft eines Dolches. War der vorher schon da? Vorsichtig beginnt er, seine Fesseln zu durchschneiden.

Endlich öffnet sich die Tür des Kerkers. Eine dunkle Gestalt bewegt sich auf ihn zu. Hoffentlich hat sie nicht bemerkt, dass er seine Fesseln lösen konnte. Er richtet sich auf, blitzschnell, und schleudert den Eindringling zu Boden.

Dann rennt er in den langen von Fackeln beleuchteten Gang, der sich in der Dunkelheit verliert. Mit Glück würde er ins Freie führen. Aber seine Mission bleibt verloren!

Es sei denn…

Es sei denn, er würde jemanden finden, der den alten Auftrag vollendet. Aber ist das nach so langer Zeit noch möglich?

Kapitel 3: Treffen bei Jana

Jens ist gut gelaunt aufgestanden. Ihm fällt ein, dass er noch Getränke kaufen muss. Sie haben vereinbart, dass das die Aufgabe der Jungen ist

Auch Tim ist schon am frühen Morgen an diesem Spätsommertages auf. Er gießt die Pflanzenkübel und lauscht dabei den Stimmen der Vögel. Tim hilft gern, nicht nur um sein Taschengeld aufzubessern. Er interessiert sich für Pflanzen und ist gern an der frischen Luft. Enge Räume machen ihm Angst. Daher ist ihm schon heute klar, dass er später einen Beruf ausüben will, bei dem er viel draußen ist.

Gerade hatte er mit seinem Vater gesprochen. Der hatte zwar Verständnis gezeigt. Aber man merkte auch, dass er mit Tims Hilfe gerechnet hatte. Sie hatten sich zu einem Kompromiss durchgerungen. Tim würde zwar am Nachmittag für ein paar Stunden zu Jana kommen, aber die Übernachtung hatte Tim schweren Herzens abgesagt.

Michaela hat ihren Eltern noch nichts von der geplanten Übernachtung bei Jana gesagt. Sie ist in einer Zwickmühle. Eigentlich will sie wegen des Konzerts gar nicht übernachten. Aber sie kann sich nicht frei zwischen Projekt und Musik entscheiden, da ihre Eltern immer der Schule den Vorrang geben. Das mit dem Konzert war echt schade!

Michaela findet es manchmal schwer, es allen recht zu machen. Ihre Eltern wollen, dass sie eine hilfsbereite Tochter und eine fleißige Schülerin ist. Sie selbst hatten keine höhere Schule besucht. Deshalb sollte Michaela Abitur machen, damit ihr später alle Möglichkeiten offenstehen würden. Doch Michaela fällt die Schule nicht besonders leicht. Eigentlich interessierte sie sich nur für Musik. Das war für Michaelas Eltern aber nur ein geduldetes Hobby, keinesfalls ein Beruf.

Daniel schiebt missmutig sein Fahrrad aus der Garage. Es ist ihm schwergefallen, sein Zimmer mit dem Computer zu verlassen. Aber wenigstens entkommt er auf diese Weise den Wochenendplänen seines Vaters.

Jana überlegt. Es würde sich schwierig gestalten, einen Kompromiss zwischen Arbeit und entspanntem Abhängen zu finden. Sie selbst fand das Projekt sehr wichtig und hatte sich auch schon ziemlich gut vorbereitet. Bei den anderen war sie da nicht so sicher.

Außerdem fürchtete Jana, dass sie als Gastgeberin vermitteln musste. Tim als Naturliebhaber fand den Computerfreak Daniel etwas schräg. Da gab es öfters mal Stress. Tim kritisierte die häufigen weiten Flugreisen der Familie Schneider als umweltschädlich.

Jana war auch klar, dass Jens sich für Sarah interessierte, obwohl Sarah ihm bis jetzt wenig Beachtung geschenkt hatte.

In diesem Moment klingelt das Telefon. Jana kann ihre Mutter kaum verstehen. Der Empfang ist sehr schlecht. Nur so viel: Der Flug ihrer Eltern ist wegen eines technischen Defekts um mehrere Stunden verschoben worden. Sie würden statt heute Abend erst im Lauf des nächsten Tages eintreffen. Das machte nichts. Dann hatten sie „sturmfrei!“

Kapitel 4: Der geheimnisvolle Rabbi

Der Nachmittag war cool gewesen. Die Freunde hatten Würstchen und Gemüse gegrillt, Teller mit Salat verdrückt, Unmengen Cola und Limo getrunken, gechillt. Doch was Jana befürchtet hatte, war eingetreten! Statt gemeinsam ihre Projektarbeit vorzubereiten, hatte jeder eine andere Beschäftigung gesucht. Jens hatte Sarahs Labrador Bonnie immer wieder Bälle zugeworfen. Sarah hatte Beeren gepflückt, während Michaela Daniel ein Musikvideo auf dem Smartphone gezeigt hatte. Der war aber so in sein Spiel vertieft, dass er kaum hingeschaut hatte.

Lust zu arbeiten hatte auch später keiner. Jetzt am Abend können sie sich ebenfalls nur schwer aufraffen, mit der Projektarbeit zu beginnen, obwohl alle außer Tim übernachten wollen.

Als Michaela und Sarah zu diskutieren beginnen, ob sie vor dem Einschlafen eine DVD gucken oder Musik hören wollen, spricht Jana ein Machtwort: „So geht das nicht. Bevor hier jeder wieder seins macht“, beginnt sie entschieden, „stellt jeder seine Notizen für das Projekt zusammen. Tim, du machst das dann nachher bitte noch zu Hause.“

Als Jana ihre Unterlagen holen will, sieht sie auf dem Nachtisch ein in Leder gebundenes Buch, das sie noch nie gesehen hat. Neugierig nimmt sie es in die Hand, schlägt es auf. „Schaut mal, was ich gefunden habe“, ruft sie. Daniel, der gerade eine Tüte Chips öffnet, schaut auf. Jens, Tim und Michi drehen sich ebenfalls um. Jana blättert ein paar Seiten um, bis sie ein Bild sieht. Sarah beugt sich neugierig vor. Auf dem Bild ist ein prächtiger, alter Leuchter abgebildet, der geheimnisvoll aussieht. Doch als Jana ihn vorsichtig mit dem Zeigefinger berührt, verschwindet er vor ihren Augen. Und sie hört eine kaum vernehmbare Stimme. An der Stelle, wo eben noch der Leuchter zu sehen war, taucht ein alter Mann auf. Jana hat das Gefühl, gar nicht mehr in ihrem Zimmer zu sein, sondern an einem unbekannten, fernen, unwirklichen Ort. Die Möbel sind verschwunden. Der Rest des Zimmers ist in diffuses Licht getaucht. Jana weiß nicht mehr, ob sie wach ist oder träumt.

„Könnt ihr den Mann auch sehen?“ Sie schaut sich fragend zu ihren Freunden um. Daniel lacht unsicher. Keiner antwortet. Der Mann beginnt zu sprechen:

„Ich bin Rabbi Karol Löw aus Prag. Dort wohnten zu meiner Zeit viele jüdische Menschen. Dieser alte Chanukka-Leuchter, den du eben gesehen hast, stand in der Synagoge. Alle Menschen in unserer Gemeinde waren überzeugt: Solange beim Chanukka-Fest die acht Kerzen brennen, geschähe niemandem in unserer Stadt ein Leid.